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Full text of "Deutsche kunst und dekoration"

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PURCHASED  FOR  THE 

L/NIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 

FROM  THE 

C  AN  ADA  COUNCIL  SPECIAL  GRANT 

FOR 

HISTORI  OF  iKC 


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DEUTSCHE  KUNST 
UND  DEKORATION 


ILLUSTRIERTE  MONATSHEFTE 

FÜR  MODERNE  MALEREI 
PLASTIK  •  ARCHITEKTUR 
WOHNUNGS-KUNST  UND 
KÜNSTLERISCHE  FRAUEN- 
ARBEITEN 


MLEXW^iaEIBKOCHl 


DARMSTADT 

VERLAGSANSTALT  ALEXANDER  KOCH 


^  1^  ^ts)Ldu 


DEUTSCHE  KUNST 
UND  DEKORATION 


HERAUSGEGEBEN    UND  REDIGIERT 

VON 

HOFRAT  ALEXANDER   KOCH 


BAND  XXIV 

APRIL   1909 -SEPTEMBER   1909. 


'x'd^^R 


ALLE   RECHTE    VORBEHALTEN. 


JOH.  CONR.  HERBERT'sCHE    HOFBUCHDRUCKEREI    NACHF.  DR.  ADOLF    KOCH,    DARMSTADT. 


/ 


LUDWIG  V.  HOFMANN. 

GEMÄLDE:    •SOMMERWIESE«. 


l'KOKRSSOR    I.UDWMO  V.   HOFMANN. 


iSchwäriiiende   Miinaden 


LUDWIG  V.  HOFMANN-WEIMAR. 


^eit  hundert  Jahren  gelien  in  der  deutschen 
1^  Malerei  zwei  Haujitströmungen  neben- 
einander her:  das  Streben  nach  Wahrheit  und 
die  Sehnsucht  nach  einer  fernen  Schönheits- 
welt. Bis  zum  Knde  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts kennt  die  deutsche  Kunst  solche 
Scheidungen  nicht.  Die  solide  Tradition  des 
l'arbenhandwerks  Ijestimmtc  damals  in  gleicher 
Weise  die  .\rbeit  aller  derer,  die  sich  ihm 
widmen;  Phantasie  und  Wirklichkeit  fließen 
in  der  Zopf-  und  Rokoko-Epoche  ohne  feste 
Clrenzen  durcheinander.  .\ber  in  dem  Augen- 
blick, da  der  Klassizismus  auftritt,  trennen 
sich  die  Wege.  Und  während  die  Einen 
ehrlichen  Sinnes  die  Überlieferung  fortführen 
und  auf  eine  Bereicherung  und  Verfeinerung 
der  malerischen  Mittel  zur  Wiedergabe  der 
Xatur  hinarbeiten,  suchen  die  Andern  auf 
direktem  Wege  in  eine  Kunstwelt  zu  gelangen, 
die  eine  unwirkliche,  dem  Alltag  entrückte, 
gesteigerte  Existenz  zum  Inhalt  hat.  Neben- 
einander stehen  zu  Beginn  des  neunzehnten 
Jahrhunderts  dort  die  redlichen  Meister  in 
.München,  Berlin,  Wien,  Hamburg,  die  erst 
die  Jahrhundert-.-\usstellung  aus  langer  Ver- 
gessenheit wieder  lebendig  machte ;  hier  die 
.Meister  des  Cartonstils,  die,  den  wiederauf- 
genommenen oder  vermeintlichen  Lehren  des 
Altertums  folgend,  aus  dem  Leben  der  Gegen- 


wart und  der  modernen  Umgebung  in  ein 
neues  (Iriechenland  oder  in  verkhmgene 
romantische  Epochen  flüchteten.  Von  vorn- 
herein drückt  sich  diese  Trennung  technisch 
genommen  darin  aus,  daß  die  Realisten  ihre 
Arbeit  mehr  der  Farbe  und  dem  Studium 
des  Lichts,  die  Phantasten  mehr  di^r  Linie 
und  dem  Studium  der  Form  widmen.  Und 
geographisch  genommen  ist  der  Kontrast 
dadurch  erkennbar,  daß  jene  im  deutschen 
Lande  bleiben,  wahrend  die  andern  ihre  wahre 
Heimat  in  der  ewigen  Stadt  Rom  erblicken. 
.Vuch  in  Rom  selbst  platzten  die  Gegensätze 
gelegentlich  aufeinander,  wenn  etwa  der 
Berliner  Martin  Rohdcn  den  Wasserfall  von 
Tivoli  wie  ein  rechter  Vorläufer  des  modernen 
Imjjressionismus  malte,  ganz  auf  Licht  und 
Luft  und  Ton  und  Farbenspiel  hin,  während 
zu  gleicher  Zeit  Joseph  Anton  Koch  Motive 
derselben  Art  zu  heroischen  Landschaften  ver- 
arbeitete, die  völlig  auf  Raumwirkung  auf- 
gebaut waren.  In  den  fünfziger  Jahren  stehen 
in  ähnlicher  Weise  Menzels  und  Böcklins 
Anfänge  einander  gegenüber.  Ums  Jahr  1  870 
sehen  wir  dort  die  deutschen  Künstler  am 
Werke,  die  den  Fontainebleauern  und  Courbet 
folgen  —  Leibls  Name  ragt  hoch  aus  ihnen 
hervor  — ;  hier  müht  sich  .Marees  zur  selben 
Zeit    um    eine  ideale  Monumentalmalerei,  die 


IKOU.  VII.    i. 


Dr.  Max  Oshoni-Bcriiu . 


LUDWIG  V.  HOFMANN      WEIMAR. 


ihre  Wirkung  in  dem  Spiel  von  Linien  und 
Umrissen  sehen  will,  zu  dem  die  Farbe  erst 
als  ein  neues  Element  herangeholt  wird. 
Und  bis  in  unsere  Gegenwart  geht  das  Auf 
und  Ab  dieser  großen  Wage.  Die  Kunst 
der  französischen  Impressionisten  hat  eine 
bedeutsame  Gefolgschaft  gefunden;  aber 
daneben  bleibt  das  römische  Ideal  bestehen, 
dem  um  1900  ebenso  wie  um  1800  junge 
deutsche  Künstler  nachstreben. 

Ludwig  von  Hofmann  hat  von  Beginn 
seiner  Laufbahn  an  eine  eigentümliche  Stellung 
zwischen  (hesen  beiden  Gruppen  eingenommen. 
Ein  leidenschaftlicher  Priester  der  Farbe,  hat 
er  sich  unter  Ferdinand  Keller  in  Karlsruhe 
und  bei  einem  längeren  Studienaufenthalt  in 
Paris  zu  einem  Führer  im  malerischen  Neu- 
land entwickelt,  der  mit  einer  Kühnheit  wie 
kein  anderer  ungewohnte  und  bis  dahin 
kaum  beobachtete  Lichtbrechungen  wieder- 
zugeben und  rauschende  koloristische  Sym- 
phonien zu  beschwören  wagte.  Aber  zugleich 
zog  ihn  die  romantische  Phantasiewelt  an, 
die  Böcklin  geschaffen  und  die  nach  seinem 
Vorbild  Max  Klinger  aufgesucht  hatte.  Und 
ganz  folgerecht  wanderte  dann  Hofmann  selbst 


Brandung« 


nach  Rom  hinunter,  um  nicht  nur  die  hellere 
Sonne  Italiens  für  seine  leuchtende  Malerei 
zu  verwerten,  sondern  um  auch  die  großen 
Formen  der  südlichen  Natur  sich  zu  elften 
zu  machen  und  sich  mit  den  zeitlosen 
Stimmungen  zu  erfüllen,  die  dort  unten  aus 
dem  Anblick  der  alten  Kunst  und  den  heran- 
drängenden historischen  Erinnerungen  auf- 
steigen und  den  Fremden  emportragen.  Als 
zu  Anfang  der  neunziger  Jahre  in  Berlin  die 
revolutionär  gesinnte  Gruppe  der  »XI«  auf- 
trat, war  Hofmann  unter  den  Umstürzlern, 
die  sonst  durchweg  dem  naturalistischen 
Credo  anhingen.  Seine  Doppelstellung  kenn- 
zeichnete sich  dadurch,  daß  er  auf  der  einen 
Seite  seinen  andersgläubigen  Genossen  malerisch 
die  fruchtbarsten  Anregungen  gab  —  vor  allem 
hat  er  auf  Leistikow,  wie  dieser  immer  wieder 
dankbar  anerkannt  hat,  großen  Einfluß  aus- 
geübt — ,  zugleich  aber  ihnen  allen  gegen- 
über als  der  Vertreter  einer  aufs  Phantastische 
und  Dekorative  gerichteten  Kunstübung  allein 
blieb.  Mit  den  Mitteln  der  jüngsten  Kunst- 
entwicklung erschloß  er  sich  die  verheißende 
Schönheitswelt,  die  Marees  nur  von  fern  sah  ohne 
sie  zu  erreichen,  wie  Moses  das  gelobte  Land. 


/.tKiwio  7'.  Hnhuaiiu. 


LUDWIG  V.  HOFMANN -^\'E1MAR. 


Seine  malerische  Art  hatte  Zusammenhänge 
mit  Monet.  mitDe(;as  und  anderen  französischen 
Meistern;  die  'l'hemata  seiner  Hilder  waren 
Szenen,  Gestalten  und  Landschaften  aus 
einer  hernisch-bukolischen  Gegend,  die  aut 
diesem  Planeten  nirgends  zw  finden  ist.  Er 
erscl'.ien  als  ein  Erforscher  komjili/.ierter 
Licht-  und  Farbenprobleme,  und  war  doch 
ein  Poet,  der  sich  das  Gesehene  zu  strahlenden 
Vi>ionen  umdirhtete.  Mit  leichter  Hand, 
der  Pinsel  und  Palette,  Ölfarbe  und  Pastell- 
stifte ohne  \Vidcrstrebi-n  gehorchen,  hat 
Hofmann  seitdem  jene  Bilder  gemalt,  die  wir 
entzückt  als  lyrische  Verklarungen  unserer 
Wirklichkeit  betrachten  und  bewundem. 
Wälder,  Täler  und  blühende  Gefilde  von 
üppiger,  blendender  Pracht  und  trunkenen 
Farben  tauchen  auf.  Zarte,  schlanke  Jüng- 
lings- und  Mädchengestalten  wandeln  darin 
umher,  baden  und  tanzen,  pflücken  Blumen 
und  Früchte  und  trinken  am  Quell  in 
paradiesischer  Nacktheit,  oder  kleiden  sich 
in  bunte  flatternde  Gewänder,  die  ein  Strahl 
der  Sonne  vergoldet.  Oder  der  Künstler 
zaubert     einen     Rausch      von      P'arben      und 


Arabesken  auf  die  Leinwand,  die  sich  seltsam 
verschlingen  und  lösen ,  und  aus  deren 
phantastischem  Gewirr  ein  Frauenkopf,  rin 
schimmernder  weißer  Körper,  eine  Blume, 
ein  Vogel  mit  märchenhaCtem  Gefieder  grüßt. 
Es  ist  eine  Kunst  der  Schönheit  und  der 
l'reude ,  die  Hofmann  uns  geschenkt  hat. 
Hellenische  Ht-iterkeit  ist  über  sie  gebreitet; 
aber  der  festliche  Kult  der  freien  Srnn^nwelt, 
der  in  ihr  getrieben  wird ,  ist  eriüllt  von 
modernen  Elementen.  Nicht  nur  die  K.irbe 
weist  darauf  hin.  Es  ist  (he  unu  iterbrochene 
vibrierende  innere  Bewegung  in  Hofmanns 
Bildern,  die  ihn  zu  einem  Sohn  der  Gegen- 
wart stempelt.  Böcklin,  Keuerbach  und  Marees 
hatten  noch  jene  klassische  Ruhe,  die  ihre 
Wurzeln  in  der  antiken  Plastik  findet;  bei 
Hofinann  ist  alles  von  wogendem  Leben  er- 
füllt, von  den  Linien  einer  fließenden,  vor- 
überziehenden, blitzartige  Farben  und  Licht- 
reflexe darbietenden  Belegung  regiert.  Darum 
bat  er  so  gern  Tänzer  und  Tänzerinnen  gemalt, 
unschuldige  junge  Mädchen,  die  einen  Reigen 
schließen,  Kinder,  die  sich  s|)ielend  im  Kreise 
ilrehen,   blühende  Jünglinge  und   Frauen,   die, 


T 


/ 


^ 


PROFESSOR    LUDWIG  V.  IIOFMANN      WKIMAR. 


I'ROFESSOR    I.UlJUlG  V.   HOFMANN      WEIMAR. 


PKci|l>MiK    LUUWIC.  V.  HoKMANN     WI-IMAK. 


PROFESSOR    LUUWIG  V.   HOFMANN      WEIMAR. 


T.H(iwi'>  :■.  Ho/»ia>ni 


PROFESSOR    LUDWIG  V.  Hi'IMANN      WF.IMAR. 

von  Sinnenlust  erfüllt,  niiteinandor  über  blühende 
Gefilde  dahinjagen,  tolle  Mänaden,  die  in  den 
bläulichen  Schatten  und  gelben  Lichtern  der 
Dämmerung  ekstatisch  schwärmen.  Die  Be- 
wegungen der  Kör])er,  die  Serpentinlinien  der 
tlatterrden  Oewänder  waren  diesem  Künstler 
slets  lockende  Motive.  In  einer  Serie  entzücken- 
der, mit  flüchtigem  Stift  hingeworfener  Pastelle 
und  Lithographien  namentlich  ist  er  ihnen 
nachgegangen,  unerschöpflich  in  immer  neuen 
Nuancen  und  Variationen  des  lieblichen  Themas. 
\'on  dem  Rausch  und  dem  lachenden 
Jubel  des  Tanzes  führt  der  Künstler  dann 
wieder  in  die  süße  Ruhe  der  Idylle.  Den 
Garten  Eden,  in  dem  eine  ewige  Sonne  gütig 
waltet,  wo  alle  Herrlichkeit  der  Schöpfung 
aufsprießt,  ohne  daß  ihr  von  dämonischen 
Mächten  des  Lebens  Zerstörung  droht,  hat 
er  mit  gutem  Grunde  oftmals  aufgesucht.  Ein 
weiter  Wiesenteppich  dehnt  sich,  dessen  (irün 
der  helle  Schimmer  des  paradiesischen  Lichts 
in  goldenes  Gelb  verwandelt ;  zur  Seite  rauscht 
das  dichte  Blätterwerk  üppiger  Bäume  und 
Sträurher,    und   unter   ihrem   Schatten   ruht   in 


])rangender  Schönheit  Eva,  die  träumerisch, 
in  erwachender  Sehnsucht,  zu  dem  Gefährten 
hinüberblirkt.  ( )der  ein  Märchengarten  blüht 
auf,  und  Gott  Vater,  angetan  mit  weitem 
Sternenmantel,  wie  ein  gütiger  Zauberer,  ermahnt 
mit  väterlichem  Zuspruch  das  erste  Menschen- 
paar. Oder  wir  sind  am  Ufer  eines  schweigen- 
den Sees,  dessen  Oberfläche  sich  leise  kräuselt ; 
ein  Jüngling  ruht  am  Boden  und  sieht  be- 
wundernd empor  zu  einem  holden  Weibe,  das 
dem  Bade  entstiegen  ist  und  nun  die  Flechten 
seines  braunen  Haares  ordnet,  während  ihr 
Blick  weit  in  die  Ferne  sehweift.  Es  ist  ein 
Bliihen  und  Duften,  etwas  Frühlinghaftes  in 
allen  diesen  Bildern,  und  es  paßt  zu  ihrer 
Stimmung  des  Werdens  und  Ahnens  in  der 
Natur,  daß  der  Künstler  sie  am  liebsten  mit 
Menschen  von  knospender  Jugend  bevölkert, 
mit  Jünglingen,  die  eben  erst  zum  .Manne  reifen, 
mit  Mädchen  von  fast  knabenhafter  Schlank- 
heit. Doch  die  antikische  Unschuld,  seiner 
Phantasie  bewahrt  Hofmann  davor,  daß  von 
diesen  Szenen  und  Gruppen  je  Wirkungen 
eines    schwülen    erotischen   Rafünements    aus- 


Lndwio  7<.  Iloliiiauii. 


I'KOFESSOK    LUDWIG  V.   HOKMANN  -WEIMAR. 


gehen.  In  elementaren  Symbolen  spiegeln 
sich  bei  ihm  die  Taumel  und  Verzückungen 
der  Leidenschaft.  Die  Brandung  des  Meeres 
schäumt  auf,  und  der  frische  Seewind  bauscht 
die  Gewänder  der  Gestalten  am  Ufer.  Panther 
schleichen  heran  und  reiben  ihre  gleißenden 
Leiber  an  der  Samthaut  nackter  Schönen. 
Zwischen  weißen  Frauenkörpern  tummeln  sich 
edle  schwarze  Pferde.  In  Kontraste  von  Farben- 
flächen, Linien  und  Bewegungen  strömt  das 
Verlangen,  das  Begehren  und  Befruchten  der 
Natur  aus. 

Der  Künstler,  dem  solche  Schöpfungen 
gelingen,  ist  wie  kein  zweiter  im  heutigen 
Deutschland  dazu  geschaffen,  festliche  Räume 
zu  schmücken,  von  ihren  Wänden  herab 
gehobene  und  gesteigerte  Stimmungen  in 
Bildern  voll  Anmut  und  kultivierten  Geschmacks 
reden  zu  lassen.  Es  hat  lange  genug  gedauert, 
bis  man  bei  uns  diesen  Beruf  Hofmanns 
erkannt  und  ausgenutzt  hat.  Jetzt  aber  wird 
er  bestürmt.  Die  Ausstellung  seiner  neuesten 
Werke  im  Kunstsalon  von  Gurlitt  in  Berlin, 
die  den  Ausgangspunkt  dieser  Betrachtung 
bildet,  und  der  die  Abbildungen  entstammen, 
die  sie  begleitet,  brachte  mannigfache  Beweise 


»Träumerei« 


dafür.  .Man  sah  dort  die  Entwürfe  Hofmanns 
für  die  Wandmalereien  im  Foyer  des  neuen 
Weimarer  Hoftheaters ,  die  zusammen  mit 
den  korrespondierenden  Gemälden  Sascha 
Schneiders  diesem  vornehmen,  sonst  ganz 
weiß  gehaltenen  Empirerauni  Littmanns  &  Heil- 
manns einen  so  prächtig  klingenden  Schmuck 
verleihen.  Die  Skizzen  sind  noch  freier 
und  frischer  als  die  ausgeführten  Bilder  selbst, 
und  man  bewundert  vor  ihnen  doppelt  den 
großen  Zug  der  Erfindung,  die  hier  die 
Freuden,  Belustigungen  und  Erregungen  der 
dramatischen  und  musikahschen  Kunst  in 
ruhenden,  tanzenden,  ekstatischen  und  feier- 
lichen Gruppen  und  Aufzügen  symbolisiert 
und  eine  rauschende  Flut  gedämpfter  Farben 
über  die  Gestalten  und  ihre  landschaftHche 
Umrahmung  ausgegossen  hat.  Man  sah  dort 
femer  neue  Wandgemälde  Hofmanns  für  den 
Musiksaal  einer  Villa  in  der  Kolonie  Grunewald 
bei  Berlin.  Vier  Friese,  die  sich  unter  der 
Decke  hinziehen  sollen,  und  die  ganz  in  die 
Architektur  des  Zimmers  hineingearbeitet 
sind,  das  an  zwei  Wänden  breite  Durchgänge 
aufweist,  deren  weite  Flachbogen  in  das 
langgezogene     Bildrechteck     hineinschneiden. 


10 


LUDWIG  V.  HOKMANN. 
.EXOTISCHER   TANZ-. 


PROFESSOR    LLHWIG  V.  HOFMANN     WKIMAR. 


jSONNKN-AUFI'.ANI-, 


1909.  VU.  2. 


Dr.  Max  Odmyu-BcrliTi  : 


l'KOHia.soK    LUUUIG  V.  HOKMANN      \\  KIMAK. 


Hier  mußten  die  Figuren  also  in  einem 
zwickelartigen  Winkel  untergebracht  werden, 
während  sie  sich  auf  den  beiden  andern 
Streifen  frei  bewegen.  Entzückend,  wie  Hof- 
mann diese  räumlichen  Bedingungen  ver- 
wertete !  Ohne  Zwang  lügen  sich  die 
Kompositionen  in  die  Bildfläche:  Jünglinge, 
die  eine  Rinderherde  über  das  Weideland 
treiben,  Frauen  und  Kinder,  die  sich  in 
idyllischem  Frieden  zusammenfinden,  lockende, 
hüllenlose  Göttinnen  der  Liebe,  die  nichts 
ausdrücken  wollen  als  das  Glück  und  die 
Beglückung  einer  Existenz  in  Schönheit. 
Weite  Täler  ziehen  den  Blick  zum  fernen 
Horizont.  Schäumend  braust  wieder  die 
Meeresflut,  und  das  arkadische  Volk  an  der 
Küste  sucht  mit  Zinndeckehi  und  Fanfare  das 
Donnern  ihrer  Wogen  zu  übertönen.  Wird 
in  dem  Saal,  für  den  dieser  kostbare  Schmuck 
bestimmt  ist,  Musik  getrieben,  so  wird  es 
sein,  als  fluteten  die  aufsteigenden  Melodien 
der  Instrumente  und  der  menschlichen  Stimmen 
von  den  Wänden  her  als  Echo  zurück. 


Weitere  Cyklen  von  Bildern  brachte  die 
Ausstellung.  So  Erinnerungen  an  die  griechische 
Reise,  die  Hofmanu  mit  Gerhart  Hauptmann 
vor  zwei  Jahren  unternahm  'deren  Tagebuch 
der  Dichter  ja  auch  soeben  herausgegeben 
hat),  leuchtende  Städtebilder,  heroische  Land- 
schaften von  großen  Formen,  eine  stolze, 
ferne,  sagenerfüllte  Welt,  in  der  sich  Reste 
aus  verklungenen  Zeitaltem  mit  den  grell 
flimmernden  Farben  des  modernen  Orients 
verbinden.  Sodann  eine  Reihe  szenischer 
Entwürfe  zu  ^Laeterlincks  »Aglavaine  und 
Selystette«-,  die  Hofmann  auf  Max  Reinhardts 
W  unsch  für  die  Aufftihrung  im  Kammerspiel- 
hause des  Deutschen  Theaters  zu  Berlin 
gefertigt  hatte.  Aber  es  ist  bezeichnend  für 
die  Eigenart  seiner  Phantasie,  daß  er  sich 
an  die  Gesetze  des  Theaters  garnicht  band. 
Die  Blätter  wurden  ihm  unter  der  Hand  zu 
märchenhaften  kleinen  Farbendichtungen,  die 
sich  durchaus  nicht  darum  kümmerten,  was 
die  Technik  der  Bühne  berücksichtigen  muß, 
so    daß    der   Regisseur   jener  Aufführung    im 


14 


Liuhvig  z:  Hof  mann. 


l'ROHiSSOR    1.1UW1G   V..   H<.1K.M.\N.N      Wl.lMAK. 


Deutschen  Theater  nur  einige  Anregungen 
daraus  entnehmen  konnte,  während  daneben 
Hufmanns  Dekorationsskizzen  nun  ihr  eigenes 
Dasein  weiterleben.  Zur  seihen  Zeit  erschien 
auf  der  Winter  Ausstellung  der  Berliner 
Sezession  der  Entwurf  Hofmanns  für  sein 
Wandgemälde  im  Senatssaal  von  Theodor 
Fischers  neuem  Universitätsgebäude  in  Jena, 
und  man  erkannte  mit  Bewunderung,  wie  der 
Meister  tanzender  Heiterkeit  auch  für  die 
gehaltene  Stimmung,  die  in  einem  Hause 
ernster  Wissenschaft  allein  am  Platze  war,  den 
rechten  Ausdruck  fand.  In  diesem  Saal  hat 
Theodor  Fischer,  schon  bevor  er  den  Fntwurf 
des  Frieses  kannte,  mit  feinem  Verständnis  für 
des  Künstlers  Art  in  der  Ausstattung  von 
Wand  und  Decke  ein  diskretes  Motiv  an- 
gebracht, in  dem  gleichsam  Hofmanns 
persönlicher  Stil  auf  die  einfachste  Formel 
reduziert  erscheint:  er  ließ  dort  über  die  farb- 
lose Reinheit  der  Stuckfläche  sanfte  Wellen- 
linien in  zartem  Relief  hinziehen,  in  denen, 
wenn  das  Werk  erst  vollendet  ist,  der  eigen- 
tümliche Rhythmus  der  Hofmannschen  Malerei 
verklingen    wird,  während    sich    die   Akkorde 


seiner  Farben  in  das  farblose  Weiß  aullüsen. 
—  Vor  einigen  Jahren  wollte  es  eine  Zeitlang 
scheinen,  als  sei  ein  Stillstand  in  Ludwig  von 
Hofmanns  Kunst  eingetreten.  Jetzt  zeigt  es 
sich ,  daß  es  nichts  war  als  gleichsam  ein 
Atemholen.  Und  mit  neuer,  beflügelter 
Schü]jfungskraft  ist  er  aus  dieser  kurzen  Periode 
des  Ausruhens  hervorgegangen,  um  uns  frei- 
gebiger als  je  zuvor  Werk  auf  Werk  zu  schenken. 


1)"-    MAX    OSBORN     HKRI.IN. 


Die  Kunst  übernimmt  nicht  mit  der  Natur, 
in  ihrer  Breite  und  Tiefe,  zu  wetteifern,  sie 
hält  sich  an  die  Oberfläche  der  natürlichen 
F.rscheinungen;  aber  sie  hat  ihre  eigene  Tiefe, 
ihre  eigene  Gewalt;  sie  fixiert  die  höchsten 
Momente  dieser  oberflächlichen  Erscheinungen, 
indem  sie  das  Gesetzliche  darin  anerkennt, 
die  Vollkommenheit  der  zweckmäßigen  Pro- 
portion, den  Gipfel  der  Schönheit,  die  Würde 
der   Bedeutung,    die   Höhe    der    Leidenschaft. 

Die  Natur  scheint  um  ihrer  selbst  willen 
zu  wirken;  der  Künstler  wirkt  als  Mensch, 
um  der  Menschen  willen.  (ioethe. 


[ 


l'ROFESSOR    LUDWIG  V.  HOFMANN      WEIMAR. 


DAS  ÄSTHETISCHE  VERHALTEN. 


Die  moderne  Ästhetik  müht  sich .  weder 
einen  bestimmten  Begrifif  des  Schönen 
aufzudecken,  noch  ist  ihr  bisher  die  Fixierung 
fester  Normen  für  die  Beurteilung  von  Kunst- 
werken gelungen;  es  ist  auch  keineswegs  wahr- 
scheinlich,  daß  ihr  dies  je  gelingen  wird. 

Wie  die  Wissenschaft  überhaupt,  so  hat 
auch  die  .\sthetik  keinerlei  Rücksicht  zu 
nehmen,  weder  auf  die  Ethik  noch  auf  Fragen, 
die  über  die  Grenze  der  menschlichen  Er- 
kenntnis innerhalb  der  allgemein  gültigen  Ge- 
setze der  Logik  hinausgreifen.  Die  Ästhetik 
beschäftigt  sich  mit  Vorgängen  des  Seelen- 
lebens, jede  psychische  Äußerung  ist  aber  an 
ein  körperliches  Gebilde  gebunden  und  durch 
dessen  Veränderungen  bedingt.  Dem  Ästhetiker 
sind  darum  sowohl  psychologische,  als  auch 
physiologische  und  damit  zusammenhängend 
naturwissenschaftliche  Probleme  gestellt. 

Das  ästhetische  Verhalten,  das  reine  Sehen 
(Hören,  wenn  wir  von  Tönen  redeten),  ist  die 
Hingabe    des    Menschen    an    einen    optischen 


Eindruck,  ohne  außerhalb  des  Prozesses  selbst 
liegenden  Zweck.  Dieser  Zustand  kann  un- 
gewollt eintreten  und  kann  beabsichtigt  werden. 

Das  ästhetische  Verhalten  ist  nicht  eine 
.Vußerung  des  Intellektes,  sondern  ein  bewußt 
aufrecht  erhaltener.  absichtUch  geförderter  Er- 
regungszustand der  Sinne. 

.Allen  Einwendungen  mißverstandener  .As- 
kese gegenüber  sei  das  schöne  Wort  Vischers 
vorgehalten:  »Niemand  nenne  sich  gebildet, 
der  nicht  gebildete  Sinne  hat.'r  Gebildete, 
das  heißt  aber  vor  allen  Dingen  geübte  Sinne. 
Das  ästhetische  Verhalten  nimmt  an  Intensität 
zu  in  dem  Maße  der  .Aufnahmefähigkeit  der 
Sinne  und  deren  verfeinerten  Unterscheidungs- 
vermögens. Kultur  der  Sinne  ist  die  not- 
wendigste Vorausbedingung  für  das  Zustande- 
kommen des  ästhetischen  Verhaltens. 

Das  ästhetische  Verhalten  gipfelt  im  ästheti- 
schen Urteil.  Schön  oder  häßlich,  das  ist  hier 
die  Frage.  Einen  in  die  Seele  gesenkten,  fest 
normierten  Begriff  des   Schönen   können   wir 


i6 


LUDWIG    V.  HOFMANN 
»NASSE  KLIPPE. 


Das  ästhetische  Verhalten. 


nicht  anerkennen.  Ebensowenig  aber  gilt  die 
Cleichsetzung  von  zweckmäßig  »sinnlich  an- 
genehm« ästhetisch  schön.  .Allerdings  sehen 
wir,  daß  das  Zweckmäßige  in  der  Regel  sinn- 
lich angenehm,  das  Siniiliih-Angenehme  vor- 
züglich Objekt  des  ästhetischen  Verhaltens  wird, 
aber  ebenso  leicht,  wie  es  möglich  ist.  daß  das 
Sinnlich-.\ngenehme  schließlich  als  ästhetisch- 
häßlich gewertet  wird,  ebensowenig  ist  es 
ausgeschlossen ,  daß  ein  sinnlich  abstoßend 
wirkendes  Objekt,  auf  das  sich  das  ästhetische 
N'erhalten  nur  mit  Widerwillen  konzentriert, 
schön  befunden  wird.  Es  gibt  verborgene 
Schönheil.  In  einer  Moorlache  kann  Schön- 
heil  entdeckt  werden. 

An  Del'mitionen  des  Schönen  mangelt  es 
nicht.  Gott  ist  das  Schöne  oder  das  Gesunde, 
die  sinnlich  erkannte  Vollkommenheit  (VVolft), 
die  unmittelbare  Erscheinung  der  absoluten 
Idee  (Hegel\  die  Idee  in  der  Erscheinung 
(Vischer),  das  unwandelbar  Wohlgefällige 
(Fechneri.  \)zs,  Schöne  ist  ilie  Form  der 
Erscheinung,  die  den  uns  angeborenen  Ge- 
setzen unseres  Empfindungslebens  entspricht. 
Die  Ordnung,  dergcmäß  ein  Ding  entsteht 
und  scheint,  ist  sein  Gesetz.  Die  in  ihrer 
reinster.  Gesetzmäßigkeit  sich  zeigende  Idee 
in  Erscheinung  nennen  wir  Ideal  (Lemcke). 
Das  Schöne  zeigt  uns  in  anschaulicher  Weise 
die  drei  »Gewalten  des  Weltbaus«  —  die  Ge- 
setze, die  Tatsachen,  die  Ideale  oder  Werte  — 
geeint,  die  unsere  Erkenntnis  nicht  aufeinander 
zurückzuführen  oder  aus  einem  gemeinschaft- 
lichen Grunde  herzuleiten  vermag  (Lotze  nach 
Falckenberg). 


Kann  man  all  diesen  gewiß  geistreichen 
Abstraktionen  auch  teilweise  Geltung  zu- 
sprechen, so  muß  doch  noch  entschiedener 
betont  werden,  daß  eine  normative  Definition 
des  Schönen  überhau])t  ausgeschlossen  ist. 
Wie  man  nichts  Absolutes  über  die  Götter 
der  Religionen  auszusagen  vermag,  sondern 
nur  die  Gott  als  Ziel  suchende  jisychischc 
.Äußerung  analysieren  kann,  ebenso  wenig  ver- 
mag man  das  Schöne  zu  entschleiern.  Der 
Mensch  muß  sich  mit  der  Kenntnis  von  dem 
Wege  begnügen,  auf  dem  er  zu  dem  Urteil 
kommt:  das  ist  schön,  das  ist  häßlich.  Bei 
den  Versuchen,  das  Schöne  zu  definieren,  zeigt 
es  sich,  wie  recht  Analole  France  mit  seiner 
Skepsis  hat:  die  .Ästhetik  hat  keinen  festen 
Untergrund,  sie  ist  ein  Luftschloß. 

Alles  Erkennen,  alles  Urteilen,  jede  rubri- 
zierende Analyse  ist  für  den  Menschen  mit 
einem  gewissen  I,ust(iuantum  verbunden.  Wenn 
wir  sagen :  dies  ist  langweilig,  so  fühlen  wir 
uns  unbehaglich,  aber  während  des  Urtcilens 
und  wegen  desselben  empfinden  wir  Wohl- 
behagen. Diese  Lust  am  Urteil  gehört  jedoch 
nicht  mehr  dem  ästhetischen  Verhallen  an, 
wohl  aber  ist  sie  eine  in  der  Regel  eintretende 
Nebenerscheinung.  Die  Intensität  der  l'rtoils- 
lust  ist  abhängig  von  unserer  analysierenden 
Begabung  und  Übung:  die  Tiefe  des  ästheti- 
schen Genusses  wird  bedingt  durch  die  T,eich- 
tigkeil.  mit  der  die  einzelnen  Phasen  des 
psychischen  Prozesses  vor  sich  gehen,  durch 
die  Übung  und  Schärfung  der  Sinne  als  des 
Primären.  Der  Kunst  zu  genießen  geht  voran 
die  Kunst  des  Sehens.  roki  kt  hrki;kr. 


PROFESSOR    LUDWIG  v.  HOKMAN.N'     WEIMAR. 


Entwürfe  für  das  Fover  des  Weimarer  Hoftheaters. 


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1909,  VII.  ;j. 


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DIE  KLEINEN  MITLÄUFER. 


Eine  Armee,  die  nur  aus  Führern  bestände, 
ist  ein  Unding.  Sie  brauchen  eine  Ge- 
folgschaft, brauchen  Gemeine  und  Massen. 
Disziphn  ist  unerläßhch.  Gefährlich  und  schäd- 
lich ist  der  Troß,  der  hinter  der  Front  mit- 
zulaufen pflegt. 

Eine  Stilbewegung,  wie  sie  sich  in  dem 
modernen  Kunstgewerbe  herauskristallisiert  hat, 
beruht  nicht  allein  auf  den  führenden  Persön- 
lichkeiten. Ein  van  de  Velde,  Berlage,  Pankok, 
Moser  oder  Hoffmann  u.  a.  sind  einzelne, 
sind  Richtunggeber.  Hunderten  und  Tausen- 
den haben  sie  den  Weg  zu  weisen.  Die 
Geschicklichkeit  und  Fertigkeit  muß  mitgehen. 
Nicht  jedes  Talent  kann  als  Persönlichkeit 
agieren.  Wenn  die  Könner  original  sein 
wollen,  pflegen  sie  originell  zu  werden.  Sie 
sind  wertvoll  als  treue,  zielbewußte  Gefolg- 
schaft, als  Zwischenglieder  und  Anbahner 
einer  neuen  Tradition. 

Auf  ihre  Qualität,  nicht  ihre  Zahl  kommt 
es  an,  denn  es  gibt  für  eine  Stilbewegung 
nichts  schlimmeres  als  der  Troß  der  kleinen 
Mitläufer,  die  eine  neue  Mode,  eine  frische 
Absatzmöglichkeit  wittern.  Ihre  Überzeugung 
ist  dünn  wie  eine  Seifenblase.  Sie  sind 
Taktiker  des  Erfolges ,  fallen  stets  auf  die 
Butterseite.  Ihr  Schaffen  ist  Spekulation.  Sie 
wollen  nicht  für  eine  Idee  kämpfen,  sondern 
von  einer  Bewegung  getragen  werden.  Sie 
fördern  nichts,  diskreditieren  dagegen  nur  zu 


leicht  das  Ganze.  Sie  sind  die  eigentlichen 
Macher  eines  »Jugend-«  oder  »Sezessions- 
stiles«. Sie  haben  mit  naturalistischen  Motiven, 
dann  mit  geschwungenen  Linien  gearbeitet. 
Heute  sind  die  geometrischen  Formen,  die 
wir  an  den  Wienern  oder  Behrens  zu  schätzen 
verstehen,  an  der  Reihe.  Die  kleinen  Mit- 
läufer haben  keinen  Sinn  für  die  zwingende 
Logik  jener  Originalwerte ;  sie  sehen  nur  die 
Äußerlichkeit,  nur  die  Quadratchen,  Dreiecke 
und  Punkte.  Solche  Saftlosigkeit  trübt  den 
Blick  des  Publikums,  zwingt  die  Selbstschöpfe- 
rischen zu  einem  rastlosen,  unruhigen,  über- 
stürzten Weiterbilden.  Diese  Leutchen  rauben 
den  Führern  den  Atem  und  bieten  den  Gegnern 
einer  Bewegung  Angriffsflächen. 

Es  hat  keinen  Sinn,  sie  freundlich  zu 
dulden,  sie  halb  und  halb  in  Schutz  zu  nehmen. 
Unfertige  Leistungen  lassen  sich  doch  scMieß- 
lich  weder  verteidigen  noch  entschuldigen. 
Lind  wozu  der  Mißgunst  und  dem  Haß  selbst 
die  Waffen  liefern  y 

Unerbittliche  Kritik  mag  sie  abstoßen. 
Vielleicht  macht  sie  sie  auch  bescheiden,  lehrt 
sie  ihre  kleine  Kraft  richtig  nutzen  und  ver- 
anlaßt sie  schlichte,  anständige  Handwerks- 
arbeit zu  leisten.      Dann  sind  sie  Gewinn. 

Im  anderen  Falle  aber  müssen  solche 
Kleingeister  energisch  abgeschüttelt  werden. 
Schmarotzerische  Schlingpflanzen  rauben_imnier 
Mark  und  Bewegungsfreiheit.  —   paul  westheim. 


^A      -• 


PROFESSOR  LUDWIG  V.  HOFMANN— VSTEIMAR.     Friese  für  einen  Musik-Saal. 


22 


Bremen  war  einmal  eine  Kunststadt,  zwar  nuht  von 
weithinwirkendem  Einfluß ,  nicht  das  Herz  eines 
i-<i:edelinten  Kulturgebiets,  sondern  ganz  für  sich,  eng 
uinurcnzt  und  nur  seinen  eigenen  Aufgaben  zugewandt. 
Das  ist  lange  her.  Es  war  um  das  Jahr  160t)  als  unter 
den  zahlreichen  Bildschnitzern  das  Mobiliar  des  Bürger- 
hauses und  die  Ausstattung  von  Rathaus  und  Kirchen 
jenen  phantasievoll  üppigen  Schnörkelstil  entfaltete,  in 
dem  Ornament,  Eiguren,  Säulen  und  ("lesimse  zu  einer 
fast  sinnverwirrend  reichen  Bracht  vereinigt  den  Aus- 
druck stärkster  Lebensfreude  als  die  künstlerische  Ge- 
sinnung der  damahgen  reichen  und  wohllebigen  Hansa- 
stadt ausmachten.  I^en  Schnitzern  folgten  die  Stein- 
metzc.  An  den  Ausluchten  und  Giebeln  der  Bürgerhäuser 
und  am  prächtigsten  dann  bei  l.üder  von  Bentheims 
Rathaus  haben  sie  in  gehäufter  Eröhlichkeit  ein  aus- 
gelassenes plastisches  Leben  entfaltet ,  das  gar  nicht 
stimmen  will  zu  der  »Steifheit«,  die  dem  Bremer  des 
19.  Jahrhunderts  tatsächlich  eine  Zeitlang  zur  Natur 
geworden  ist.  —  Von  diesem  alten  Bremer  Geist  war 
nichts  mehr  übrig  geblieben  als  die  fremdartig  in  der 
puritanisch  strengen  Ordnung,  der  sauberen  Nüchtern- 
heit der  Straßen  und  Häuser  stehenden  paar  Bauwerke 
der  Renaissance.  In  einem  ungestörten  Dornröschen- 
schlaf ging  die  Stadt  an  der  äußersten  Peripherie  des 
Reiches  abgeschieden  und  auf  sich  angewiesen  in  die 
Neuzeit  hinüber.  Kunst  war  ihr  keine  Lebensnotwen- 
digkeit mehr.  Nur  daß  der  starke  englische  Einfluß 
vor  einem  Jalirhundert  einen  Zug  zu  Gediegenheit, 
anspruchsloser  Solidität ,    gutem   Material    und    sauberer 


CARL  WEU>EM£YER:    TITEL-UMRAHMUNG  DES  JAHRBUCHS  DER  BREMISCHEN  SAMMLUNGEN.    VERLAG:  FRANZ  LEUWER. 


Dr.  Carl  Schaefer  : 


ARCHITEKT    HUGO    WAGNER     bKEMEN. 

Arbeit  in  lU-n  wcjhlhabenden  Kürgerkreisen 
wach  hielt,  der  vielleicht  von  Natur  dem 
Bremer  als  Wesenszug  am  meisten  anhaftet. 
Anders  als  sonst  im  Reich  bildete  sich 
darum  auch  in  dieser  für  sicli  lebenden  Stadt 
die  moderne  Wohnsitte  aus,  als  um  1820 
etwa  das  neue  Leben  sachte  begann,  die 
Festungswälle  zu  Anlagen,  die  Tore  zu 
unkriegerischen  Wachgebäuden  umgestaltet 
wurden,  und  als  vor  den  Toren  die  ersten 
Wohnhäuser  der  Vorstädte  entstanden.  Daß 
es  Eigenhäuser  sein  mußten,  nicht  Miet- 
wohnungen, war  selbstverständHch.  Bescheiden 
in  den  Raumanforderungen,  schlicht  bürgerlich 
in  der  Aufmachung,  in  einen  Garten  gebettet. 


Spatkassen-Gebäude  in   Delmenhorst. 

wenn  er  auch  nur  sehr  klein  sein  konnte, 
so  war  das  Dreifensterliaus  mit  ausgebautem 
Souterrain  für  Küche  und  Wirtscliaft.  im 
Ertlgeschol.'i  die  Wohnräume,  darüber  die 
Schlafzimmer,  der  gegebene  Kautypus  für  die 
seit  1860  nnmer  schneller  anwachsenden 
Vorstädte.  Denn  nicht  nur  der  Luxus  des 
Reichen,  sondern  auch  die  bescheidene 
Wohlhabenheit  des  Bürgers  genügte,  um  ein 
solches  eigenes  Haus  zu  bewolinen.  Das  schafft 
gute  Vorbedingungen  für  gesunde  moderne 
Architektur.  Noch  heute  ist  das  Eigenhaus 
die  hauptsächUche  Wohnform  für  Bremen 
für  architektonische  und 
für    kunstgewerbliche    Auf- 


und      damit  ;  ist 
namentlich   [auch 


24 


Ascites  aus  Rrevicn. 


ARCHITEKI     HLÜCJ    WAGNKR      IIKEMKN. 

galjen  der  denkbar  beste  (Jrund  <i;egeben. 
—  Wälirend  in  den  Straßen  der  Altstadt  und 
in  den  Ciesrhäftsvierteln  der  Vorstädte  leider 
gerade  so  wie  in  den  meisten  andern  deutsclicn 
Städten  die  Mehrzalil  der  Bauaufgal>en  dem 
Hauunternelimertum  zufällt,  so  datj  begreif- 
licherweise auf  eine  gute  wenigstens  zehn 
schlechte  Fassaden  kommen,  hat  an  den 
Wohnhausaufgaben,  den  reichen  wie  den  ein- 
fachen, die  Schar  der  jungen  Bremer  Archi- 
tekten ein  dankbares  Feld  zur  modernen 
Weiterbildung  des  alten  überlieferten  Typus. 
Und  was  bei  den  Aufgaben  des  Miethauses 
unmögHch    oder   doch    nur  in    den  seltensten 


Fällen  denkbar  ist.  das  wird  beim  Kigenhausc 
fast  zur  Regel,  daß  nicht  nur  das  äußere  Cic- 
iiäus.  sondern  auch  die  Innenräumc,  oder 
wenigstens  einige  unter  iiinen  von  der  Haml 
des   Architekten  ausgebildet  werden. 

An  diesen  Aufgaben  ist  im  letzten  JaJir- 
zchnt  in  Bremen  eine  ansehnUche  Schar  von 
tiichtigen  Kräften  herangewachsen,  von  deren 
Arbeit  vieles  schon  über  die  lokalen  Grenzen 
hinaus  Beachtung  gefunden  hat.  Finc  Über- 
sicht über  einige  der  neuesten  Leistungen, 
Architekturen  und  _Innenräume,  ^  die  in  den 
Jahren  1907  und'l908  entstanden,  soll  hier 
mitgeteilt  werden. 


ARCHITEKT   HUGO   WAGNER  -BKEMEN. 


GRUPPE    VON    DREI   WOHNHÄUSERN    IN   BREMEN^ 


ARCHITEKT  CARL  EEG    &    EU.  RUNGE— UREMEN. 


HAUS    .STRAUCH      J'.KEMEN. 


R.  A.  SCHRÖDER  &  D.  LULEV— BREMEN. 
HAUS    HEYE,    BENTHEIM-STRASSE. 


28 


CARL  EKG  ^  ED.  RUNGE    BREMEN. 
WlNTER-r,AKTEN    IM   HAUSE   LEO   BI1^RMA^'N. 


1909.  VIl.  « 


jYntrs  aus  Bremen. 


y--j»aw>^^ai?Bg^^3i«.^r..-y^o' 


ARCHITEKT  JANSEN    &    MEEU^.sJ.^      1;KL.\1L.N. 

Eine  der  markantesten  Erscheinungen 
unter  den  heutigen  Architekten  Bremens  ist 
Hugo  Wagner.  Eine  Begabung  etwa  wie 
die  Gelöners,  hat  er  das  Glück  gehabt,  sein 
eigenthches  Feld,  den  schHchten  ländlichen 
und  vorstädtischen  Wohnhausbau,  zu  guter 
Zeit  zu  finden.  Man  merkt  ihm  die  Neigung 
zum  konstruktiven  Wesen  des  Mittelalters,  die 
Abneigung  gegen  alles  Pliantastische,  gegen 
ÜiJpigkeit  und  dekorative  Spielerei  deuthch  an. 
Seine  Tätigkeit  für  die  Wiederbelebung  einer 
bodenwüchsigen  ländHchen  Bauweise  in  Nieder- 
sachsen ist  charakteristisch  für  die  Ziele  seiner 
Kunst.  Wirtscliaftliche  und  künstlerische  Über- 
legungen gehen  bei  ihm  Hand  in  Hand  und 
machen  ihn  geeignet  zu  den  großen  sozialen 
Bauaufgaben,  die  in  der  Gartenstadtbewegung, 
in  der  Idee  zur  Anlage  von  Arbeiterdörfern 
und  Beamtenwohnvierteln  liegen.  Solche  große 
Aufgaben  hat  er  in  dem  Industriedorf  Eims- 
warden  an  der  unteren  Weser,  in  dem  Wohn- 
viertel für  die  Arbeiter  und  Beamten  des  neuen 
Rangierbahnhofs  in  Seelze  bei  Hannover  be- 


ILius  Subren    Bremen. 

reits  zur  Ausführung  gebracht;  und  in  den 
Orten  und  Kleinstädten  des  Bremen  benach- 
barten Gebietes  stehen  Schulgebäude,  Kreis- 
häuser, Sparkassen  und  andere  öffentliche  Ge- 
bäude, in  denen  er  mit  sparsamer  Enthaltsam- 
keit mit  guten  Verhältnissen,  starker  Material- 
wirkung luid  in  leiser  Anlehnung  an  die 
Girupjnerung  und  Dachanordnung  alter  Vor- 
bilder einfache  mustergiltige  Bauten  geschaffen 
hat.  Eine  der  interessantesten  Lösungen  des 
Einfamihenhauses  in  seiner  Gruppierung  zum 
harmonischen  Straßenbild  gibt  das  eigene 
Wohnhaus  Wagners  mit  seinen  Nachbar- 
gebäuden wieder. 

Eine  zartere,  poetischere  Natur  ist  Carl 
Eeg.  der  mit  E.  Runge  zusammen  gerade 
im  Ausbau  des  vornehmen  Bürgerhauses 
in  Bremen  eine  Menge  dankbarer  Auf- 
gaben gefunden  hat.  Er  fing  an  mit  einer 
ausgesprochenen  Liebe  zu  den  stillen  vor- 
nehmen Formen  des  Empire.  Die  kühle 
Zurücklialtung  in  den  Fassaden  der  Zeit  um 
1800  mit  ihren  einladenden  unverschnörkelten 


SHBI 


30 


■v.fxtf^'i 


'  "  Vw    "     ^A  \3> 


ARCHITEKT  CAKL  EEG-BREMEN. 
HAUFTEINGANG    AM    HAUSE    FELSING— BRKMEN. 


Neues  ans  Bre/i/oi. 


JANSEN    &    Ml-EUSSEN- liKEMEN. 

Treijjjen,  den  grol.'ien  lichten  l'enstern,  der 
wohlgeordneten  AufteiUing  in  regehnäßige 
Achsen,  der  sparsamen,  knappen  Bildung  von 
Gesimsen  und  Schniuckformen,  das  war  seine 
Schule.  Die  Zahl  seiner  au  der  Straße 
liegenden  Architekturen  ist  nicht  groß.  Dafür 
hat  er  in  der  Ausstattung  des  Lloyddampl'ers 
Kronprinzessin  CeciUe  und  in  vielen  Raum- 
kunstaufgaben in  Bremischen  Wohnhäusern 
als  Kunstgewerbler  etwa  von  der  Gesinnung 
Bruno  Pauls  Glänzendes  geschaffen.  Eeg  ist 
kein  hastig  arbeitender  Künstler;  er  läßt  alles 
mit  bedacht  ausreifen,  schleift  und  bessert  in 
stiller  in  sich  gekehrter  Arbeit,  um  sich  selbst 
genug  zu  tun.  Er  hat  jjoetisch  reizvolle 
Bücherzeichen  etwa  von  der  Art  Heinrich 
Vogelers  gezeichnet,  sich  in  der  Radierung 
\  ersucht  und  beweist  in  seinen  architektonischen 
Zierformen,  daß  er  ein  Ornamentist  von 
reicher  Phantasie  ist,  nie  verlegen  um  eigene 
Einfälle,  aber  um  so  kritischer  und  sparsamer 
in  ihrer  Anwendung.  Neigung  und  Begabung 
führen    ihn    zu    den    intimeren    Aulgalien    der 


Diele  im   Hause  Suhren. 
Ausfiihrimg  :  Heinrich  Bremer— Bremen. 

Architektur.  Ein  Grabmal,  eine  Gartenbank, 
eine  Laube,  die  Aufgaben  der  Innenarchitektur 
liebt  er  zum  mindesten  ebenso ,  wie  das 
Bauen  und  tjestalten  im   Großen. 

Die  Villa  Strauch,  deren  landschafilich 
reizvolle  Situation  er  so  gut  auszunutzen  ver- 
steht, durch  die  Trei^pen ,  die  Haus  und 
Garten  verbinden,  und  in  deren  Erdgeschoß 
er  die  Diele  und  drei  Haupträume  in  seiner 
architektonisch  strengen  Raumbildung  ausge- 
stalten konnte,  ist  darin  sein  einheitlichstes 
\Verk.  Im  Hause  Leo  Biermann  hat  er  den 
geräumigen,  um  einige  Stufen  vertieften,  acht- 
eckig ausgebauten  Wintergarten ,  und  einen 
köstlichen  Baderaum  mit  Marmorwänden  und 
üronzetür  ausgeführt;  und  als  wertvollste  Ar- 
beit ein  Schlafzimmer  entworfen,  dessen  Wir- 
kung von  dem  hohen  Getäfel  hellen  Ahorn- 
holzes mit  Elfenbeineinlagen  und  eingefügten 
wertvollen  Farbendrucken  altjapanischer  Kunst 
bedingt  wird.  Aus  dem  Hause  Fritz  Biermann 
endlich  zeigen  die  Bilder  einen  Salon,  der 
19()S  vollendet,   trotz  des  kostbaren  Materials 


JANSEN  &  MEEUSSEN-  BREMEN. 
DIELE  IM  HAUSE  SUHREN. 


Dr.  Carl  Schaefer 


JANSEN    &    MKEUSSEN     BREMEN. 


von  Marmor  und  Holzwerk  ohne  alle  Auf- 
dringlichkeit zu  vornehmer  Ruhe  durchge- 
bildet wurde.  In  fast  allen  diesen  Arbeilen 
lag  die  Ausführung  in  den  Händen  der  Bremer 
Filiale  der  ^'e^einigten  Werkstätten .  deren 
technisch  meisterhafte  Holzbearbeitung  nicht 
wenig  zu  der  Schönheit  des  (Ganzen  beiträgt. 
Und  in  den  Stickereien  von  E.  Hormann  für 
Decken  und  Vorhänge,  in  den  gelegentlichen, 
vorsichtig  eingefügten  Glasmalereien  ('..  Rohdes 
findet  diese  Raumkunst  der  Architekten  Eeg 
und  Runge  eine  feine  artverwandte  Ergänzung 
ihres  Ausdrucks. 

Wie  neben  solchen  Villenbauten,  wie  dem 
Hause  Strauch,  das  typische  Bremer  Wohn- 
haus von  normaler  Größe  und  in  geschlos- 
sener Bauweise  in  ausgesprochen  norddeutscher 
Auffassung  sich  ausbilden  läßt,  das  zeigt 
Rudolf  Alexander  Schröder  in  einer 
schlankfenstrigen  Fassade  von  der  kühlen  Ab- 
geschlossenheit, den  zierlichen  Details  und 
der  eignen  Materialwirkuag,  wie  man  sie 
ähnlich    im    Haag    oder    an    den    vornehmen 


Wohn-Ecke  in  der  Diele  des   Hauses  Suliren. 

Ausfiihriiiig:   Heinrich  Bremer  — Bremen. 

Grachten  Amsterdams  /,u  sehen  Clelegenheit  hat. 

—  Eine  dankbare  Aufgabe,  Haus  und  Wohn- 
räume von  einem  Guß  zu  schaffen,  war  den 
Architekten  Jansen  und  Meeussen  das 
Haus  Suhren.  An  hervorragender  Lage  au  der 
bekannten  Wcseriiromenade  des  Osterdeichs 
liegt  das  villenartige,  stattliche  Gebäude.  Ein 
Marmorvestibul ,  eine  Diele  mit  behäbiger 
reicher  Treppe  und  wohnlich  ausgebildeten 
Ecken,  und  um  die  Diele  gruppiert  vier 
Wohnräume  von  keineswegs  überladener,  aber 
gediegener  Ausstattung.  Die  Raumbildung 
ist  lebendig  und  voll  Abwechslung,  die  Möbel- 
formen tragen  jene  wohltuende  indifferente 
Ruhe  zur  Schau,  die  nicht  Stil  beansprucht, 
nicht  Kunst  sein  will. 

Was  vor  zehn  Jahren  eine  begeistert  be- 
grüßte, kühne  Neuerung  war,  das  ist  in  den 
Händen  vieler  heute  schon  zu  einem  Typus 
geworden,  der  vom  modernen  Wohnraum,  der 
Stuhlform,  dem  Möbel  in  seinem  Verhältnis 
zur  Wand  eine  ganz  bestimmte  Signatur  verlangt. 

—  Eine    der  hervorragendsten   künstlerischen 


)4 


.Veues  aus  Brenn». 


JANSEN    ft    UEEUSSEN- BREUEN. 

Kräfte,  über  die  das  lieutigc  Bremen  verfügt, 
ist  der  Glasmaler  Georg  K.  Rohde.  ■  Die 
Zeit,  oa  man  die  bunte  Pracht  der  Glas- 
malerei um  ihrer  seihst  willen  liebte,  ist  vor- 
über. Der  Raumgedanke  der  Gegenwart  ver- 
langt gebieterisch  —  und  mit  Recht  —  daß 
sich  das  Fenster  einordne  in  den  gesamten 
Sinn  von  Wand  und  Decke ;  und  in  diesem 
Zusammenwirken  fügt  sich  das  farbenprunkende, 
meist  sehr  anspruchsvolle  Glasgeniälde  der 
Zeit,  wie  es  um  1890  üblich  war,  schlechter- 
dings nicht  mehr.  Seine  Anwendung  ver- 
langt heute  viel  mehr  taktvolle  Vorsicht,  seine 
Farben,  sein  Material,  seine  Linien  müssen 
sehr  viel  stärker  aus  dem  gesamten  Organis- 
mus der  Wand,  ihrer  Cliederung  und  Farben- 
Haltimg  entwickelt  werden.  Und  dafür  gerade 
hat  Rohde  eine  sichere  Begabung  an  den 
Tag  gelegt.  Die  als  Darstellung  der  fünl 
Sinne  gedachten  Putten,  von  denen  wir  drei 
hier  wiedergeben,  sind  als  farbige  Mittcl- 
iiimkte   in  <lie  farblosen  Scheiben    der  hohen 


Speibe-Zinimer  im   Hause  .Siihren. 

Alisfiiliriini;  :   Heinricli  Urcmcr     llrctneii. 

Sprossenfenster  eingefügt,  die  vom  Speise- 
zimmer des  Hauses  Strauch  nach  dem  Garten 
führen.  Für  die  Ratskellerfenster,  das  aus 
nächster  Nähe  und  mit  Muße  betrachtet  zu 
werden  bestimmt  ist,  hat  der  Künstler  lustige 
alte  und  neue  Motive  bald  larbig  satt,  bald 
nur  wie  eine  vergilbte  Handzeichnung  wirkend 
und  wie  zufällig  zwischen  die  alten  Scheiben 
gesetzt  zu  einem  sehr  amüsanten  Bilderbogen 
vereinigt.  Sein  größter  Vorzug  —  ein  \'or- 
zug,  der  sich  freilich  aus  den  Abbildungen 
kaum  erkennen  läßt  —  ist  die  sparsame  und 
höchst  wirkungsvolle  Auswahl  und  Ausnutzung 
des  .Materials;  mit  ganz  wenigen  Farbtönen 
doch  reiche  Wirkungen  zu  erzielen,  die  Schön- 
heit und  l.euchtkralt  des  l'arbenglases  ganz 
herauszuholen  und  die  festen  großen  Linien 
der  Bleikonturen  in  ihrer  dekorativen  Wirkung 
zu  beherrschen,  das  ist  das  Wesentliche  dieses 
vornehmen  Materialstils. 

Als   Graphiker    und    Zeichner    von    streng 
aufgebauten    wohldisziiilmierten    .arbeiten    des 


55 


iVntrs  ans  Bremen. 


Buchschmucks  hat  sich  Carl  \\  eidemeyer 
seit  einigen  Jahren  bekannt  gemacht.  Aus 
seiner  Verbindung  mit  den  Vereinigten  Werk- 
stätten für  Kunst  im  Handwerk  stammen  die 
zahh-eichen  in  der  Bewegung  groß  aufgefaßten 
und  originell  beobachteten  Spielzeugfiguren 
und  die  Möbel  und  Spielhäuschcn  lür  Kinder- 
stuben.    So  wie  seine  sollen  auch  die  Arbeiten 


des  tlarten -  Architekten  Fr.  Gildemeister 
Proben  von  der  Art  geben,  wie  im  heutigen 
Bremen  gerade  auf  dem  (jebiete  der  Alltags- 
kunst Kräfte  am  Werke  sind  und  Wege  ein- 
geschlagen werden,  die  wohl  geeignet  sind, 
die  einst  so  stille  alte  Hansestadt  wieder  zu 
einer  Blüte  der  Kunst  zu  machen,  wie  sie  es 
ehedem   war.  d«-  carl  schakfer. 


JANSEN    &    MEET:SSEN      BREMEN. 


Salon   im   Hause  Suhren. 

Aiisfülirung  :   Heinrich  Bremer— Bremen. 


36 


STIL-BRKVIER. 


Der  Maler  strebt  nach  einer  möglichst  in- 
tensiven lUusicjnierung  des  Raumes,  der 
aber  die  einzelnen  Objekte,  hicr/u  gehört  auch 
die  Luft  mit  ihren  Trübungen,  nicht  in  sich 
aufnehmen,  sondern  sich  durch  dieselben  bilden 
und  aus  den  feinsten  Reflexetickten  der  ein- 
zelnen (Gegenstände  aufeinander  organisch  ent- 
wickeln, aufbauen  soll.  Im  Hirnbild  des  Malers 
ist  das  Räumliche  mit  dem  Körperlichen  durch 
das  Medium  von  Luft  und  Licht  völlig  ver- 
schmolzen, die  Fixation  auf  der  Leinwand  soll 
beim  Beschauer  zum  gleichen  Resultat  fähren. 
Es  ist  stillos,  wenn  ein  Maler  den  .-Auf- 
gaben aus  dem  Wege  geht,  die  zu  lösen  seine 
Technik  (Ol,  Fresko,  Gouache,  Aquarell, 
Pastell)  in  besonderem  Maße  berufen  ist;  es 
ist  aber  nicht  weniger  stillos,  wenn  der  Zeich- 
ner, der  nur  den  spröden  Stift  oder  —  um 
mit  Klinger  zu  reden  —  den  Griffel  handhabt, 
Probleme  der  Malerei  zu  verwirklichen  anstrebt, 


es  sei  denn,  er  fände  einen  völlig  neuen  Weg. 
—  Die  Zeichnung  sieht  mehr  durch  die  Lupe, 
das  Gerippe  der  Dinge  erfassend,  das  Gemälde 
sucht  den  Oberflächenschein,  wie  ihn  das 
schweifende  Auge  empfindet. 

Gegenüber  der  malerischen  Synthese  von 
reflektierten  (formvermittelnden)  und  daher- 
tlutenilen  (einenden)  Lichtwelleii  ist  die  Zeich- 
nung eine  mehr  den  peripheren  Umriß  und 
den  inneren  konstruktiven  Zusammenhang 
suchende  Analyse.  In  diesem  Sinne,  weil  sie 
mehr  die  Dinge  selbst,  als  deren  Schein  er- 
greift, eignet  sich  die  Zeichmmg,  die  Griffel- 
kunst,  besser  als  die  Malerei  zur  Festhaltung 
von  Vorgängen,  zur  Illustration.  Dem  Maler 
kann  es  ziemlich  gleichgültig  sein,  ob  er  einen 
Helm  oder  einen  Blechtopf  malt,  eine  Madonna 
oder  eine  Cocotte,  er  sucht  Lichteffekte;  den 
Zeichner  darf  in  erheblichem  Maße  der  In- 
halt interessieren,   er  darl  erzählen,   ernst  und 


JANSKN    4    MI-KUSSEN      BREMEN. 


K.-»mini>latz  im  .S.ilon  des   Hauses  Subren. 


1908.  VII.  e. 


37 


r 


!f 


f'lilPIII 


.ihiU,^  ti  ^.  ^^ 


NATUR    AHOKN 
Mll    ELf-rLNBElN- 
EtNLA(iHN. 
BKSCHLÄGK 
SILBKR    MIT 
ELVENBEIN. 
lAPANISCHli 
H0LZ5CHNITTK. 
MÖBEL-BEZÜGE   - 
r.RAU    SBIDU. 


ARCHITEKTEN    CARL  EEG  &  ED.  RUNGE.       SCHLAF-ZIMMER    IM    HAUSE    LEO  BIERMANN  — HREMEN. 
Ausführung:  Vereinigte  Werkslätten  für  Kunst  im  Handwerk— Bremen. 


Roher l  Iheiicr: 


CARL    EEG-HREMEN. 

heiter  predigen,  Witze  und  Possen  reißen. 
—  Ks  leuchtet  ein,  daß  ein  kleiner  Natur- 
ausschnitt, etwa  eine  aus  wenigen  Bäumen  be- 
stehende Landschaft  oder  ein  Kornfeld,  einige 
Früchte  oder  Blumen,  ein  Interieur,  ein  Tier 
oder  ein  einzelner  Mensch  leichter  zu  über- 
sehen und  künstlerisch  zu  erobern  sind,  als 
dies  ein  ganzes  Schlachtfeld  mit  den  nötigen 
Requisiten  von  den  Achselklappen  bis  zu  den 
Führern  gestattet. 

Ein  Schlachtenbild  soll  kein  strategisches 
Hilfsmittel  sein;  die  daherstürzenden  Kolonnen 
können  als  rhythmisch  bewegte  Linien,  die 
bunten  Röcke  als  Elemente  einer  großen 
Farbensymphonie,  Rauch,  Staub  und  die  viel- 
fachen Blitzlichter  und  metallischen  Reflexe  als 
einigende  Medien  empfunden  werden.  Otto 
von  Faber  du  Faur  verhält  sich  zu  Rocholi, 
Röchling,  Eichstaedt  und  werten  Kollegen  wie 
ein  Gemälde  zu  einem  Riippiner  Bilderbogen. 
Dabei  darf  man  noch  nicht  an  Rubens  »Sieg 
Heinrichs  IV.«   in  den  Uffizien  denken. 

Alles,  was  Lichtwellen  derartig  reflektiert, 
daß  der  Augensinn  erregt  wird,  kann  von  der 
Malerei  dargestellt  werden;  für  die  freie  Rund- 
plastik hat  nur  das  Interesse,  was  eine  feste, 
stabile,   allseitig  von  der  Umgebung  getrennte. 


Spt.ise-Zinimt.1    im    Hanse  .'Strauch    Bieiin,-n. 

in  sich  geschlossene  Form  besitzt,  Luft,  Wolken 
und  Weflen  können  nich.t  Objekt  plastischer 
Darstellung  werden. 

An  dem  Körper  der  höheren  Tiere  zeigt 
sich  zum  ersten  Mal  klare  und  übersichtliche, 
in  sich  lebende  Schönheit,  offenbaren  sich  aus 
der  Umwelt  gesonderte,  frei  stehende,  sich  be- 
wegende Massen  von  einer  gewissen  Stetigkeit 
und  in  sich  gegründeter  Harmonie.  Bei  den 
meisten  Tieren  hemmt  jedoch  das  Haarkleid 
beträchtlicham  Genießen  der  eigentlichen  Form. 
Erst  beim  Menschen  kann  das  Auge  ungehindert 
die  körperlichen  Gebilde  abtasten  —  wie  sie 
weich  und  wohlgerundet  ineinanderlaufen,  sich 
hebend  und  senkend,  proportioniert  sich  be- 
dingend, auseinander  erwachsend,  sich  zu  einer 
Einheit  schließen.  Der  nackte  Mensch  ist  im 
vollen  Sinne   Objekt    der    freien   Rundplastik. 

Was  für  das  Bild  der  Rahmen,  ist  für  die 
freie  Rundplastik  der  Sockel,  die  Trennung 
von  der  LTmgebung,  eine  Aussonderung  aus 
der  natürlichen  Welt.  Der  Maler  macht  sich 
wegen  des  Rahmens  gewöhnlich  wenig  Kopf- 
zerbrechen, noch  seltener  fertigt  er  ihn  selber. 
Einige  Holzleisten  in  einer  Farbe,  die  den  Ton- 
wert  des  Bildes  hebt  oder  kontrastiert,  ihn 
nicht  etwa  herabstimmt  oder  gar  tötet,    sind 


40 


Stiihrci'ier. 


in  der  Regel  das  Beste;  dieselbe  Aufgabe  hat 
der  Sockel  zu  erfüllen,  er  soll  nicht  nur  trennen, 
er  soll  zu  dem  Werk  hinleiten,  ein  vorgeschla- 
gener Akkord. 

Jede  Formvorstellung  setzt  ficli  aus  zahl- 
reichen einzelnen  Gesichtsbildern  zusammen; 
diese  einzelnen  Gesichisbilder  werden  für  ein 
und  das^elbe  Objekt  bei  verschiedenen  Be- 
schauern sehr  verschieden  sein.  .Als  Folge 
davon  müssen  die  Formvorstellungen  der  ein- 
zelnen Subjekte  voneinander  abweichen,  für 
ein  und  dasselbe  Subjekt  wird  das  gleiche  Objekt 
unter  verschiedenen  Bedingungen  verschiedene 
Cesichtsbildcr,  mithin  verschiedene  Form- 
vorsicllungen  geben.  Von  einem  .Menschen, 
den  man  nur  des  Nachts  gesehen,  wird  man 
eine  Formvorstellung  haben,-  die  von  der.  die 
man  des  Tages  gewönne,  völlig  abweicht; 
grelle  Sonne  läßt  einen  Teil  der  Form  für  das 
Auge,  mithin  für  die  Vorstellung,  verdunsten. 
Wiederum:  eine  getrübte  zerstörte  Form  (Tru- 
betzkoi,  Droschke  im  Schnee)  kann  in  sich 
durchaus  geschlossen  sein.    Es  soll  doch  nicht 


die  Form  gegeben  werden  wie  sie  ist,  dann 
wäre  ja  der  Gipsabguß  Ideal,  sondern  die  Vor- 
stellung, die  der  Beschauer  von  der  Form  be- 
kommt, w-enn  er  sie  aus  ihrer  Umgebung  iso- 
liert. Dabei  kann  in  die  Vorstellung  immer 
nur  das  eingehen,  was  eben  von  der  Form 
auch  tatsächlich  zu  sehen  ist.  Die  materielle 
Form  selbst  existiert  für  das  Auge,  auch  für 
das  tastende  Auge  nicht.  Der  Maler  braucht 
die  Form  zur  Konstruktion  des  Raumes,  den 
Plastiker  interessiert  die  Form,  inwieweit  sie 
den  Raum  verdrängt;  beide  Künstler  bilden 
nicht,  was  sie  wissen,  sondern  was  sie  empfinden. 
Lebhafte  Bewegungen,  Körper  im  .Moment 
des  Fallens,  fliegende  Vögel  und  Engel,  für 
die  Rundplastik  nicht  oder  nur  unter  Aus- 
lösung peinlicher  Nebeneindrücke  darstellbare 
Dinge ,  sind  dem  Relief  zugänglich.  Die 
Gruppe  der  Rundplastik  kommt  ohne  Hinter- 
grund leicht  in  die  Gefahr,  auseinander  zu  fallen  ; 
das  Relief  gewährt  ihr  unbeschrankte  (Jliede- 
rung  und  Häufung  der  Figuren,  in  der  Breiten- 
entwicklung frei  nebeneinander  stehend,    von 


\r:l.    11'.     V    11'.   KUN(;F.-BREMEN. 


Ivüdic  un  Hause  Strauch. 


41 


Robert  Bretter 


JANSEN    S:    MEEUSSEN-    BREMEN. 

vorn  nach  dem  Hintergrund  zulaufend,  sich 
gegenseitig  nielir  oder  weniger  verdeckend. 
Auch  andere  der  Voll[)lastik  fremde  Objekte, 
Bäume,  Häuser  und  Wolken,  einzelne  Hlätter, 
Girlanden,  geometrische  Ornamente,  darf  das 
Relief  festhalten;  niemals  aber  können  die 
einzelnen  Dinge  bildmäßig  zu  einer  Einheit 
verschmelzen,  das  verbindende  Medium  der 
Luft,  des  Schattens  und  der  Reflexe  ist  auch 
reliefmäßig  nicht  darstellbar.  Es  ist  auch  nicht 
besonders  stilrichtig,  wenn  einzelne  Körper- 
teile, Extremitäten,  über  die  ideell  vorgelagerte, . 
einst  in  der  Angriffseite  der  Platte  existente 
Fläche  hinausragen,  das  gibt  leicht  den  Ein- 
druck des  Hineingeschraubten,  Angeklebten. 
Im  übrigen  werden  dem  Relief  in  gleicher  Weise 
wie  der  Rundplastik  von  dem  zur  Verwendung 
kommenden  Material  Grenzen  gezogen. 

Der  absolute  Naturalismus  ist  aus  physio- 
logisch-]isychologischen  Gründen  unmöglich. 
Zwischen  Natur  und  Werk  steht  stets  der 
Mensch  als  Medium.  Selbst  zwei  mit  mathe- 
maihischer  Korrektheit  für  wissenschaftliche 
Zwecke  hergestellte  Zeichnungen  desselben 
Natiirobjektes  haben  wenn  auch  noch  so  mini- 
male Abweichungen  aulzuweisen;  diese  wachsen 


Frenideii-Zinimei'  im    Hause  Suhren. 

mit  der  Gliederung  des  Gegenstandes.  Von 
einer  Mauer  wird  man  eher  übereinstimmende 
Bilder  finden  als  von  einem  gotischen  Dom. 
Schaltet  die  Hemmung  und  Beeinflussung  eines 
bestimmten  äußeren  Zweckes  aus,  so  kommt 
ganz  von  selbst,  sogar  bei  fanatischen  Dog- 
matikern des  Naturalismus,  die  Individualität 
im    Sehen    und    Formen    zur    vollen  Geltung. 

Eine  Abweichung  vom  menschlichen 
Körper  tut  dem  Kunstwerk  keinen  Abbruch 
(Volkmann).  »Ich  komponiere  genau  so  sehr, 
wie  irgend  ein  anderer,  man  merkts  nur  nicht 
so«,  sagt  Liebermann,  und  ein  andermal: 
»Mit  der  Richtung  eines  einzigen  Pferdebeines 
steht  und  fällt  mein  ganzes  Werk«.  —  Da  nicht 
anzunehmen  ist,  daß  das  Modellpferd  sein 
Bein  just  in  die  erforderliche  Stellung  bringen 
wird,  so  muß  der  Künstler  nach  vorher  ge- 
faßtem Plane  arrangieren.  Hierzu  bedarf  es  vor 
allem  einer  unbedingt  klaren  Vorstellung  dessen, 
was  er  will,  und  dann  -    man  soll's  nicht  merken. 

Die  Bewegungsgrenze,  die  sich  der  Künstler 
für  sein  Schalten  und  Walten  mit  Naturein- 
drücken zieht,  ist  überaus  variabel.  Feuerbach 
sieht  in  dem  Modell  die  Seele  des  Künstlers. 
Röcklin  will,   daß  man  sich  unabhängig  mache 


42 


Stilbret'it't 


von  dem  Xaturbild.  Er  rät,  neben  eine  ge- 
malte Rose  keine  wirkliche  zu  halten ,  die 
Natur  töte  die  Kunst.  Der  Neoimpressionist 
Curt  Herrmann  hat  umgekehrt  seine  I'reude 
daran,  zu  sehen,  wie  die  brilkinten  l'arbwerle 
seiner  J5ilder  den  metallischen  Glanz  darüber 
hingeführter  Paradiesvögel  und  Papageien 
erblassen  lassen.  Monet  fühlt  sich  an  den 
Wechsel  des  Lichtes  und  die  dadurch  Ijc- 
tiingtcn  'ronveriindcrungen  so  gebunden,  d.iLS 
er  oft  nur  während  einer  Viertelsiuntle  an 
einer  Tafel  arbeitet,  dann  eine  andere  zur 
Hand  nimmt,  die  inzwischen  gewordene  Stim- 
mung festzuhaken;  so  täglich.  Böcklin  lacht 
über  tue  Militärmaler,  die  verptlichtet  seien, 
die  Karben  so  zu  geben,  wie  sie  sich  in  der 
Natur,  der  Uniform  finden,,  statt  nach  den 
Bedürfnissen  des  Bildes,  zusammengehörige 
Farben  weit  auseinander,  hart  gegen  weich, 
dunkel  gegen  hell.  Der  große  Schweizer  fragt 
nicht  danach,  ob  die  l"arbe  des  Bildes  aucli 
genau  mit  der  Natur  übereinstimme,  sondern: 
»Warum  steht  die  l'arbe  da,  gerade  die  Farbe 


und  in  der  und  der  Menge  ?  Welchen  Faktor 
bildet  sie  in  dem  schweren  Rechenexempel, 
welches  man  —  im  Sinne  des  Materials,  mit 
dem  man  malt,  also  der  Farbe  —  ein  Bild 
nennt.  Wie  kommt  sie  zur  Geltung  oder  wie 
hilft  sie  andern  zur  (leltungr  Kurz,  was 
leistet  sie«?  (Böcklin- l'loerke).  — ■  So  müht 
sich  der  eine,  seine  Vor.-;tellungen  an  dem 
Maßstabe  der  Natur  möglichst  zu  klären,  der 
andere  verläßt  skrupellos  sein  Modell,  wenn 
es  seinen  Absichten  nicht  entspricht,  macht 
bewußt  ^Fehler«,  sofern  dadurch  die  Wirkung 
erhöht  wird ;  wiederum  ein  anderer  dringt 
von  dem  Äußeren  in  das  Innere  der  Natur, 
Ijietätvoll  das  Bild  suchend,  das  ihm  als  FvCrn 
des  Objektes  unter  der  materiellen  Hülle  zu 
ruhen  scheint,  er  bessert  die  Mängel  des  Vor- 
bildes; ein  vierter  schHeßlich  sucht  hier  und 
da,  aus  dem  ("lefundenen  ein  Typus  formend. 
Von  Tizian  sagt  Burckhardt:  ^  Der  göttliche 
Zug  in  ihm  besteht  darin,  daß  er  den  Dingen 
und  Menschen  diejenige  Harmonie  des  Daseins 
anfühlt,    welclie   in    ihnen    nach    Anlage    ilires 


JANSE.N"    Si    MEEC-M-N      l'.RKMEN. 


Kauch-/ininier  im   Hause  Suhren. 

Auäfilliniti^:   Mcilir.  Bremer  -iirciiirn. 


43 


Robert  Breuer: 


CARL  EEG  i  ED.   RUNGE     BREMEN. 


Direktions-Zimmer  der  Linoleumwerke      Ankermarke-    Delmenhorst. 


Wesens  sein  sollte  oder  noch  getrübt  und 
unkenntlich  in  ihnen  lelit;  was  in  der  Wirk- 
lichkeit zerfallen,  zerstreut,  bedingt  ist,  das 
stellt  er  als  ganz  gluckselig  und  frei  dar« . 
Meunier  schildert  selbst  seine  Arbeitsweise: 
»Durch  jahrelanges  Beobachten  und  vieles 
Zeichnen  ist  es  mir  gelungen,  einen  Typus 
zu  finden.  Ich  gebe  ein  typisches  Bild  der 
Klasse  und  nicht  das  isolierte  Bild  dieses  oder 
jenes  Arbeiters«. 

So  klingt  uns  denn,  von  welclier  Seite  wir 
auch  immer  an  die  Frage  nach  dem  Künst- 
lerischen in  der  Kunst  herantreten,  verschieden 
formuliert,  stets  dieselbe  Antwort:  Ich,  der 
Künstler,  bin  das  Künstlerische,  die  Kunst 
an  sich,  le  style  c'est  l'homme.  Mehr  viel- 
leicht als  jede  andere  ist  die  Geschichte  der 
Künste  (auch  die  der  redenden)  eine  Geschiclite 
von  Persönlichkeiten.  Nicht  in  dem  Sinne, 
daß  uns  die  Profanhistorie  der  einzelnen  In- 
dividuen besonders  interessiere.  Das  gesamte 
Vorstellungs-  und  Empfindungsleben  in  seinen 
konzentriertesten  Momenten,  wenn  es  sich  mit 
Elementargewalt    zu   festen   Gebilden  umsetzt. 


wenn  die  Seele,  der  Extrakt  aller  physisch- 
psychischen Phänomene  eines  Menschen  Ge- 
stalt gewinnt  —  das  ist  es.  was  aus  klaren 
und  ehrlichen  Dokumenten  je  in  der  Sprache 
der  Zeit  und  des  Volkes  zu  uns  spricht.  Das 
ist  es,  was  uns  so  mächtig  an  das  Herz  greift, 
olt  über  Jahrhunderte  hinweg,  oft  aus  der 
Zukunft  lieraus:  was  wir  in  besonders  glück- 
lichen Stunden ,  —  wenn  wir  den  Dingen 
auf  den  Grund  zu  sehen  glaubten,  wenn  uns 
ein  völlig  Neues  aus  Altgewohntem  entgegen- 
sprang, wenn  süße,  weiche  Harmonien  durch 
oft  erlittene  Mißklänge  tönten  —  wie  eine 
leider  nur  zu  rasch  vorüberhuschende  Offen- 
barung erlebten.  Hier  im  Kunstwerk  zeigt 
uns  ein  größerer  als  wir  in  voller  Realität 
unserer  geheimsten  und  zartesten  Träume, 
unsere  gewaltigsten  Phantasien,  die  subtilsten 
Reizungen  unserer  Sinne  und  die  klarste 
Sprache  unseres  Herzens.  --  Nur  wenn  wir 
dem  Künstler  irgendwie  verwandt,  können 
wir  ihn  verstehen,  nur  wenn  er  wirklich  die 
Erfüllung  unserer  ringenden  Sehnsucht,  werden 
wir  uns  ihm  beugen. 


44 


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Sti/brez'ier. 


CAKL  EEG  i  ED.  RUNGE     IIKLMEN. 


Dirt;ktinns-Ziniuicr. 
Fullbodeii  und  Waiui  mit  Linoleum  bczw,  Linkrusta  >'Ankermarke«  belegt. 


Um  ein  festes  Kriterium  l'ür  das  Künst- 
lerische zu  bekommen,  lassen  wir  aus  der 
Erinnerung  das  Naturbild  des  dargestellten 
(legenstandes  wach  werden.  l!ei  einem  Bild- 
nis taucht,  sofern  uns  der  Porträtierte  bekannt, 
die  von  dem  Lebenden  gewonnene  Vorstel- 
lung in  das  Bewußtsein;  bei  einer  noch  nicht 
gesehenen  Landschaft  kombinieren  wir  aus  den 
tjedächtniseindriicken     einzelner    Bestandteile 

—  Bäumen,  Häusern,  Bächen  —  eine  Vor- 
stellung der  Natur;  ebenso  verfahren  wir  bei 
Historienbildern,  so  romantisch  sie  auch  immer 
seien ,  stets  können  wir  ihren  Elementen 
komparative,  aufgespeicherte  Natureiiidrücke 
präsent  werden  lassen.  .So  entstehen  in  uns 
zwei  Vorstelluugsreihen,  >die  eine,  die  sich  auf 
die  dargesteUte  Natur,  die  andere,  die  sich  auf 
den  darstellenden  Künstler  —  die  Darstellung 

—  bezieht«  (Lange).  Wenn  wir  nun  zwischen 
diesen  beiden  Vorstellungsreihcn  hin-  und 
herpendeln,  so  empfinden  wir  immer  deut- 
licher das,  was  in  dem  Betrachteten  anders  ist 
als  in  unserem  Hirnbild,  wir  sehen  das  Plus, 
wodurch  sich  das  Werk  erhebt,   wir  verstehen 


die  Absicht,  die  hier  mit  den  auch  uns  ge- 
hörenden Bausteinen  geschaltet  hat ,  wir  er- 
fassen des  Kün'-tlers  Ziel  und  Weg,  —  wir 
goiüeßen  in  vollstem  Maße  das  Künstlerische. 
Dieserart  vermehrt  sich  das  ästhetische  Ver- 
halten gegenüber  dem  Kunstwerk,  das  sich 
zunächst  von  dem  gegenüber  der  Natur,  ab- 
gesehen von  der  Intensität ,  durch  nichts 
unterscheidet,  einmal  um  das  Bewußtsein  der 
vorliegenden  Täuschung,  dann  um  das  F'.rkennen 
einer  hinzugekommenen,  in  sich  geschlossenen 
Größe,  eines  Stückes  menschlicher  Seele.  — 
Des  weiteren  gewährt  das  Kunstwerk  noch 
einige  feinere  Spezialgenüsse  dem ,  der  den 
Mitteln  nachspürt,  die  der  Künstler  zur  An- 
wendung gebracht,  dem,  der  sich  die  Ent- 
stehung im  einzelnen  vergegenwärtigt,  alle 
Überlegungen,  technischen  Schwierigkeiten 
und  deren  Lösungen  aufdeckt.  Der  Blick 
in  eine  Geisteswerkstatt  ist  außerordentlich 
befriedigend;  wir  haben  Freude  am  Können 
unserer  Mitmenschen,  wir  fühlen  uns  in  unserer 
eigenen  Zuversicht  und  Fähigkeit  geklärt 
und  gestärkt.  robert  breuek. 


1909.  VII. 


45 


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GEORG    K.  ROHDE— BREMEN. 


Glas-Gemälde  im  Treppenhaus  des  Hauses  Suhren. 


DIE  GLASMALEREI  ALS  ARCHITEKTUR-GLIED. 


Die  Glasmalerei,  die  sich  in  den  Reißbrett- 
mustern einer  falsch  verstandenen  Renais- 
sanceornamentik zu  erschöfjfen  drohte,  hat  in 
den  letzten  Jahren  eine  erfrischende  Belebung 
erfahren.  Vom  Publikum  begehrt,  vom  Archi- 
tekten begünstigt,  konnten  zahlreiche  Glas- 
malereien entstehen,  gegen  die  nur  der  Ein- 
wand zu  erheben  wäre,  daß  sie  sich  der  Archi- 
tektur in  den  meisten  Fällen  nicht  oder  kaum 
einordnen.  Sie  bleiben  Fremdkörper,  fallen 
aufdringlich  aus  der  Fassade  heraus,  zerstören 
die  tektonische  Geschlossenheit  des  Innenraums, 
bleiben  mit  einem  Wort  Fremdkörper,  wo  sie 
mit  dem  Gesamtorganismus  zu  einer  Einheit 
verwachsen  sollten. 

An  sich  betrachtet,  sind  sie  oft  nicht 
schlecht.  Bewährte  Künstler  haben  Entwürfe 
gefertigt,  bedeutende  und  erfahrene  Anstalten 
bürgen  für  die  vorzügliche  Ausführung.  Aller- 
dings wird  nicht  bedacht,  daß  ein  Glasbild  an 
sich  gar  nichts  bedeutet.  Es  erhält  erst  Wert 
und  Leben  durch  die  Eingliederung  in  das  Bau- 


werk. Vorher  fristet  es  ein  platonisches  Dasein. 
Ein  Entvt'urf  mag  noch  so  wertvoll  sein  —  an 
der  unrechten  Stelle  unpassend  verwendet,  muß 
er  als  Barbarei  wirken.  Der  so  oft  ausgesprochene 
Gedanke,  das  Glasfenster  sei  eine  Flächendeko- 
ration, ist  falsch,  zum  mindesten  banal.  Das 
Glasfenster  ist  Architekturglied,  seine  Flächen- 
gestaltung unterliegt  somit  einer  inneren  Not- 
wendigkeit, die  in  der  formalen  Logik  des  Bau- 
werkes wurzelt.  Die  gotischen  Glasmalereien, 
die  vor  allem  als  unbedingt  vorbildlich  gelten 
können,  sind  in  ihrer  formalen  Durchbildung 
unverkennbar  aus  der  Architektur  heraus  ent- 
standen. In  der  Einordnung  und  Stilisierung 
der  dargestellten  Figuren,  in  dem  ornamentalen 
Zweck  des  Zierwerks  scheinen  licht  und  lebens- 
satt die  Geslaliungsenergien  der  steinernen 
Umrahmung  weiterzufluten.  Der  Dom  zu  Augs- 
burg, St.  Kunibert  in  Köln  bieten  solche  Er- 
kenntnis. Nicht  die  Verwendung  der  mensch- 
lichen Figur,  ihre  monumeniale  Einfügung  in 
die  gegebenen  Raumverhältnisse,  ist  ausschlag- 


46 


-A.--GEMALL)K    IM    IlC'IKp-SAAI.    DKs    liKKMKK    KATSKKLLKRS. 


GEORG   K.    ROH  DE 
BREMEN. 


GLASMALEREIEN. 


GLASMAIXREIEN 


ENTWORFEN  UND 

AUSGEFÜHRT     VON 

G.  K.  ROHDE — BREMEN. 


Pajtl  Wcsthcim . 


JANSEN    «.-    MEEUSSEN  — BRKMEN. 

gebend.  Schon  vor  nunmehr  25  Jahren  hat 
H.  Kolb  daraufhingewiesen:  »Nirgends  drängt 
sich  die  Absicht  auf,  daß  eine  plastische  Wir- 
kung erzielt  werden  wollte.  Die  Figuren  sind 
dekorativ  gehalten  ....  Die  Farben  zeigen 
eine  gleichmäßige  harmonische  Verteilung  und 
die    Gesamtwirkung    ist   kein    Hervordrängen, 


P^amiliengrab  auf  dem   Riensberger  Friedhof. 

kein  Sichgeltendmachen  der  Malerei,  sondern 
ein  ruhiges,  farbenreiches,  der  Architektur 
sich  unterordnendes  Abschließen  der  T.icht- 
öffnungen.« 

Die  naturalistischen  Gestaltungen,  die  in 
dem  letzten  Jahrzehnt  besonders  üppig  gedeihen 
konnten,    sind  eigentlich    undiskutierbar.     Sie 


Die  Glasmalerei  als  .  hrliifektur-Glied. 


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^KIliüHOF. 


werden  nur  als  Zeichnererfindungen  zu  bewerten 
oder  vielmehr  zu  bedauern  sein.  Was  als 
l'.uchdeckel  oder  üuchillustration  vielleicht  an- 
gängig gewesen  wäre,  hat  noch  lange  keine 
Existenzberechtigung  als  Glasmalerei.  Solche 
F>zeugnisse  sind  im  Grunde  genommen  doch 
nur  Beweisstücke  für  die  l'neilslosigkeit,  mit 
der  heute  viele  —  Künstler  wie  Gewerbe- 
treibende —  arbeiten,  und  was  ist  uns  da 
alles  vorgelührt  worden?  Minutiös  durch- 
geführte Landschaften,  Frauenköpfe  mit  lang 
wallendem  Haar,  Genrebilder  in  einem  miß- 
verstandenen I'lakatstil,  nackte  Mcnschenleiber 
mit  lileikonturen  und  Bleiakzenten,  oder  was 
sonst  an  papiernem  Zauber  erdenkbar  gewesen. 
iJieser    Dinge    scheinen     nachgerade    die 


V'erfertiger  selbst  anzufangen  satt  zu  werden. 
Der  Wille  zum  Stil  ist  erwacht  und  macht  sich 
auch  hier  geltend.  Einzelne  der  gutgeleiteten 
Kunstgewerbeschulen  wirken  in  dieser  Hinsicht 
recht  günstig.  Allein  noch  zehrt  nicht  selten 
das  plumpe  Stilisieren  nach  Naturformen  an 
der  Gestaliungsgabe.  Es  ist  kein  sonderlicher 
Gewinn,  statt  einer  harmlosen  l.andschalt 
einen  verrenkten  Krebs  oder  eine  mißratene 
Hummer  in  der  Fassade  zu  finden.  Die  natür- 
liche Ursache  ist  auch  hier  die  Behandlung  des 
Glasfensters  als  platonische  Flachenzeichnung. 
Selten  wird  einer  dieser  Entwürle  in  das  Material 
umgesetzt,  nie  wird  er  lür  eine  bestimmte 
.■\rchiteklur  ersonnen.  Das  Gewerbe  hat  sich 
übrigens    auf    eine  solche  Art   der  Gestaltung 


Die  Glasmalerei  als.  Architektur -Glied. 


eingerichtet.  Es  entstehen  fortgesetzt  Glas- 
malereien auf  Vorrat,  die  bald  diesem,  bald 
jenem  Bauwerk  eingefügt  werden.  Die  Haupt- 
sache ist,  daß  das  Größenmaß  paßt. 

Und  doch  wie  viele  Voraussetzungen,  die 
sich  von  Fall  zu  Fall  ergeben,  erheischen  ihre 
artgerechte  Lösung.  Die  Lichtverhältnisse,  die 
durch  das  farbige  Fenster  reguliert  werden 
sollen,  sind  überall  anders.  Und  koloristische 
Harmonie  schematisch  zu  erzielen,  wäre  Tor- 
heit. Einmal  soll  das  Trejipenhaus  leicht  be- 
lebt und  doch  dem  Benutzer  die  schöne  Aus- 
sicht nicht  vöUig  entzogen  werden.  Dann  ist 
vielleicht  innerhalb  eines  großen  Fensters  nur 
eine  teilweise,  lichte  Verglasung  erwünscht. 
Ein  anderes  Mal  soll  gerade  der  Blick  auf 
einen  häßlichen  Hof  oder  eine  langweihge 
Nachbarwand  versperrt  werden.  Bald  ist  die 
Fassade  streng,  bald  heiter.  Und  schließlich 
bleibt  noch  immer  der  notwendige  Ausgleich 
mit  dem  Innenraum.  Das  Musikzimmer  des 
Landhauses  und  die  Kirchenhalle  erfordern 
nicht  allein  aus  inneren  Gründen  verschieden- 


artige formale  Gestaltungen.  Vereinzelt  gibt 
es  bereits  einige  Lösungen,  die  aus  der  Tek- 
tonik geboren  erscheinen.  Ich  erinnere  nur 
an  verschiedene  Fenster  —  etwa  an  die  im 
Pallenbergsaal  zu  Köln  —  von  dem  auf  diesem 
Gebiet  auch  technisch  so  erfahrenen  Melchior 
Lechter  oder  an  Kolo  Mosers  Glasmalereien 
für  die  von  Otto  Wagner  erbaute  Kirche  der 
niederösterreichischen  Heil-  und  Pflegeanstalt 
(sie  sind  in  der  Deutschen  Kunst  und  Deko- 
ration«, Band  XXI,  S.  170/171  abgebildet). 
Das  verbreitete  Vorurteil,  man  könne  mit 
buntem  Glas  und  Blei  frischfreifroh  phanta- 
sieren, muß  überwunden  werden.  Das  Glas- 
fenster, so  als  kunstgewerblicher  Sondergegen- 
stand betrachtet  und  gestaltet,  verwildert  natur- 
gemäß. Das  höchste  Ziel  einer  guten  Glas- 
malerei ist  unbedingt,  dem  Architekten  für 
bestimmte  Zwecke  als  denkbar  bestes  und 
selbstversiändlichesDekorationsmiltel  zudienen. 
Allerdings  wäre  zunächst  einmal  das  Stadium 
der  »bunten  Zutat«  zu  überwinden,  dann  wäre 
schon  Vieles  gewonnen.   —    paul  westheim. 


CARL   WEIDEMEYER— BREMEN.      GRABDENKMAL. 


[TERR-RSS  EN  ftNLR  G  E    RUF  DEm    LRN  D  GU  T  E -D  ES-H  ERRN' FR' K  ELLN  ER  ■  B  OR&FElD-BREm  £  N  ■ 
hK.  oiLUEMKisTER    BKEMK.N.  Terrasseii-Anlage. 


TOTE  UND  LEBENDE  SCHÖNHEIT. 


VON    D«-    EMU.  UTir/.     PRAG. 


Selbst  derjenige ,  welcher  die  Überzeugung 
vertritt,  daß  in  den  mannigfaltigen  Er- 
scheinungen des  Schönen  in  Natur  und  Kunst 
letzte  Gesetze  hervortreten,  die  unwandelbar 
durch  den  Ciang  der  Zeiten  dahinziehen  in 
eherner  Strenge,  wird  doch  zugeben,  daß  das 
Schöne  in  gewissem  Maße  von  zeitlichen  und 
örtlichen  Bedingungen  abhängt  und  daher 
mancherlei  Wandlungen  unterworfen  ist.  Mag 
sein  Kern  vielleicht  sich  auch  gleich  bleiben, 
die  Hüllen   wechseln. 

In  dieser  —  ja  gar  oft  erwähnten  —  zeit- 
lichen und  örtlichen  Bedingtheit  der  Künste 
liegt  eine  der  Ursachen  des  Stilwandcls.  Nur 
arge  Verblendung  könnte  dies  leugnen.  Dieses 
Geschehen  aber  zu  bedauern,  heiLJi  den  un- 
aulhaltsamen  Schritt  der  Tatsachen  anzuklagen, 
statt  bescheiden  seiner  Sprache  sich  zu  fügen. 
Immer  aber  erheben  sich  Rückschrittelei  und 
Sentimentalität ,  die  laut  das  Lob  des  Ver- 
gangenen singen  und  seine  Forlfühmng  fordern. 


Und  indem  sie  dies  tun,  zeigen  sie  deutlich, 
daß  sie  die  Werte  der  Vergangenheit  —  nicht 
verstehen.  Gerade  die  begeisterte  Liebe  zu 
vergangener  Kunst  muß  die  Erkenntnis  ihrer 
Einzigkeit  zeitigen.  Wir  können  keine  neue 
Gotik  und  keinen  neuen  Goethe  hervorbringen: 
wohl  möglich  ist  aber  eine  Zeit,  die  an  innerer 
Größe  und  Wucht  jener  nicht  nachsteht,  und 
ein  Genie,  das  jenem  gleichkommt.  Wir 
stören  aber  alles  Werden  und  Wachsen,  Keimen 
und  Blühen ,  wenn  wir  im  Namen  des  Ver- 
gangenen das  Seiende  vergewaltigen.  Der 
Vergangenheit  lichte  Werte  zu  verdunkeln, 
ist  fraglos  Barbarei;  aber  gleiche  Barbarei  ist 
es,  der  Gegenwart  eigentümliches  Wesen  zu 
mißachten  und  zu  verkennen. 

Zu  diesen  Fragen  seien  mir  nur  einige 
wenige  Bemerkungen  gestattet.  Vorerst  be- 
achten wir  die  große  Tatsache  des  Stilwandels ! 
Wer  in  der  Kunst  nur  einen  Ausfluß  müßiger 
Laune,    anmutiger  Tändelei  erblickt,   wird  da 


1909.  VII. 


53 


FR.  GILDEMEISTER  -  BREMEN.         AUS  DEN  HAUSGARTEN  C.  H.  GTLDEMEISTER  UND  RICH.  FRITZE  -  BREMEN. 


54 


FR.  GII.DKMEISTER-KREMEN. 


IK.  GILDEMEISTER- BREMEN. 


HAUSGARTEN    UND    VERANDA    EINES    I.ANDHAUhl-.s. 


GHRTEN  BnNK°FRc  GILDE  m  E  1  S  TE  R  -  G  AI  RT  EN  ARCHITEKT   BR£m  E  N 


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ENTWURFE   VON    l'K.  GILDEMEISTER— BREMEN. 


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ENTWURFE    VON    KR.  GU-UKMEISTER -BREMEN. 


Tote  und  lebende  Schüiilieit. 


GARTeNGlTTER^FR-GILDEmElSTER-GARTEN/ARCHITEKT-BREmEN 


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07 


um  eine  Erklärung  nicht  verlegen  sein :  das 
Bedürfnis  nach  Abwechslung  leitet  das  Kind 
von  einem  Spiel  zum  anderen ;  das  gestern 
noch  heißgeliebte  Spielzeug  liegt  heute  ver- 
gessen im  Winkel.  Die  Oberflächlichkeit  untl 
Leichtfertigkeit  dieser  Deutung  der  eigenartigen 
Krscheinung  des  Stihvandels  springt  wohl 
in  die  Augen.  Sie  Tviirde  höchstens  einen 
ganz  willkürlichen  Wechsel  begreiflich  machen, 
ähnlich  wie  er  bisweilen  in  der  Mode  vor- 
kommt; völlig  aber  läßt  sie   uns    darüber  im 


Unklaren,  warum  gerade  dieser  und  nicht  jener 
Wechsel  statthaft.  Der  Wahrheit  wird  hier  nur 
derjenige  näher  kommen ,  welcher  die  Kunst 
tiefer  faßt  und  in  ihr  einen  großartigen  Aus- 
druck der  Kultur  sieht ,  der  sie  entwächst. 
Und  die  großen  Kulturwandlungen  bedingen 
auch  Bleiben  und  Wechsel  der  Erscheinungen 
der  Kunst.  Doch  wäre  es  irrig,  das  einzelne 
Werk  ganz  aus  diesen  Bedingungen  erklären 
zu  wollen.  Ich  will  nur  darauf  hinweisen, 
daß  die  Entwicklung    der  Technik    einerseits 


GART  ENGlTTER'FR'GILDEmEISTER-GARTEn  ARCHITEKT-BREMEN 


KNTWÜkFK    VON    IK.  GILUK.MEISTER-  BREMEN. 


1»0».  VII.  ■■< 


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Dr.  Emil  Utitz-Pmi: 


KIHDER-GRRTEM-MRUS  •  eStv^^  GARU-Vs/EiDfeMEyepC«: 


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CARL  WEIDEMEYER     BREMEN. 

Schranken  setzt ,  andererseits  eigentümliche 
Probleme  stellt ,  die  nur  aus  ihr  heraus  ab- 
leitbar sind.  Noch  auf  einen  anderen  Punkt 
will  ich  aufmerksam  machen:  des  Künstlers 
Persönlichkeit  verleiht  dem  Werke  eine  eigene 
Note ,  eine  einzige  Besonderheit.  Aber  die 
Persönlichkeit  ist  ja  nichts  reif  und  fertig  vom 
Himmel  gefallenes ,  sondern  etwas ,  das  sich 
siegend  und  kämpfend  entwickelt.  Und  es 
entwickelt  sich  in  der  Zeit,  die  ihm  tausend 
Anregungen  entgegenträgt;  und  es  liebt  oder 
haßt  die  Zeit;  aber  es  wurzelt  in  ihr,  mag 
auch  seine  Sprache  und  Geberde  weit  empor- 
wachsen. —  Die  ganze  blühende  Mannigfaltig- 
keit klassisch  griechischer  Kunst,  ihr  uner- 
schöpfHcher  Reichtum  treten  uns  entgegen 
als  eine  große  Einheit,  in  der  mächtig  sich 
das  Wunder  des  griechischen  Geistes  offenbart; 


62 


jene  Lebens-  und  Weltanschauung ,  deren 
warmer,  lebensfroher  Hauch  heute  noch  er- 
quickend, ja  begeisternd  uns  entgegenschlägt ! 
Und  als  sie  verfiel,  als  das  Herbe  sich  löste, 
und  Größe  zur  Anmut  niedersank,  da  schwanden 
die  männlichen  Heldengestalten ,  da  versank 
die  Hoheit  mächtiger  Götterbilder ,  und  es 
entstanden  die  weichen,  zarten  Formen  träume- 
rischer Jünglinge  und  die  üppige  Pracht 
schöner  Frauen,  wie  sie  uns  in  der  späteren 
Kunst  entgegentreten.  Und  als  die  Antike 
unter2;ing,  als  der  Blick  von  der  lachenden 
Welt  unbefriedigt  sich  abwandte,  als  der  Sinn 
von  außen  nach  innen  sich  richtete ,  wo 
zitternd  die  Seele  fror  in  Glaubenszweifeln 
und  in  Himmelssehnsucht,  und  als  diese  Seele 
jubelnd  sich  erhob ,  da  erwuchs  auch  eine 
neue  Kunst :    eine  Kunst  der  Seele ,  die  ihre 


Tote  tvtd  lebende  Schönheit. 


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fMMDEf?  ■enc?TEH  -  HRU£."EffrW  C-WEiDEMCyER; 


<  AK-   UKlUEMI-.Vl-.k      lyKKMLN. 


Heimlichkeiten  zum  Ausdruck  brachte.  So 
schuf  stets  eine  neue  Zeit  eine  neue  Kunst; 
wenn  die  Menschen  andere  wurden ,  ward 
naturgemäß  auch  ihr  künstlerisches  Ausdrucks- 
bedürfnis ein  anderes.  Und  so  strömen  die 
Quellen  der  Kunst  aus  dem  tiefsten  Bronnen 
der  Menschen.  In  ihr  liegen  der  Menschheit 
größte  Offenbarungen.  Gar  manchesmal  ward 
dies  gesagt  und  ausführlich  erörtert.  Und  so 
wollen  wir,  aufbauend  auf  diese  knappen  An- 
deutungen über  den  Stilwandel ,  einiges  er- 
örtern, das  für  uns  vielleicht  nicht  unnütz  ist. 
Deutlich  lehrt  der  Stilwandel:  es  gibt 
Schönheit,  die  stirbt.  Kbenso  wie  Kulturen 
untergehen ,  gehen  auch  bestimmte  künst- 
lerische .\usdrucksformen  unter  und  weichen 
anderen,  die  den  jeweiligen  Bedürfnissen  mehr 
entsprechen.      Und    nicht    an   sich  beklagens- 


wert ist  dieses  Sterben,  dem  neues  Ueben 
entwächst.  Denn  was  es  an  kräftigen  Werten 
barg,  wirkt  weiter.  Der  alten  Kunst  große 
Taten  erfreuen  und  erheben  uns  noch  heute, 
ständig  spenden  sie  Lust  und  Wonne;  und 
sie  werden  zu  Lehrmeistern  kommenden  Ge- 
schlechtern; zu  Lehrmeistern,  nicht  aber  zu 
Vorbildern,  die  nachgeahmt  werden  müssen; 
zu  Lehrmeistern,  deren  Lehre  (ortgeführt  wird, 
gleichwie  ein  musikalisches  Motiv,  das  anfangs 
erklingt,  weiter  und  weiter  sich  auslebt,  immer 
größere  Kreise  ziehend.  So  verändert  wirkt 
Vergangenes  fort,  es  aber  durch  sklavische 
Kopien  künstlich  einem  neuen  Leben  zuführen 
zu  wollen,  heißt  tote  Gespenster  an  die  Stätten 
setzen,  die  einst  voll  blühender  Kraft  waren. 
Wir  können  Vergangenem  viel  weihen,  wir 
genießen  es  in  großen  Stunden  unseres  Lebens, 


63 


CARL  WEIDEMEYER— BREMEN. 


SOPHA    UND   SESSEL   IN    KÜHK-GEFLECHT. 
Ausführung:  Gebr.  Stalle-Bremen. 


CAKI.  WKIDEMEYER     BREMEN. 


KINUER-GARTEN-HAUSCHEN. 


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CARL  WEIDEMKVKK      ItKfc-MEN.  KIM 'KK-MOBKL. 

Ausführung:  Vereinigte  Werkstätten  fiir  Kunst  im  Handwerk— Münclicii-Brcmen. 


CARL  WEIDEMEYER     BREMEN. 


SPIELSACHEN. 


66 


AUSORMHRT   VON 
DKN  VKRKIMOTFN 
WI-RKStXtTKN    f'VK 
KUNST  IM  IfANDWtiKK 

■11  NCHKN-nRIvMHN. 


Tote  lind  lebende  Sc/iönheif. 


aber  es  lost  uns  los  von  unserem  i.eben.  Dessen 
können  einige  Altertumsforscher  antraten, 
nicht  aber  ein  Volk  und  seine  Künstler.  Sie 
trinken  von  den  Quellen  ihrer  Zeit,  und  be- 
rauschen ficli  an  diesem  Trank.  Aus  diesem 
Rausche  müssen  sie  schaffen,  in  ihm  genießen, 
<lurch  ihn  emporwachsen  in  künftige  Zeiten. 
Wegweiser  in  die  Zukunft  wollen  wir;  der 
Führer  in  die  Vergangenheit  haben  wir  genug. 
Und  auch  vergangenes  starkes  Leben  und 
seinen  künstlerischen  Ausdruck  kann  nur  der 
in  Ganze  fühlend  und  erschauernd  erfassen, 
der    selbst    ein    starkes,    eigenes    Leben    lebt. 

In  kleinen  Alpendörfern  hatte  ich  noch 
bisweilen  Gelegenheit  Ausfahrt  und  Einfahrt 
alter,  wackliger  Postkutschen  anzusehen.  Ein 
malerischer  Anblick  I  Aber  wehe  dem  .  der 
zu  so  einer  mehrstündigen  Fahrt  verurteilt  ist ! 
Und  das  Liedlein ,  das  der  Postillon  bläst, 
klingt  ganz  wundersam,  schöner  sicher  als  das 
Tuten  der  Automobile.  Wird  aber  jemand 
deswegen  verlangen,  die  Chauffeure  sollten 
rührende  oder  fröhliche  Lieder  zum  Besten 
geben?     Das  wäre  wohl  allzu  grotesk. 

Alte ,  winklige  Straßen  mit  ganz  hohen 
Häusern,  verschmutzt  und  verstaubt,  können 
entzückend  wirken.  ALan  kann  stundenlang 
in  ihnen  umherirren ,  immer  wieder  neue 
malerische  Schönheiten  entdecken.  Wird  man 
aber  da  wohnen  wollen  'i  Wird  man  nicht 
vielmehr  im  Namen  einer  hygienischen  Zeit 
nach  energischer  Abhilfe  heischen? 

Wer  heute  neue  Arbeiterdorfer  sieht,  die 
freundlichen  Gartenstädten  gleichen ,  die  ein 
Sonnenstrahl  gesunder  Schönheit  umglänzt, 
w-er  große  Warenhäuser  —  etwa  Wertheim  in 
Berlin  —  durchwandert  oder  des  abends  über 


eine  belebte  Großstadtstraße  geht ,  wenn 
das  tausendfältige  Licht  unzähliger  Lampen 
schimmert  und  leuchtet,  wer  den  weiten  Atem 
geräumiger  Bahnhofshallen  auf  sich  wirken 
läßt,  wer  den  kühnen  Schwung  elegant  sich 
spannender  Brücken  verfolgt,  wer  auf  den 
ganzen  Komfort  unseres  Lebens  achtet,  der 
wird  da  ästhetische  Werte  finden ,  die  neu 
sind,  Eigentum  unserer  Zeit;  frisch  auflebende 
Schönheit,  die  uns  manche  tote  ersetzt.  Man 
kann  nicht  alles  vereinen :  wem  der  heiße 
Atem  unserer  Tage  nicht  paßt,  der  fliehe 
ihn  und  suche  die  einsame  Stille,  aber  er  hat 
nicht  das  Recht ,  uns  durch  Klagen  und 
Jammern  die  Freude  an  der  Art  unseres  Lebens 
vergällen  zu  wollen. 

Einen  Einwand  kann  man  mir  leicht 
machen :  ist  es  gerechtfertigt  von  toter  Schön- 
heit zu  sprechen,  da  wir  doch  alle  alte 
Schönheit  zu  genießen  vermögen  ?  Ich  habe 
selbst  in  diesem  Essay  des  öfteren  darauf 
hingewiesen.  Doch  einiges  gilt  es  da  zu  be- 
denken: wir  genießen  nicht  alle  alte  Schön- 
heit, sondern  nur  das  Beste  von  ihr.  Vieles, 
das  früher  erfreute,  langweilt  uns  heute.  Nur 
soweit  allgemein  Menschliches  im  Alten  weht, 
spricht  es  zu  uns  unmittelbar  ergreifend.  Zu 
dem  anderen  müssen  wir  uns  durch  historische 
Schulung  durchringen. 

Und  etwas  ganz  anderes  ist  es :  alte  Kunst 
genießen  und  ihre  Nachahmung  anzuempfehlen. 
Die  Nachahmungen  führen  uns  nicht  weiter 
und  geben  nur  immer  wieder  Bruchteile  dessen, 
was  wir  schon  besitzen.  Mögen  wir  also  das 
Alte  noch  so  lieben,  noch  so  verehren,  unsere 
Zeit  müssen  wir  offen  halten  der  Kunst,  die 
ihr  allein  entspricht.   — 


RICHARD  KuöHL— BERLIN.  Oster-Spielsacfien  in  Holz. 

Ausführung:    Deutsche  Werkstätten  für  Handwerkskunst— Dresden. 


iBsai 


68 


CHINHSISCHES 

GEMÄLDE : 

BILDNIS 

ZWIUER   DAMEN 


CHINESISCHE  GEMÄLDE. 


VON    II«-    HANS   BETHGK. 


Mit  der  chinesischen  Malerei  ergeht  es 
uns  wie  mit  der  ja])anischen :  unsere 
Kenntnisse  davon  sind  nur  recht  vager  Art. 
Die  alten  klassischen  Gemiilde  der  Japaner 
befinden  sich  in  den  Palästen  des  Adels  und 
in  den  Klöstern  des  Landes,  die  sie  schwerlich 
je  verlassen  werden.  Die  Europäer  haben 
eifrig  Sammlungen  japanischer  Farbenhok- 
schnitte  angelegt,  die  von  den  Japanern  selbst 
nur  wenig  gesammelt  worden  sind.  Über 
diesen  Farbenholzschnitten  vergaß  man  m 
Europa  ganz  die  japanische  Malerei.  Dali 
diese,  wie  überhaupt  alle  alte  japanische 
Kunstübung ,  ihre  Wurzeln  und  ihre  ganze 
festgefügte  Ba-^is  in  China  hat,  bedarf  keiner 
Erörtenmg.  Die  Kunstfreunde  haben  sich  um 
China  immer  viel  zu  wenig  gekümmert,  alles 
warf  sich  auf  Japan,  besonders  in  den  letzten 
Jahrzehnten,  denn  Japan  war  Mode,  und  die 
Kunst  der  stärkeren  Chinesen  wurde  von  den 
Europäern  auffallend  vernachlässigt. 

Was  ich  bisher  an  chinesischer  Malerei 
gesehen  hatte,  war  zum  Teil  so  köstlicher 
.Art,  daß  ich  immer  die  Sehnsucht  gehabt 
hatte  mehr  davon  genießen  zu  dürfen.  Ich 
hatte  einige  auf  Seide  gemalte  prachtvolle 
Porträte  gesehen,  von  starker  Charakteristik 
und  wuchtiuem  Stil.  Einen  besonders  starken 
Eindruck  aber  hatte  eine  spärliclie  Sammlung 
kleiner  auf  Seide  gemalter  Bildchen  auf  mich 
gemacht,  die  allerlei  Szenen  aus  dem  Leben 
darstellten:  wunderbar  feine,  farbig  zart 
getönte  Sächelchen  von  einem  holden  lyrischen 
Reiz,  hingehauchte  Menschen  und  Land- 
schaften, von  einem  zärtlichen  Duft  umflossen. 
Was  man  sah,  waren  Fragmente,  losgerissene 
Einzelheiten,  aus  denen  man  sich  ein  Gesamt- 
bild nicht  gestalten  konnte.  Die  Begierde 
der  China-Freunde  wurde  daher  aufs  höchste 
erweckt,  als  es  hieß,  daß  eine  deutsche 
Frau  in  China  eine  große  Sammlung  chinesischer 
Ciemälde  zusammengebracht  habe,  die  in 
Berlin  ausgestellt  werden  sollte.  Die  Aus- 
stellung dieser  von  Frau  Olga  Julia  Wegener 
gesammelten  Bilder  hat  in  der  Akademie  der 
Künste  stattgefunden  und  wurde  von  allen 
Kunstfreunden,    denen    sie    die   Wege    in    ein 


langersehntes  Gebiet  ebneten,  auf  das  wärmste 
begrüt'.t.  Es  \var  ein  Genuß  sich  zwischen 
diesen  zweihundertunddreißig  gut  placierten 
langen  Bildern,  die  da  abgerollt  an  den 
Wänden  hingen  und  übrigens  nur  einen  Teil 
der  Wegenerschen  Sammlung  darstellten, 
betrachtend  zu  ergehen.  Leider  hat  es  der 
Staat  versäumt,  Ankäufe  aus  dieser  schönen 
Sammlung  zu  machen.  Er  hat  sich  die 
Gelegenheit  entgehen  lassen,  für  das  in 
Dahlem  bei  Berlin  zu  errichtende  neue 
ostasiatische  Museum  schöne  Dinge  zu  erwerben. 
Dies  ist  auf  das  lebhafieste  zu  bedauern,  zu- 
mal nun  die  Wahrscheinlichkeit  voriiamien 
ist,  daß  Frau  Wegener  ihre  Sammlung  in 
das  Ausland  verkaufen  wird.  London  hat 
eine  Sammlung  chinesischer  Bilder  im  Britischen 
Museum.  Warum  zögern  wir  denn,  uns  auch 
ein  solches  Besitztum  zu  erwerben,  da  es 
uns    in    so  bequemer  Weise  angeboten   wird  r 

Die  Gemälde,  die  man  in  den  gut  be- 
leuchteten Räumen  der  .Akademie  der  Künste 
sah,  waren  natürlich  nicht  alle  gleicliwertig. 
Die  eigentlichen  Meisterwerke  klassischer 
Epochen  wird  man  kaum  jemals  in  Eurojta 
zu  sehen  bekommen,  die  chinesischen  Paläste 
und  Klöster  halten  sie  fest.  Aber  man  sah 
trotzdem  des  Schönen  die  Fülle.  Das  älteste  der 
Bilder  führte  in  das  achte  Jahrhundert  zurück,  in 
die  glorreiche  Zeit  der  Tang-Dynastie,  welche 
die  strahlende  Blüte  der  chinesischen  Dich- 
tung war  und  Chinas  beide  größten  Poeten, 
Li-Tai-Po  und  Thu-Fu,  hervorgebracht  hat. 
Die  neuesten  Bilder,  soweit  sie  datiert  waren, 
gehörten  dem    19.  Jahrhundert  an. 

Die  Chinesen  pflegen  auf  Seide  zu  malen, 
zuweilen  auf  Pflanzenfaser])a])ier.  Sie  kleben 
dann  die  Bilder  auf"  einen  dickeren  Seiden- 
oder Papierstoff  und  rollen  das  Ganze  über 
einem  Holzstock  zusammen.  Gerollt  werden 
die  Bilder  von  den  Chinesen  aufbewahrt.  In 
einem  Kämmerchen  kann  man  eine  ganze 
Galerie  vereinigen.  Natürlich  bilden  sich  durch 
das  Rollen  vielfach  Risse  und  Brüche,  die  beson- 
ders bei  den  älteren  Bildern  störend  in  die  Er- 
scheinung treten.  Der  Malgrund  ist  fast  immer 
braun;    vom    hellsten    gelb-braun    über    gold- 


VM)9.   \  III. 


4 


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CHINESISCHES    GEMÄLDE.     (  I  7.  J.MIUIIUNDEKT.) 


72 


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.UlilHI.UHUM.ORlK.Vr    .     vliKMUlLlCMtUKN-IAfllN.      ENDK  DER  MINO  KPOCIIE      (l3'>8        l()44) 


Dr.  Hans  Bet/iae: 


braun  zum  bräun- 
liclien  Dunkel.  Was 
fiir  eine  vielgestal- 
tige ,  stilistisch  be- 
deutsame und  cha- 
rakterreiche Welt 
spielt  sich  vor  diesen 
braunen  (^runden  ab! 
—  Da  sind  Blumen- 
stücke  der  lieblich- 
sten Art.  Die  Päonie 
ist  die  Lieblingsblüte 

der  chinesischen 
Maler,  man  trifft  sie 
in  allen  farbigen 
Nuancen ,  in  allen 
Formen ,  in  zarten 
und  üppigen.  Man 
sieht  frühlingshafte 
Blütenzweige         des 

Pflaumen  -  Baumes, 
belebt  von  kleinen 
Vögeln ,  dekorative 
Kompositionen ,  wie 
sie  die  Japaner  von 
den  Chinesen  Über- 
nommenhaben. Man 
sieht  einfache,  ganz 
flächig  hingestrichenc 
Blätter  des  Bambus- 
rohres und  große, 
mystische  Blumen- 
köpfe ragen  auf  rie- 
sigen Stielen  in  eine 
feierlich  gedämpfte 
Luft ,  umgeben  von 
stillen ,  riesenhaften 
Blättern.  —  Und 
dann  die  Tierbil- 
der. Wir  sehen  Kor- 
morane  und  Reiher 
am  Wasser ,  unter 
blühenden  Bäumen. 
Silber-  und  Gold- 
fasanen tauchen  auf, 
Pfauen  und  unge- 
heuer kräftig  stili- 
sierte Adler,  sitzende 
und  fliegende.  Ein 
Reh ,  das  oftenbar 
verwundet  ist,  steht 
mit  schmerzvoll  zu- 
rückgebogenem Kopf 
in  einer  Schneeland- 
scliaft ,  ein  feines 
und    rührendes    Bild. 


l'HUfcjäP:..,.-, 


-v»-'riäiB*u;T:s  '*",'! 


■fc- 


.  gemAlde:  »der  priestkk  tamo  gemt  aui'  die 
I '.\N(;-\  [.\.     11522     ly^r.) 


Zwei  Kraniche,  farbig 
ganz  auf  schwarz  und 
weiß  gestellt ,  wer- 
den zu  einem  ener- 
gischen, schön  in 
sich  bewegten  de- 
korativen Gebilde 
zusammengebracht. 
Man  sieht  ein  ganz 
wundervolles  kleines 
Bild  aus  dem  Jahre 
1100.  Ein  paar  weiße 
Hühner  mit  Fasanen- 
küken sind  darge- 
stellt, das  Bild  trägt 
das  Siegel  des  Kaisers 
Hsüan-Ho.  Dieses 
alte  Bild  ist  von  einer 
so  außerordentlichen 
Schönheit  des  Tones 
und  von  so  hervoi- 
ragender  Zeichnung, 
daß  man  es  als  ein 
.Meisterwerk  der  bil- 
tlenden  Kunst  an- 
siirechen  muß.  Man 
wird  an  alte  hollän- 
dische Meister  ge- 
mahnt ,  wenn  man 
dieses  Bild  betrach- 
tet. Die  Art  wie 
die  Schwanzfedern 
des  Hahnes  darge- 
stellt sind,  das  ist 
die  schlechthin  be- 
wundernswerte Art 
eines  großen  Künst- 
lers. Der  Tiger  aus 
der  Ming  -  Epoche 
(1368  —  1644),  den 
wir  abbilden ,  ein 
weiches,  weniger  auf 
sein  Knochengerüst, 
als  auf  sein  Fleisch 
hin  gesehenes  Vieh, 
ist  eine  hervorragende 
Impression.  Auch  die 
Pferde,  die  man  zu 
sehen  bekommt,  sind 
mehr  auf  ihren  flei- 
schigen Umriß  als  auf 
das  Gebäude  ihrer 
Knochen  hin  darge- 
stellt. Der  Pferde- 
typus, den  schon  Han 
Kan   auf  einer  inter- 


74 


CHINKSISCHKS 
r.KMÄl.DU: 
i.tKHKSPAAR«, 
tS    HU-CIIICH. 
.   HINii-KPOCHB 
11644  niSJBTZT). 


C//i/u'stM//e  Geniä/th: 


CHINESISCHES   GEMAI.DE:     »BILDNIS    EINES    HOHEN    BEAMTEN    MIT    FRAU«. 


essanten,  fast  byzantinisch  anmutenden  Skizze  um 
750  gibt,  ist  zwar  im  Laufe  der  Zeiten  gemodelt, 
aber  doch  in  seiner  eigentlichen  Wesenheit 
kaum  verändert  worden.  Ein  kostbares  Bild  ist 
jenes  aus  der  Ming-Epoche,  das  einen  mongo- 
lischen Jäger  mit  zwei  Pferden  darstellt  (Ab- 
bildung S.  79).  Ein  Bild  von  farbig  mysti- 
schem Gehalt  und  einem  mächtigen  inneren 
Rhythmus.  Die  Abbildung  gibt  nicht  das 
Wesentliche,  wie  überhaupt  die  Reproduktionen 
hier  nur  schwache  Xotbehell'e  sind.  Aber 
man  nehme  die  Ruhe  des  rückwärts  schauen- 
den vornehmen  Rappen  und  die  Ruhe  des 
grasenden  Schecken  und  die  heftige  Be- 
wegung des  mongolischen  Jägers,  der  sich 
eben  anschickt  die  Elinte  anzulegen,  in  sich 
auf.  Ein  Tierbild  von  ganz  bedeutenden 
Qualitäten    ist    jene    Malerei  aus   der   Epoche 


der  Ming-Dynastie  (1368— 1644\  aut  der 
man  einen  Bären  und  einen  ,\dler  dargestellt 
sieht.  Der  Bär  ist  zeichnerisch  bis  in  alle 
Einzelheiten  durchgebildet  (was  die  Wieder- 
gabe leider  nicht  erkennen  läßt)  und  zeigt 
doch  einen  durchaus  großzügigen  Rhythmus. 
Seine  Bewegung,  wie  er  den  Baumstamm 
hinaufgehen  will  und  dabei  nach  oben  schaut, 
ist  unübertrefflich  erfaßt,  überhaupt  scheint 
mir  dieser  dunkle  Geselle  ein  unübertrefflicher 
Bär  zu  sein,  nach  seinem  Umriß,  nach  seiner 
inneren  Eorm,  nach  seiner  Zeichnung.  Er 
müßte  das  Entzücken  des  Bildhauers  Gaul 
bilden,  der  so  gerne  Bären  modelliert  hat, 
aber  niemals  einen  schöneren  als  diesen.  Auch 
der  Adler  mit  dem  zornigen  Blick  und  der  Kraft 
seiner  Klauen  ist  köstlich  gesehen  und  erfaßt. 
Diese  alte  .Malerei    scheint    mir   das  schönste 


// 


Chinesische  Gcmä/dc. 


CHINESISCHES    GEMÄLDE:      »HÄUSLICHER    GENIUS    MIT    PLÄTT-E[SEN    .     (UM    160O.) 


Tierbild,  der  Wegenerschen  Sammlung  zu  sein. 
—  Man  sieht  Landschaften,  blühende  und 
beschneite ,  von  stärkstem  Eindruck.  Die 
landschaftliche  Szenerie  besticht  schon  durch 
ihr  schönes,  graziöses  Material:  durch  die 
schön  gewölbten,  hölzernen  Brücken,  durch 
die  dunkeln,  haarigen  Silhouetten  der  Aleppo- 
kiefer,  durch  die  seltsam  steilen,  hohen  Berge, 
die  fast  die  Form  von  Zuckerhüten  haben, 
durch  das  feine,  hängende  Laubwerk  der 
Weiden  und  das  duftige  Schilfwerk  an  den 
Gewässern  und  durch  die  zierliche  kapriziöse 
Architektur  der  Häuser  und  Pavillone.  Man 
findet  Landschaften  mit  stark  ausgeprägter 
Perspektive ,  wenn  auch  nicht  mit  einer  so 
naturalistischen  Perspektive  wie  wir  sie  heben, 
sondern  mit  einer  Perspektive  mehr  flächiger 
und  dekorativer  Art.      Daß    der  chinesischen 


I\LTlcrci  die  Perspektive  überhaujit  fehle,  kann 
nur  Unverstand  behaupten.  Aber  auch  der 
stärkste  Naturalismus,  den  man  auf  vielen  der 
chinesisclien  Bilder  antriflt ,  ist  niemals  so 
naturalistisch,  daß  dabei  das  dekorative  Element 
übersehen  würde.  Dekorationen  sind  diese 
Bilder  immer  in  erster  Linie.  Es  ist  be- 
wundernswert, mit  welchem  dekorativen  Fein- 
gefühl landscliafiliche  Ausschnitte  gegeben 
werden;  wie  durch  Überschneidungen,  durch 
das  plötzHche  Hereinragen  von  Zweigen  bild- 
hafte Wirkungen  der  intimsten  Art  resultieren  ; 
wie  das  Raumgefühl  ausgeprägt  ist  —  bei  diesen 
Bildern ,  die  nach  unseren  Begriffen  gerade 
für  die  Entwickelung  räumlicher  Feinheuen 
die  denkbar  ungünstigsten  Formate  besitzen. 
Meistens  sind  die  Landschaften  von 
Fisfuren    belebt.      Da  ist  ein  Wasserfall  von 


78 


r.KMAl.DE:     .MONGOl.ISCHEK  JÄGEK..     BEZ.:    CH'KN-CHi-ClIUNG.     MING-EI'ÜCHE.     (1368      1644.1 


1909.  VIII.  t 


Dr.  Havs  Bethge: 


CHINESISCHES    GEMÄLDE:     »NÄHENDE    ERAUo. 
BEZ.:  CHANG-VVEI.     ANFANG  DER  TSCHING-EPOCHE. 

(1644    BIS  JKTZT.) 

ungeheurer  Höhe,  der  schlank  herabflutet  an 
wilden  Felsen  und  dessen  unten  zerschäumen- 
des Naß  sich  in  ein  ornamentales  Gekräusel 
auflöst,  eine  reine  Landschaft,  wie  es  scheint, 
aber  sehen  wir  näher  hin ,  so  erblicken  wir 
unten  einen  Pavillon  mit  kleinen  Menschlein, 
die  angeregt  dem  Schauspiel  des  herabstürzen- 
den Wassers  zuschauen.  Einsame  Frauen 
stehen    in  Landschaften    und   erfüllen  sie  mit 


82 


einer  lyrischen  Anmut  wundervoller  Art.  Wir 
sehen  schlanke  Gestalten  von  mädchenhafter 
Holdheit  und  von  einer  Süße  der  Bewegung, 
die  uns  ganz  hinnimmt.  Wir  sehen  Frauen 
von  ganz  madonnenhaftem  Wesen,  wir  werden 
geradezu  an  die  Madonnen  der  frühen, 
primitiven  Künstler  in  Italien  erinnert,  an  die 
Gestalten  von  Giotto  und  Cimabue.  Eine 
ganze  Reihe  von  Bildern  erinnert,  wenn  man 
sie  aus  einiger  Entfernung  betrachtet,  nach 
Zeichnung  und  Farbe  an  die  Malereien  des 
Trecento ;  erst  wenn  man  näher  herantritt, 
erkennt  man  die  chinesische  Linie. 

Die  schön  wallenden  Gewänder  der  f'raucn 
werden  mit  großer  Liebe  behandelt ,  und 
Bänder  flattern  dahin  in  ornamentalem 
Schwung.  Eine  Blumen  streuende  Halbgöttin, 
deren  Gewänder  wie  ein  schönes  Ornament 
erscheinen ,  mutet  an  wie  eine  liebliche 
Tänzerin  in  den  Lüften.  Unter  den  eigent- 
lichen Porträten  finden  sich  sehr  bedeutende 
Stücke.  Das  nicht  datierte  Doppelbildnis 
eines  hohen  Beamten  mit  seiner  Frau ,  das 
wir  wiedergeben ,  ist  von  außerordentlicher 
.  Charakteristik  und  auch  durch  seine  energi- 
schen Farben  sehr  eindrucksvoll:  wie  mächtig 
ist  der  Kopf  der  Frau  gesehen.  Das  j»  Weib- 
liche Porträt«,  das  wir  gleichfalls  wiedergeben, 
ist  um  1600  entstanden,  vermutlich  durch 
den  Pinsel  Chen- Lau- Lins,  und  wirkt  be- 
zaubernd durch  seine  Vornehmheit  und  Dis- 
kretion; vor  dem  Original  tauchen  Em- 
pfindungen auf,  die  nach  Griechenland  hin- 
überweisen. Das  »Bildnis  zweier  Damen«- 
(Abbildung  S.  70),  das  nicht  datiert  ist, 
nimmt  durch  seinen  grazilen  Duktus,  durch 
die  Anmut  der  Gestalten  sofort  gefangen. 
Das  Bildnis  des  Priesters  Tamo  (Abbildung 
S.  74)  ist  nicht  mehr  Porträt  zu  nennen. 
Das  kostbare  l?ild  stammt  von  Tang-^'in 
(1522  — 1567).  Tamo  geht  in  der  Mongolei 
auf  die  Jagd.  Er  und  sein  Kamel  sehen 
nach  oben,  dem  über  ihnen  fliegenden  Vogel 
nach.  Aber  auch  die  Berge  sehen  nach 
oben  und  die  Höcker  des  Kameles  und  Alles. 
Auf  dem  Bildrand  steht:  ^^Es  wird  Abend 
und  es  fängt  leise  an  zu  schneien«.  Winter- 
liche Luft  liegt  über  dem  Bilde  und  eine  ganz 
mystische  Stimmung,  die  etwas  Ergreifendes  hat. 
Soviel  von  den  chinesischen  Gemälden, 
deren  Bekanntschalt  wir  Frau  Olga  Julia 
Wegener  verdanken.  Auf  diesen  flächigen 
Bildern,  die  den  Schatten  der  Dinge  wieder- 
zugeben immer  vermeiden ,  konnte  man  so 
ziemlich  alle  Nuancen  der  malerischen  Dar- 
stellung verfolgen,   die  wir  von  unserer  euro- 


Chinesisc/ie  Gemälde 


päischen  Malorci  her  gewöhnt  sind:  vom 
absoluten  ReaUsmus  bis  zur  verfeinerten  Stil- 
kunst. Man  sah  ganz  impressionistische  Bilder 
aus  Zeiten,  wo  wir  in  P^uropa  an  den  Im- 
pressionismus noch  nicht  dachten.  Man  sah 
die  diskretesten  Stilisierungen  aus  Zeiten,  wo 
wir  in  Deutschland  in  kultureller  Hinsicht 
noch  auf  Bärenfellen  lagen  und  uns  eine  be- 
wußte Kunstübung  unendlich  ferne  lag.  Man 
sah  die  künstlerischen  .Äußerungen  einer  unge- 
heuer allen  und  mächtigen  Kultur,  man  sah  die 
Kultur  der  chinesischen  Linie  an  malerischen 
Darstellungen,  die  unsere  hohe,  verehrungs- 
volle .Achtung  vor  dem  chinesischen  Volke  und 
seiner  Kunst  noch  verstärkte.  Hoffentlich  ist 
diese  Sammlung  den  deutschen  Liebhabern  ein 
Hinweis  geworden,  sich  in  Zukunft  nicht  nur 
mit  dem  chinesischen  Kunstgewerbe,  sondern 
auch  mit  der  chinesischen  .Malerei  zu  befassen. 

Eine  Reverenz  vor  der  Dame,  die  diese 
Bilder  ferner  Gegenden  und  ferner  Zeiten 
gesammelt  hat.  Und  einen  langen  Seufzer 
tun  wir  zu  dem  Manne  hinüber,  dessen 
Pflicht  es  gewesen  wäre,  die  schönsten  dieser 
Bilder  für  das  schon  genannte,  gejjlante  Museum 
in  Dahlem  zu  kaufen,  —  Wilhelm  Bode, 
dem    Generaldirektor    der  Museen    zu   Berlin. 

Ich  persönlich  ging  mit  einem  besonderen 
Gefühl  der  Liebe  durch  diese  Ausstellung 
chinesischer  Bilder  hin.  Ich  hatte  mich  näm- 
lich kurze  Zeit  zuvor  des  Näheren  mit  der 
Dichtung  der  Chinesen  befaßt  und  hatte,  ent- 
zückt über  die  Krischen  Schätze,  auf  die  ich 
stieß,  eine  Anzahl  der  schönsten  (-hinesischen 
Gedichte  aus  allen  Zeiten  in  deutsche  Verse 
umgegossen  und  zu  einem  Bande  vereinigt 
(»Die  chinesische  Flöte«;  im  Inselverlag  zu 
Leipzig).  Jetzt  sah  ich  viele  dieser  Gedichte, 
in  Malereien  umgewandelt,  wieder  vor  mir 
stehen.  Reizendere  Illustrationen  als  diese 
Malereien  könnte  ich  mir  für  mein  Buch 
niemals  wünschen.  Da  standen  ja  die 
Mädchen  mit  den  wallenden  (}ewändern  und 
den  langen  .\rmeln,  die  ich  aus  den  Versen 
her  schon  kannte,  l'flaumenbäume  blühten 
über  ihren  feinen  Häuptern,  und  der  oft 
besungene  Schmuck  von  Jade  funkelte 
in  ihren  Ohren  und  um  ihren  Hals.  Da 
ragten  ja  die  kleinen  Pavillone  an  friedlichen 
Gewässern,  von  denen  die  chinesischen  Dichter 
immer  so  gerne  sprechen,  und  hohe,  mächtige 
Trauerweiden  breiteten  ihre  zarten  Zweige 
über  sehnsüchtige  Liebespaare  aus.  Die 
chinesische  Dichtung  hat  ihr  Stärkstes  in  der 
Lyrik  hervorgebracht,  alle  großen  chinesischen 
Dichter    waren    Lvriker.      Und    versenkt    man 


I  H INESISCH.  GEMAI.RE:   »MANN  MIT  SCHIRM  IMSCHNKK«. 
BEZ.:    KAO-CH'I-P'EI.     (UM    I780.) 

sich  in  diese  holde  Verskunst,  so  fühlt  man 
eine  bang  vorschwebende  Zartheit  lyrischen 
Klanges,  eine  von  Bildern  ganz  erfüllte  Kunst 
der  Worte,  die  hinableuchtet  in  die  Schwer- 
mut und  die  Rätsel  des  Seins,  ein  feines 
lyrisches  Erzittern,  eine  quellende  Symbolik, 
etwas  Zartes,  Duftiges,  Mondscheinhaftes,  eine 
blumenhafte  Grazie  der  Empfindung.  Ein 
intimes  Erfassen  der  Reize  der  Natur  ist 
für  die  chinesische  Dichtung   charakteristisch. 


83 


Chinesische  Geii/älde. 


Der  chinesische  Lyriker  ist  ganz  verwachsen 
mit  der  Landschaft,  und  ihr  gewinnt  er  viele 
seiner  geHebten  Svmbole  ab.  Ich  möchte  einige 
chinesische  Gedichte  zitieren,  man  wird  so- 
gleich erkennen,  daß  sie  geradezu  als  Beschrei- 
bungen chinesischer  Malereien  dienen  können. 
Da  ist  eins  der  populärsten  Gedichte  von 


Li-Tai-Po,  dem  großen  Vagabunden,  den  es 
ruhelos  durch  das  Land  trieb,  der  ein 
Trinker  war  und  seine  Lieder  zur  Laute 
vortrug  und  dessen  übermütige  Launen  ab- 
wechselten mit  den  Stimmungen  tiefster 
Melancholie,  die  seines  Wesens  Urgrund  war. 
Ich  meine  das  kleine  zierliche  Gebilde : 


DER  PAVILLON  AUS  PORZELLAN. 


Mitten  in  dem  kleinen  Teiche 
Steht  ein  Pavillon  ans  grünem 
Und  aus  weißem  Porzellan. 

Wie  der  Rücken  eines  Tigers 
Wölbt  die  Brücke   fidi  aus  jade 
Zu  dem  Pavillon   hinüber. 

In  dem  Häuschen  (i^en  Freunde, 
Schön  gekleidet,  trinken,  plaudern, 
Maudie  Ichreiben  Veife  nieder. 

Ihre  feid'nen  Ärmel  gleiten 
Rückwärts,  ihre   feid'nen  Müljen 
Hocken  luftig  tief  im  Nacken. 


Auf  des  kleinen  Teiches   ftiller 
Oberfläche  zeigt  fidi  alles 
Wunderlich  im  Spiegelbilde: 

Wie  ein  Halbmond  fcheint  der  Brücke 
Umgekehrter  Bogen.    Freunde, 
Schön  gekleidet,  trinken,  plaudern. 

Alle  auf  dem  Kopfe  ftehend. 
In  dem  Pavillon  aus  grünem 
Und  aus  weißem   Porzellan. 

Da  ist  ein  anderes  kleines  Gedicht  von  Li- 
Tai-Po,  »DieTreppe  im  Mondlicht«,  ganz  ein  Bild: 


DIE  TREPPE  IM  MONDLICHT. 


Gefügt  aus   lade   fteigt  die  Treppe   auf, 

Mit  Tau  bene^t,  darin  der  Vollmond  fchimmert. 

Auf  allen  Stufen  liegt  der  holde  Glanz. 

Die  Kaiferin  in  fchleppendem  Gewände 
Schreitet  die  Stufen  aufwärts,   und  der  Tau 
Näßt  funkelnd  des   Gewandes  edeln  Saum. 

Sie  fdireitet  bis  zum  Pavillon,  in  dem 

Das  Mondlicht  webt.    Geblendet  bleibt  fie  auf 

Der  Schwelle  ftehen.     Ihre  Hand  zieht  facht 

Den  Perlenvorhang  nieder   —    und  es  finken 

Die  lieblichen  Krirtalle,  riefelnd  wie 

Ein  Walferfall,  durdi  den  die  Sonne  fcheint . . . 


Da  laulcht  die   Kaiferin  dem   Riefeln  nadi 

Und  blickt  voll  Sdiwermut  lange   in  den  Mond, 

Den  herbftlichen,  der  durch  die  Perlen  flimmert. 

Und  blickt  voll  Schwermut  lange  in  den  Mond  .  . . 

Und  nun  zum  Schlut)  noch  ein  Gedicht, 
ein  sehr  schönes  Liebeslied,  das  von  einem 
unbekannten  fahrenden  Sänger  aus  dem  dritten 
Jahrhundert  n.  Chr.  überliefert  worden  ist.  Es 
zaubert  uns  die  hold  und  vornehm  schreitenden 
Gestalten  chinesischer  Frauen  vor,  wie  wir  sie 
auf  vielen  der  Bilder  auf  Seide  finden: 


DIE  HERRLICHE. 


Du   bift  wie  eine  Zauberin!     Die   Schritte, 
Die  Deine   fchlanken  Lenden   tun,  verwirren; 
Der  Maulbeerbaum  umkolf  Didi,  dem  Du  nahlt. 

Pflückll  Du  Dir  Blumen,  fliegen  fie  befeligt 
In  Deine  Hände.    Fällt  Dein  Ärmel  rückwärts. 
So   feil'   ich  einen   Arm,  der  himmlifch  id. 

Zwei  gold'ne   Reifen  geh'n  um   Deine   Knöchel, 
In  Deinem   Gürtel  prangen  blaue  Steine, 
Ein  kleiner  gold'ner  Vogel  fchmückt  Dein  Haar. 

Um   Deinen  Hals,  der  glatter  ift  als  Jade, 
Flirrt  eine   Kette  großer,  echter  Perlen, 
Die  eine  Spange  von  Korallen  fc^lließt. 


Wenn  fidi  der  Wind  in  Deinen  Kleidern  fängt. 
So  baufchen  Deine  Kleider  fich  wie  Wolken, 
Darin  die  Götter  durch  den  Himmel  zieh'n. 

Siehft  Du  mic4i  an,  fo  glüh'  ich  wie  die  Hölle; 
Streift  mich  ein  Hauch  von  Deinen  roten  Lippen, 
So  atme   ich  den  Duft  der  Blume  Lan. 

Begegnet  Dir  ein   Reiter  vor  den  Toren, 
So  hemmt  er  feines  Rolfes  wilde   Hufe, 
Ihm  ift,  als  ob  ein  holdes  Traumbild  naht. 

Sieht  Dich   ein  Hungriger  am  Straßenrande, 
So  blickt  er  auf  und   laßt  die  Mahlzeit  ruhen 
Und  ftauntDich  an  und  weiß  nicht,  daß  ihn  hungert. 


MALER    LEOPOLD  FORM  NER  -  WIE>J. 


AVandi-inln^e  in    Mosaik:      P;ilias  Athene  . 

Ausfülii-ung:  Wiener  Mosaik-Wcrkslätle. 


EINE  WIENER  MOSAIK-WERKSTÄTTE. 


Diese  eigenartige  (iründung  ist  allein  durch 
die  energische  Initiative  eines  ganz 
jungen,  von  Professor  Moser  in  der  Kunst- 
gewerbeschule ausgebildeten  Dekor-Künstlers 
entstanden.  Leoi>old  Forst ner  gehurt  in 
jene  Kategorie  der  ^denkenden  Künstler«, 
welche  zum  Glück  jetzt  immer  öfter  hervor- 
treten, und  deren  Schulung  nicht  nur  darin 
besteht,  über  eine  ausgezeichnete  Werkstätten- 
Bildung  zu  verfügen,  sondern  deren  Interesse 
sich  vor  allem  dem  Kulturbild  ihrer  Zeit  zu- 
wendet. Solche  Künstler  lernen  aus  den 
sozialen  Wandlungen,  die  Stil-Wandlungen  be- 
greifen und  für  die  schwerlälligeren  Evo- 
lutionen der  Baukunst,  alle  ihr  entsprechenden 
Dekor  -  Motive  in  vollendeter  Durchbildung 
bereitzuhalten. 


Otto  Wagners  Lehrtätigkeit  an  der 
Wiener  Architekten-Schule  hat  die  Betonung 
eines  tiefen  Zusammenhanges  aller  Daseins- 
Cicstaltungen  zur  Basis.  Und  der  innige 
Kontakt  der  zwischen  diesem  bedeutenden 
15aukünstler  und  den  Führern  der  öster- 
reichischen Raum-  und  Dekorkunst  besteht, 
ließ  solche  Tendenzen  zu  grundlegenden 
Prinziiiien  erstarken.  Schon  im  Jahre  1902 
erschien  Wagners  Werk  *  Moderne  .Vrchitektur«, 
welches  das  Flächenideal  propagiert.  Und 
beinahe  gleichzeitig  fand  in  der  Wiener 
Sezession  die  Beethoven-Ausstellung  statt,  in 
der  den  Künstlern  die  .\ufgabe  gestellt 
wurde,  dekorativen  Mauerschrinuck  in  Material 
auszuführen.  Kolo  Moser  gab  die  Anregung 
zu    einem    neuartigen   Mosaik,    das    aus    einer 


85 


t^ilt^-frHO« 


LEOPOLD  FORSTNER    WIEN. 
DETAIL   DES   NEBENSTEHENDEN    MOSAIKS. 


Eine  Wiener  Mosaik-  WerksUilk. 


Ll.OPOLD  FORSTNER     WIEN. 


Mosaik  mit  Relief-Kigtircti  für  das  Graiul-Hotel  Wiesler  in  Graz. 

All^fiillIlllly:  Wiener  Mosaik-Werkslatte  und  Wiener  Kcratnik. 


Kombination  von  Majolika,  (ilas,  Ku|>kT  aul 
zeinenticrten  Mauergnind  bestand.  Solche 
\ersuclie  kamen  Forstners  dekorativen  Slil- 
bestrebimgen  sehr  entgegen.  Die  streng,  bei- 
nahe arrhaistisch  empfundene  .\rt  seiner  Kom- 
Ijositionen,  welche  nur  auf  eine  monumentale 
Wirkung  hin  aufgebaut  sind,  liei3  dem  Künstler 
jenen  Techniken  den  Vorzug  geben,  die  über 
starke  Konturen  und  Fleckwirkungen  gebieten 
können.  Frühe  Arbeiten  Forstners,  deko- 
rative Glasfenster,  Gobelinwebereien  zeigten 
bereits  das  Bestreben  des  Schmuckartigen, 
und  die  Neigung  sonore  Farbenharmonien 
mit  breiter  Linien -Rhythmik  zu  verbinden. 
Sehr  eingehende  Studien  des  alten  byzan- 
tinischen und  modernen  Venezianer  Mosaik, 
eine  sicher  erworbene  Praxis,  festigten  des 
Künstlers  Absichten,  ohne  daU  er  nur  einen 
Augenblick  lang  der  Gefahr  erlegen  wäre, 
einstige,  anderen  Gesetzen  entsprungene  Deko- 
rationsarten nun  für  die  Gegenwart  benützen 
zu  wollen.  Immer  strebte  Forstner  vom 
Stifimosaik,  wie  Byzanz  es  gebildet,  weg, 
zum  Flächenmosaik.  Ist  das  erstere  vor 
allem     für     gewölbte     Kuppel -Vcrklcidimgen 


erfunden,  so  kann  das  letztere  nur  dort 
sich  entwickeln,  wo  die  Horizontale  und  die 
Vertikale,  Linien -F.insäumungen  für  flächige 
Konstruktionen  bilden.  Neue  .Materialien  be- 
einflussen die  moderne  Bauweise  aul  das 
Stärkste.  So  sieht  Forstner  im  Beton,  welches 
gegossene  Flächenkörper  ermöglicht,  das  für 
Großstadthäuser  rasch  in  .\ufnahme  gelangende 
Material.  Für  die  bislang  als  Fassadenschmuck 
beliebte  plastische  Ornamentik  aber,  die  dem 
Sinn  einer  akademischen  Stilarchitektur  ent- 
sprach, muß  nun  ein  Ersatz  gefunden  werden. 
Was  in  Italien  einst  das  Fresko  sein  durlte, 
eine  großartig  dekorativ  wirkende  farbige 
Mauerzier,  soll  nun  unserm  Klima  angepaßt, 
ein  neues  Fresko  m  Material  werden.  Ein 
allen  Witterungs-Einflüssen  unverändert  Stand 
haltendes  Platlenmosaik,  welches  die  hete- 
rogensten Stoffe  zu  sonorer  Gesamtwirkung  ver- 
bindet. —  Die  beigegebenen  Alibildungon 
werden  besser  als  jede  Schilderung  den  Findruck 
der  Technik  vermitteln.  Getriebenes  Kupfer 
und  Majolika-Plastik  geben  die  starken  Akzente 
der  Körper.  Farbiger  Marmor-  oder  Glas- 
Mosaik   bildet  den    Hintergrund,   während  für 


S? 


LEOPOLD    FORSTNER  -  AVrEN.  \VAND-EINLAGEN~    TAUBE    UND    FISCH.     Ausfiilirung:  Wiener  Mosaik -Werkstätte. 


LEOPOLD  FORSTNER  -WIEN.       GARTEN-VASE  AUS  BETON.    Ausfülirung:  Wiener  Mosaik  Werkstätte. 


88 


1909.  Vlll.  3. 


Eine  Wiener  Mosaik-  Werkstätte. 


LEOPOLD  FORMNER      WIEN.  Musaik:    h>t.  (ja 

Ausführunij:  Wiener  Mosaik- Werkstätte. 


Detail-SchiWerungen,  pchimmerndes  Perlmutter, 
Onyx,  Malachit  und  andere  edle  Materialien 
verwendet  werden.  Auf  das  glücklichste  ver- 
bindet sich  die  Strenge  des  stilistischen 
Komposition -Themas  mit  einer  prunkenden 
ornamentalen  Begleitung.  Und  auch  die  Farbe 
fugt  sich  dem  tektonischen  Willen ,  der  aus 
l'orstners  Platten-Mosaiken  spricht.  —  Gerade 
weil  Forstner  sowohl  die  alte  Tradit'on  des 
Mosaiks  sorgsamst  aufgenommen  hat,  als  auch 
ganz  neue,  aus  den  Zeit  -  Konstruktionen  sich 
kri-tallisierende  Mosaik-Probleme  einer  künstle- 
risclun  Lösung  zuführt,  erbliihen  dieser  Ueko- 
r.ition^iait  unbegrenzte  Möglichkeiten  bauliiher 
Verwendbarkeit.  Der  moderne  Werk  Künstler 
muLi  auch  ein  Rechen  -  Künstler  sein.  Das 
heißt,  er  muß  seinen  auf  künstlerischen  Voraus- 
seizungen  beruhenden  Arbeiten,  Industrie- Weite 
geben  können.  Wenn  für  den  Massenl  edarf 
der  Architekten  statt  der  Papp- Ornamentik, 
deren  sie  sich  jetzt  en  gros  bedienten,  ein 
echtes  Dekor-Mittel  nun  geboten  werden  soll, 
und  dies,  wie  Forstner  meint,  in  dem  Plaiten- 
Müsaik  gefunden  ist,  so  kann  nur  ein  rasches 
und  verhältnismäßig  billiges  System  der  Her- 
stellung zum  Sieg  führen.  Solche  wirtschaft- 
liche Lösungen  künstlerischer  Frai;en  bringt 
aber  nur  die  Praxis.  Und  deshalb  ist  die 
Kr.  ffnung  der  Mosaik  -  Weikstätte  durch 
Forstner  von  eminent  prakti-cliem  Wert.  Be- 
leits  jetzt  arbeiten  vier  vom  Künstler  sorgsamst 
ausgebildete  Arbeiter  an  Aulgabi  n  aller  Art. 
In  Linz  wurde  kürzlich  eine  große  M^zart- 
( '.edenktafel  enthüllt,  die  aus  schwarzem  Syenit 
gebildet,  mit  dem  Majolika- Brustbild  Mozarts 
gesclimückt  und  von  einer  farbinen  Mosaik- 
Bordüre  gerahmt  ist.  Diese,  Dauerhaltigkeit 
und  ornamentale  Bildwirkung  vereinigende  Tafel 
ist  wegweisend  für  eine  erneuerte  Ästhetik 
des  Straßeiibildes.  Denn  Forstners  Gedanke 
ist,  daß  sowohl  an  und  um  Portale,  als, 
Schilder-Schmuck,  Mosaik-Firmen-Tafeln  anzu- 
bringen wären,  die  Leben  und  lu'.tige  künst- 
lerische Abwechslung  dem  Auge  bieten  würden, 
wie  einstens  zur  Zeit  der  Schmiedeeisenkunst 
die  herrlichen  Gilde -Zeichen.  Ein  Hotel  in 
Graz  läßt  seine  Festsäle  und  Speiseräume  be- 
reits ganz  mit  Platten-Mosaik  dekorieren,  und 
auch  die  Lösung  für  das  billig  und  unzer- 
störbar herzustellende  Fassaden -iMosaik  ist  in 
Forsmers  Werkstatt  festgelegt  worden.  Große 
farbige  Glasplatten,  die  durch  Metall -Knöpfe 
sichtbar  angeschraubt  werden,  ergeben  eine 
Wandbekleidung,  die  alle  Reize  der  Poly- 
chromie  in  sich  vereint  und  großzügiger  Linien- 
wirkung ermöglicht.  b.  zuckerka.ndl. 


LEOPOLD  I-OKSTNER     WIEN-  .  KiUwuif   für  cincn    Brunnen   in   Linz. 

Aiisfiiliriiiig  in  Sanilsti-in  mit  Mosaik-Einlayen.     Kiijjpel  iiiul  Hliinu-nkülu-l  vcrjjoldetes  Schmiedeeisen. 


GESCHMEIDE  UND  EDELMETALL-ARBEITEN 

VO.V  GOLDSCHMIED  KMII,   I.KTTKE    liKKLlX. 


Die  Arbeiten  E.  Letlres 
haben  für  uns  jiro- 
grammatische  Hcdeutiing. 
Der  Mann  und  Künstler 
wehrt  sich  z«ar  dagegen, 
in  den  Zank  des  T;iges  ge- 
zerrt zu  werden.  Ihm  ge- 
nügt das  Werk ,  der  Um- 
gang mit  edlen  Metallen 
und  seltenen  Steinen,  die 
oft  soviel  mehr  Schönheit 
und  Charakter  haben  als 
Men'^chen.  Die  spiclend- 
ernste  Reihung  unerschöpf- 
licher Gestaltungen  beglückt 
ihn  wie  jeden  echten  Künst- 
ler hundertmal  mehr  als 
öffentliches  Lob  oder  das 
Wirken  seines  Vorbildes. 
Kr    hat    nicht    das    Bedürf- 


KMII.    l.Kl  I  KK      liKKI.IN.       I<  !■  vi,' I.IM  In  ll'  11. 


nis  nach  Keifall  und  Nach- 
f  ilgcrschaft.  Von  der  Pre- 
digernatur,   d:e    in  sovielen 

unserer  Kunstgewerbler 
steckt ,  ist  keine  S;  ur  in 
ihm.  —  Und  trotzdem 
und  gerade  deswegen  brau- 
chen wir  ihn  und  seines- 
gleichen als  Paradigma,  als 
J'rediger  wider  Willen  für 
einige  Lehren,  die  eben 
daran  sind,  die  »Forde- 
rung des  Tages«  im  Kunst- 
gewerbe zu  werden.  Un- 
sere Leute  denken  zuviel, 
sie  sehen  an  allen  Ecken  und 
Enden  Probleme,  Stilfragen 
unrl  Kulturfragen,  sie  rech- 
nen, überlegen,  ergründen, 
debattieren,       konstruieren. 


91 


Geschmeide  und  Edelmetall-Arbeiten. 


philosophieren,  wo  sie  sich  ruhig  auf  das 
Ahnungsvermögen  des  einfältig-kindlichen  Ge- 
mütes verlassen  können.  Man  erschrickt  oft, 
wenn  man  erkennt,  wie  vollgepfropft  junge 
Künstler  mit  Prinzipien,  Kulturgedanken, 
modernen  Programmsätzen  sind  und  wie  dürr 
und  öde  ihre  eigenen  Arbeiten  daneben  stehen. 
Diese  korrekten  Schülerarbeiten  machen 
niemand  Freude.  Sie  können  den  Ursprung 
aus  dem  Intellektuellen,  aus  der  verstandes- 
mäßigen Überlegung  nicht  verleugnen.  Die 
Hand,  der  Stoff  werden  zu  Schönheitsquellen 
nur  dem,  der  mit  den  Sinnen  lebt  und  dichtet. 
Wenn    wir  nur  die  Wahl    haben  zwischen  be- 


Brosche und  Ring.    Gold  mit  Rubin  bezw.  ;Miiaragden. 

wußter,  taktfester  Programmkunst  und  prin- 
zipienloser, naivsinnlicher  Kunst,  können  wir 
getrost  die  schönen  Prinzipien  fahren  lassen. 
.\m  glücklichsten  wirken  immer  die  Kunst- 
werke, aus  denen  sich  keine  Prinzipien,  keine 
Theorien  ableiten  lassen. 

Mit  der  bloßen  Freude  des  Genießers 
sollen  Lettres  Arbeiten  betrachtet  werden, 
und  das  ist  das  Vorbildliche  an  ihnen,  daß 
sie  zu  dieser  Betrachtungsweise  zwingen.  Er 
ist  kein  »Zeichner*.  Die  Fülle  der  Einfalle 
quillt  ihm  unter  dem  Werkzeug  hervor.  Histo- 
risch oder  modern,  darum  schert  er  sich 
den  Teufel.    Er  ist  nicht  unglücklich,  wenn  die 


GOLDSCHMIEU    F-M!L    LEIIKZ      FERLIN.     L  ntcr  cea  Linden 


Salzfaß  mii  Salzlöfl'elchen.    S.iber  vergoldet. 


r- 


GOLDSCHMIED    IMII     I  I   1  IKl  • 


COIITER    MIT   ANHÄNGER. 
GOI.D,  GRANAT  UNI)  MONDSTEINF. 


GOLDSCHMIED  EMIL  LETTRE   IN    BERLIN. 

EHRENPREIS  FÜR  DAS  GORDON  BENNETT-RENNEN  DER 
LÜFTE.      SILBER   MIT  FARBIGEN  STEINEN.      Vi  GRÖSSE. 


GOLDSCllMIEU   E.Mll-  LETTK1-:    BERLIN. 
POKAL   AUS   BERG-KRISTALL   UND   SILBER. 


Geschmeide  und  Edehiiefall-.  Irbeitcti. 


^M 


Gebilde  des  Stichels  oder  der 
Punzen,      die     er     um     einen 
hübschen     Stein    gleich     einer 
Huldigung  zieht,  einmal  einem 
l'.arockornament  ähnlich  sehen. 
Sie  tragen  doch  alle  den  Druck 
seiner    Hand.     Niemand    wird 
ihn  darum  der  Erfindungsarmut. 
der  Anlehnung  bezichtigen.   — 
Lettre  tut  wie  die  alten  Gold- 
schmiede   gern    des    Guten    in 
Treib-  und  Schneidarbeit  etwas 
viel.      Aber  wie  liebevoll,    wie 
sinnlich    erfühlt    ist    hier    jede 
geringste  Ranke  gegenüber  der 
pietätlosen      Ornamentierungs- 
wut  unserer  Goldwarenlabriken. 
Die  Masse  des  Schmucks,   die 
zurzeit    im    Juwelierladen    feil- 
geboten    wird     (Goldschmiede 
gibts  ja  kaum  mehr),    ist  kein 
Schmuck.     Wozu      soll      man 
diese    gestanzten    Zeichnungen 
mit    sich    herum    tragen?      Es 
ist    kein    Wunder,     wenn     die 
Frauen    ihre  Gunst   mehr  und 
mehr      den      schlichten ,      un- 
gefaßten   Steinen    und    Perlen 
zuwenden,      an      denen     kein 
Zeichner  was  verderben  kann. 
DiePrunkschüssel,  die  August 
Scher!  für  das  vorjährige  Gor- 
don Bennett-Rennen  der  Lüfte 
bestellt    hat,    verdient    ein    be- 
sonderes Wort.      Das  ist  Silber 
in    seiner    echtesten    Sprache, 
kräftiger    unverfälschter   Werk- 
stattdialekt.      Aber    das    Metall 
singt    ein    herrliches    Lied    in 
dieser  ungebrochenen  Sprache. 
Eine     seltene     Mischung     von 
Schurzfell    und    Smoking    liegt 
in     den     Formen,     aber     im 
Ganzen  sind  sie  doch  das  Be- 
kenntnis    eines     Handwerkers. 
»Der    Stolz     des    Handwerks«: 
möchte    man    das    Prunkstück 
benennen,    das    eigentlich    nur 
durch    die    Gediegenheit    und 
Liebe    in    der    Arbeit    prunkt. 
Der  ganze  Bauch  der  Schüssel 
mit    dem  überhängenden  Hals 
ist  aus  einem  Stück  geschlagen 
—     aber    wer    würdigt    heute 
noch  solche  Meisterschaft  der 
Hand?    —  a.  jaumann. 


96 


VMW.  1.KTTR1-:    BERLIN. 


«.iHRRlNGE    IN    GOU)    MIT 
SMARAGDEN    BESETZT. 


RING    MIT    EINER    I'ERI.K 
UND   ZWEI    DIAMANTEN. 


BROSCHE  IN  GOLD  MIT  EINEM  OP.\L  UND  EINE  PERLEN. 
MANSCHETTEN-KNÖPFE    MIT   BRILLANTEN    BESETZT. 


ZIGARETTE N-feTUIS.      SILBER    MIT    FARBIGEN    HjU-BEUELSTElNEN.     (PREIS    MK.  /j.  — .) 


1909.  VIII,  4. 


.■;,,^...,-..^«««Bra^.;s^ 


j%^g^J««J^gJ^ 


AKCHiriKl    J.  CHK.  GKWIN      DAKMSTADT. 


SPEISE-ZIMMER. 
Ausführung:  Georg  Ehrhardt  &  Söhne-  Darmstadt. 


ARCHITEKT  J.  CHR.  GEWIN      DARMSTAÜT. 

Ausführung:  Hof-Mobelfabrik  J.  Giückert— Darmstadt. 


FREMDEN-ZIMMER. 


AKCHITFKT    H.    I.RANI)      KKII  Ur.l  KG. 


lKÜHbiLLK.->-/lM.Ml.K.       AusfiihninE:  McUtcr  ft  Sclilcclil     Mliii/ciibcri:. 


ARCHITEKT    KARL    STIEF     DARMS  lA  DT. 


MUSIK-RAUM   MIT   ORCHESTRELLE. 
Ausgeführt  von  der  Choralion  Company  m.  b.  H.  — Berlin. 


AKCH.  M.  UALLL-Nl'A.NG      DARMSTADT.  BILL.VRD  IN  NUSSBAUM.      Ausf  .  J    li    Doilditer,  Hill.ird  l.ibtik.  Mainz. 


100 


.^^H«^W  I.IIL^iB)II.IL  IUI 


Ak.llllK.Kl     E.    l;hUrl.NÜLK      UAkMM  AIU-HLILBRONN.  PIANINOS  M I  1     KU.   IHK     IMXKMA. 

AusfGbrung:  Ferdinand  Thürmcr,  Hof-Pianofortcdhrik.  MciBen  t.  S. 


U/./Al:    MARX-D1E.STELMANN      DKSSAU. 


TISCH-DECKE    IN    GROBEM    LEINEN    MIT    REICHER    STICKEREI. 


LIZZIK    MARX- 
DIESTELMANN — DESSAU. 


ri'K-VUKHANG    Mll 
REICHER    STICKEREI. 


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KNIWL'KK;    EklLH    KLKUNHKMi'tL— iiKhMJKN 


ükWKIJiK    TISCH-DECKE. 


tNTWUKI- 

WAI.TKR    CRANH 

LONDON 


I  iscii-rmcKK. 


Ausf.:  Norbert  Langer  8i  Söhne,  k.  k.   Priv.  Leinwand    ii.  Tischzeug  l-abrik,  Deutsch-Licbaii  in  MÄhrcn. 


MATHII.ÜK    STEGMAVER     DARMSTADT. 


SERVIERTISCH-DECKCHEN    IN    DUKCHBRUCH    UND   STICKEREI. 


i^l!li!i!i^lliii.:iiJ!Jlii|i!ij' 


Hi 


I  !lnH!llii!!i^H!iii|iJ!i 


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ARCHITEKT   J.  KRUG      DARMblAD'i. 


GESTICKTE    WANDFULLUNG. 


FAVHNCE-KAÜKIK     -ALLiUMA  ■  -KurtNllAGLN. 


Bluiiiciisclialen  und  Fayencen. 


NEUE  KERAMISCHE  ARBEITEN. 


VON    ERNST    /.IMMERMAMN. 


ES  kann  kein  Zweifel  sein ,  unsere  ganz 
allmählich  wieder  zu  einem  gesunden, 
natürlichen  und  innerlichen  Kunstempfinden 
zurückkehrende  Zeit  gewinnt  langsam,  aber 
mit  unausbleiblicher  Sicherheit  auch  eine  große, 
starke  Neigung  wieder  für  jene  farbenfrohe, 
kuUurhohe  Kunst  der  Keramik,  die,  in  der 
Hauptsache  im  Zeitalter  der  Renaissance  unter 
dem  Einflüsse  des  Orients  geboren,  zu  allen 
Zeiten  dann  und  in  allen  Ländern  die  regste 
Kunst- Betätigung  entfaltet  hat,  bis  sie  im 
18.  Jahrhundert  schließlich,  im  Zeilalter  des 
Porzellans  zu  einer  Leidenschaftlichkeit  geführt 
hat,  für  die  die  gesamte  Geschichte  des  Kunst- 
gewerbes, ja  vielleicht  der  Kunst  überhaupt 
kein  volles  Gegenstück  zu  lielern  im  Stande 
ist.  Kein  Monat  vergeht  jetzt,  in  dem  nicht 
ein  größeres  und  reich  mit  Abbildungen  ver- 
sehenes Werk  über  irgend  ein  Gebiet  dieses 
Zeitraums  erscheint,  keine  Woche,  in  der  wir 
nicht  immer  wieder  kopfschüttelnd  von  jenen 
erstaunlich  hohen  Preisen  lesen,  die  heute  lür 
die  besten  und  schönsten  Erzeugnisse  auf 
diesem  Gebiete  aus  früherer  Zeit,  die  meist 
vor  zwei  Jahrzehnten  noch  kaum  beachtet 
wurden,  l)ezahlt  werden.  Immer  neue  Sammler 
tauchen  hier  auf  immer  bedeutender  werden 
die  keramischen  Bestände  in  den  Museen. 
Die  Keramik,  und  speziell  das  Porzellan,  kann 
heutzutage  aul  dem  Gebiet  der  alten  Kunst 
geradezu  Trumpf  genannt  werden. 

Gleichzeitig  kann  ebenfalls  nicht  zweifelhaft 


sein,  daß  auch  für  die  keramischen  Erzeug- 
nisse unserer  Zeit  ein  ganz  anderes  Interesse 
wieder  vorhanden  ist,  als  noch  vor  wenigen 
Jahren,  ja  daß  dies  mit  erstaunlicher  Schnellig- 
keit wächst  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
immer  schneller  noch  wachsen  wird.  Es  ist 
heute  vielfach  eine  ganz  andere  Sache,  wie 
noch  vor  recht  kurzer  Zeit,  sich  ein  neues 
Service  zuzulegen,  ja  auch  nur  eine  einzige 
Tasse,  aus  der  man  selber  trinken  will,  eine 
ganz  andere  Sache,  sich  eine  Blumenvase  an- 
zuschatTen,  in  der  die  Blumen,  lür  die  sie 
bestimmt  auch  wirklich  zu  Geltung  kommen 
sollen.  Die  frühere  Gedanken-  und  Empfin- 
dungslosigkeit ist  hier  nun  oft  genug  vorbei, 
mit  ihr  die  künstlerische  Anspruchslosigkeit, 
sich  wie  Irüher,  ein  jedes  keramisches  Pro- 
dukt, das  sein  Erzeuger  schon  für  schön  und 
brauchbar  erklärt  hat,  auch  für  ein  solches 
in  die  Hand  stecken  zu  lassen.  Die  Kritik 
hat  hier  gegenüber  der  keramischen  Fabri- 
kation jetzt  vielfach  mit  aller  Schärfe  ein- 
gesetzt: sie  verlangt  auch  hier  jet/.t  ein 
höheres  künstlerisches  Niveau. 

Dem  gegenüber  ist  es  jedoch  erstaunlich, 
daß  die  keramische  Fabrikation  unserer  Tage 
diesen  sich  jetzt  allmählich  vollziehenden  Um- 
schwung in  der  Hauptsache  noch  keineswegs 
begriffen  hat.  Wer  z.  B.  die  Lei])ziger  Vor- 
messe in  diesem  Jahre  besucht  hat,  auf  der 
sich  ja  fast  die  gesamte  keramische  Produktion 
Deutschlands  ein  Stelldichein  gibt,    der    wird 


190».  Till.  s. 


105 


VASKN    UND    bLUMENTOPF 

IN    FAYENCE   MIT 

BUNTER    BEMALUNO, 


FAYENCE-FABKiK 

-ALUMINIA« 

KOPENHAGEN. 


Iü6 


ASCHEN-l'RNK.  VASh 
UND  rKLLEK 
IN    l-AVHNCR, 


KAVP.NCE-FABRIK 

«ALUMINIA« 

KOPHNHACBN. 


lOy 


\a(e  keramische  Arbeiten. 


sobald  den  Eindruck  nicht  vergessen,  den 
dieses  in  der  unglaublichsten  Weise  verwilderte 
Fach,  das  mit  Kunst  nicht  das  Geringste 
mehr  zu  tun  hat ,  auf  jeden  feintühligen 
Menschen  hier  machen  muß:  es  ist  das  Chaos 
absoluter  Geschmacklosigkeit,  das  sich  hier 
aufiut,  eine  allgemeine  Verwirrung  und  Ver- 
zerrung von  Stil  und  Geschmack,  aus  der  eine 
Errettung  kaum  noch  als  möglich  erscheint. 
Es  ist  das  Ende  jeglicher  keramischer  Kunst, 
ein  wahres  Ende  mit  Schrecken,  für  das  es 
kein  Weiter  mehr  gibt. 

So  aber  muß  mit  doppelter  Freude  alles 
begrüßt  werden ,  was  gegenüber  diesem 
Treiben  energisch  Front  macht  und  uns  auch 
in  der  Keramik  wieder  echte  Kunstwerke  ver- 
schaffen will.  Hier  sollen  einige  Beispiele 
dieser  Ait  den  schon  immer  an  dieser  Stelle 
gegebenen  angereiht  werden,  die  uns  die  feste 
Versicherung  der  Möglichkeit  einer  wirklich 
gesunden  keramischen  Kunst  auch  in  unserer 
Zeit  zu  gewähren  im  Stande  sind.  Zimächst 
einige  neuere  Arbeiten  der  bekannten  Stein- 
gutfabrik >Aluminia<  in  Kopenhagen,  deren 
plötzliche  Modernisierung  vor  einigen  Jahren 
für  uns  eine  ebenso  große  Überraschung 
war,  wie  die  der  mit  ihr  verbundenen  Por- 
zellanmanufaktur  vor  nunmehr  einigen  Jahr- 
zehnten. Was  diese  Erzeugnisse  auszeichnet, 
ist  die  Schönheit  und  Wärme  des  gelblichen 
Scherben,  die  erstaunliche  Lebhaftigkeit  der 
leuchtenden,  kräftigen  Farben,  vor  allem  aber 
die  Konsequenz,  mit  der  man  hier  Steingut 
Steingut  sein  läßt,  indem  man  ihm,  dem 
derberen  Produkt  nicht,  wie  sonst  fast  überall, 
die  feinere,  für  dieses  aber  garnicht  geeignete 
Malerei  des  ja  -»-iel  zarteren  Porzellans  auf- 
zwingt. Breit  und  kräftig  sitzen  überall  die 
Farben  auf,  meist  in  sehr  richtiger  Verteilung, 
und  so  haben  wir  hier  eine  Keramik  vor 
uns,  so  krältig  und  dekorativ  zugleich,  wie 
kaum  eine  andere  in  unserer  Zeit  geschafiene. 
Schade  nur,  daß  von  diesen  Erzeugnissen 
unsere  eigene  Steingut-Industrie  noch  immer 
mcht  recht  lernen  willl  Wir  haben  in  Deutsch- 
land bisher  auf  diesem  Gebiete,  das  vielleicht 
zur  Zeit  das  am  allermeisten  bearbeitete  unserer 
heutigen  Keramik  darstellt,  nur  sehr  weniges, 
das  gleichfalls,  wie  hier,  mutig  genug  ist, 
seinen  dem  Porzellan  gegenüber  etwas  nied- 
rigen Ursprung  zu  bekennen,  indem  es  ruhig 
in  den  Grenzen  der  ihm  durch  seine  ganze 
Natur  angewiesenen  bescheidenen  Kunst  bleibt. 
Was  wnr  heutzutage  in  Steingut  machen,  heu- 
chelt uns  fast  immer  Porzellan  oder  Fayence 
vor,  hat  nie  seinen  eigenen  Stil,  seine  eigene 


loS 


Schönheit  und  seinen  eigenen  Reiz,  und  so 
steht  man  hier  oft  genug  vor  Schöpfungen, 
die  völlig  unwahr  und  danim  völlig  unschön 
sind.  So  ist  dies  Gebiet  noch  immer  eins  der 
unerfreulichsten     unserer    heutigen    Keramik. 

Ganz  anders  geben  sich  dann  neben 
diesen  Steingutarbeiten  die  übrigen  hier  ab- 
gebildeten Werke ,  die  sämtlich  zu  den 
jüngsten  Erzeugnissen  der  Meißner  Manu- 
faktur gehören.  Sie  zeigen,  daß  wir  jetzt 
auch  in  Deutschland  eine  Porzellanplastik  be- 
kommen, die  neben  der  des  Auslandes  d.  h. 
in  erster  Linie  noch  immer  Kopenhagens  be- 
stehen kann.  Inhalt  dieser  ist  auch  hier  wie 
dort  in  erster  Linie  die  Tierplastik  —  es  ist 
merkwürdig,  wie  relativ  leicht  gerade  auf 
diesem  Gebiete  unsere  heutige  Porzellankunst 
zu  wirklich  bedeutenden  Erfolgen  gelangt, 
indeß  es  mit  der  figürlichen  Kunst  noch  an 
keiner  Stelle  in  gleicher  Weise  gelingen  willl 
—  und  hier  sind  namentlich  unter  den  etwas 
strenger  stilisierten  Werken,  deren  Stilisierung 
jedoch  nichts  mit  der  bis  zur  letzten  Kon- 
sequenz gehenden  der  Kopenhagener  Tier- 
stücke zu  tun  hat,  einige  Arbeiten  zu  erwäh- 
nen, die  schlechterdings  als  unübertiefiflich 
bezeichnet  werden  müssen,  ja  die  vielleicht 
länger  einen  Reiz  ausüben  werden .  als  die 
Kopenhagens.  Denn  stilisiert  gleich  diesen. 
so  daß  sie  gleichfalls  den  Eindruck  höher 
organisierter  Kunstwerke  machen,  bleibt  ihre 
Stilisierung  doch  noch  reicher  in  Details  und 
Nebenformen,  so  daß  es  hier  nicht  bloß  einen 
einzigen  Eindruck  gibt,  der  schon  gleich  alles 
sagt  und  fast  nur  wie  ein  einmaliger,  wenn 
auch   sehr  guter  Einfall  wirkt. 

Es  ist  mehr  Inhalt  in  ihnen  und  so  darf 
man  in  ihnen  wohl  den  Meißner  Stil  sehen, 
der  sich  wie  einst,  wieder  die  Welt  erobern 
kann,  wenn  jener  nicht  sehr  wandlungsfähige, 
heute  aber  vorherrschende  Stil  Kopenhagens 
an  seiner  allzugroßen  Einfachheit  zu  Grunde 
gegangen  sein  wird.  Doch  auch  schon  recht 
gelungene  figürhche  Arbeilen  hat  Meißen 
daneben  aufzuweisen,  von  denen  die  Balleit- 
tänzerin  Eichlers  durch  ihre  Anlehnung  an  den 
alten  erprobten  Stil  Kändlers,  des  Schöpfers 
der  Porzellanplastik  des  18.  Jahrhunderts, 
besonders  erfreulich  wirkt. 

Hier  tun  sich  gleichfalls  Perspektiven  für 
die  Zukunft  auf,  die  zu  großen  Hoffnungen 
berechtigen  und  uns  vielleicht  auch  hier  bald 
eine  ausgedehnte  Porzellanplastik  verschaffen 
werden,  die  der  ^'e^gangenheit  sich  würdig 
an  die  Seite  reihen  kann,  und  eine  wirkliche 
Bereicherung  dieses  Gebietes  bedeutet.  — 


MODKLLErR    C.  P.  WAI  THKR  -  JlEISSrN. 


PORZELLAN.      -KAMl'lSi  HNKI'KEN 


WI.IJHAUER    O.  PÄSSLER     DRESDEN.  PORZELLA.N.        KKoPFl AUHI-.N«. 

Ausgeführt  von  der  KgL  Sächsischen  l'orzeMan-Manufaktur  in  .MciUcn. 


i 


.,^  .^„  PORZFLLVN         ZEBU-GKUPPE    .      »BULLDOGGE«    VON    PROF.  HOSEL. 

MODELLEUR   ROCHMANN     MUbbEN.  PORZELLAN.        ZLBU  üiiu 

Ausgefülirt  von  der  KgL  Sächsischen  Por^cllan-Man.ifaktiir  in  Mcilien. 


OTTO    PILZ— DRESDEN. 


roRZF.I.I.AN.         K  \MI'1-F-NDE    ESKl, 


OTTO    PII  Z      DRKSDEN. 


PORZELLAN.      »SCHÄFER    MIT   SCHAFEN« 

Ausgeführt  von  der  Kgl.  Sächsische"  Purzella.i-Mjmifaklur  In  Meinen. 


K.  TH.  KICHLER      MEISSEN. 


TANZKRIX  KON  IG      DRESDEN. 


MADCHEN    MIT    KIND    . 


PROFRSSOR 
E.  HÜSKI, 
MRISSHN, 
»HAHN". 


Ausgeführt  von  der  Königlich  Sächsischen  Porzellan-Maniifjktur  in  Meißen. 


112 


wiLHEin  HARTZ,  Dresden;. 


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KMIL    PRKElukUS      DAKMSTADl. 


Dekoraliver  Fries  3x1   m. 
Dunkelgrün  auf   getontem  Wtitt. 


EMIL  PREETORIUS. 


Romantische  Ironie  —  so  könnte  wohl  das 
Stichwort  dieses  jungen  Künstlers  lauten, 
dessen  kluge,  träumerische  Hand  uns  kiirzlich 
die  höchst  romantische  Gestalt  des  Herrn 
Peter  Schlemilil  hat  lebendig  werden  lassen. 
Klug  und  träumerisch,  skeptisch  und  sehr 
empfindsam  ist  die  Linie  dieses  Zeichners, 
dabei  so  rein  und  so  keusch  —  ich  weili 
kein  anderes  Wort  dafür  —  daß  man  sich 
den  Schöpfer  kaum  als  üürger  dieser  über- 
lauten und  nicht  sehr  sauberen  Welt  denken 
kann.  Er  sitzt  irgendwie  hinter  den  Dingen, 
zum  mindesten  hinter  irgend  einer  spanischen 
Wand,  von  der  aus  er  die  Welt  und  den 
Tag  mit  den  Augen  eines  Fremden,  nicht 
Dazugehörigen  beobachtet. 

Es  mag  einem  an  dieser  Linie  zuerst  ein 
groteskes,  ein  sarkastisches  Element  auffallen, 
ich  gebe  es  zu.  .\ber  ich  behaupte,  daß 
Preetorius'  Linie  in  diesem  ihrem  Sarkasmus 
rührend  ist.  Das  macht  ihre  ])einliche,  aus- 
gei)utzte  Sauberkeit,  ihre  Heimlichkeit  und 
Stille.  Sie  ist  in  all  ihrem  Spotte,  den  die 
Sordine  des  Leides  sonderbar  dämpft,  so 
wenig  laut,  sie  hat  die  Fähigkeit  des  Schweigens. 

Ganz  natürlich,  denn  dieser  Spott,  dieser 
Sarkasmus  geht  nicht  von  sozialer  Kritik,  auch 
nicht  von  einem  ethischen  oder  ästhetischen 
Ideal  aus.  Seine  Wurzeln  liegen,  ganz  wie 
bei  den  alten  Romantikern,  im  Metajjhysischen, 
und  seine  letzte  Kennzeichnung  lautet,  ich 
wiederhole  das  Wort,  romantische  Ironie. 
Das  neckische  Ornament,  zudem  sich  Preetorius' 
Linie  gerne  kräuselt,  scheint  mir  eine  Art 
lächelnden  Verzichtes  zu  bedeuten.  Ks  stellt 
den  Ausdruck  jenes  resignierten,  romantischen 


Leichtsinns  dar,  von  dem  Hrentano  in  seinen 
Versen  so  gerne  spricht.  Es  ist  Welisatire, 
was  diese  Linie  liefert.  Von  lirentano  wird 
erzählt,  daß  es  keinen  Menschen  und  keinen 
Gegenstand  gab,  der  ihm  nicht  sogleich 
Anlaß  zu  irgend  einem  Witzwort  Oder  zu 
einem  spöttischen  Lächeln  geliefert  hätte. 
Etwas  ähnliches,  nur  mit  veränderten 
Temperamentsqualitäten,  liegt  bei  Preetorius 
vor.  Zwar  unterscheidet  auch  er  zwischen 
Naturstudie  und  Karikatur,  aber  beide  stehen 
sich  bei  ihm  doch  recht  nahe.  Seine  Karikatur 
geht  nicht  von  der  einzelnen  witzigen  oder 
humoristischen  Beobachtung  und  Steigerung 
aus,  sondern  sie  ist  allgemeiner,  ich  möchte 
fast  sagen :  wellanschaulicher  An.  .Man  sieht 
seinen  Karikaturen  gesellschaftlicher  Typen 
sofort  an,  daß  nicht  ihre  besonderen 
Lächerlichkeiten  Anlaß  zu  diesem  Lachen 
und  Kichern  der  Linie  gegeben  haben.  Sondern 
rein  als  Individuen  reizen  sie  diesen  Künstler, 
seinen  Witz  an  ihnen  zu  üben.  Das  ist 
Schuld  daran,  daß  Preetorius'  Zeichnungen, 
wie  sie  verschiedentlich  im  iSimplizissimus 
erschienen,  aus  dem  Rahmen  dieses  Plattes 
beträchtlich  herausfielen.  .Man  muß  einige 
Dinge  wenigstens  ganz  ernst  nehmen  können, 
wenn  man  ein  Karikaturist  im  Sinne  des 
heutigen  Witzblattyps  sein  soll.  Nun  betrachte 
man  aber  das,  was  für  Preetorius  »Naiur- 
Studien  bedeutet:  diese  Herren  und  Damen 
ringeln  sich  förmlich  vor  launischem  <  )rnament, 
und  das  Schwergewicht  der  Darstellung  liegt 
entschieden  auf  der  Seite  des  Subjektiven. 
Viele  dieser  »Naturstudien '  sind  in  selir 
kurzer  Zeit  entstanden.     Und  doch  enthalten 


1909.  VIII.  6. 


II? 


Wilhelm  Michel: 


EMIL    PREETORIUS     DARMSTADT. 
PORTRÄT-SKIZZE  J.  P. 
Aquarell:  Hellgrün  iind  Grau 

sie  eine  ganze  Fülle  von  sub- 
jektiv-geistiger     Verarbeitung 
objektiver  Daten.      Diese  Ver- 
arbeitung  gedeiht  vielfach  bis 
zum      reinen ,       ornamentalen 
Schnörkel.     Mit  anderen  Wor- 
ten :   Was  gemeinhin  Ergebnis 
eines  energischen  Umsetzungs- 
prozesses   ist,    findet   sich  bei 
Preetorius  schon  in  der  »Natur- 
studie«  vor.   —    Diese   hyper- 
trophische   Subjektivität    kann 
wohl    nur    zum    Teil    als    ein 
Vorzug  angesprochen  werden. 
Sie      hindert      den      Künstler 
zweifellos,    die   ganze  Strenge, 
die  rauhen  wohltätigen  und  an- 
spornenden   Zurechtweisungen 
des  Objektes  zu  erfahren.   Aber 
sie  hindert  ihn  auch  an  jenen 
Formlosigkeiten,  denen  Künst- 
ler,   die    allzu    rückhaltlos    auf 
die  Anforderungen  des  Objektes 
eingehen,   leicht   verfallen.    — 
Es    steckt    in    Preetorius    viel 
subjektive,  eingeborene  Form, 
vor  allem  nach  der  Seite  des 
Geschmackes    hin.     Ich  stelle 


freilichdie  Qualitäten 
des  Geschmackes 
in  einen  gewissen 
Gegensatz  zu  den 
Qualitäten  schöpfe- 
rischer und  genia- 
lischer Produktion. 
Allein  Formquali- 
täten  sind  sie  sicher- 
lich auch ,  ganz 
abgesehen  davon, 
daß  Preetorius  trotz 
seines  romantischen 
Schnörkels  zu  denen 
gehört,  die  ein  gül- 
tiges, ein  maßgeben- 
des  Wort    über    die 

Erscheinung  der 
Welt  mitzusprechen 
haben.  Geschmack 
ist  gerade  die  Eigen- 
schaft, die  unserem 
Volke  in  seiner  künst- 
lerischen Produktion 


1'ORTR.\t-ski/.ze:   renk  p. 


Oetönle  Bleistilt-Zeichnuuji  .luf  Japan 


Emil  Preelonui. 


^ 


^ 


KMIL    HREETORIUS     DARMSTAUT. 


Skuze. 


vielfach  abgeht.  Er  äußert  sich  letzten 
Kndes  in  der  umfassenden  Gefällgkcit,  in 
der  überzeugenden  Selbstsicherheit  der  Dar- 
bietung. (ieschmackvoU  ist,  was  sich  den 
Sinnen  empfiehlt,  was  Rundung  der  Ge- 
berde hat,   was    ».\uftrelen«    besitzt. 

Diese  Eigenschaft  wird  man  bei  Crcetorius 
niemals  vermissen.  Sie  tritt  hervor  in  dem 
hohen  dispositionellen  Wohllaut  seiner  Schöp- 
fungen. Ich  meine  damit  nicht  nur  die 
gefällige  Art,  wie  seine  Zeichnungen  im 
Raum  sitzen,  sondern  auch  die  überaus 
gelungene  Verteilung  der  Massen,  die  feine 
kompositorische    Linie,    den    hohen,    kulti- 


vierten Anstand,  mit  dem  sich  seine  Schöpfungen 
geben.  Stets  sind  sie,  von  ihrem  Ausdrucks- 
gehalt  abgesehen,  auch  als  flichenkünstlerische 
Leistungen  zu  loben,  und  es  ist  geradezu  ein 
GenuLj,  zu  sehen,  wie  brillant  bei  der  farbigen 
Zeichnung,  die  diese  Publikation  begleitet,  der 
leere  Raum  des  Blattes  im  Bilde  mitspricht 
Preetorius  hat  nicht  nur  eine  gewandte  und  aus 
druoksvolle,  er  hat  auch  eine  sehr  kluge  Hand 
l!ncl  diese  Klugheit  ist  von  jener  Art,  wie  sie 
nur  hohes  Kuliurgefiihl,  Bildung  und  wohl 
gepflegte  Faniilientradition  zu  geben  vermögen 
Man  wird  Preetorius  vielleicht  nachsagen  können 
daß  er  als  Künstler  vielfach  und  ziemlich  enge 
limitiert  ist,  aber  untadelhaft  ist  die  Kultur  seines 


K^"' 


y 


KMil.    PRF.KTORIUS     UARMSTADT 


Skizze. 


"5 


[Vilhelm  Michel: 


BMII,  PRE^rOBlUS 
DARMSTADT. 


■jQ)  "^     i 


V'^.\-< 


UJKK    <.AL,\N«. 

AyUAKELL- 

/EICHNUNG. 

WEISS,    GRAU, 

VIOLETT,    GELB 

UND  ROSA  AUF 

MAl-THM   WKISS. 


MIT  GENEHMlGUNr.  DKS     SIMPLIZISSIMUS« 


Auftretens,  die  Sicherheit  seines  Gesclimackes. 
—  Artistisch  liegt  der  Schwerpunkt  seiner 
Zeichnung  durchaus  auf  der  l-inie,  genau  wie 
bei  Beardsley  und  den  japanischen  Holz- 
schnittkünstlern, denen  Preetorius'  Schaffen 
die  nachhaltigsten  Eindrücke  verdankt.  So 
viel  Sinn  für  Farbe  seine  gelegentlichen 
koloristischen  Arrangements  auch  verraten 
mögen,  malerische  Elemente  fehlen  bis  jetzt 
seiner  Zeichnung  vollkommen.  Dafür  hat  er 
aber  auch  das  Geheimnis  der  reinen  Linie 
bis  zu  einem  seltenen  Grade  entschleiert.    Sie 


ist  ihm  gehorsam  wie  eine  Magd,  nicht  nur 
in  den  Blättern,  wie  wir  sie  hier  reprodu- 
zieren, sondern  vor  allem  auch  als  Umriß- 
linie, in  den  Silhouetten  und  den  flächig  ge- 
arbeiteten Illustrationen  zum  Schlemihl.  Sie 
entfaltet  da  ein  ungemein  reiches  Leben, 
deutet  alle  nötigen  Formen  sicher  und  ge- 
schwind an,  findet  dabei  in  all  ihrer  Stumm- 
heit noch  Crelegenheit,  zu  lachen  und  zu 
kichern  und  die  Massen  kompositionell  sehr 
reizvoll  anzuordnen.  Ganz  abstrakt  und  los- 
gelöst   vom    Leben    tritt    sie    in    dem    letzten 


Ii6 


Emil  Prettorms. 


hMlL    PHHMlOHir» 
DAKM^rAUT. 


\^ 


.V 


»KONVBRSAT1US-. 
AgrAKKI.L- 
/hlCHNUNr.    IN 
OKANGK    r,  C.KAr. 


MIT   l.lShHMli.l.N..   Ut>      SlMt'l.l/l^MMl!i 


größeren  Ilhislrationswerke  des  Künstlers, 
»Isolde  Weißhand',  auf.  Sie  hat  da  von 
ihrer  natürlichen  l'lauderhaftigkeit  das  meiste 
abgelegt  und  deutet  von  dieser  körjicrhnften, 
von  tausend  Perspektiven  durchwühlten  und  mit 
prunkenden  Farben  überschütteten  Welt  nur 
einen  sachten  Dult  und  Dampf  noch  an.  Hin 
brillant  gelungenes,  stilistisches  Experiment! 
Als  Illustrationen,  als  bildliche  Kommentare 
zu  bestimmten  Textstellen,  kommen  sie  kaum 
in  Betracht.  Aber  von  der  weltentrückten, 
hieratisch  starren   .Art    de^  alten   bretonischen 


SagenstotTes,  an  den  sich  der  Text  anlehnt, 
bewahren  sie  sehr  viel.  Sie  kommentieren 
weniger  die  konkreten  Situationen  der  Dich- 
tung als  vielmehr  deren  ganzen  Cleist  und 
das   Wesentliche   ihrer  Slimmung. 

Was  von  den  Geschmacks-(Jualilaten  des 
jungen  Künstlers  gesagt  wurde,  gilt  in  aller- 
erster Linie  von  seinen  Buchzeichen.  Hier 
kommt  es  ja  darauf  an,  irgend  eine  kleine 
^literarische«  Idee  nett  und  witzig  zu  ge- 
stalten, sie  reizvoll  in  den  Raum  zu  bringen, 
so    (lau    das    Ganze    an    sich    amüsant    wirkt 


!■: 


E)>ül  Preetoi  ins. 


EMIL  PREETORIUS     DARMSTADT. 

und  zugleich  die  Fläche  schmückt,  auf  die 
es  aufgeklebt  wird.  Hier  kommt  Preetorius 
die  Gabe,  alles,  was  er  gibt,  auf  eine  über- 
zeugende, runde  Formel  zu  bringen,  außer- 
ordentlich zu  statten.  Abwechslungsreich  in 
den  Einfällen  und  in  der  Zeichenmanier,  bald 
elegant  und  schöngeistig,  bald  geistreich  und 
witzig,  bald  derb  humoristisch  und  voll  breiten 
Lachens  —  so  spiegeln  diese  kleinen  Kunst- 
werke auf  engem  Räume  den  Menschen  und 
Künstler  Preetorius  fast  vollständig  wieder. 
Ahnliches  gilt  von  den  Plakaten.  Sie  sind 
daneben  höchst  charakteristisch  für  die  Sicher- 


Porträt-Studie:   Otto  W. 

Gelb  auf  getöntem  Weiß. 


heit,  mit  der  er  den 

Begriff  »Fläche 
festzuhalten  \er- 
steht.  -^  Neuerdings 
wendet  sich  I^ree- 
torius  der  Farbe 
zu.  Da  seine  Art 
der  Zeichnung  ihn 
gelehrt  hat ,  die 
Ökonomie  jeder 
Fläche  mit  Über- 
legenheit zu  be- 
herrschen .  wird 
man  von  seinen 
\'ersuchenzu  deko- 
rativer Malerei  aller- 
hand Interessantes 
erwarten  dürfen. 
Jedenfalls  würde 
das  dekorative  Ge- 
mälde die  natür- 
liche nächste 
Etappe  seines  Ent- 
wicklungsganges 
bilden.  Was  seine 
begabte,  kluge  und 
feinfühlige  Hand 
dem  neuen  Mate- 
rial an  sonstigen 
Möglichkeiten  wird 
abgewinnen  kön- 
nen, ist  noch  nicht 
vorauszusehen.  Das 
zeichnerische  Werk 
des  Künstlers,  wie 
es  heute  vorliegt, 
ist  jedenfalls  ein 
Ganzes,  in  sich  ge- 
schlossen und  ab- 
schließender Be- 
wertung fähig. 

WILHELM    MICHEL. 


Vom  unbewußt  schaffenden  Künstler. 

Es  gibt  Kraftprotzen.  Auch  in  der  Kunst. 
Doch  der  unbewußt  schaffende  Künstler, 
der  stets  auf  den  Gott  wartet,  der  ihm  sage, 
was  er  künde,  der  sich  nur  als  Medium  fühlt, 
ist  ein  Märchen  aus  der  Kunstschule.  In 
Trancezuständen  ist  noch  kein  wahrhaft  großes 
Werk  entstanden.  Hinter  jeder  künstlerischen 
Tat  liegt  ein  faustisches  Ringen,  ein  Anspannen 
aller  Energien  mit  einem  einzigen  und  be- 
wußten Zweck.  Kunstschaffen  ist  ein  Schaffen- 
wollen.     Gleich  der  Zeugung  der  Natur.     Sie 


II.S 


Voiu  Huhnviißt  üchaffetuieu  Künstler. 


ist  docli  der  Wille  LW 
Zweien.  Das  Kunst- 
schaffen wird  auch  zur 
organischen  Lust ,  zur 
üetreiung  von  dem  dump- 
len  Druck  der  unge- 
borenen Idee,  wenn  der 
Schöpfer  bereit  ist. 
Wenn  er  seine  ganze 
Kraft  gesammelt,  seine 
Fähigkeilen  diszipliniert, 
.•\uge  und  Hand  ge- 
bändigt hat.  Wenn  er 
voll  von  l-'igur  ist  und 
ihm  jedes  Gebilde  voll 
Figur  wird.  Nie  haben 
verworrene  Fmpfmdung 
und  dumpfe  BewulJtlosig- 
keit  die  eherne  Klarheit 
der  höchsten  Form  ge- 
boren. In  der  klassischen 
Ruhe  steckt  immer  po- 
tenzierte Logik.  Eine 
Logik ,  die  vielleicht 
schon  im  Unterbewußt- 
sein des  Gehirns  schlum- 
mert, während  sie  in  der 
Hand  lebt  und  sich  zeu- 
gend auswirkt.  Das  beste 
Kunstwerk  ist  fertig,  be- 
vor der  Künstler  an  die 
Ausführung  schreitet. 
Groß  und  rein  muß  es 
vor  ihm  stehen,  wenn 
es  ihn  zum  gewaltigen 
Kampf  mit  der  Materie 
anspornen  soll.  Solch 
mühevolles  Formen  ist 
gleich  einer  F.ntbindung. 
\'orher  die  bewußte  Idee, 
nachher  die  bewußte 
Tat.  Der  unbewußt 
schafTende    Künstler    ist 

wie  der  Globetrotter,  der  losfährt  ohne  Ziel, 
ohne  Zweck ,  ohne  Notwendigkeit.  Irgend- 
wohin kommt  er  ja.  Er  hat  schon  etwas 
aufzuweisen  —  Bilder ,  die  für  einen  Noten- 
deckel gut  genug  wären ,  Plastiken ,  die  als 
Bibelots  lächeln  machen,  Architekturen,  die 
auf  dem  Papier  eine  gute  Schwarz-weiß -Wir- 
kung au^üben,  wenn  es  anch  für  sie  keine 
Grundrisse  gibt.  Die  Sachen  machen  den  Ein- 
druck der  rnbeholfenheit,  weil  im  Gegensatz 
zur  disziplinierten  Rede  alles  hilflos  heraus- 
gestammelt erscheint.  Ihnen  fehlt  jene  kluge 
Strategie,  jene  weise  Sparsamkeit,  mit  denen  der 


\\( 


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EMIL    PREETORIUS 


DARMSTADT. 

Aqliarc1l-Zeiolinuiii,':tHf  II -Orange, 


Porträt  des  F"reiherrn  v   K. 
Mative.iind  Grau  auf  Bctiinlfm  Wcid 


echte  Rhetor  Wendung  um  Wendung  steigert, 
um  immer  eindringlicher,  immer  machtvoller  zu 
wirken.  Wer  sich  nicht  vorher  die  Gedanken- 
folge zu  kneten  vermochte,  wird  jedenfalls  nur 
Worte  herausstainmeln,  leere,  hohle  Worte.  .  . 
Lieber  Kunsijüngling,  wenn  dir  nur  die 
geheimnisvolle  Stunde  der  Intuition  zur  Ent- 
fesselung deiner  ungeahnten,  unbewußten  Kräfte 
fehlt,    so  kaufe  dir  eine  warme  Samnietjo])])e 

und  warte,  warte,  warte Die  starke 

Energie  erirot/.t  sich  den  Schöplertag.  I  )ionysos 
erscheint,  wenn  er  gerufen  wird  —  aber  auch 
nur   dann.  p,mi.  wi'-imi  im. 


qhole/ 

2500vArd/ 

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■  from  HAuptbiihnho|- 
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Ta-m/  for  vlylfor; : 

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Tor  fwrticu  lit/  ipply  te  ■• 
TheHon.  kc .  CfFATrau  n 
H(imburö8,lnfyer/1>5i?. 


EMIL  PREETORIUS    DARMSTADT. 
PLAKAT.     SCHWARZ  UND  BLAU  AUF  WEISS. 


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DARMSTADT. 

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IN    »AKMSTAm. 


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EMIL    [•REETORIUS     DARMSTADT-MÜNCHEN.  EX-LIBRIS    UN»   TITEL   ZU   EINER   AUSSTELLUNGS-EINLADUNG. 


1909.  VIll. 


E/AIL 

ms 


EMIL    PRKKTORIUS— DARMSTADT.       Vollbild  aus    Peter  Schlemihl..  Verlag  Hans  von  Weber-München. 


71^ 


-,    t», — 


Vollbild  aus  'Peter  SdilemihU,  Verlag  Hans  von  Webcr-Münclicn.        EMIL    PREETORIUS     I>ARMSTADT. 


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ARCHITEKT    EMIL    PIKCHAN. 


LAUFER   UND   KISSEN    IN    AUFNAHARBEIT. 


DIE  ARBEIT  DER  KUNSTGEWERBE-VEREINE, 

19.  DELEGIERTEN-TAG  ZU  HALLE  A.  S. 


Zuweilen,  man  braucht  nicht  einmal  mißmutig, 
nur  ein  wenig  nachdenklich  zu  sein,  möchte 
einem  die  Notwendigkeit  der  Kunstgewerbevereine 
beinahe  problematisch  erscheinen.  Was  wollen 
sie  eigentlich  und  wozu  sind  sie  da?  Einst,  da 
das  Kunstgewerbe  langsam  und  sehr  diskret  zu 
keimen  begann  und  noch  früher,  da  es  im  Schatten 
der  Museen  schlummerte,  waren  die  Vereine  die 
einzigen  Stätten  für  die  Diskussion  über  die 
Probleme  des  Tages,  die  respektabelste  Kneip- 
gelegenheit, um  die  würdigen  Grofiväter  der 
Renaissance  anzuprosten.  Aber  heute,  da  das 
Kunstgewerbe  mehr  als  eine  Angelegenheit  der 
Handwerker  und  der  Künstler  ist,  da  es  ein 
zentrales  Kulturproblem  wurde,  ein  Problem,  das 
der  mannigfaltigsten  Fragestellung  zugänglich  ist 
und  einen  kaum  übersehbaren  Kreis  von  Inter- 
essenten dauernd  in  Erregung  hält,  heute  scheint 
das  Kunstgewerbe  dieser  ehrwürdigen  Vereine, 
dieser  mit  den  Musen  schäkernden  Trinkgenossen- 
schaften entbehren  zu  können.  In  der  Tat,  die 
Kunsigewerbevereine  des  alten  Stils,  die  Kunst- 
kpänzchen  und  Konventikeln  der  sogenannten 
Fachleute,  haben  ihr  Existenzrecht  verloren  - 
für  den  Kunstgewerbeverein,  wie  wir  ihn  verstehn, 
hat  die  Zeit  der  eigentlichen,  der  fruchtbaren 
Arbeit  aber  eben  erst  begonnen!  Und  jene 
skeptische  Bewertung  wendet  sich  allein  gegen 
die  Rudimente  der  Gilden  und  Rauchklubs,  deren 
Sergeanten  im  Zeichen  Dürers  oder  Cellinis 
gegenseitige  Verehrung  mimen.  Davon  gibt  es 
hier  und  da  im  Lande  verstreut  noch  vertilgungs- 


werte Reste  und  auch  das  gibt  es  noch:  eng- 
brüstige Sekten,  die  ob  den  Interessen  ihrer 
Branche,  ob  der  eigenen  Mittelmäßigkeit  keinen 
Instinkt  für  die  wahre  Bedeutung  und  eigentliche 
Aufgabe  dessen  haben,  was  wir  den  Lebenskreis 
des  Kunstgewerbes  nennen.  Doch  diese  Kurz- 
sichtigen und  Temperamentlosen  sind  in  der 
Minderheit,  sind  im  Aussterben;  das  Gros  derer, 
die  sich  in  den  Kunstgewerbevereinen  zusammen- 
schlössen, will  aus  Einsicht  und  mit  Energie  den 
Fortschritt  und  die  Reife  der  neudeutschen 
Kultur.  Ob  solchem  Wollen  sich  ein  ausreichendes 
Können  verbindet,  wird  abzuwarten  sein,  ist  zu 
erhoffen.  Jedenfalls,  zunächst  wird  viel  erstrebt  — 
gestrebt.  -  Das  war  auch  wiederum  die  Signatur 
des  let5len  Delegiertentages  der  Kunstgewerbe- 
vereine, der  Ende  März  zu  Halle  abgehalten  wurde. 
-  Die  Hauptthemen  der  Verhandlungen:  die 
Organisation  der  kunstgewerblichen  Produktion, 
der  Erziehung  und  der  Propaganda.  Das  mannig- 
fache Verlangen  nach  einer  würdigen  Honorierung 
der  kunstgewerblichen  Leistungen  soll  endlich 
in  die  Scheuern  kommen.  Die  vielerörterte 
„Eisenacher  Ordnung"  wurde  angenommen.  Da- 
mit bekamen  die  Kunstgewerbler  eine  materielle 
Basis,  wie  sie  die  Architekten  seit  1888  in  der 
Hamburger  Norm  besitjen.  Dieser  Gewinn  ist 
an  sich  so  wichtig,  daJ3  darüber  die  Frage  nach 
den  Einzelheiten  zurücktritt.  Das  war  auch  die 
Meinung  der  Versammelten;  freilich  fehlte  es 
nicht  an  der  Einsicht,  daß  mit  der  Annahme 
dieses  Tarifes  keineswegs  seine  Durchse^ung  für 


126 


Die  Arbeit  der  Ktitistoeiverhe-  Vereine. 


die  Praxis,  seine  allj^emeine  Anerkennung  durch 
die  Unternehmer  und  das  Publikum,  gesichert  sei. 
Besonders  Muthesius  warnte  vor  zu  hochge- 
spannter Erwartunt^,  mit  Recht  liielt  er  es  für 
sehr  problematisch,  ob  der  Richter  die  „Ordnung" 
auch  in  den  Fallen,  da  auf  sie  nicht  ausdrücklich 
bei  Anbahnung  des  üeschäftes  Bezug  genommen 
wurde,  als  die  natürliche  Norm  bedingungslos 
würde  gelten  lassen.  Grade  weil  hierfür  keine 
absolute  Garantie,  war  es  notwendig,  daß  die 
berechtigte  Interessenvertretung  des  Kunstge- 
werbes, speziell  der  Entwerfenden,  geschlossen 
für  den  Preistarif  eintrat.  Hoffentlich  tut  nun 
auch  ein  jeder  das  Seine  zur  Realisierung  des 
papiernen  Geset3es.  Die  Einwendung,  dag  die 
Gebühren  bei  grOf;eren  Objekten  zu  hoch  seien, 
wird  dadurch  erledigt,  dafi  sie  der  absteigenden 
Skala  unterliegen ;  bei  einem  Objekt  von  10  000  Mk. 
können  nur  50 "  n,  bei  einem  Objekt  von  400  000  Mk. 
nur  30"'o  der  auf  1000  gestatteten  Grundgebühren 
erhoben  werden.  . 

Das  wird  schon  gehen,  wird  sich  regeln;  die 
Hauptsache  ist:  das  Fundament  zur  wirtschaft- 
lichen Gesundung  der  Kunstgewerbetreibenden 
ist  gelegt.  -  Das  nicht  minder  wichtige  Problem 
des  Urheberschu^es  für  kunstgewerbliche  Erzeug- 
nisse konnte  leider  nicht  mit  der  gleichen  Gründ- 
lichkeit erledigt  werden;  Osterrieth  war  ver- 
hindert. Doch  da  Jessen  einsprang,  so  bekam 
die  Versammlung  nichts  Gleichgültiges  zu  hören; 
vielleicht  wurde  die  eigentliche  Fallgrube  und  die 
wichtigste  Revisionsbedürftigkeit  des  Kunstschut)- 
geset3es  von  diesem  trefflichen  Kenner  der  Praxis 
eindringlicher  erfaßt,  als  dies  je  ein  Jurist  ver- 
mocht hätte.  Darin  liegt  die  Hauptgefahr  für  die 
.Anwend.mg  des  Geset5es,  läge  sie  selbst  für  die 
.Anwendung  eines  vollkommeneren:  der  Richter 
beginnt  das  Künstlerische  erst  beim  Naturalisti- 
schen, speziell  beim  Figürlichen,  zu  schät3en; 
das  Tektonische,  der  Wohllaut  der  Abmessung 
ist  dem  juristischen  Empfinden  häufig  noch  keine 
selbständige  künstlerische  Schöpfung  im  Sinne 
des  Gesetjes.  Das  miserabelste  Ölbild  erfüllt  den 
Paragraphen,  während  der  vorzüglichste  Rahmen 
ob  seiner  Schlichtheit  des  Schut3es  nur  mit  Mühe 
teilhaftig  wird.  Da  alles  Recht  Iet3ten  Sinnes 
nichts  anderes  ist  als  eine  Formel  gewordene 
Usance,  so  wird  man  sich  billig  gedulden  müssen, 
bis  den  Männern  der  Justiz  das  Gefühl  für  das 
künstlerische  Stigma  eines  gewerblichen  Gegen- 
standes wuchs.  Wie  arg  es  aber  damit  heute 
noch  bestellt  ist,  das  bewies  eine  Episode,  die 
WeiJ3,  der  Vorsitjende  des  Verbandes  deutscher 
Kunstgewerbe-Zeichner,  vortrug:  Einem  Ange- 
stellten, der  im  Büro  einer  Möbel-Firma  Werk- 
zeichnungen   machte,    wurde    vom    Gericht    die 


Qualifikation  der  höheren  technischen  Dienst- 
leistung abgestritten;  er  hatte  somit  keine  sechs- 
wOchentliche,  nur  eine  vierzehntägige  Kündigung. 
Die  Begründung  sagte,  daß  der  Arbeil  des  Klägers 
ein  höherer  Wert  nicht  zuzusprechen  wäre, 
da  sie  ja  nur  -  in  Strichen  beständen  hätte. 
Der  Fall  ist  typisch,  umsomehr,  als  dieser  Zeichner 
den  wünschenswerten  Weg  von  der  Werkstatt 
durch  die  Schule  zum  Atelier  genommen  hatte. 
Hätte  er  die  Werkstatt  nie  kennen  gelernt,  so 
würde  ihm  das  Gericht  ohne  weiteres  die  höhere 
Qualifikation  zugesprochen  haben;  so  aber  war 
er  nur  ein  Tischler,  der  Striche  machen  konnte. 
Zum  pädagogischen  Teil  verlangte  Professor 
Groß- Dresden:  der  Verband  möge  ein  offizielles 
A.  B.  C.  des  Geschmackes  herausgeben.  Die  Ver- 
sammlung schien  von  diesem  Vorschlage  nicht 
überrascht  zu  sein.  Mir  aber,  der  ich  vorigen 
Jahres  in  Hannover  dabei  war,  als  Groß  seinen 
.Auftrag  bekam ,  war  dies  Resultat  ein  wenig 
wunderlich.  Daß  es  auf  eine  Neugründung  ab- 
gesehen, hatte  ich  damals  nicht  verstanden.  Mir 
schien,  als  wollte  man  untersuchen,  welche 
Schäden  die  verschiedenen  speziellen  Fachzeit- 
schriften haben  und  wie  solchen  abzuhelfen  wäre; 
mir  schien,  als  wollte  man  über  Mittel  nach- 
sinnen, rückständige  Organe  ein  wenig  zum  Fort- 
schritt zu  reizen.  Das  hatte  guten  Sinn  gehabt 
und  wäre  (etwa  durch  eine  Korrespondenz  oder 
durch  Gratisüberlassung  von  guten  Bildern  und 
Klischees)  ausführbar  gewesen.  Statt  dessen 
kam  nun  dieser  neue  Vorschlag  eines 
approbierten  und  staatlich  subventio- 
nierten Katechismus.  Auch  gut;  es  läßt 
sich  darüber  reden.  Nur:  man  soll  sich 
derartige  literarische  und  buchhänd- 
lerische Unternehmungen  gar  nicht  so 
leicht  vorstellen.  Man  sollte  sie  nicht 
dadurch  begründen,  daß  bisher  noch 
nichts  ähnliches  geleistet  wurde.  Noch 
weniger  sollte  man  (zwischen  den  Zeilen) 
die  Anklage  erheben:  Daß  bisher  über- 
haupt keine  brauchbare  kunstgewerbliche 
Literatur  existiere.  Leider  findet  sich 
selbst  bei  den  trefflichsten  Praktikern 
zuweilen  keine  Einsicht  für  das,  was 
die  Publizistik  -  das  Buch,  wie  die 
Zeitschrift  -  gerade  auf  dem  Gebiete  des 
Kunstgewerbes  während  der  leßten Jahre 
geleistet  hat!  Es  ist  höchst  bedauerlich,  daß 
niemand  aus  der  Versammlung  (und  es  waren 
da  viele,  die  gute  Ursache  dazu  gehabt 
hätten)  auf  Grund  der  bereits  vorhandenen  und 
ständig  kontinuierenden  Literatur  das  Verdienst 
der  deutschen  Schriftsteller  und  Verleger  aner- 
kannt hätte.     Wir  unsererseits  wollen  uns   durch 


127 


Die  Arbeit  dn    l\iii!s/>'nfcr/i('-J'r, 


solche  Ungeschicklichkeit  nicht  abhalten  lassen, 
auch  weiterhin  unsere  Pflicht  zu  tun;  ja,  wir 
wollen  sogar,  falls  der  Vorschlag  Grog  Wirklich- 
keit wird,  willig  helfen,  daf;  die  schwierige  Auf- 
gabe möglichst  gut  gelöst  werde.  Das  helfet,  wenn 
man  uns  haben  will.  Künstler  und  Künstlergenossen ! 
ich  spreche  nicht  für  mich,  noch  für  meine 
Freunde.  Aber:  Eine  Zeitschriften-Kommis- 
sion, eine  Kommission  für  die  Herstellung 
einer  Serie  von  Monographien,  eine  lite- 
rarische Kommission,  in  der  kein  Schrift- 
steller, kein  Verleger  von  Ruf  sit^t,  kann 
nur  taube  Früchte  tragen. 

Als  ein  wirksames  IVlittel  der  Propaganda 
wurden  im  vorigen  Jahre  Wanderausstellungen 
beschlossen.  Die  Erfahrungen  der  ersten  Kam- 
pagne waren  im  allgemeinen  zufriedenstellend; 
München,  Krefeld  und  Pforzheim  hatten  kollektiv 
Ausstellungen  zirkulieren  lassen.  Auch  fernerhin 
soll  bei  dieser  Praxis  geblieben  werden;  damit 
aber  die  Qualität  und  der  künstlerische  Wert 
dieser  als  mustergültig  sich  gerierenden  Vor- 
führungen gesichert  bleibe,  wurde  ein  dem- 
enlsprechender  Antrag  des  Professors  Scharvogel 
angenommen.  Des  weiteren  beschloß  man,  daJ3 
künftighin  Schülerarbeiten  in  diesem  Zusammen- 
hang nicht  mehr  ausgestellt  werden  sollen.  Dieser 
Beschluß  scheint  mir  nicht  glücklich,  ja  geradezu 
gefährlich.  Manche  Orte  dürften  ohne  Schüler- 
arbeiten eine  Ausstellung  überhaupt  nicht  zu- 
sammen bekommen;  und  dann:  es  gibt  genug 
Städte,  ja  selbst  Künstgewerbeschulen,  die  allein 
durch  ihre  Schülerarbeiten  Beachtung  verdienen. 
Es  gibt  Lehrer,  die  wohl  moderne  Formensprache 
lehren  können,  die  aber  selbst  im  Bann  der  alten 
Zeit  stehen.  -  Ein  weiteres  Gebiet  der  Erziehung 
von  Produzenten  und  Konsumenten  wurde  durch 
Professor  Heinrich  Lange,  den  Direktor 
der  Krefelder  Färbereischule,  aufs  neue  der  Auf- 
merksamkeit empfohlen:  die  Echtfärberei.  An 
einer  wohlsortierten  Sammlung  zeigte  Lange  die 
immer  noch  alltäglichen  Schäden  einer  mangel- 
haft echten  Färberei.  Er  gab  zugleich  die  be- 
ruhigende Versicherung  und  den  Nachweis,  daß 
man  sehr  wohl  heute  den  verschiedenen  An- 
forderungen der  Echtheit  so  für  Garne  und  Seiden, 
wie  für  Stückware,  für  Papier  und  Leder  genügen 
könne.  Erforderlich  ist,  daß  alle  Kunst- 
gewerbler    unbedingt    auf     die    jeweilig 


notwendige  Echtheit  ihrer  Materialien 
dringen.  Sehr  interessant  waren  die  Batik- 
färbungen, die  Lange  zeigte;  klare  und  milde 
Töne,  gleichmäßig  schön  und  echt.  —  Ein  viertes 
pädagogisches  Thema  behandelten  die  Referate 
über  die  mögliche  Mitwirkung  der  Kunstgewerbe- 
vereine am  Denkmalsschuß  und  am  Städtebau. 
Es  gibt  da  Möglichkeiten;  es  ist  auch  wünschens- 
wert, daß  der  oft  einseitigen  Architektenzunft 
tüchtige  Kunstgewerbler,  noch  besser  Kunst- 
freunde mit  wirklich  lebendigem  Empfinden, 
assistieren.  Besonders  für  den  Denkmalsschuß 
und  die  Renovationen  gilt  dies.  Ein  Architekt 
wird,  wenn  er  ein  gefährdetes  Stück  Altertum 
schüßen  soll,  notwendig  an  ein  Erneuern  denken, 
er  will  eben  bauen.  Ihm  einen  ästhetischen 
Hemmschuh  anzulegen ,  dürfte  vorteilhaft  sein. 
Noch  wichtiger  ist  die  Teilnahme  pietätvoller 
und  schönheitsbedürftiger  Sachverständiger  bei 
der  Aufteilung  alter  Stadtviertel,  bei  der  Anlage 
neuer  Straßen  und  Pläße;  das  in  all  solchen 
Fällen  der  Kunstgewerbeverein  herangezogen 
wird,  kann  jedenfalls  keinen  Schaden  bringen. 
Vorbildlich  darf  die  Beratungsstelle  des  Kunst- 
gewerbevereins Halle  — Merseburg  (neben  der 
älteren  Stuttgarter)  genannt  werden;  von  ihren 
Erfahrungen  und  Erfolgen  möge  sie  zu  ge- 
legener Zeit  berichten. 

Neben  diesen  verschiedenen  Fragen  der 
Exekutive  wurde  ein  theoretisches  Kapitel  ge- 
lesen. Dr.  Wolff,  der  Direktor  des  statistischen 
Amtes  in  Halle,  versuchte  den  Begriff  der 
Volkskunst  zu  definieren.  Mit  Recht  basierte 
er  ihn  auf  eine  Wirtschaftsform.  Die  Volkskunst 
gehört  der  geschlossenen  Hauswirtschaft,  entsteht 
in  wirtschaftlich  gesicherter  Lage,  bei  völkischer 
Selbständigkeit,  ist  Produktion  für  den  eigenen 
Bedarf,  seßt  die  autonome  Ausführung  der  be- 
treffenden Techniken  voraus.  Damit  ist  erklärt, 
daß  und  warum  es  in  der  Zivilisation  der  Gegen- 
wart eine  eigentliche  Volkskunst  nicht  mehr 
geben  kann.  Dr.  Dohrn  wies  darauf  hin,  daß  solche 
nüchterne  Erkenntnis  mit  dazu  helfen  könne,  der 
Phrase  von  der  Volkskunst  der  Professoren  und 
Maurermeister  den  Garaus  zu  machen. 

Der  nächste  Delegiertentag  wird  in  Berlin 
stattfinden.  Wir  sind  gewiß,  daß  er  nicht  minder 
als  der  Hallenser  eine  Parade  der  Arbeit  der 
Kunstgewerbevereine  sein  wird,    kobert  breuer. 


'immw. 


128 


t 

ALFRED  MESSEL 
BERLIN 

GESTORBEN  IN  »F.RI.IN 
AM     24.     MÄRZ     1909. 


Einem  Manne  gilt  es  heute  den  letzten 
Spruch  zu  sprechen,  an  dem  wir  noch 
lange  Freude  zu  haben  gedachten.  Zwar 
war  Altred  Messel  seit  Jahren  gebrochen  an 
Kräften  des  Körpers,  aber  dennoch  wußten 
wir  ihn  auch  in  der  Krankenstube  am  Werke, 
dem  sein  ganzes  sechsundfünfzigjähriges  Leben 
gehörte ,  in  dessen  Ausbau  er  seit  einem 
Menschenalter  Stufe  um  Stufe  der  Vervoll- 
kommnung zugestrebt  und  Erfolg  an  Erfolg 
gereiht  hat.  Er  war  nicht  einer  v<m  denen,  die 
mit  einem  Schritt  fertig  hervortreten.  Flinem 
Künstler  wie  Schlüter  schien  die  festliche 
Fc^rmensiirache  und  der  überquellende  Reich- 
tum, Knobeisdorf  die  heitere  (irazie,  Schinkel 
die  zweifache  Gabe  von  grandioser  l'hantasie 
und  schönem  Gleichmaß  vom  ersten  Tage  an 
voll  und  reif  zur  Verfügung  zu  stehen.  Messel 
gehört  zu  denen,  die  heutzutage  auf  allen  Ge- 
bieten öffentlicher  Tätigkeit  auftauchen,  die  in 
härtester  .Arbeit  an  sich  selbst  im  Laufe  eines 
ganzen  Menschenlebens  ihre  glücklichen  An- 
lagen   voll    entwickeln ,    denen    es    nicht    ver- 


gönnt ist.  vom  ersten  Schritt  an  den  leichten, 
nicht  zu  vei fehlenden  Weg  zu  gehen.  Nicht 
ruhig  und  einfach  sieht  ihr  Bild  schon  vor 
den  Zeitgenossen,  sondern  wechselnd  in  seiner 
Gestalt,  das  letzte  Urteil  erst  von  den  Nach- 
kommen erwartend. 

Und  doch  war  Alfred  Messeis  Entwicklung 
bevorzugt  schon  in  ihren  Keimen.  Ein  Kind 
der  Stadt,  in  der  diese  Zeilen  erscheinen, 
der  Sohn  einer  angesehenen  Darmstädter 
Famihe ,  in  glücklichen  Verhältnissen  auf- 
wachsend, besaß  er  als  den  Grundzug  seines 
Wesens  süddeutsche,  künstlerische  Sinnlich 
keit,  einen  auf  das  Reale  gerichteten  ( )ptimis- 
mus,  der  nicht  grübelt  und  in  Problemen 
stecken  bleibt,  sondern  mit  entschlossener 
Hand  nach  dem  Greifbaren  laßt.  Mit  diesem 
Grundzug,  der  ihn  zum  l'aumeister  machte, 
führte  ihn  das  Schicksal  einen  Weg.  wie  er 
zukunitsvoller  einem  .\rchitekten  unserer  Tage 
garnicht  beschieden  werden  konnte:  den  nach 
Berlin.  Nicht  als  ob  durch  diese  Fügung 
der    Erlolg    für    einen    Menschen    schon    ver- 


129 


Alfred  Messe! 


brieft  gewesen  wäre,  der  sich  mit  gutem 
Talent  geschickt  unter  andern  zu  bewegen 
weiß.  Das  Berlin  der  siebziger  Jahre  hat 
mehr  als  einen  der  zahllosen  Zuwandernden 
sein  15estes  gekostet,  nicht  wenige  auch  unter 
den  Baumeistern,  die  von  überall  her  herbei- 
eilten, als  die  ehemalige  Kleinstadt  begann 
nach  allen  Seiten  zu  wachsen,  ihren  Umfang 
zu  verdoppeln,  zu  vervierfachen,  allenthalben 
das  Alte  durch  Neues  zu  ersetzen.  Viele,  die 
in  diesen  Strudel  gerieten,  sind  tlariii  unter- 
gegangen, als  die  Schwächeren  gegenüber  den 
verwirrenden,  ungezügelten  Verhältnissen.  Ihm 
wurden  diese  zum  Element.  Nicht  mit  einem 
Schlage.  Aber  die  Jahre  hindurch  hat  er  in 
immer  steigendem  Maße  gezeigt,  daß  er  das 
Zeug  besaß,  ihr  Meister  zu  sein,  als  Künstler 
sie  zu  beherrschen.  Sein  Wesen  brachte  ihn 
nicht  in  Konflikt  mit  diesen  chaotischen  Zu- 
ständen, wie  einer  hätte  fürchten  mögen,  der  ihn 
den  Weg  nach  Berlin  nehmen  sah.  Ihm  war  es 
gegeben,  in  ihnen  zu  finden,  was  für  ihn  taugte, 
die  Stelle,  wo  sie  anzupacken  waren.  Ihm  ist 
es  geglückt,  in  seiner  an  Ausdruck  reichen 
Architektur-Sprache  das  werdende  Berlin  der 
letzten  drei  Jahrzehnte  in  Form  zu  fassen. 
Tnd  das  ohne  öffentliclies  Amt,  ohne  die 
Möglichkeit,  die  Mittel  des  Staates  oder  der 
Stadt  für  sich  nutzbar  zu  machen.  Einfach 
durch  die  Gelassenheit,  mit  der  er  all  den 
einen  Berliner  Baumeister  umdrängenden  Wirr- 
warr von  sich  abhielt,  durch  die  ruhige  Ziel- 
bewußtheit, mit  der  er  an  die  ganze  Vielfältig- 
keit der  Aufgaben  und  gerade  an  die  traditions- 
losesten herantrat.  Nicht  mit  niederstürmender 
Originalität,  aber  im  immer  gefestigter  werden- 
den Besitz  eines  ausgeglichenen  Kunstgefühls, 
dessen  Vorbedingungen  er  aus  der  solchen 
Anlagen  günstigeren  Heimat  mitgebracht  hatte. 
Vom  eigenthch  Modernen  hielt  er  sich  ab- 
seits,   ohne    darum    zum    bloß    philologischen 


Beherrscher  der  alten  Stile  zu  werden.  Und 
doch:  war  einer  moderner  als  er,  in  der  An- 
passung des  Grundrisses  an  den  gegebenen 
Zweck ,  wußte  einer ,  bei  aller  Fähigkeit  aus 
der  Vergangenheit  zu  schöpfen,  von  der  Ab- 
hängigkeit vom  bloß  Antiquarischen  so  frei 
zu  bleiben  wie  er?  Er  hat  zwischen  der 
Tradition  und  den  lebendigen  Forderungen 
eine  Linie  gefunden,  in  deren  Verfolgung  er 
nicht  zum  Eklektiker  zu  werden  brauchte. 
Die  Formen  der  historischen  Stile  schienen 
m  seiner  Hand  zu  neuer  Beweglichkeit  und 
Anpassungsfähigkeit  zu  erwachen,  gerade  im 
Konstruktiven  begab  er  sich  nicht  seiner 
F'reiheit,  dafür  zog  er  in  der  dekorativen 
Durchbildung  des  (ierüstes  Nutzen  aus  einer 
seltenen  Fähigkeit,  sich  in  den  t'.eschmack  und 
die  verfeinerten  Techniken  der  Vergangenheit 
einzuleben. 

So  ist  sein  Wesen  nicht  mit  wenigen 
Worten  zu  umfassen.  Er  war  nicht,  wie  man 
ihn  nennen  wollte,  lediglich  der  Realist  unter 
den  Baumeistern,  sondern  vor  allem  auch  ein 
Mensch  von  Phantasie,  der  die  notwendige 
Sinnlichkeit  des  künstlerischen  Eindrucks  auch 
in  der  Konstruktion  nicht  vergaß.  Fr  hat 
sich  andererseits  niemals  an  unklare  Wirkungen 
und  Geschmacksfinessen  verloren;  davor  be- 
hütete ihn  sein  stark  entwickelter  Sinn  für 
die  Realität,  die  aus  Steinen  und  Eisen  spricht. 

Sein  verlassener  I'latz  bleibt  leer.  Kaum 
jemand  verkörpert  in  sich  gerade  die  glückliche 
Mischung  von  Anlagen,  die  er  besaß.  Dieses 
Gefühl  bei  den  Mitlebenden  zu  hinterlassen,  ist 
viel  in  einer  Zeit,  die  Qualitäten  so  wenig  fein 
unterscheidet  wie  die  unserige.  Es  wird  nicht 
vielen  zuteil,  daß  sie  das  l^rteil  über  sich  der 
Nachwelt  so  ruhig  überlassen  können,  die  von 
den  persönlichen  Gehässigkeiten  wie  vom 
Überschwang  ohne  Maßstab  gleich  weit  ent- 
fernt sein  wird.  d«-  fritz  woi.ff. 


Die  bedeutendsten  Schöpfung:en  des  entschlafenen  Meisters  sind  in  der  Deutschen  Kunst  und  Deko- 
ration veröffentlicht  worden.  So  erschienen:  im  Maiheft  1S9S  das  Warenhaus  Wertheim  in  Berlin, 
mit  30  lllustrat.  und  Text  von  Fritz  Stahl— Berlin,  im  Februarheft  1905  der  Neubau  des  Warenhauses 
Wertheim  in  Berlin,  mit  36  lllustrat-  und  Text  von  Dr.  Fritz  Wolff- Berlin,  im  Dezemberheft  1906 
das    Landesmuseum    in    Darmstadt,    mit    30    Illustrationen    und  Text    von  Victor  Zobel  — Darmstadt. 


130 


ADOLF  ilUNZER:   BADENDE. 


AlMtl.K    MIN/.ER      MLNCIILN. 


Liegender  Akt   vor  ilciii  .Spieycl. 


ADOLF  MÜNZER-MÜNCHEN. 


Die  Entwicklung  Adolf  iMünzers  in  seiner 
künstlerischen  1-rühzeit  ist  untrennbar 
verbunden  mit  der  Entwicklung  der  bedeutungs- 
vollen Künstlergruppe  »Scholle«  ,  die  nicht 
nur  für  die  Münchner  Kunst,  sondern  für  die 
ganze  neuzeitliche  deutsche  Kunst  den  Sauer- 
teig bedeutet.  Als  die  »Gruppe  G«,  wie  sich 
die  »Scholle  früher  nannte,  im  Jahre  1899 
im  Münchner  Glasjjalast  zum  erstenmal  heraus- 
trat, da  war  unter  den  Bildern  eines,  das 
schon  durch  seinen  Titel:  »Eaustgedanke.^ 
den  schweren  literarischen  Gehalt  verriet,  der 
damals  allerwärts  in  der  deutschen  Malerei 
spukte  und  erst  heute,  nach  einem  Jahrzehnt, 
zu  'gunsten  der  ästhetischen  Reinlichkeit  und 
der  absoluten  Malerei  endgültig  verbannt  zu 
sein  scheint.  Der  Schöpfer  des  Bildes  >Eaust- 
gedanke«  war  .Vdolf  .Münzer,  der,  wie  die 
ganze  junge  Gruppe,  der  er  sich  verschrieben, 
damals  noch  sehr  in  den  Anfängen  steckte; 
freilich  waren  es  hier  wie  dort  Anfänge,    die 

bedeutungsvoll  in  die  Zukunft  wiesen 

Adolf    .Münzer    ist ,     wie     seine     Scholle- 


llenossen  Fritz  und  Erich  Krler.  ein  geborener 
Schlesier;  in  Pleß  erblickte  er  am  5.  Dezember 
1870  das  Licht  der  AVeit.  Er  diente  von 
der  Pike  auf  im  Reiche  der  Kunst :  er  be- 
gann als  Dekorationsmalerlehrling,  kam  dann 
an  die  Breslauer  Kunstgewerbe.-chule  und 
bezog  endlich  im  Jahre  1890  die  Münchner 
Akademie,  wo  er  sich  der  Leitung  des  idealsten 
aller  .Akademiejirofessoren,  Paul  Höckers,  an- 
vertraute. Bei  Höcker  war  damals  ein  richtiger 
»Geniekasten«  beisammen,  die  besten  Kräfte 
der  jungen  Künstlerschaft  trieb  es  instinktiv 
zu  diesem  Lehrer,  von  dem  sie  ahnten,  daL'j 
er  aus  ihnen  herausholen  würde,  was  nur 
immer  herauszuholen  sei.  Nicht  nur  mit  dem 
Lehrer  verband  diese  jungen  Leute  ein  schönes 
Freundschaltsband,  sondern  auch  unter  ihnen 
selbst  waren  mehr  Fäden  der  Gemeinsanikeit 
gesjtannt,  als  es  sonst  unter  jungen  .Akademikern 
üblich  ist.  .Äußerlich  dokumentierte  sich  das 
in  der  gemeinsamen  Mitarbeit  an  Georg  Hirths 
»Jugend'  und  in  dem  späteren  Zusammen- 
schlulj  zur    j  Scholle  . 


h; 


] )i.  (jforo   'Jacob  JIW/. 


c. 


^ 


\ 


ADOLF    MUNZER      MÜNCHEN. 


Wie  für  Erler,  Eichler,  Putz,  Püttner  be- 
deuten auch  für  Münzer  die  beiden  Momente 
Jugend'  und  ^Scholle-  die  entscheidenden 
Lebens-  und  Kunstfaktoren.  Äußere ,  rein 
technische  Gründe  brachten  es  mit  sich,  daß 
sich  die  Mitarbeiter  der  »Jugend'  in  jener 
ersten  Zeit  fast  ausschließlich  zeichnerisch 
betätigen  mußten :  die  aul  der  Technik  der 
Farbenphotographie  beruhende  Druckart  war 
damals  noch  nicht  bekannt ;  so  mußten  sich 
also  die  »Hauskünstler«,  zu  denen  auch  Münzer 
gehörte,  auf  die  kolorierte  Zeichnung  be- 
schränken. Das  war  aber  gerade  Münzer 
nicht  sehr  angenehm.  In  ihm  schrie  alles 
nach  Farbe,  nach  kräftigem  Kolorismus.  Und 
so  trat  denn,  wenn  er  vor  die  Leinwand  ge- 
stellt wurde,  bei  ihm  das  ein,  was  man  auch  bei 
Erler,  Georgi  und  Eichler  wahrnehmen  konnte: 
das  Bediirfnis.  »sich  auf  der  Leinwand  aus- 
zuleben«-. Dieser  Umstand  erklärt  die  Riesen- 
formate   dieser    frühen    »Scholle«-Bilder,    und 


Bildnis  meines  Bruders. 

dieses  Riesenformat  wiederiuii  macht  es  be- 
greiflich, daß  es  sich  hier  nicht  um  intime,  be- 
sonders delikate  und  reizvolle  ^L^lerei  handelte: 
das  war  ein  Losweltern,  ein  breites,  zügiges 
Herunterstreichen  von  Bildern,  die  einerseits 
stark  auf  »Idee«  hin  gearbeitet  waren,  anderer- 
seits unter  der  Hand  ihrer  Schupfer  ganz 
unbewußt  und  ungewollt  ins  Großzügig-Deko- 
rative hinüberstilisiert  wurden.  Für  Münzer 
ist  in  dieser  Hinsicht  besonders  sein  Früh- 
werk »Arbeit  und  Luxus«  charakteristisch, 
aber  auch  auf  sein  etwas  späteres  Münchner 
Karnevalsbild  triflt  manches  des  hier  (ie- 
sagten  zu. 

In  dem  Grade,  als  die  »Jugend«  an  sich, 
die  »Scholle«  an  sich  für  Münzer  an  aus- 
schließhchem  Interesse  verloren ,  trat  eine 
Differenzierung  und  lndi\  idualisierung  seiner 
Kunst  ein.  Immer  mehr  fand  er  seine  eigene 
Note'  ,  die  allmählich  zum  ausgesprochenen, 
aber    weder    eigenbrötlerisclien ,    noch    eigen- 


'34 


Adolf  Münzer—  AfiincJifn. 


ADOLF  MÜNZER- MÜNCHEN.  Gemälde;    »Schwäbin«. 

Original  im  Besitz  von  Alexander  Koch  — Darrnslatlt.         Mit  Gcncliniigunt;  der  \V-rla{;s1iandluiig  Velhapen  &  Klasinn— Bielefeld. 


sinnig  gewahrten,  als  endgültig  betrachteten 
-persönlichen  Stil«  wurde.  Miinzer  entwickelte 
sich  zum  Maler  der  Mondaine.  Daraul  hatten 
bereits  die  Zeichnungen  für  die  »Jugend'^ 
hingewiesen,  die  gerne  schöne  Frauen  mit 
heißen  Ulicken  und  in  der  .-Xnnuit  der  Jugend, 
in  der  Pracht  der  IJlunien  und  der  gefälligen 
rmhüUung  einer  chiken  Mode  zeigten.  Kine 
Reihe  von  Jahren  hindurch  gab  Müuzer  das 
wieder  in  Bildern,  die  einem  oft  den  Ge- 
danken durch  den  Kopf  gehen  ließen,  hier 
sei  ein  moderner  Watteau  unter  uns  aufge- 
standen. Auf  jeden  Fall  ist  Münzer  auch 
heute   noch   in   der  Schar  der   ziemlich   demo- 


kratischen »Scholle'I.cute  der  ausgesprochen 
.aristokratische:  aristokratisch  im  Sinne  der 
Freude  am  Schönen,  an  der  Frau,  ah  wohl- 
gebildeien  Körpern,  an  graziösem  Spiel,  an  fa- 
shionablem  Sport,  an  Lichtern,  Seide,  Blunun, 
Festen:  odi  ])rofanuni  vulgus  et  arceo  .  .  .  das 
könnte  man  über  seine  Kunst  schreiben  Unter 
solchen  Umständen  hatte  ein  längerer  .\u(ent- 
halt  in  Paris  für  Müni'er  etwas  Lockendes, 
dem  er  nicht  widerstelien  konnte.  Im  Ja^ir 
1900  ging  er  in  die  Seinestadt.  Aber  nicht 
um  » Kunst r  zu  studieren  vor  den  Alten  im 
l.ouvre,  in  der  .Akademie  Julien,  bei  den 
Iniiircssioniston,    in    l'arbiztm   oder    sonst  wo. 


Hi 


Dr.  Gcoig  Jacob  II  o//: 


ADOLK    MUNZER     MUN'CHEN. 

Sondern  um  das  »Leben«  zu  studieren,  um 
es  einzufangen  mit  beweglichem  Stilt,  um 
Herz  und  Hirn  mit  scliwebender  Leichtigkeit 
und  Helhgkeit  anzufüllen.  Und  diese  Art 
der  Kunst  hat  auch  heute,  wo  Münzer  wieder 
seit  sieben  Jahren  in  München  schafft,  bei 
ihm  noch  Geltung,  dokumentiert  sich  noch 
und  stets  aufs  Neue  in  zahlreichen  Arbeiten, 
zumal  in  solchen,  die  einen  leicht  dekorativen 
Einschlag  haben.  So  besonders  in  den  köst- 
lichen i-echs  Ovalen,  mit  denen  Münzer  den 
Konfektion?rauni  der  .\usstellung  München  1 908 
schmückte.  Welche  Fülle  von  Grazie,  welche 
Eleganz,  welcher  »Chik«!  Aber  doch  nichts 
von    dem    iNur-Eleganten« ,    von    dem    Chik 


Porträt  Frau   V. 


als  Selbstzweck ,  der  vieler  begabter  Maler 
Kun«t  verkitschte  und  zerschlug.  Die  Vor- 
züge Münzers  bleibea  eben  nicht  wie  bei 
jenen  am  Stofflichen  hängen,  sondern  steigern 
sich  ins  Rein-Malerische,  wo  namentlich  eine 
raffiniert  vornehme  Palette  und  ein  sicheres 
Gefühl  für  wohltuend- dekorative  Wirkung 
Münzers  bestes  Teil  ist.  In  diesem  Sinne 
muß  man  auch  seine  beiden  Wandbilder 
»Quelle«  und  «Ritter--,  die  als  Pendants  die 
Anmut  und  Märchenseligkeit  des  deutschen 
WaHes  umschreiben  sollen,  ansehen  oder  das 
letzte  und  in  mancher  Hinsicht  bewunderns- 
werteite  Werk  des  Künstlers,  vier  dekorative 
Supraporten,     die     für    den    Gesellschaftssaal 


136 


^^^^^^B^^^     ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^H 

Hkw^y*'—^ 

Ei^*ti' 

^^^^^^^^^^^^k              t^tfii^^^^^^^^^^B     ^^^H 

t^  IX 

^l^m           ^\l1 

^H  f^HBytft      4ifl 

^^IM^^K.                         .^^^^^^^^^^^1 

Adoll  Münzer— München. 


ADOLF   MUN/.EK     MÜNCHEN. 


eines  Hamlnirger  Hotels  bestimmt  sind.  "Ge- 
sang', Schauspiel',  ^Maskerade  ,  'l'anz-: 
das  sind  die  Titel  —  Frauengestalten  mit  ein- 
leuchtender Symbolik  verkörpern  diese  frohen 
Dinge.  Die  lineare  Schwierigkeit,  die  durch 
das  breite,  niedrige  Format  gegeben  war,  ist 
durch  die  geradezu  glanzende,  ganz  unge 
zwun^cne  Kom])Osition  liervorragend  gelöst, 
ebenso  wird  es  einem  vor  diesen  Bildern 
kaum  bewußt,  daß  da  nicht  zu  geringe  kolo- 
ristische Probleme  gestellt  waren  :  diese  Bilder 
sollen  festlich-heiter  sein,  aber  sie  haben  einen 
ganz  weißen  Saal  zu  schmücken.  Das  be- 
dingte auf  der  einen  Seite  eine  gewisse  Bunt- 
heit,  auf  der  anderen   eine  diskrete  Dämpfung 


Uiliinis   Fräulein   H. 


der  F"arbe,  soll  sie  nicht  laut  und  schrill  aus 
dem  architektonischen  F.nsemble  herausjilatzen. 
.Münzer  hat  sich  hier  genial  aus  der  .Vffäre 
gezogen,  indem  er,  bei  aller  Selbständigkeil 
jeder  einzelnen  Arbeit,  doch  einen  gemein- 
samen koloristischen  Nenner  für  den  ganzen 
Zyklus  fand.  Töne  aus  dem  einen  Bild  findet 
man  im  anderen  wieder,  manches  ist  durch 
das  Gesetz  der  Komj)limentärfarben  auf  ein- 
ander abgestimmt  und  auch  ein  ■  gewisser 
Linienrhythmus,  der  durch  die  ganze  Serie  geht, 
dient  als  verbindendes  und  ausglei<  hende-i  Glied. 
Neben  solchen  .-\rbeiicn,  die  im  Grunde 
doch  den  Künstler  von  vorneherein  in  der 
einen  oder  anderen   Richtung  binden,    gehen 


D).  Gcoyo  Jacüh  VVoll  : 


AUOLK    MUNZER    -MÜNCHEN. 


ganz  freie  Schöpfungen  absoluter  Malerei 
einher.  Diese  Kunst  atmet  die  Frische  der 
Natur.  Schöne  Frauen  finden  wir  in  hellen, 
sonnendurchflirrten  Wäldern,  die  eine  in  der 
heiteren  Hülle  eines  lichten  Sommerkleids, 
die  andere  m  der  Pracht  ihrer  schönen,  ü])pig- 
reifen  Nacktheit.  Die  Naturfrische,  das  Luftige, 
Helle  trägt  Münzer  auch  in  seine  Innenräume, 
und  da  liebt  er  das  Nebeneinander  einer 
Nackten  und  einer  modisch  Angezogenen, 
ein  Problem,  das  seit  Tizians  Zeiten  die  Maler 
immer  wieder  mächtig  zog;  und  so  liebt  er 
auch  die  Spiegelwirkungen ,  wie  aui  einem 
vorzüglich  gestalteten,  besonders  in  der  Be- 
leuchtung sehr  eindrucksvollen  ruhenden  Akt 
vor  einem  Spiegel,  den  er  vor  kurzem  malte. 
Auch  dem  Porträt  widmet  Münzer  neuerdings 
seine  Aufmerksamkeit.  Seiner  ganzen  Ent- 
wicklung nach    müßte  man  glauben ,    daß    es 


Porträt:   Direktor  Franz  Josef  Brakl. 


ihn  reize,  Frauen  von  Lenbachscher  Anmut 
und  Rasse  zu  malen.  Aber  wie  keine  Be- 
gabung ohne  irgend  einen  inneren  Wider- 
spruch ist,  so  ist  auch  das  Kapitel  »Münzer, 
der  Porträtist«  nicht  ganz  in  einer  strengen 
Entwicklungslinie  unterzubringen.  Gerade  auf 
diesem  Gebiet  treibt  er  seine  tollsten  male- 
rischen Kapriolen.  Hier  interessiert  ihn  vor 
allem  die  Oberfläche.  Psychologisch  hingegen 
schürfen  seine  Bildnisse  nicht  sonderlich  tief. 
Man  sehe  sich  darauf  hin  seine  jüngsten 
Frauenporträie  oder  das  Bildnis  seines  kunst- 
händlerischen »Managers«  Franz  Joseph  Brakl, 
dieses  unermüdlichen  Förderers  der  i^Scholle«- 
Leute,  an.  Das  sind,  bei  aller  Porträtähnlich- 
keit im  Sinne  korrekter  Oberflächennach- 
schöpfung,  koloristische  Stilübungen.  Das 
Lineare  ist  hier  nur  untergeordnet,  das  Gesicht 
ist    farbige    Erscheinung :    freilich    dann    mit 


142 


AiM f  M ünzer-  M lim  k 


-i 


♦ 


AIJOl.K    MLNZF.K     »n  NIHEN. 


delikatem  l'insel  und  ai)artester  Palette  fest-''' 
gehalten.  Bewundernswert  ist  an  diesen  Bild- 
nissen die  schmissige  und  zügige,  dabei  ganz 
geschlossene  Behandlung ,  die  nicht  zuletzt 
darin  begründet  ist,  dati  Münzer  seine  Bilder 
sehr  rasch  hcruntermalt.  Die  Stimmung  hält 
unter  solchen  Umständen  vor,  und  das  oft 
blitzartig  auftretende  Abspringen,  das  mancher 
temperamentvolle  Künstler  während  einer 
zähtlicL'ienden  Arbeit  an  einem  Bilde  nicht 
vermeiden  kann .  und  das  alle  stilistische 
Rundung  zerstört,  ist  unter  solchen  Umständen 
ausgeschaltet:  es  sind  wohlabgerundete,  kunst- 
ökonomisch ganz  ausgezeichnete  Arbeiten. 

Das  etwa  ist  der  Münzer  von  heute :  Ein 
Dekorateur  festlichen  Stils,  aber  nie  in  die 
äußerliche  Makartart  umschlagend,  ein  hervor- 
ragender Aktmaler,  der  seine  meist  geschickt 
ins  Interieur  gesetzten  Nackten  mit  fast 
Rubens'scher  Freude  herunterstreicht,  ein 
ernsthafter  Techniker,  als  den  ihn  seine  wohl 
dunhk(;mpoiiierten  Figurcnbilder  qualifizieren, 
ein  l'orträtist  von  Eigenart  und  -  wenn  man 
das    Wort      recht     verstehen     will     —      über- 


Oemiilde:  Sitzender  Akt  .im  Spicycl. 
Ori|;iiial  im  Hesit/  von  Alexander  Koch— DannsLidt. 


raschcndcm  koloristischem  Humor,  ein  ge- 
wandter und  interessanter  Zeichner,  dessen 
Hinneigen  zum  Eleganten  aller  glatten  Süß- 
lichkeit entbehrt.  Dieser  Münzer  ist  gegen- 
über dem  Münzer,  der  vor  zehn  Jahren 
bei  der  *(;riip|)e  G^  auftauchte,  ein  fertiger 
.Meister.  Fertig  —  und  doch  nicht.  Denn 
seine  Kunst  hat  sich  nicht  in  einer  Sack- 
gasse verlaufen,  hat  sich  noch  nicht  end- 
gültig auf  eine  »Nuance«  festgelegt,  von  der 
sie  nicht  mehr  loskommt,  sondern  besitzt 
namentlich  nach  der  Richtung  des  großen 
Figurenbildes  hin  noch  reiche  Entwickhings- 
möglichkeiten,  und  jeder  Tag  kann  uns  eine 
neue,  überraschende  und  beglückende  Wendung 
oder  eine  weitere  Entfaltung  von  Münzers 
Kunst  bringen,    u»  nEoKd  jacoh  w(m.k    mCnchk.n. 


Kann  man  vom  hihatte  eines  Kunstwerkes 
sprechend  Was  haben  die  unzähligen  gematten  oder 
genieißetten  Madonnen  anderes  mit  einander  getnein 
als  den  Namen  f  Was  ist  der  Inhalt  in  der  Musik! 
Nur  die  Form!  Vnd  iit's  in  der  Malerei  nieht 
trenau  ehrn^'i'  Max   f.iehermonii. 


15 


PROFESSOR   MAX  I.IEBERMANN. 


L.   PROCHOWNIK      KKRI  IN. 


ZeicbDUD^:   iMarkische   Landscbalt. 


ZEICHNENDE  KÜNSTE. 


VON    D«     HANS    BETHC.E. 


Die  Berliner  Sezession  bot  uns  in  ihrem 
Hause  am  Kurfürstendamm  eine  Winter- 
Ausstellung  ,  die  den  zeichnenden  Künsten 
gewidn''et  war.  Nun,  diese  Ausstellung  war 
verschwommen.  Es  war  eine  konturenlose 
Ausstellung,  man  sah  zwar  vieles  Gute,  aber 
es  fehlten  ganz  und  gar  die  .Stütz-  und  Ruhe- 
punkte. Diese  Ausstellung  bleibt  in  der  Er- 
innerung nicht  als  ein  einheitliches  Bild, 
sondern  nur  an  Einzelheiten  erinnert  man 
sich.  Sie  war  übrigens  viel  zu  groß.  Eine 
so  umfangreiche  Darbietung  der  zeichnenden 
Künste  muß  notgedrungen  ermüden,  zumal 
wenn  der  markanten  Punkte  so  wenige  sind. 
Es  waren  viele  dilettantische  Sachen  da. 
Vieles  Gleichgültige,  aber  auch  Schönheiten, 
gewiß.  Das  ganze  Arrangement  war  nicht 
gut.  Die  einzelnen  Sachen  der  Künstler 
hingen  zum  Teil  weit  von  einander  getrennt. 
Meint  man  denn ,  daß  man  den  Genuß  der 
Betrachtung  durch  dieses  diffuse  Hängen, 
dessen  Zweck  nicht  einzusehen  ist,  erhöht? 
Wie  viel  genußreicher,  wenn  die  gesamten 
Sachen    emes    jeden    Künstlers    kollektiv  bei- 


einaniler  hängen ;  es  gibt  doch  einen  ganz 
anderen  Überblick  der  einzelnen  Persön- 
lichkeiten; seltsam,  daß  man  dies  erst  aus- 
sprechen muß. 

Man  dachte  bei  dieser  Ausstellung  sehn- 
süchtig an  jene  kostbare  Schwarz-Weiß-Dar- 
bietung zurück .  die  uns  die  Sezession  anno 
190.3  in  ihrem  kleinen,  intimeren  Hause  in 
der  Kantstraße  arrangiert  hatte.  Damals  sah 
man  ein  ganzes  Zimmer  angefüllt  mit  un- 
vergleichlichen Handzeichnungen  von  Rodin, 
das  Werk  A.  Beardleys  wurde  uns  in  er- 
lesenen Stücken  vorgeführt,  andere  schöne 
Kollektionen  waren  zu  sehen.  Rodin  hat 
unterdessen  Zeichnungen  nach  siamesischen 
Tänzerinnen  gemacht,  über  die  man  das 
Rühmlichste  vernommen  hat,  —  warum  hat 
man  sie  nicht  herbeigeschafft?  Vergangenen 
Herbst  war  eine  Kollektion  neuer  Rodinscher 
Zeichnungen  in  Leipzig  ausgestellt,  —  warum 
hat  man  sie  sich  nicht  für  den  Winter  ge- 
sichert? Man  hat  vorgezogen,  der  Winter- 
Ausstellung  eine  umfangreiche  Sammlung  von 
Zeichnungen   Franz  Krügers,    des  Vorgängers 


190».  IX.  i 


'i; 


Dr.  Hans  J adlige: 


ZZ.  i.   OC      (■^J((v/fJ 


M.  BKCKMANN-HERMSDORF. 

Menzels,  einzuverleiben ;  aber  diese  vortreff- 
lichen Sachen  passen  in  die  Sezession  durch- 
aus nicht  hinein ;  sie  stören  das  Ensemble, 
man  wünscht  sie  sich  fort,  so  gern  man  sie  in 
einer  geschlossenen  Sonder  -  Ausstellung  bei- 
sammen sähe.  So  war  das  Bild  dieser  Aus- 
stellung ohne  rechte  Einheitlichkeit,  man  sah 
ein  verschwommenes  Gesicht,  es  fehlten  die 
energischen  Umrisse. 

Aber  man  sah  vielerlei  Schönes.  Von 
Max  Liebermann  sah  man  75  Arbeiten 
beisammen:  Radierungen,  Pastelle,  Zeich- 
nungen. Eine  sehr  schöne  Sammlung,  aus 
der  einem  das  Bild  des  Graphikers  Lieber- 
mann sehr  deutlich  wurde.  Diese  Impressionen 
mit  der  Nadel  und  dem  Stift  zeigen  die 
Sicherheit  eines  modernen  Meisters,  der  durch 
ganz  notwendige  Traditionen  hindurchgegangen 
ist.  Bei  manchen  der  radierten  kleinen  Land- 
schaften aus  Holland  wird  man  an  Rembrandt 
erinnert,  so  delikat  ist  die  Führung  der  Nadel, 
so  lebhaft  ist  die  holländische  Atmosphäre 
gestaltet  worden.  Leise  Andeutungen  werden 
zu  charakteristischen  Erscheinungen  auf  diesen 
Blättern ,  Liebermann  verfügt  über  die  Gabe 
der  Abkürzung  in  einer  beneidenswerten  Weise. 
Sein  Selbstporträt,  das  in  der  Auffassung  an 
das  frühere  Ölbild  denken  läßt,  ist  sehr  schön. 
Noch    eine    andere    neue    Radierung    erinnert 


Zeichnung. 

an  eine  frühere^Malerei :  Simson  und  Delila. 
Simson  ist  als  Erscheinung  nicht  ganz  be- 
wältigt, aber  wundervoll  ist  Delila:  hier  ist 
ein  klassischer  Umriß  gegeben ,  die  Linie 
dieses  Weibes  hat  Größe  in  ihrer  Einfachheit, 
in  ihrem  genialen  Schwung.  Was  auf  Lieber- 
manns Blättern  immer  wieder  entzückt,  ist  die 
Vertiefung  alles  für  die  Zwecke  der  Radierung 
Notwendigen  im  Räume  und  die  meisterhche 
Abstraktion  von  allem  Unwesentlichen. 

Diese  Abstraktion  vom  Unwesentlichen 
zeichnet  auch  die  Radierungen  einer  Dame 
aus,  die  sich  an  Liebermanns  Kunst  in  glück- 
licher Weise  erzogen  hat  —  ich  meine  die 
Blätter  von  Erna  Frank,  einer  mulier  nova. 
Auch  Erna  Frank  gibt  Landschaften  aus 
Holland.  Die  auf  dem  Strande  liegenden 
Boote,  die  wir  abbilden,  gehören  zu  ihren 
besten  Blättern.  Erna  Frank  gibt  Abrisse, 
die  das  Wesentliche  bereits  mit  einer  auf- 
fallenden Sicherheit  betonen,  sie  hat  einen 
klaren  Blick  für  das  Charakteristische  land- 
schafthcher  Ausschnitte,  ihre  Arbeiten  haben 
ein  inneres  Leben,  das  ganz  von  der  Im- 
pression beherrscht  wird.  Ihre  Blätter  wirken 
selbstverständlich,  etwas  Leichtes  und  Klares 
ist  im  Strich,  sie  sind  ganz  ungekünstelt,  in 
ihnen  ist  die  technische  Wesenheit  der  Ra- 
dierung begriffen. 


146 


Zeifhnendt  Künste. 


PROFESSOR    MAX  LIF.llEKMANN      KEKI.1.S. 


Von  Max  Slevogt,  der  neben  Lieber- 
mann die  wichtigste  Säule  der  Berliner  Sezession 
darstellt,  waren  außerordentlich  schöne  Feder- 
zeichnungen da.  Slevogt  widmet  sich  in  den 
letzten  Jahren  mit  besonderem  Glück  den 
zeichnenden  Künsten.  Seine  schönen,  von  Leben 
sprühenden  Lithographien  zur  Ilias  haben 
sich  viele  Freunde  gewonnen ,  die  Tusch- 
zeichnunsen  zu  Ali  Baba  hatten  eine  F'antasie 


Kadierurg:  Selbstporlrät. 


und  Verve  seltener  .\rt.  jetzt  kommt  er  uns 
mit  sehr  leinen  Federzeichnungen  zu  » Rübe- 
zahl und  zu  iCoronna«:  und  mit  Lithographien 
zu  »Sindbad  der  Seefahrer«.  Slevogt  zeich- 
net in  einer  Technik,  die  an  den  Menzelschen 
Strich  erinnert,  ohne  daß  sie  von  ihm  ab- 
hängig wäre.  F.s  ist  eine  innere  Wesens- 
verwandtschaft in  der  zeichnerischen  Manier 
dieser    beiden    (wobei    man    an    den    jungen. 


■47 


Dr.  Hans  Bet/i^e: 


ERNA    I'KANK      BERLIN. 


nicht  an  den  alten  Menzel  zu  denken  hat). 
Slevogts  Blätter  haben  ganz  den  Reiz  der 
schnellen,  von  einem  heftigen  Impuls  diktierten 
Handschrift,  und  es  ist  viel  sichere  Kultur 
in  diesen  dünnen,  von  Leben  erfüllten  Strichen. 
Von  Max  Beckmann,  dem  jüngsten 
Mitgliede  der  BerUner  Sezession,  sah  man 
sehr  sympathische  Zeichnungen.  Beckmann 
hatte  als  Maler  mit  seiner  v Kreuzigung'-  einen 
sehr  großen  Anlauf  genommen,  um  dann  mit 
seinem  Riesenbilde  »Die  Schlacht«  zu  ent- 
täuschen. Aber  in  diesem  Künstler  stecken 
große  und  ehrliche  Fähigkeiten,  und  er  hat 
uns  vielleicht  noch  sehr  Wichtiges  zu  sagen, 
wenn  erst  eine  Klärung  in  sein  Talent  ge- 
kommen sein  wird.  Seine  Zeichnungen  lassen 
das  Allerbeste  hoffen.  Sie  sind  von  einer 
erfreuUchen  Einfachheit  und  Aufrichtigkeit, 
sie  wollen  gar  nichts  weiter  sein  als  die  hurtig 
empfundenen  Niederschriften  eines  Tempe- 
ramentes, —  und  als  solche  sind  einige  von 
ihnen  geradezu  bestechend.  So  diskret  wie 
in  diesen  Zeichnungen  hat  sich  Beckmann, 
dessen  Talent  so  leicht  zur  wilden  Flamme 
auflodert,  noch  nicht  gezeigt.  Es  wäre  schön, 
wenn  sie  eine  Vorbedeutung  wären  für  eine 
zukünftige  größere  Diskretion  in  seinen 
Malereien. 


Radierung. 


Von  Edward  Munch  war  eine  umfang- 
reiche Kollektion  da.  Sie  enthüllte  keine 
neuen  Seiten  dieses  großen  spröden  Talentes, 
sie  befestigte  nur  die  Meinung,  daß  dieser 
mystische  Seher  uns  oft  die  seelische  Seite 
der  Dinge  mit  bewunderungswürdiger  Deuter- 
kraft zu  erhalten  weiß ,  ohne  daß  er  uns 
künstlerisch  das  Letzte  zu  sagen  vermöchte. 
Er  hat  bei  aller  Geistigkeit  in  seiner  Kunst 
doch  etwas  vom  norwegischen  Bauern,  ihm 
fehlt  die  Kultur  im  höchsten  Sinne,  bei  ihm 
ist  immer  ein  Widerstreit  zwischen  Robustheit 
und  Seele ,  sodaß  das  Resultat  so  gut  wie 
niemals  ganz  rein  aufgeht.  Etwas  Unheim- 
liches weht  uns  aus  dem  Doppelbildnis  Walter 
Leistikows  und  seiner  Frau  entgegen;  das 
Porirät  eines  Totkranken ,  der  schon  nicht 
mehr  dem  Leben  zu  gehören  scheint ,  und 
einer  Frau,  die  mit  einem  süßen  Lächeln 
noch  ganz  an   die  Erde  gebunden  ist. 

Ernst  Barlach,  ein  Bildhauer,  der  sich 
durch  gute,  nur  freilich  etwas  kunstgewerblich 
wirkende  Skulpturen  russischer  Bettler  bekannt 
gemacht  hat,  hatte  zwanzig  Zeichnungen  aus- 
gestellt, die  für  Viele  der  Clou  dieser  Aus- 
stellung waren.  Nun.  diese  Zeichnungen  sind 
in  der  Tat  interessant  und  gut  —  aber  sie 
sind  nicht  so  gut  wie  die  Barlachschen  Skulp- 


14S 


Zekhucnde  Küusic. 


A.  SCHINNERER- -TENNESLOHE. 

turcn,  und  sie  sind  trotz  ihrer  starken  persön- 
lichen Reize  von  der  Vollkommenheit  noch 
ein  Stück  entfernt.  Sie  wirken  ganz  und  gar 
als  die  Zeichnungen  eines  Bildhauers.  Diese 
IJinge  sind  ganz  skuljJtural  ge.sehen ,  und  sie 
sind  beherrscht  von  einer  e.votisch-karikieren- 
(ien  Tendenz ,  die  einen  Zug  ins  Mystische 
hat.  Die  eine  Zeichnung,  auf  der  die  Kari- 
katur keine  Rolle  spielt  (siehe  Abbildung), 
löst  ein  Empfinden  aus,  ähnlich  wie  man  es 
bei  Minne  hat;  diese  Zeichnung  ist  mir  die 
liebste  unter  den  Barlachschen  Blättern.  Aber 
das  beste,  was  der  Künstler  aiil  dieser  Aus- 
stellung zeigte,  war  keine  Zeichnung,  sondern 
eine  Skulptur:  ein  »Wanderer  im  Wind?,  aus 
Holz  geschnitten ,  von  einem  großen  und 
sicheren  Rhythmus,  von  einer  schönen  Bildung 
in  sich  bewegter  skulpturaler  Flächen.  Ja, 
Barlach   ist   ein   Bildhauer. 


Radierung:   »Seiltänzer«. 

Von  Leo  Prochownik  sah  man  einige 
vortreffliche  iilätter.  Dieser  stille  und  sehr 
aufrichtige  Künstler  hat  die  märkische  Land- 
schaft mit  eigenen  Augen  gesehen,  ein  ruhiger 
lyrischer  Rhythmus  schwingt  wohltuend  in 
seinen  Zeichnungen,  die  etwas  von  der  Seele 
landschaftlichen    Daseins    einzufangen    wissen. 

Ein  im  besten  Sinne  deutscher  Künstler 
ist  Adolf  Schinnerer.  Wir  geben  eine 
seiner  schönen  Radierungen  wieder,  die  ihn 
ausgezeichnet  charakterisiert.  Man  erfreue 
sich  an  der  Einfachheit,  an  dem  sicheren  Stil 
und  dem  prachtvollen   Humor  dieses   Blattes. 

Von  Karl  Walser  sah  man  Radierungen, 
die  als  Buchschmuck  gedacht  sind:  16  Blätter 
zum  Don  Quichote  und  16  ganz  kleine  Blätter 
zu  den  Ciedichten  Robert  Walsers,  der  ein 
Bruder  des  Malers  ist.  Die  beiden  schweizer- 
ischen    Brüder    zeigen    in    ihren    Wcirten    und 


'■ly 


Dr.  Hatis  Bethge: 


ED.  MUNCH     KOPENHAGEN. 

hingegriffelten  Strichen,  daß  sie  auch  Brüder 
im  Geiste  sind.  Der  Stil  des  einen  wie  des 
andern  weist  eine  sehr  persönliche,  zarte, 
zierUch-naive  und  nicht  selten  etwas  karikatu- 
ristische Note  auf.  Etwas  Traumhaftes  blüht 
aus  den  Versen  und  den  Radierungen  hervor. 
Eine  stille  Melancholie  in  den  Stuben  und 
in  der  Landschaft.  Resigniert  wandelt  der 
Dichter,  die  Hände  in  den  Hosentaschen, 
durch  die  Büsche  des  nebeligen  Feldes  oder 
lümmelt  sich  an  einem  sonnenlosen  Tage  zu 
Haus  auf  dem  Sofa. 

Von  dem  jüngst  verstorbenen  Rudolf 
Wilke  sah  man  eine  große  Kollektion  seiner 
für  den  ;»Simplizissimus«  gezeichneten  Biälter. 
Am  besten  sind  ihm  immer  die  Säufer,  Penn- 
brüder und  Landstreicher  gelungen.  Er  hatte 
eine  eigentümlich  kriselige  Art   die  Feder  zu 


Lithographie. 

füliren,  er  verstand  es  Typen  zu  individuali- 
sieren ,  wie  wenige  unserer  Karikaturisten, 
und  man  konnte  in  dieser  Ausstellung  gut 
erkennen,  wie  weit  er  über  seine  Kameraden 
Thoeny  und  Reznicek  herausragte,  von  denen 
man  auch  eine  Reihe  Blätter  beisammen  sah,  — 
einigermaßen  oberflächhch  empfundene  Blätter. 
Die  allzu  stofflichen  Arbeiten  von  Hans 
Baluschek  wissen  wenig  zu  interessieren. 
Auch  Marcus  Behmer,  der  freilich  ganz 
anderen  Zielen  zustrebt,  wirkt  wenig  erfreulich: 
kalt  und  epigonenhaft.  Die  Pastelle,  die 
Ludwig  von  Ho  ff  mann  geschickt  hatte, 
erinnerten  an  den  Charme  der  früheren  Pastelle 
dieses  Künstlers,  aber  ohne  ihn  zu  erreichen. 
Von  Emil  Rudolf  Weiß  sah  man  reizende 
kleine  Holzschnitte  und  eine  vorzügliche 
Radierung:   den  wilden  Akt  einer  Frau  ;   dieser 


150 


Zeichnende  Kümk 


Künstler  scheint  sein  graphisches  Werk  im 
übrigen  kaum  weiter  auszubauen,  sondern  sich 
ganz  nach  der  malerischen  Seite  hin  zu  ent- 
wickeln. \'on  Theo  von  Brockhuscn  gut 
gesehene,  aber  innerlich  etwas  arme  Zeich- 
nungen. Drollige  Typen  des  Berliner  Prole- 
tariats von  Heinrich  Zille,  dem  sein  Stil 
freilich  schon  langsam  zur  Schablone  wird. 
Hübsche,  aber  etwas  oberflächliche  Illustra- 
tionen von  Ernst  Stern,  der  an  Walser 
längst  nicht  heranreicht. 

Bleibt  noch  auf  die  große  Sammlung  der 
Zeichnungen  Franz  Krügers  hinzuweisen. 
Die  Ausstellunsf  hätte  kleiner  und  gewählter  sein 


können,  sie  hätte  uns  dann  das  Profil  dieses 
Künstlers  in  schärferer  Prägtmg gezeigt.  Krügers 
Porträt-Zeichnungen,  die  dem  charakteristischen 
Wesen  der  Menschen  mit  liebevoller  Hingabe 
nachgehen,  haben  etwas  stark  bürgerliches  an 
sich.  Dieser  Zeichner  stand  fest  auf  der  F.rde, 
und  er  gibt  niemals  Perspektiven  in  weite  Hori- 
zonte. Sein  Kreis  war  klein,  aber  er  herrschte 
in  ihm.  Er  ging  der  Natur  mit  einfachem, 
meist  etwas  nüchternem  Sinne  nach,  Solidität 
ist  die  Basis  seiner  freundlichen  Kunst,  in 
der  mannigfache  kulturgeschichtliche  Reize 
stecken,  der  aber  die  geniale  Note  fremd  war. 
Krüger  war  ein  liebenswertes  Talent.    — 


E.  BAKLArH     BERLIN. 


Zcichnunij. 


HI 


l'Kcib.  HKliXK.  iMETZENDORK     BENSHEIM.  HERRSCHAFTS-HAUS    DER   GRÄFIN    DE   LIEDEKERKE— WÜRISHOFEN. 


PROF.  HEINR.  METZENDORF— BENSHEIM.       BRUNNENHOF  IM  HAUSE  DER  GRÄFIN  DE  LIEDEKERKE     WÖRISHOFEN. 


152 


l'Koh.    HEINRICH    MEI/.ENllOKF      IIEX.SHEIM. 


UAUS    DEK    GKAHN    IJE    LIEUEKERKE      \Vi  IKISHOKEN. 


PROF.  HEINRICH  METZENDORF-BENSHEIM. 


Am  Werk  des  Baukünsllers .  dem  dieser 
kleine  Aufsatz  gewidmet  ist,  läßt  sich 
leiclu  und  sicher  nachweisen,  wie  eine  zu- 
nächst in  der  Kleinstadt  einsetzende  künst- 
lerische Arl)eit  ihre  Kraft  über  die  en<;en 
lokalen  Grenzen  hinaus  zu  dehnen  vermag, 
an  bedeutenden  Aulgaben  in  den  nahen  großen 
Kachbarstädten  heranwächst  und  schließlich 
Beachtung  und  Anerkennung  bei  der  Gesamt- 
heit der  künstlerischen  Fachgenossen  erzwingt 
und  in  deren  Einschätzung  den  besten  ].ei- 
stungen  der  Zeit 
nahegestellt  wird. 
—  Vor  mehr  als 
zwull  Jahren  ist 
Prof.  Heinrich 
.Metzendorf  aus 
der  Hast  einer  im 
I  nd  ustriegebiet  ver- 
brachten  Tätigkeit 
an  die  ihm  heimi- 
sche Bergstraße 
zurückgekehrt.  Er 
fand  zum  ersten 
Mal      Muße      zur 


-1^ 


ORUNDRI5S  ZU  OBIGRM   HKRRSCHArlS-HAl's. 


Sammlung  und  zu  ruhigem  Schauen.  .\m  Hang 
der  den  Odenwald  gen  Westen  .abgrenzenden 
Bergstraße  sind  breite,  in  die  Ebene  auslau- 
fende Täler  eingeschnitten.  Sie  lockten  zur 
Wanderung  in  das  Gebirg  und  seine  stillen 
Dorlchen  hinein.  Da  standen  die  alten  frän- 
kischen und  alemannischen  Bauernhäuser  in 
malerischer  Mischung  ihrer  Bauanlage,  kaum 
hier  und  da  verdorben  durch  den  Einbruch 
städtischer  NachäfTung.  Dam.als  begann  das 
\'orbild    des    englischen   Landhauses    bei    uns 

zu  wirken  und  das 
Auge  zu  schärfen 
für  den  Zusammen- 
hang seiner  Form 
mit  dem  Stil  bäu- 
rischer Bauweise. 
Der  junge  Archi- 
tekt erkannte,  was 
in  den  Bergen  sei- 
ner Heimat  Bau- 
sittc  gewesen  und 
er  fand  die  reiche 
und  mannigfaltige 
Möglichkeit       der 


'53 


PBOFESSOK  HEINRICH 
METZEXDORF — BENS- 
HEIM  A.  D.  BERGSTK. 


HAUS    KOMMERZIBNRAT 
DR.  WEVL — BENSHEIM. 


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'^ftttYJtllr^      ■■■■ 

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Hfe.    IT 

pn 

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154 


Ilehiiuh  Metzendorf- liemhei 


I'ROF.    HKINRIIH    METZE^-DORF— HENSHEIM. 


Dachbildung,  zumal  der 
Giebelaufsätze  und  der 
verschiedenen  Führung 
der  Höhe  und  Fläche 
je  nach  der  Lage  des 
Hausplatzes  am  Berg 
oder  an  der  Straße 
oder  auf  dem  ebenen 
Wiesengelände.  l'nd 
er  sah  die  feine  und 
sinngemäße  Verwen- 
dung des  Fachwerks 
über  dem  steinernen 
Sockel  und  die  präch- 
tige Wirkung  steiler 
Schindel  -  (liebel,  zu 
denen  der  nahe  Wald 
das  Material  lieferte, 
lauter  Dinge,  die  man 
draußen  in  den  städ- 
tischen Siedelungen  an 
der  Bergstraße  langst 
übertüncht  oder  her- 
untergeschlagen hatte, 
um  ja  die  Sjiuren  bäu- 
rischer Zeiten  zu  tilgen. 


r.Rl-SDBISI   /fM  HAfS  K()MMt:H/lE\K  \T  HR.  WKVL  —  BFN-^IIKIM . 


BRUNNENHOF    IM    HAUSE    WEVI.     HENSHEIM. 


So  ist  Metzendorf  ganz 
naiv  und  aus  sich  zu 
den  Grundlagen  einer 
auf  alte  Heimatsitte  ge- 
stellten und  doch  ganz 
persönlichen  Bauform 
gekommen ,  zu  For- 
derungen und  An- 
schauungen, die  heute 
geläufig  und  selbstver- 
ständlich sind,  die  sich 
aber  gegen  Ende  des 
vergangenen  Jahrhun- 
derts erst  langsam 
hervorgewagt  haben. 
Heute  sieht  Metzendorf 
auf  ein  paar  Anfänger- 
leistungen in  Renais- 
sance und  englischer 
Gotik  als  aul  Jugend- 
sünden zurück,  Seine 
ersten  freien  Gaben 
folgten  der  von  den 
anderen  verlassenen 
bodenständigen  Tra- 
dition      imd      nutzten 


155 


PROF.    HEINRICH   METZENI'OKF     KENSHEIM. 


HATs     !)>'      HAl'Mi.AK  1  I   \       \\  '  iRlSHDt  E.N. 


PROF.    HEINRICH    METZENDORF— BENSHEIM. 


H.\US   HEITEFUSS— BENSHEIM.     (SEITEN-ANSICHT.) 


156 


PROF.    HEINRICH    MET/.ENUORF     liEN^^HElM. 


HAUS    D".    BAUMGARTEN     WORISHÜKEN. 


PROF.    HEINRICH    METZENDORF- BENSHEIM. 


HAUS    HEITEKUSS     BENSHEIM.     (VORDER-ANSICHT.) 


'37 


Professor  H.  Werner-Beiis/wi, 


'Uli  . 


PROF.   H.  METZENIIORF.  LANDHAUS    ("hOLZBAI')    DES    GEH.    RAT    VOITH    IN    SCHACHAU    AM    BODENSEE. 


das  Material,  das  die  nächste  Umgebung  in 
Fülle  bot.  Es  wuchs  längs  der  ganzen  Berg- 
straße ein  Haus  nach  dem 
anderen  in  eigener  Schön- 
heit empor.  Alte ,  von 
Stumpfsinn  und  Gedanken- 
losigkeit verdorbene  Gebäude 
wurden  auf  des  Künstlers 
Anregung  im  Schmuck  der 
vom  Überputz  befreiten  Holz- 
architektur wieder  hergestellt, 
und  rasch  verstummte  der 
Spott  gegen  den  erst  un- 
willkommenen Neuerer.  Die 
Bewohner  erkannten,  daß 
ihre    Städtchen    und    Dörfer 


158 


bauliches  Sondergepräge  erhielten.  —  Solch 
ein  rückschauender  Bericht  im  Chronistenstil 
scheint  in  aller  Kürze  not- 
wendig, wenn  nun  von  den 
neuesten  iMetzendorfbauten 
gesprochen  werden  soll,  wie 
sie  die  Abliildungen  dieses 
Heftes  vor  die  Leser  bringen. 
Längst  ist  ihres  Schöpfers 
Tätigkeit  über  den  Kreis  der 
Heimat  hinausgewachsen.  Es 
sind  ihm  aus  ganz  Mittel- 
und  Süddeutschland  Aufträge 
in  großer  Zahl  geworden. 
Das  trug  in  die  Form  seiner 
Kunst   fortwährend   die  An- 


//iinrit/i  M,/zt^}ii/oi I—  /iiin/ifini. 


PROF.    HEINRICH    MKTZENDOKF     IIENSHEIM. 

regung  und  Xotwendigkeit  zum  Erfinden 
Umbilden  im  Zusammenhang    mit  der  im 
neuen  Beschaffenheit  der  Baustellen    und 
umschheßenden  Umgebung.      Diese  wach 
den    äuL'jeren     Forderungen     aber 
sicherten    dem    Schaffen    Metzen- 
dorfs  voranschreitende    Entwicke- 
lung.      Will   man    deren  Ziel    und 
das  schon   jetzt    erkenntliche    Er- 
gebnis   —     vergl.    unsere     Bilder 
—   zusammenfassend    bezeichnen, 
so    wird    man    sagen    dürfen :    es 
ist  eine  bestimmte  Sicherheil  der 
Formbehandlung    erreicht,    in  der 
Sachlichkeit  des  Nutzungszweckes  . 
und  gröl'jtr  Einfachheit  zusammen- 


OBERFÖRSTEREI    LOFKENAU    IN    WÜRTTEMBERG. 

und     fließen.  Natürlich  aber  bleibt  auch  dabei  die  .\b- 
mer     sieht  einer  schmückenden,  also  der  eigentlich 
der     künstlerischen  Wirkung  bestehen.     Dabei  sind 
sen-      die    Iliuiser    soviel    wie    möglich    von    innen 
heraus    gebaut,    man    erhält    aus 
dem      Studium      der     Grundrisse 
den    Schlüssel    zum    Verständnis, 
zu  der  rechten   Emschätzung    der 
.\ußenarchitektur.   Die  Anlage  des 
herrschaftlichen  Hauses  der  Gräfin 
de  Liedekerke  in  Wörishofen  for- 
Ijy      dert    die    besondere    Erläuterung, 
— I        daß    es    sich    um    eine    auf   weit- 
gedehntem     grünem     VVicsen])lan 
ganz   freiliegende   Besitzung    einer 
Dame     handelt,    die    eine    große 


13^ 


HEINRICH    METZENDiiRF      IIENSHEIM. 


HAUS    KRANZ    BAHNER     BENSHEIM. 


HEINRlC-H   MJiTZENDORE     hENSHEIM. 


HAUS    GUtK.ENHElM      WORMS. 


i6o 


».  IX.  1. 


GRUNDRISSE  ZU  DEM  LANDHÄUSERN  VON  HEINRICH  METZENDORF. 


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OBfHÄEfCHOJl 


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£Hrw,e(mriy 


1.  ARllElTERHÄUSER    W.  EULER-  BENSHEIM. 

2.  VILLA    OTTO    HEITEFÜSS- BENSHEIM. 
3.U.4.VILLA   KOMMER ZIENRAT   I)"-  DIFFENE     BENSHEIM. 


5.    VILLA   L.  GUGGENHEIM     \VOU.\LS. 

6     HAUS   DU    BAUMGARTEN— WÖRISHOFEN. 

r.    VILLA    BAHNER— BENSHEIM    A.  n.  BERGSTRASSE. 


Heinrich  Mftzfiifior/-Ben!tficiin. 


Tietfreundin  ist.  Darum  ist  ein  Stallgebäude 
durcli  eine  gedeckte  Wandelhalle  mit  dem  Wohn- 
haus verbunden.  Ein  großer,  vom  Hause  ganz 
zu  überschauender  umfriedeter  Hol  gibt  den 
Liebhngen  der  Besitzerin  den  Tummelplatz,  und 
die  Schau  ül>er  den  Wicsen])lan  und  zu  den  in 
der  Ferne  aufsteigenden  Alpenketten  gew.'ihrt  ein 
umbauter  Turm,  der  in  seiner  allen  Wettern 
und  Winden  ausgesetzten  Lage  eines  be- 
sonderen deckenden  Schutzes  bedurlte.  Am 
ganzen  Werk  dieses  Wörishofer  Hau5es  läCt 
sich  nun  das  Auge  für  die  Kunst  lormaler 
Zerlegung  und  Zusammenfassung ,  wie  sie 
Metzendorf  übt,  auch  im  Hinblick  auf  die 
Prüfung  der  folgenden  .Abbildungen  gut  ein- 
stellen. Der  Beschauer  erkennt,  wie  sicher 
und  fein  die  einzelnen  Teile  der  GröLje  nach 
in  Beziehung  gesetzt  sind.  .Man  könnte  von 
einer  geometrischen  Aufteilung  der  Flächen 
reden,  und  doch  drängt  diese  Abwägung  sich 
nicht  nüchtern  und  kalt  auf,  dem  Ganzen 
eignet  ein  wohnlicher,  traulicher  Eindruck. 
Die  geistige  IJurcharbeitung  des  Entwurls 
kommt  auch  im  Einzehverk  zum  Durchbnich, 
die  Abbildung  des  Brunnenhofs  und  die  Prüfung 
der  Turmecke  gibt  guten  Aufschluß  darüber. 
Nach  dieser  stilisierenden  Leistung  ist  das 
Bensheimer  Haus  W'eyl  mehr  aus  dem  t leiste 
einer  behäbigen  Behaglichkeit  gestaltet,  so 
recht  ein  Ruhesitz.  Ein  fester  Hausteinsockel, 
ein  Schindelgiebel  mit  s])itz  aufsteigendem 
Dach  darüber,  ein  breiter  Loggiaeinbau  und 
ein  leichter  Pergolavorbau,  Dach  und  Giebel 
dem  steil  emporfuhrenden  Gelände  und  der 
Wellenlinie  der  dahinter  ziehenden  Bergkette 
halbci  stark  betont  und  ausgebildet,  damit 
ein  energischer  Ausklang  nach  oben  für  den 
Schaupunkt  von  der  tieferen  Straße  gewahrt 
ist.  Günstig  stimmen  vor  den  grünen  Wein- 
bergen die  natürlichen  Farben  des  Materials 
zusammen  mit  dem  weißen  An'^trich  des 
Rahmen-  und  Lattenwerks,  und  in  solchem 
Bedacht  auf  die  farbige  F'rscheiniing  in  der 
Landschaft  liegt  auch  ein  \'orzug  der  .Metzen- 
dorlschen  .\xi. 

Die  Wohnhäuser  Heitefuß  in  Bensheim 
und  Baumgarten  in  Worishofen  stehen  aul 
ebenem  Gelände  für  sich.  Es  konnte  ihnen 
durch  eine  stärkere  Hervorhebung  großer  und 
bestimmter  Linien  im  Aufbau  eine  gewichtige 
Bedeutung  geschenkt  werden ,  und  es  ist 
interessant  zu  erkennen,  wie  das  im  ersten 
Falle  durch  .Ausbildung  des  Sockelgeschosses, 
im  zweiten  durch  Zerlegung  des  Daches  und 
Giebeleinfügung  gelungen  ist.  Für  beide 
Häuser    geriet  auch    die  Grundrißlösung    be- 


merkenswert praktisch  und  einfach.  Wieder 
wäre  auf  Farbe  und  M.aterialnutzung  zu  ver- 
weisen.. Wie  fein  der  Steilgiebel  mit  dem 
vorgebauten  Balkon  aus  gerauhtem  Beton  un<l 
seinem  wuchtigen  dekorativen  Zierat  am  Hause 
Baunigarten!  Danach  bietet  das  Landhaus 
Voith  am  Bodensee  bei  Bad  Schachen  wieder 
eine  ganz  andere  Leistung.  Das  Haus  vor 
dem  Hintergrund  eines  Parks  mit  der  Front 
nach  dem  See  gestellt.  Breit  und  tief,  so 
recht  zum  schirmenden  Schutz  das  Dach 
herabgezogen,  in  die  vordere  Wand  aber  Leben 
und  Wechsel  getragen  durch  die  eckigen  Aus- 
bauten zur  Seite,  die  reiche  Belichtung  durch 
die  (ein  verteilten  Fensterausschnitte  und  die 
zurücktretenden  .Mittelstücke  über  und  unter 
dem  in  der  ganzen  (^)uere  verlaufenden  Hol/.- 
balkon.  Nur  der  niedere  Sockel  ist  von  Stein, 
der  ganze  Aufbau  der  zwei  Stockwerke  da- 
gegen durchweg  aus  dunkelfarbenem  Holz 
geschehen,  in  .\nlehnung  an  nordiselien  Brauch 
und  in  der  farbigen  Stimmung  vortrefflich  dem 
breiten  Rasenteppich  davor  und  den  dunklen 
Bäumen  im  Grunde  angeschlossen.  ,\uch 
dies  Beispiel  erfreulich  im  Sinne  der  Gliederung 
des  Baus  und  doch  auch  seiner  Fassung  zur 
geschlossenen  Einheit.  Nach  solcher  Be- 
trachtung ergeben  sich  leicht  die  Vorzüge  der 
übrigen  im   Bilde  gezeigten  Schöpfungen. 

Wie  Beschaffenheit  und  Lagerung  der  Bau- 
stelle den  Wechsel  der  Form  und  die  L"ni- 
gebung  die  stilistische  Haltung  bestimmen, 
mag  eine  Verglei(  hung  des  Hauses  F"ranz 
Bahner  im  Landstädtchen  Bensheim  und  des 
Guggenheimschen  Hauses  aus  einer  Wormser 
Stadtstraße  lehren.  Aber  auch  dem  Einfach- 
sten und  ganz  Anspruchlosen  ist  Metzendorfs 
.\rbeit  zugewandt,  ohne  daß  sie  ihren  künst- 
lerischen Grundzug  aufgibt.  Im  landschaftlich 
prächtigen  Zeller  Tal  bei  Bensheim  hat  der 
.Architekt  ein  paar  Arbeiterhäuser  erbaut,  wie 
sie  jjraktisch  gleich  nutzbar  nicht  besser  ge- 
dacht werilen  können.  Und  wieder  ist  der 
Eindruck  nicht  zum  mindesten  aus  dem  .Ma- 
terial unmittelbar  gewonnen.  Vor  allem  beweist 
das  obere  Doppelhaus  (Abb.  Seite  161) 
die  glückliche  Verwendungsmöglichkeit  des 
glatten  Holzfachwerkes  für  die  Zwecke 
der  Arbeiterwohnung  in  kaum  sonst  ange- 
wandter .\rt,  und  es  ist  auch  zu  ersehen, 
wie  gut  sich  die  große  Front  durch  die  mit 
sicherem  Gefühl  eingesetzten  hellfarbigen 
Schlagläden  der  Fenster  bewegen  und  be- 
leben läßt.  Das  schmucke  Sommerhaus  Diffene 
aber  mag  man  in  seiner  glücklichen  Ein- 
fügung in  das  Waldbild  der  Neckarlandschaft 


i6i 


HKINRl'  H    Ml-.l/l  .M'"K1'      BENSHEIM. 


bei  Eberbach ,  in  der  Er- 
wägung seiner  allgemeinen 
Form  und  in  der  Ausarbei- 
tung der  Teile  als  letzte 
Schöpfung  Prof.  Metzendorfs 
noch  einmal  zum  Anlaß 
einer  prüfenden  Erwägung 
seines  Bildens  und  Könnens 
nehmen.  Darin  scheint  um- 
schlossen, was  seine  beste 
Kraft  ausmacht  und  be- 
stimmt :  eine  glückliche  Er- 
findung, die  jeder  neuen  Auf- 
gabe eine  eigene  Lösung 
sichert  und  von  Werk  zu 
Werk  hinaufführt  zu  einer 
1  .äuterung  des  Ausdrucks 
im  Sinne  der  ungesuchten 
Schlichtheit,  die  nur  der 
reifen   Kunst    eigen    ist.    — 

PROFESSOR  H.  WERNER-BENSHEIM. 


HAUS   KOMMEBZIEN- 
R AT    DR.    DIFFF.NK 
IN    F.nRRBACH    I.  O. 


164 


Kit  üAkl)    KIl.Ml.KM.iJMll)      Ml  NCHEN. 


Schlafzimmer  in  massiv  Elch' 


DEUTSCHE  WERKSTÄTTEN  FÜR  HANDWERKS-KUNST 
DRESDEN  UND  MÜNCHEN. 


Für  den  Freund  des  Kunstgewerbes  gibt 
es  kaum  etwas  Amüsanteres,  als  einige 
Stunden  in  den  \'erkaul'sstellen  der  Dresdner 
Werkstätten  zu  flanieren  und  zu  kramen.  Ich 
weiß  nicht  zu  sagen ,  wo  mir  mehr  Ver- 
gnügen wurde :  drüben  in  den  bescheidenen 
Räumen,  die  sich  die  Firma  herrichtete,  als 
sie  mit  der  öffentlichen  Propaganda  energisch 
einsetzte,  oder  in  den  überaus  vornehmen 
Läden,  die  sie  sich  vereint  mit  den  Münchner 
Werkstätten  in  Berlin  baute.  Hier  wie  dort 
trifft  man  die  gleiche  Ware,  die  gleiche  Sach- 
lichkeit und  den  gleichen  (leschmack.  der 
aus  trefflichem  Material  liebenswürdige  Still- 
leben zusammenstellte .  trifft  man  Verkäufer 
in  dem  idealen  Sinne  des  Wortes,  F'achleute, 
die  einem  nichts  aufschwätzen,  die  dem  Fragen- 
den Bescheid  geben  und  selbst  Bescheid 
wissen.  Man  kommt  nicht  in  eines  jener 
unförmlichen  Magazine,  die  mit  ihren  zwanzig 
oder  fünfzig  Musterzimmern  renommieren,  die 
einem  mit  sämtlichen  Stilen  aufwarten  können, 
die  mit  derselben  Inniirkeit  ihr  Louis  seize, 
ihre  Sezession  oder  die  allerletzte  .Mode 
jjreisen,    die  jeden  zivilisierten  Menschen  nach 


kurzem  Leiden  wirblig  machen  und  den  dch- 
rockmann,  der  tausend  unnützige  Worte  i)lät- 
scherte,  verwünschen  lassen.  .Man  kann  es 
kaum  anders  ausdrücken ,  man  muLl  sagen : 
diese  X'erkaufsstellen  haben  ihre  eigene,  wohl- 
temperierte Kultur ,  sie  wirken  gepflegt  und 
reserviert  und  erfreuen  durch  ihr  freimütiges 
unverhülltcs  Selbstbewußtsein.  Das  Prinzip, 
nach  dem  sie  geleitet  werden,  ist  garnicht 
zu  verkennen :  nichts  Schlechtes,  nichts,  was 
nicht  der  Zeit  und  ihrer  Art  gehört.  Wie 
oft  seufzen  doch  die  Ciesrhäftsleuie,  daß  das 
Moderne  niclit  ginge,  daß  das  Publikum 
immer  wieder  nach  dem  guten  Alten  ver- 
lange, daß  das  sich  nun  einmal  nicht  ändern 
ließe,  man  müsse  Stil  führen,  und  könne  das 
Neue  nur  nebenbei  protegieren.  Das  eben 
ist  jene  verkehrte  Methode,  die  es  aller  Welt 
gerecht  machen  möchte  und  dabei  nur  Un- 
recht schafft.  In  den  Verkaufsstellen  der 
Dresdner  gibt  es  nicht  das,  was  das  Publi- 
kum will,  vielmehr  das,  was  es  haben  muß. 
Dies  allerdings  in  einer  so  überzeugenden 
Form  und  in  einer  Vollkoinnienheit,  daß 
selbst    arge     Skeptiker     und    träge    Ciewohn- 


lao». li.  5. 


i6s 


ARCHITEKT    KARL    BERTSCH-  MÜNCHEN. 


SCHLAFZIMMER    IN    BIRKEN-HOLZ   GEBEIZT. 


PROF.    RICHARD   RIEMERSi  HMID-MÜNCHEN.  SC  HLAt/.lMMER.     IIIRKE.N-HOLZ    WEISS    LACKIERT. 

Ausführung:  Deutsche  Werkstätten  für  Handwerkskunst  G.m.b.  H.— Dresden  und  München. 


l'KOF.  RICHARD   RIF.MtRiCHMlU     MÜNCHEN. 


WOHNZIMMER    IN    MAHAGONI. 


r^ 


PROF.    RICHARD   RIEMEKSCHMII)     MÜNCHEN.  HERREN/IMMER    IN   EICHEN-HOL/.. 

Ausführung:   Deutsche  Werkstätten  für  Handwerkskunst  G.  ni.  b,  H.— Dresden  und  Mtinchen. 


16: 


lOOOOOOOOi 
JOOOOOOQOOOOOOO 
&Jit)OOOQOOOQOOOOOOOOl 
iApOOOOOOOOQOOOOOOOOQL«! 


QoaooooooaooooQOi 
nooooooooaooooSa 

iOQCOOOQQC 


?i3<E)SSS3iS 


^Q;ic3£7^S&a5: 


PROF.    OTTO    GT'SSMANN  -DRESDEN. 


KNUPF-TEPPICH. 


ARCHITEKT    MAX    HANS    KÜHNE     DRESDEN. 


KNUPh-TEPPU  H. 


Die  Datisfheii  ]]  crks/dffe». 


hoitsmcnschen  aut- 
gcrültelt  und  be- 
siegtwerden. Durch 
diese  Räume  \er- 
niag  niemand  zu 
gehen  und  mit 
törichtem  Pathos 
und  protziger  Bla- 
siertheit zu  säuseln : 
<las  ist  uns  nicht 
vornehm  .i;cnui;,  bei 
unserm  \' erkehr  und 
unserer  Stellung  uni.1 
überhaupt,  l  )der:  det 
sieht  ja  nach  uischt 
aus.  Wer  hier  ein- 
tritt, wird  vielleicht 
erschrecken ,  wie 
der  l'arvenu  er- 
schrickt ,  wenn  er 
an  alten  Adel  ge- 
rät ;  wer  hier  ein- 
tritt, und  von  guter 
(Besinnung  ist,  wird 
Haltung  bekommen. 
Wer  es  bisher  nur 
unsicher  spürte,  daß 
es  eigentlich  ein  Un- 
sinn sei,  das  Speise- 


TKUCtlSSOR 

II  lU    C.USSMA.N.N 

UKKSDF.N. 


Zimmer  Hämisch, 
den  Salon  F,m])ire 
und  Sihlal'-ZimnuT 
engliscli  sein  zu 
lassen ,  dem  wird 
zwischen  '  diesen 
reifen  Früchten  red- 
lichen Strebens  die 
Gewißheilaufgchen: 
ein  jeder  Mensch 
bedarf  dessen,  was 
am      reinsten      die 

Sinnesart  seiner 
Zeit  zum  Ausdruck 
bringt ;  dies  hier, 
iliese  Möbel,  dieses 
Metallgerät ,  diese 
Keramik,  diese  (le- 
webe  und  Sticke- 
reien zwingen  zu 
dem  Bekenntnis : 
(ieist  von  unscrni 
Cleist.  —  Ks  ist  in 
Deutschland  wäh- 
rend der  letzten 
Jahre  vieles,  sehr 
vieles  besser  gewor- 
den. Den  Dresdner 
Werkstätten  wird  fiir 


SPIHGF.L    l.N' 

GUTRieilKNKM 

MKS-SING. 


169 


i 


PROF.    ADELEEKT    NIEMEVER     MÜNCHEN.  PORZELLAN-V.ibE    UNIJ    FRUHSTUCKS-GESCHIRR. 

Ausfiihnmj;;:  Königlich  Baycrisclie  PorzelLin-Manufalitur  Nymphenburg. 

VERTRIEB    DURCH    DIE   DEUTSCHEN    WERKSTÄTTEN    FÜR    HANDWERKSKUNST   G.  M.  B.  H.— DRESDEN. 


PROF.    ADELBERT    NIEMEYER— MÜNCHEN. 


TINTENZEUG    IN    PORZELLAN. 


Die  Datfsrhni  IVerks/äf/cn. 


PROF.    MAX    L/VUGER     KARLSRUHE. 

immer  der  Ruhm  bleiben,  daß  sie  frühzeitig  er- 
kannten, was  not  tat.  Von  ihrem  Gründer  Karl 
Schmidt  darl  man  sagen,  daß  er  zu  jenen  Unter- 
nehmern gehört,  die,  wenn  sie  ans  Ziel  gelangen, 
wenn  sie  verdienen,  zugleich  den  völkischen 
Reichtum  mehren,  den  Ruf  der  nationalen  Pro- 
duktion sichern  helfen.  Was  bedeuten  schließ- 
lich all  die  schönen  Worte  der  lobesamen 
Kultur] )rediger,  der  feinnervigen  Ästheten; 
eine  einzige,  anständige  Wohnungsausstattung, 
ein  guter,  brauchbarer  Tisch,  ein  geschmack- 
voller 're])]iich  leistet  mehr.  Und  mm  haben 
die  Dresdner  \\'erkstätten  seit  manchem  Jahr 
Waren  produziert,  deren  Sachlichkeit  zugleich 
ihre  Schönheit,  deren  Rhythmus  notwendig, 
deren  Charakter  ein  Spiegelbild  der  besten 
Tugenden  unserer  Zeit  ist.  Sie  haben  nicht 
wie  ein  bescheidenes  Veilchen  im  Dunkel 
vegetiert,  noch  haben  sie  ideologisch  über 
den  Unverstand  der  Barbaren  geseufzt;  sie 
sind  kecken  Mutes  mitten  in  den  Markt  ge- 
s]irimgen  und  haben  die  Ellbogen  gebraucht. 
Das,  was  sie  als  das  Richtige  erkannt,  haben 
sie  nie  verleugnet,  haben  ihm  vielmehr  mit 
allen  Mitteln  dieser  Welt  den  Sieg  zu  ver- 
schaffen gesucht.  Und  haben  gesiegt.  Dresd- 
ner Werkstatten,    das    bedeutet    heute:    einer 


V.isen  in  Steinzeug. 

der  größten  deutschen  Ik-triebe  für  Innen- 
einrichtung, der  sich  aus  eigenem  Entschluß 
und  mit  unbeirrbarer  Konsequenz  unter  das 
Gesetz  der  Qualität  und  des  Geschmackes 
gestellt  hat. 

Dieser  Erlolg  wäre  Karl  Schmidt  nicht 
geworden ,  wenn  er  nicht  von  .\nfang  an  in 
engster  Gemeinschalt  mit  weitblickenden  und 
fähigen  Künstlern  gearbeitet  hätte.  Er  hat 
sich  nie  auf  alte  Musterbücher  gestützt  und 
hat  sich  nicht  damit  begnügt,  einmal  einen 
modernen  Entwurf  zu  erhandeln,  um  ihn  dann 
auf  Teulel  komm  'raus  zu  variieren ,  markt- 
gängig zu  machen.  Er  hat  in  intimster 
Wechselwirkung  das  Seine  dazu  beigetragen, 
daß  des  Künstlers  Absichten  immer  voll- 
kommener und  selbstverständlicher  wurden ; 
er  hat  keine  Anregung  ungenützt  gelassen, 
und  nie  geglaubt,  daß  es  an  seiner  Ware 
niclits  mehr  zu  vervollkommnen  gäbe.  Er 
hat  auch  von  vornherein  begriffen,  daß  gute 
Arbeit  nur  durch  gute  .Arbeiter  geleistet  werden 
kann,  daLi  nichts  lür  die  konstante  tjualität 
einer  Produktion  gefährlicher  ist,  als  wenn 
die  Fabrik  einem  Taubenschlag  gleicht.  Er 
hat  heute  noch  Arbeiter  aus  jenen  Tagen, 
da  er  mit  drei  Mann  anfing;   und  heute  sind 


171 


PROF.    ADELIIERT    iNIEMK\tR      MÜNCHEN. 


FRUHSTUCKS-SERVICE    IN    PORZELLAN. 


PROF.    ULAX    L.\UGER-  KARLSRUHE. 


SPEISE-W.ARMER    IN    STEINZEUG. 


l>K(iPF.SSiiK    ADKLBEKT    NIEMEVKR     MLNCIItN. 


FROhSTUCKS-SERVICE     in      PORZELLAN. 
Ausf.:   K.  B.  Porzcltan-Maniifaktur-Nymplirnburf. 


v^^^f^S^^^^*^^ 

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p.^fe 

■^■■^K                       I^Hi 

m       ■ 

PROFESSOR  MAX  LÄUGER     KARLSRUHE  UND  R.  RIEMERSCHMIL»     UÜN<  HKN.       PKLANÜENBEHÄLTER  IN  STKINZEUO. 


1909.  IT.  6. 


173 


ENTWURF    UNIJ    AUSFÜHRUNG:    FESTERSEN      HERLIN. 


VASEN    UNIi   SCHUSSELN    IN    STEIN/.EUG. 


ENTWURF    UND   AUSFÜHRUNG:    FESTERSEN -BERLIN. 


JOANNEN    IN    STEINZEUG. 


ENTWURF    UND   AUSFChRI"NO:    FKSTERSEN-  BERLIN. 


KANNEN    IN    STEINZEUG. 


ENTWURF    Vni)   AUSFÜHRUNG:    FE.STERSEN     BERLIN. 


KANNEN    IN    .STEINZKUG. 


General-Vertrieb:  Deutsche  Werkstittcn  fur  Handwerkskunst— Uresderi. 


'/:> 


PROFESSOR   MAX    LAUGEK— KARLSRUHE. 


\-ASEN   IN    STEINZEUG. 


PROFESSOR    MAX    LAUGER      KAKI.SRUHK.  VASEN    UND    BLUMEN-KUKEL    IN    STEINZLUG. 

Deutsche  Werkstätten  fiir  Handwerkskiiiist— Dresden  und  München. 


177 


RICHARD    RIEMER- 
SCHMID— MÜNXHEN. 


TISCHDECKEN  MIT 
KURBELSTICKEREI. 


TISCHDKCKK    MIT 

KL'HBBLSTICKBRHI 

l'ND    nKDRU(  KTR    DKCKI' 


HSIWURI     KtCHAKO 
RIKMHR5CHMID. 

Al'SFl'HRUNt.:    »RUrsi  Hl! 

«  krkstXttes  kür 

HANfiWBRKSKrNST. 


■79 


Robert  Breuer—  Wilnicrsdorl : 


'ihrer  beinahe  vierhundert.  Da  ist  es  offenbar, 
daß  solch  ein  Personal  sich  eingelebt  hat, 
daß  es  mit  erfüllt  ist  von  dem  Wollen  der 
Leitimg.  Die  Trinitat  von  intelligentem, 
eine  neue  Kultur  witterndem  Unternehmer, 
erfindungsreichem,  nie  versiegendem  Künstler 
und  gut  erzogenem  Arbeiterheer,  die  ist  es, 
der  die  Dresdner  Werkstätten  ihren  Ruf  und 
Kinfluß   verdanken. 

Der  Künstler,  der  am  innigsten  mit  den 
Dresdner  Werkstätten  verbunden,  ist  Richard 
Riemerschmid.  Das  ist  bekannt  genug,  als 
daß  es  notwendig  wäre  zu  zeigen,  wie  dieses 
Iirachtvollen  Mannes  kühle  Sachlichkeit  und 
herzfreundliche  Hingabe  an  die  heilige  Auf- 
gabe, das  Heim  der  Menschen  zu  bauen,  den 
Typus  des  Dresdner  Möbels  bestimmt  hat. 
Riemerschmid  hat  einen  bewundernswerten 
Instinkt  lür  das  Wohnbedürfnis,  für  den  be- 
rechtigten Komfort  arbeitsamer  Bürger;  er 
gibt  allem,  was  er  schafft,  so  viel  Physiologie, 
daß  es  zu  einem  neuen,  bisher  noch  fehlen- 
dem Glied  des  Menschen  bestimmt  zu  sein 
scheint.  Seine  Stühle  umfangen,  seine  Schränke 
schließen  ein,  der  geringste  Bestandteil  an 
einem  jeglichen  Stück  hat  nicht  nur  für  dieses, 
auch  für  den  Benutzenden  eine  Funktion  zu 
verrichten.  Riemerschmid  zwingt  dem  Menschen 
nie  etwas  auf,  wonach  dieser  nicht  aus  letztem 
Sehnen  selbst  verlangte;  er  zwängte  kein  Material, 
weder  das  Holz,  noch  das  Metall,  noch  die 
textile  Faser,  in  Formen,  die  nicht  schon 
latent  darin  geschlummert.  —  Die  .\bbildungen, 
die  heute  hier  gezeigt  werden,  geben  zunächst 
ein  Zimmer  Maschmenmöbel.  Man  weiß, 
daß  es  sich  dabei  um  einen  Massenartikel 
handelt,  allerdings  im  besten  Sinne  dieses  Be- 
griffes. Es  sollen  möglichst  billige  Möbel 
mögüchst  gut  und  geschmackvoll  hergestellt 
werden.  Dazu  ist  notwendig,  daß  dies  in 
vielen  Exemplaren  geschieht,  daß  die  Maschine 
zuschneidet,  hobelt,  fräst,  bohrt.  Nur  die 
Montage  verbleibt  der  Hand,  muß  aber  präzis 
und  schnell  erledigt  werden  können.  Diese 
aus  ökonomischen  Gründen  notwendige  Tech- 
nik fordert  schlichte  Formen;  die  Maschine 
darf  keine  unnützen  Schwierigkeiten,  keine 
überflüssigen  Widerstände  finden.  Glatt  heißt 
aber  nicht  formlos ;  die  Maschine  schneidet 
jedes  Verhältnis,  die  Schönheit  des  Ma- 
schinenmöbels ruht  in  seinen  Proportionen. 
Xiemand  hat  das  besser  begriffen  als  Riemer- 
schmid, Dutzende  von  Zimmern  beweisen  dies, 
auch  das  hier  abgebildete.  Haben  diese  Betten 
mit  ihrer  reizvollen  Gliederung  und  ihrem 
amüsanten   Stabwerk  auch  nur  eine  Spur  von 


i8o 


jener  berüchtigten  Billigkeit,  jener  elenden 
gefühlsrohen  Schablone,  die  weithin  den  Fluch 
aller  Massenware  bildet'!*'  Sie  sind  aus  Eiche 
hergestellt  und  kosten  (das  komplette  Zimmer) 
555  Mk.  Ein  wenig  teurer  ist  das  zweite 
Schlafzimmer;  aus  Fichte,  weiß  lackiert, 
kostet  es  760  Mk.,  gestrichen  730  Mk. 
Die  Betten  sind  diesmal  metallen,  sie  sind 
die  knappste  F'ormel  einer  solchen  Kon- 
struktion. Die  Beschläge  an  den  Schrank- 
türen sind  (wenn  es  auch  schlecht  klingt) : 
der  ganze  Riemerschmid.  Sie  greifen  von 
der  Wand  auf  die  Tür  und  machen  das  Gelenk 
deutlich  fühlbar  (freilich  nicht  in  der  Abbildung), 
sie  sind  zugleich  ein  redliches  und  zierliches 
Stück  Schmiedearbeit.  Das  Herrenzimmer 
muß  man  mit  irgend  einem  jener  Monstren 
vergleichen,  die  bisher  selbst  in  anständigen 
Familien  hergerichtet  wurden.  Ein  Herren- 
zimmer muß  urwüchsig  und  markig  sein, 
sagen  die  Leute ;  wie  viele ,  selbst  unsere 
Modernen,  verwechseln  das  Herrenzimmer  mit 
einem  Arsenal,  einem  Apjtarat  falscher  Würde. 
Manche  machen  daraus  auch  ein  Boudoir. 
Riemerschmid  trifft  aufs  Haar  den  richtigen 
Ton;  an  diesem  Schreibtisch  zu  sitzen,  braucht 
sich  niemand  zu  schämen,  braucht  sich  darauf 
auch  niemand  etwas  einzubilden.  — ■  Wenn 
Riemerschmid  nichts  anderes  als  Möbel  ge- 
macht hätte,  so  hätte  er  schon  viel  getan ; 
aber  er  tat  mehr.  Es  gibt  wohl  kaum  ein 
Gebiet  der  Inneneinrichtung,  kaum  ein  hier 
angewendetes  technisches  Verfahren,  das  durch 
Riemerschmid  nicht  neue  Kräfte  empfangen 
hätte;  er  schuf  Tapeten,  Linoleum,  F"enster- 
bekleidungen ,  Möbelbezüge ,  Beleuchtungs- 
körper, Keramik  und  Glas  aller  Art.  Wir 
bekommen  diesmal  drei  Decken  in  Schnur- 
stickerei, und  eine  bedruckte  Decke  zu  sehen. 
Es  sind  dies  schöne ,  große  Stücke  besten 
Leinens  (im  eignen  Betriebe  der  Werkstätten 
gewebt),  darauf  wurde  nach  vorschabloniertem 
Muster  eine  Schnur  festgenäht ,  sie  bleibt 
unter  den  Stichen  der  Maschine  verborgen, 
läßt  diese  aber  voll  und  plastisch  erscheinen. 
Neben  Riemerschmid  haben  die  Dresdner 
^^"erkstätten  sich  noch  manchen  anderen 
Künstler  zum  Wegzeiger  gesetzt.  Deren  einer 
ist  Bertsch;  auch  er  arbeitet  mit  wenigen 
Mitteln,  nutzt  sie  aber  zu  vornehmeren  und 
mehr  eleganten  Absichten.  Das  abgebildete 
Zimmer  ist  aus  Birkenholz;  dessen  warmes 
Strahlen  eint  sich  prächtig  mit  dem  kalten 
Schein  der  Kacheln,  die  in  die  Wände  des 
Erkers  gesenkt  sind.  —  Noch  flüssiger  in 
seinen    Formen,    noch    prächtiger    in    seinen 


Die  Daitschoi  ]]'c>kstäffr>i. 


larbcn  ist  l  in  LI  mann;  er  hat  eine  besonilers 
glückliche  Hand  für  das  Textil.  Seine 
Teppiche  sind  aus  dem  feinen  RJiythmus, 
dem  leichten  Wogen  der  unter  dem  schrei- 
tenden Füll  sich  elastisch  regenden  Nopjten 
empfunden.  Kr  ist  einer  tier  wenigen  Tcx- 
tiliker,  die  keine  Muster  zeichnen,  sondern  die 
Technik  schön  organisieren;  als  er  den  hier 
gezeigten  Te])pich  entwarf,  vollzog  sein  Ge- 
fülil  den  Prozeß  des  Knüjifens.  Man  be- 
achte daraufhin  die  großen,  unregelmäßigen 
Karbtlecko,  die  erst  zusammenwachsen,  wenn 
ihre  Peripiierie  durch  die  Faserbüschel  in 
ein  Wogen  und  Zittern  aufgelöst  wird.  Die 
Dresdner  Werkstätten  haben  nun  diesen  Tep- 
l)ich  weben  lassen;  man  darf  sagen,  daß  es 
gelungen  ist.  Ein  guter'  Teil  der  urs])rüng- 
lichen  Wirkung  blieb  erhalten;  der  Preis  aber 
sank  erheblich,  der  Teppich  kostet  bei  drei 
bis  vier  Metern  325  Mk.  Reizvoll  sind  die 
Spiegelrahmen,,  die  (nißmann  in  Messing- 
blech treibt;  sie  blinken  hell  und  freundlich 
und  amüsieren  durcli  ijire  flackernden  Lichter. 
Ein  außerordentli(-]i  scliönes  und  wertvolles 
Lager  unterhalten  die  Werkstätten  in  ihrer 
keramisclien     .\bteihing.       Sie    meiden    alles. 


was  niclit  zu  dem  besten  des  heute  Hervor- 
gebrachten gehört.  Sie  haben  Niemeyer, 
Läuger  und  die  entzückenden  Wiener. 
Sie  sammeln  auch  alle  gute  Bauernkeramik 
und  Jiaben  in  der  letzten  Zeit  die  .-\rbeiten  ties 
i5erhners  Festersen  in  Generalvertriel)  ge- 
nommen. Von  Niemeyers  Porzellanen  zu 
schwärmen,  von  ihren  klingenden  F'ormen, 
ilirem  purpurnen  und  rosaen  Leuchten,  ihrem 
goldenen  Aufblitzen  zu  träumen,  muß  jedem 
F.m])findsamen  ein  seltenes  Vergnügen  sein. 
Läuger  ist  derber,  auch  monumentaler;  sein 
Steinzeug  liat  von  Japan  profitiert;  er  be- 
herrscht ein  praciitvolles  Blau,  und  ein  sehr 
interessantes  Braun  ;  er  wagt  mit  gutem  Ge- 
Ungcn  stark  plastische  .\uflagen  ,  mit  ge- 
ringerem Erfolg  das  Einlegen  von  Glasmosaik. 
Festersen  verarbeitet  eine  ziemlich  grobe 
Masse ,  er  weiß  die  ihr  geliörende  l'^orm  zu 
finden;  seine  Farben  sind  grau,  grün  und 
mejirere  Töne  \  on  Blau.  In  lustigen  Flocken, 
in  Kreisen  und  Wcjlken  s|)iek'n  diese  Nuancen 
auf  indifferentem  Grund.  Es  ist  dies  eine  sehr 
gesunde,  sehrkräftigcKeramik,  ausderuns  sicher 
nocji  manches  gute  Stück  kommen  wird.  — 


BKRLIN-WII.MKKSDORK. 


ROBERT   BREUER. 


lIAUBMb 

III  LL  :l 


>iki«lb^« 


f^*b»i*Wte 


ENTWURF: 
BAILLIE   SCOTT. 


m 


glas-schraNk 
in  ebenhoi./,. 


1909.  IX.  7 


iSl 


cbifon  Jaiiniaim  : 


VERniSSMEIN- 
NICHT    IN 
HAl'KRNSCHi'sSEL. 
MARGAKETKN    U. 
r.KTBI  IDK    IN 
HAFUKSCHWINGE. 


BLUMEN -BINDEKUNST. 

zu   liEN  AkHKlTEN    \  ON   hKAN/ISKA  BRUl  K. 


Die  landläufige  Bindekunst  verwischt  alle 
Erinnerungen  an  das  natürliche  Wachs- 
tum der  Blumen ;  ihr  erster  und  einziger 
Zweck  ist  es,  Dekorationen  zu  schaffen,  die 
Blumen  sind  dazu  nichts  weiter  als  Material. 
Ihie  Ideale  sind  Fülle  und  Pracht.  Oder 
»Sinnigkeit«.  Da  wird  eine  unglaubliche 
Materialverschwendung  getrieben,  diese  Bou- 
quets  müssen  wirken  wie  ein  Feuerwerk,  wie 
ein  Vulkan  kostbarster  Blüten,  sonst  werden 
sie  nicht  beachtet.  Es  ist  immer  verdächtig, 
wenn  eine  Kunst  des  Überflusses  zur  Wirkung 
bedarf,  und  der  Eindruck  pflegt  dann  auch 
nicht  sehr  tief  zu  gehen.  Die  Dekorationen 
unserer  Gärtner  und  Bindekünstler  können 
nicht  mehr,  als  für  einen  Augenblick  berücken; 
die  Jjlumen  selbst,  die  man  züchtet,  sind  ja 
oft  sehr  schön,  und  man  erstaunt  zunächst 
über    ihre    Menge.      Aber    es    schleicht    sich 


auch  gleich  ein  Gefühl  des  Bedauerns  ein, 
daß  diese  feinen  Geschöpfe  so  in  Massen 
zusammengeworfen  sind,  wo  ihre  persönliche 
Würde,  ihr  innerer  Gehalt  so  gar  nicht  mehr 
zur  Geltung  kommen  kann.  Alle  diese 
»Arrangements«  geben  im  Grunde  dasselbe, 
sie  erzählen  nichts  von  der  Blume ,  sie 
dienen  ihr  nicht.  Ob  sie  nun  »gefällig«, 
»süße  oder  »prunkvoll«  sind,  sie  haben 
keine  Kraft,  keine  feineren  Reize  und  keine 
Tiefe.  Es  sind  Dressurstücke,  die  den 
elementaren  Naturcharakter  aulgehoben  haben. 
Sie  wirken  im  ersten  Moment  oft  bestechend, 
aber  es  sind  eigentlich  keine  Blumen  mehr, 
sie  haben  nichts  mehr  von  Erde,  Sonne  und 
freier  Luft. 

A'on  den  schlimmsten  Greueln  rede  ich 
hier  gar  nicht,  den  Blumenkähnen,  Kreuzen, 
Harfen     und     Ankern.       Sie     sind     nur    die 


lf^3 


B/uiiien  -  Bitidekunst. 


Konsequenz  einer  Bindekunst,  die  die  Blumen 
innerlich  verachtet  und  mißhandelt.  Vor  ein 
paar  Jahren  gab  es  eine  Mode,  die  uns 
zeiu'te,  was  alles  aus  Holzschwamm  hergestellt 
werden  kann;  man  konnte  ganze  Zimmer- 
einrichtungen aus  Hülzschwamm  kaufen.  Der 
Stolz  des  Bindekünstlers,  der  aul  der  Höhe 
seines  Faches  steht,  ist,  durch  keinen  Auftrag 
verblüfl"t  zu  werden,  er  »macht  alles  aus 
Blumen«.  Er  kann  aber  noch  etwas:  er 
weiß ,  wie  man  alles  mit  Blumen  verzieren 
und  schön  machen  kann.  Bei  Hochzeiten 
soll  es  vorkommen,  daß  ab  und  zu  auch 
ein    prosaischer,    aber    nützlicher  Gegenstand 


geschenkt  wird.  Unser  Blumenkünstler  zeigt 
dir,  wie  man  solche  häßliche  Zweckmäßigkeit 
durch  Blumen  entschuldigt  und  erträglich 
macht.  Man  bindet  ihnen  mit  einem  himmel- 
blauen Bändchen  ein  Sträußchen  um,  oder 
wenn  es  eine  Bratpfanne  ist,  füllt  man  ihren 
Bauch  hübsch  mit  Vergißmeinnicht.  Irgend 
eine  innere  Beziehung  muß  vorhanden  sein, 
daß  PantölTelchen  mit  Stiefmütterchen  gefüllt 
worden,  denn  in  einer  Gärtnerlehranstalt  war 
das  in  der  Klasse  eines  berühmten  Gärtner- 
philosophen als  vorbildlich  zu  sehen.  Ebenda 
wird  auch  gelehrt,  daß  einer  Dekoration 
womöglich    eine    poetische    ^Idee-    zugrunde 


OL-WKIDK. 
VASK    ENTWOKf-BN 
VUN    FRANZISKA 
HKf(  K. 


183 


Allton  JaitDiaini  : 


IRIS,    SCHILF    UND   WASSER-ROSEN    IN    ALTJAPANISCHER    KUPFER-SCHALE. 


liegen  solle.  Man  trage  alle  rosa  Blüten 
zusammen,  deren  man  habhaft  werden  kann, 
und  behänge  alle  Gegenstände  des  Raumes, 
die  das  irgendwie  zulassen,  mit  zartgrünen 
Bändchen  und  dann  sage  man  der  Hochzeits- 
gesellschaft, diese  Symphonie  von  Zartgrün 
und  Rosa  drücke  das  Thema  »Frühlingsweben« 
aus  und  sei  eine  sinnige  Huldigung  für  die 
jugendliche  Braut!  Man  vergesse  aber  ja 
nicht,  dies  mitzuteilen,  sonst  kommen  die 
Gäste  am  Ende  auf  den  Gedanken,  bei  der 
-»Frühlingswoche  eines  Warenhauses  zu  sein. 
—  Von     hier     zur    Pflanzendekoration      des 


I  apaners  scheint  nur 
ein  Schritt.  Auch  sie 
ist  mit  Ideen  stark  be- 
lastet. Der  Japaner 
genießt  dabei  ebenso 
die  intellektuelle  Lei- 
stung wie  die  sinn- 
liche Schönheit.  Die 
ganze  Theorie  und 
alle  die  Paragraphen 
der  japanischen  Pflan- 
zen -  Dekoration  aus- 
führlich zu  entwik- 
keln ,  mangelt  hier 
der  Raum.  Es  dür- 
fen nur  ganz  be- 
stimmte Pflanzen  und 
Pflanzengattungen  zu- 
sammengestellt wer- 
den ,  ihr  Verhältnis 
untereinander  und 
zum  Gefäß  ist  genau 
vorgeschrieben.  Pa- 
ragraphen bestimmen 
über  die  Menge  und 
Gruppierung  der  Blü- 
ten und  welche  Farbe 
das  Gefäß  dazu  haben 
muß.  Das  alles  kann 
schließhch  noch  mit 
stilistischen  Absich- 
ten begründet  wer- 
den. Für  uns  aber 
unverständüch  sind 
Dogmen  wie  die  von 
den  männlichen  und 
weiblichen  Farben 
und  Pflanzen,  von  der 
Bedeutung  der  Him- 
melsrichtung ,       vom 

Symbolismus  der 
Linien  in  der  Füh- 
rung der  Zweige.  Der 
Japaner  liest  aus  einem  solchen  Pflanzenbild 
sehr  viel  heraus,  was  den  Pflanzen  absolut  fremd 
ist.  Er  hat  eine  »Blumensprache«  und  eine 
Dekorationsgrammatik,  in  der  man  den  sonst 
so  sinnlich  kultivierten  Japaner  nicht  wieder 
erkennt.  Nehmen  wir  zu  seinen  Gunsten 
an,  daß  das  meiste  von  diesem  theoretischen 
Wust  auf  das  Konto  fremder  Religionen  und 
Philosophien  zu  setzen  ist. 

In  seinen  Dekorationen  ist  der  Japaner, 
der  doch  die  Blumen  so  sehr  lieben  soll, 
oft  recht  gewalttätig  gegen  sie.  Er  begnügt 
sich    nicht    mit    der    Auswahl    von  Zweigen, 


184 


Bhtnieu  -Bhidektmst. 


die  ihm  für  sein  Deko- 
rationsgedicht besonders 
geeignet  erscheinen ,  er 
reiLlt  auch  Blätter  \ind 
Blüten  ab,  wie  es  das 
Dogma  verlangt ,  und 
verbiegt  und  beschnei- 
det die  Zweige  ganz 
nach  Willkür.  Das  lite- 
rarische Element  ist  so 
stark,  daß  solche  Pflan- 
zen-Dekorationen sogar 
mit  Bildern  und  Schrift- 
täfelchen kombiniert  wer- 
den, um  die  ildee«  mög- 
hchst  vollständig  u.  deut- 
lich auszusprechen.  — 
Trotzalledem  hat  jede  ja- 
panische Prtanzendeko- 
ration  feine  künstleri- 
sche Reize  und  unsere 
Blumenkünstler  könnten 
von  den  Japanern  noch 
eminent  viel  lernen.  Der 
Japaner  überlädt  seine 
Dekorationen  nicht.  Die 
Häufung  der  Blumen, 
bei  der  keine  voll  und 
rein  zur  Wirkung  kommt, 
kennt  er  nicht.  Es  sind 
immer  nur  ein  paar 
Bflanzenindividuen ,  die 
er  in  eine  Gemeinschaft 
bringt  und  die  werden 
so  behutsam  eingeord- 
net ,  daß  keiner  ihrer 
leinsten  Reize  Einbuße 
erleidet.  Neben  unseren 
Gärtner  -  Prunkstücken 
sieht  so  eine  japanische 
Idylle  kümmerlich  aus. 
Und  doch  sagt  da  eine 
Blume  mehr  als  dort  ein 

ganzes  Dutzend.  Vor  allem  gehen  bei  unserer 
Dekorationsweise  die  Feinheiten  der  Linie 
meist  ganz  verloren,  während  sie  der  Ja])aner 
ins  beste  Licht  stellt  und  sie  ihren  ganzen 
Charme  entfalten  läßt.  Der  Japaner  weiß  es 
mit  kaum  merklichen  Mitteln  einzurichten, 
daß  auch  die  intimsten  Schönheiten  der 
Pflanze  mitklingen  und  beachtet  werden:  die 
Gruppierung  der  Zweige  und  Blüten,  die 
Nuancen  der  Farbe,  der  individuelle  Charakter 
untl  endlich  die  Beziehungen  zum  Raum  und 
zum  Menschen.  Im  Material  ist  der  Japaner 
nicht  engherzig.      Er  findet    auch    an   groben 


LlLIIiNZWIilG    IN    ALTJAI'ANISCHER  VA.SE.  Pl-LANZENDHKORATION  VON  FRANZISKA  IIKICK. 


Asten  die  Schönheiten  des  Wachstums,  die 
Blüte  spielt  durchaus  nicht  die  Hauptrolle 
wie  bei  uns.  In  solchen  Dingen  kann  uns 
der  Japaner  die  besten  Anregungen  geben, 
wenn  wir  auch  seine  gewaltsame  Linien- 
stilisierung und  seine  Symbolismen  ablehnen. 
Recht  fremdartig  mutet  es  uns  auch  an, 
landschaftliche  Andeutungen  in  die  Dekoration 
hineinzubringen.  Für  den  Japaner  ist  die 
Dekoration  immer  eine  Art  Exzerpt  eines 
Landschaftsbildes.  In  der  Horizontale  der 
Gefäßoberfläche  ist  ihm  die  Erde  angedeutet, 
in  der  \'ertikalen  müssen  dann  natürlich  auch 


i.Si 


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PIXAN^EN-UEKOKATIONEN    VON    FRANZISKA    BRÜCK- BERLIN. 


JUNIPERUS. 


Bluvieti  -Biudekuusl. 


Gebirgs-,  Tal-  und  Wasserptlanzen  in  der 
richtigen  Abstuluni;  sich  folgen.  Solch  eine 
malerische  Auflassung  im  Stile  des  japanischen 
Miniaturgartens  geht  uns  zu  weit.  Wohl  aber 
wird  die  feinere  Emiilindung  verlangen,  daß 
nur  Pflanzen  und  Zweige  verwandten  Charakters 
zusammengebracht  werden. 

Der  Jajjaiier  ist,  wie  gesagt,  sehr  sparsam 
in  seinen  I'tlanzendekoratiuncn.  Daß  man 
einen  Raum  mit  einem  Dutzend  und  mehr 
»Arrangementsc  füllen  kann,  ist  ihm  unver- 
ständlich. Dazu  faßt  er  die  Pflanze  doch  zu 
individualistisch  auf. 

Die  eigentliche  Bindekunst,  auf  die  unsere 
Oärtner  so  stolz  sind,  existiert  dort  überhaupt 
nicht.  Der  Japaner  hat  doch  soviel  angebore- 
nen Geschmack,  daß  er  nie  in  die  Versuchung 
kommt,  aus  Veilchen  Schiffe  und  aus  Mai- 
glöckchen Triumphpforten  zu  errichten  (eine 
Leistung,  die  bei  der  letzten  (Gartenbau- 
Ausstellung-  im  »Zoo«  den  Preis  der  Kaiserin 
erhielt!)  Auch  wird  er  keinen  Pantoftel  mit 
Stiefmütterchen  füllen.  Selbstverständlich  hat 
kein  Mensch  etwas  einzuwenden  gegen  einen 
lllumenstrauß,  derein  Blumenstrauß  ist.  und 
gegen  einen  wirklichen  Kranz.  Mit  solchen 
gemeinen  Dingen  geben  sich  unsere  Blumen- 
bindereien schori  gar  nicht  mehr  ab.  Strauß 
und  Kranz  sind  dem  Japaner  zu  architektonisch 
strenge  Gebilde.  Aller  Symmetrie  pflegt  er 
mit  größtem  Raffinement  auszuweichen.  Dazu 
liegt  aber  für  uns  natürlich  nicht  der  mindeste 
Grund  vor.  Strauß,  Kranz  und  Girlande 
gliedern  sich  unsrer  Architektur  aufs  beste  ein. 

Franziska  Brück,  von  deren  einzigartiger 
Kunst  unsere  .Abbildungen  ein  i)aar  Proben 
geben,  hat  auch  in  diesen  abendländischen 
Stilformen  schon  Vorbildliches  geleistet.  Aber 
am  merkwürdigsten  ist  doch,  wie  sie  in  die 
(Geheimnisse  desja])anischen  Pflanzenschmuckes 
eingedrimgen  ist.  Sie  hält  sich  nicht  sklavisch 
an  die  olt  unvernünftigen  Dogmen  der  Japaner, 
aber  die  Kunstmittel  ihres  Dekorationsstils 
beherrscht  sie  mit  souveräner  Sicherheit.  Sic 
schafft  in  ihm  weiter  und  weiß  selbst  dem 
Japaner  neue  Möglichkeiten  seines  Stils  zu 
zeigen. 

Es  liegt  hier  keine  der  verpönten  Imi- 
tationen vor.  Franziska  Brück  war  nie  in 
Japan  und  hatte  auch  von  jajianischer  Binde- 
kunst nichts  gekannt,  als  eines  Tages  kon- 
statiert wurde,  ihre  Dekorationen  wären  ja 
ganz  japanisch.  Es  war  eine  Art  Wahl- 
verwandtschaft, die  sie  in  diese  Richtung 
trieb.  Sie  hatte  von  Jugend  auf  Blumen  ge- 
liebt   und    gepflegt,    ohne    aber  als  Gärtnerin 


oder  Binderin  in  ihnen  die  Ware,  das  Materi.il 
zu  sehen.  Sie  war  immer  nur  die  Lieb- 
haberin der  Blumen  und  ist  es  wohl  noch 
heute.  Sie  sah  die  Pflanzen  nur  als  Künstlerin; 
sie  schätzte  jedes  Hälmchen,  jeden  frischen 
oder  welken  Zweig,  aber  ohne  Gedanken  an 
die  Verwendung  in  Arrangements,  sie  sah 
überall  die  Feinheiten  der  Farbvaleurs,  der 
Gru])pierangen,  der  Linien,  der  Charaktere, 
all  die  heimlichen  Schönheiten,  die  auch  die 
Japaner  suchen  und  scliätzen.  Zudem  wächst 
ja  die  Natur  selbst  immer  unsymmetrisch, 
wer  einen  Zweig  oder  Blumenbüschel  ohne 
Zwang  in  die  rechten  Gefäße  stellt,  dem 
bilden  sie  fast  von  sellist  japanische  Gruppen. 
Der  japanische  Stil  in  den  Brucksclien  Deko- 
rationen war  also  eher  da,  als  die  Bekannt- 
schaft mit  den  Japanern,  die  sie  dann  aUer- 
dings  eingehend  studiert  hat.  Sie  hat  von 
den  Japanern  auch  manche  Anregungen  über- 
nommen, aber  auf  die  literarischen  Finessen 
sich  nie  eingelassen,  und  zu  dem  grausamen 
Biegen  und  Zerschneiden  der  Zweige  konnte 
sie    sich   nie  verstehen. 

Anregungen  gaben  die  Japaner  besonders 
für  die  Kombination  verschiedener  Pflanzen- 
arten,  für  die  Geläße  und  für  die  Befestigung. 
Die  Körbchen,  die  Bambus-  und  Rindenstücke, 
das  sind  sehr  hübsche  Motive,  von  denen 
öfter  Gebrauch  gemacht  werden  sollte.  Leider 
sind  unsere  guten  alten  Blunienampeln  fast  ganz 
verschwunden.  Franziska  Brück  verwendet 
die  verschiedensten  (Gefäße,  jede  Art,  kann 
man  sagen,  soweit  sie  wirklich  Blumengefäße 
und  geschmackvoll  sind.  Andere  Kleinkunst 
wird  als  Ergänzung  der  Dekorationen  nicht 
verschmäht,  so  liegt  auf  dem  ersten  Bild  ein 
buntes  Bauerntuch,  das  wie  selbstverständlich 
zu  diesen  ländlichen  Blumen  zu  gehören 
scheint.  —  Es  ist  oft  schwer  zu  entscheiden, 
ob  die  Blumen  bei  diesen  Dekorationen 
.Mittel  oder  Selbstzweck  waren,  ob  es  sich 
mehr  darum  handelte,  mit  Pflanzen  zu  deko- 
rieren oder  Pflanzen  in  günstigster  Weise 
zur  Schau  zu  stellen.  Jedenfalls  betrachtet 
Franziska  Brück  die  Blumen  nie  als  bloßes 
.Material,  sie  behandelt  sie  wie  Kinder  und 
sorgt  ängstlich,  daß  sie  nicht  leiden,  physisch 
nicht  und  ästhetisch  nicht.  —  Für  die  Ber- 
liner (Gesellschaft  waren  solche  Prinzi]iien 
freilich  ganz  neu  und  es  kostete  ihr  manchen 
harten  Kampf,  ihren  künstlerischen  Eigen- 
willen durchzusetzen.  Ihr  N'erdienst  ist  es, 
keine  Kompromisse  eingegangen  zu  sein. 
Sie  hat  sich  ihre  reine  Künstlerschaft  in 
einem     Beruf    bewahrt,     in     dem     die    kras- 


1S7 


Blunicii-Bijidckuiisi. 


MODERNE 
BUCH-EINBÄNDE. 


seste  Geschmacks  -Vorbil- 
dung bisher  das  beste  Mittel 
zum  Erlolg  war.  Man  muß 
sich  wundern .  daß  sich 
noch  nicht  mehr  unserer 
überflüssigen  Kunstgewerb- 
lerinnen  diesem  schönen, 
bedeutungsvollen  und  recht 
fraulichen  Beruf  zugewandt 
haben.  Ein  empfindlicher  Farbensinn,  zärtliche 
Liebe  zur  Natur  und  der  so  weibliche  Trieb  zu 
pflegen  und  zu  schmücken,   die  könnten  sich 


I  >.T  ■'     . 

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hier  aufs  glücklichste  ver- 
wirklichen. —  Freilich  die 
Grundgesetze  des  Pflanzen- 
schmucks sollten   mit  der 
Zeit  Allgemeingut  werden 
wie  in  Japan.    Sie  gehören 
unbedingt  zu  dem,  was  die 
junge  Hausfrau  wissen  muß. 
Zu  diesem  volkstümlichen 
Blumenschmuck  wie  zu  der  »höheren«  Deko- 
rationskunst wird  Franziska  Brück  eine  schätz- 
bare  Führerin   sein.    —    anton  jaumann— Berlin. 


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ENTWURt    UND   AUSKÜHRUNG:   JOH.    RUDEL     ELBERFELD.      BUCH-EINB.\NDE    MIT    HANDVERGOLDÜNG. 


l88 


FRITZ  OSSWALD-MÜNCHEN. 
GEMÄLDE:    »SOMMERTAG«. 


FRITZ.    OSSUALU     Ml  NCHEN. 


i  icnialde;      Landsleute 

Mit  Geneliniinung  der  Münchner  -Jugend 


MALER  FRITZ  OSSWALD- MÜNCHEN. 


Kunstzeitschriften  sind  wie  die  großen 
Salons  der  Gesellschaft:  man  ist  in  der 
Regel  schi)n  bekannt  und  liegutachtet,  wenn 
man  in  ihnen  vorgestellt  wird.  Sie  drücken 
dann  nur  noch  das  Siegel  auf  vorhandene 
und  bereits  gewürdigte  Verdienste  und  öffnen 
neue  Wege  den  Kräften,  die  sich  schon  als 
marschfähig  erwiesen  haben. 

( )sswald  ist  kein  homo  novus.  Nicht 
gerade  frühe,  aber  reichlich  und  ohne  Reserve 
kam  der  Erfolg  zu  ihm.  Spät  genug,  um 
das  freie  Werden  einer  selbständigen  Be- 
gabung nicht  zu  gefährden,  frühe  genug,  um 
die  Produktion  dieser  Begabung  krältig  an- 
zufeuern und  zu  reicher  Selbstoffenbarung  zu 
nötigen.  Ausstellungen  und  Verkäufe  haben 
seinen  Namen  in  Süd-  und  Mitteldeutschland 


bekannt  gemacht,  die  Kritik,  die  sich  jungen 
Kräften  gegenüber  gerne  blamiert,  hat  sich 
in  seinem  Falle  recht  wacker  gehalten.  ( )ss- 
wald  gehört  zu  den  ersten  Vertretern  dessen, 
was  man  so  oft  als  den  reichhaltigen  künst- 
lerischen Nachwuchs  Münchens  preisen  hört. 
Mein  Gott,  es  steht  mit  diesem  Nachwuchs 
nicht  so  prächtig,  als  der  unziemlich  ins  Kraut 
geschossene  Lokalpatriotismus  dieser  guten 
Stadt  meint.  Er  ruht  in  Wirklichkeit  auf 
fünf,  sechs,  sieben  »neuen«  Namen,  das  heitU 
auf  Namen,  die  nicht  schon  in  den  allerersten 
Mitgliederlisten  der  Sezession  vertreten  waren. 
Der  gesamte  andere  »Nachwuchs'  lebt  mehr 
oder  minder  von  den  t(jtal  verkehrten  Mei- 
nungen, die  in  München  über  die  Kunst  des 
Malens    verbreitet    sind.     Der  genius  loci   ist 


191 


Wilhcbn  Michel: 


KRITZ    OSSWALI)     MÜNCHEN. 


unmalerisch.  Unmalerisch  ist  die  oberbay- 
rische Landschaft,  die  gewaltige,  leidenschaft- 
liche Farben  flächenhalt  und  schier  gänzlich 
unnüanziert  neben-  und  übereinanderschichtet 
und  aus  mancher  guten  jungen  Begabung,  die 
sich  ihr  wehrlos  überläßt,  in  wenigen  Jahren 
unintime  Dekorateure  oder  spitzfindige  Ma- 
nieristen macht.  Münchens  wirkhcher  .Nach- 
wuchs« ruht  auf  den  paar  jungen  Kräften, 
die  sich  weder  vom  genius  loci  noch  von 
dieser  an  sich  wundervollen,  aber  malerisch 
problemlosen  Landschaft  ihre  malerische  Form 
rauben  lassen.  —  Osswald  gehört  zu  Mün- 
chens Nachwuchs,  weil  er  Maler  ist,  weil  er, 
der  i'Naturahst«,  die  .Schönheit  und  den  Zauber 
des  Materials  Farbe  besser  kennt  als  so 
mancher  junge  Hexenmeister,  den  das  Wohl- 
wollen   unserer  allzukonzilianten  Kritik    trästt. 


Gemälde:   »Forsthaus«. 


Poesie  —  das  ist  das  Wort,  das  ich  als 
Überschrift  über  Osswalds  Schöpfungen  setze. 
Karl  Scheffler  hat  den  Deutschen  vor  Jahren 
in  einer  temperamentvollen  Streitschrift  gesagt, 
was  es  mit  der  bei  ihnen  beliebten  Poesie 
des  Gegenstandes  auf  sich  hat.  Auch  im 
Falle  Osswalds  handelt  es  sich  nicht  um  solche 
formelhafte,  hingesagte  Poesie,  die  man  eine 
im  weiteren  Sinne  allegorische  Poesie  nennen 
könnte.  Es  handelt  sich  bei  ihm  um  inhärente 
Poesie,  um  die  Poesie  des  Technischen,  der 
Farbe,  des  Pinselstriches,  der  malerischen 
Problemstellung. 

Vor  allem  sind  seine  sämtlichen  landschaft- 
lichen Darstellungen  erfüllt  von  der  Poesie 
der  Räumlichkeit.  Die  Möglichkeit,  Räum- 
liches klar  zu  erkennen,  bietet  dem  Auge 
immer  eine  tiefe,  geheime  Befriedigung.    Und 


192 


Fritz  Ossunld-Müticlh 


FRITZ   OSSWALI)     MÜNCHEN. 


zwar  handelt  es  sich  hier  nicht  um  den  Raum, 
den  der  Künstler  darzustellen  sucht,  also  um 
die  Raumwerte  des  von  ihm  zugrunde  ge- 
legten Xaturmotives,  sondern  es  handelt  sich 
um  den  Raumeindruck  des  Cemäldes,  der 
mit  dem  Raumeindruck  des  Naturmotivs 
höchstens  verschwistert,  nicht  aber  identisch 
ist.  Osswalds  sämtliche  Oemälde  sind  Raum- 
poesien erlesener  .Vrt.  Und  ich  glaube,  daß 
der  groUe  Erfolg  gerade  seiner  Schneebildcr 
darauf  beruht,  daß  sie  in  den  Raumwerten 
s.j  untadelhaft  sind.  Sämtliche  Entfernungen 
sind  auf  der  weißen  Schneedecke  bei  ihm  in 
eiQwandfreiester  Weise  abzulesen,  sei  es  an  der 
Hand  von  Tau-Flecken  oder  von  Baumstämmen 
oder  auch  bloß  von  leichten  Schatten,  wie 
sie  sich  aus  leisen  Celändewellen  ergeben. 
In  der  Regel  begegnen  sich  in  seinen  Bildern 


Gemälde:   »Pagodenliurg  . 


zwei  verschieden  gerichtete  Räumlichkeiten: 
eine,  die  in  das  Bild  hineinführt,  und  eine 
zweite,  ([uer  laufende,  die  auf  der  ersten  senk- 
recht steht.  Man  begegnet  diesem  Scliema, 
das  sich  grajihisch  etwa  durch  die  Form  des 
lateinischen  T  ausdrücken  läßt,  fast  auf  allen 
seinen  Gemälden.  Reichere  Raumwirkungen 
versagt  er  sich  deshalb  nicht.  So  enthält 
z.  B.  (las  (iemälde  mit  der  niedrigen  Tannen- 
schonung vor  dem  umzäunten  Hause  eine 
sehr  differenzierte  RäumHchkeit,  die  sehr 
übersichtlich  gegeben  und  durch  reizvolle 
Überschneidungen   belebt  ist. 

Aus  dieser  Poesie  des  Raumes  wächst 
aber,  fast  als  Folgeerscheinung,  die  Poesie 
der  F'arbe  und  des  \'ortrages  hervor.  Ganz 
natürlich:  Raumprobleme  sind  es,  die  dem 
Maler  seine  eigentlichen  Aufgaben  stellen,  die 


193 


Uli  hei w  Jfn-M: 


% 


FRITZ    OSS  WALD -MÜNCHEN. 


seine  Farben  differenzieren  und  die  Pinsel- 
führung beleben.  Denn  sie  variieren  den 
Lokalton,  bringen  zahlreiche  Abstufungen  in 
die  Lichtstärke  und  in  das  Maß  der  Model- 
lierung. Indem  der  Künstler  diesen  Problemen 
nachgeht,  entwickelt  sich  das  Material  unter 
seiner  Hand  gleichsam  von  selbst  und  offen- 
bart sich  selbst  so  reich  als  möghch.  Klarheit 
und  Einheit  der  Raumanschauung  sind  nicht 
möglich  ohne  Klarheit  und  Einheit  der  kolo- 
ristischen Anschauung.  Denn  nur  innerhalb 
einer  geschlossenen,  einheitlichen  Koloristik 
kann  die  Farbe  zum  Raumwert  werden.  Diesen 
Vorzug    besitzt    Osswalds    Farbe     in     hohem 


Gemälde;   »Bach  im  Winter«. 


Maße.  Wenn  man  der  Münchner  Malerei 
mit  einigem  Rechte  nachsagt,  sie  weise  durch- 
geh ends  falsche  Valeurs  auf,  so  trifft  dieser 
Vorwurl"  bei  Fritz  Osswald  nicht  zu. 

Getragen  werden  alle  diese  Vorzüge  von 
einem  sehr  kräftigen,  forschen  Temperamente, 
eben  jenem  Temperamente,  das  in  dem  enorm 
flüssigen  und  eloquenten  Vortrag  der  Farbe 
bei  ihm  zum  Worte  kommt.  Fest  und  sicher 
ist  bei  ihm  alles,  im  höchsten  Maße  gekonnt. 
Man  sieht  diesem  krausen,  impressionistischen 
Striche  schon  an,  daß  es  dem  Künstler  Ernst 
um  die  Farbe  ist  und  Ernst  um  das,  was  er 
mit  ihr  auszudrücken   strebt.     Das  Epitheton 


194 


/'V/Zr  Oss7i  <t7/t/— . I  fi'mchni. 


FRITZ   OSSWALU— MÜNCHEN. 


>gefällig<  kann  man  dieser  Kunst  wahrlich 
nicht  geben.  Um  so  erstaunUcher  ist  der 
Erfolg,  dem  die  Arbeiten  Usswalds  neuerdings 
in  immer  steigendem  Maße  begegnen.  Man 
wird  nicht  umhin  können,  einen  Teil  dieses 
Krfolges  der  Tätigkeit  des  Galeriedirektors 
F.  J.  üraki  zuzuschreiben,  der  sich  des  jungen 
Künstlers  aufs  wiirmste  angenommen  hat. 

Einiges  muß  zu  diesem  Erfolge  noch  be- 
merkt werden.  Er  gründet  sich  vor  der  Hand 
liauptsächlich  auf  des  Künstlers  Schneeland- 
schaften, niesegelten  als  Osswalds  Spezialität 
und  sie  nehmen  daher  verdientermaßen  auch 
in     dieser     Publikation     den     beherrschenden 


Gemälde:   »Kleines  Gartenhaus« 


Raum  ein.  Ebenso  Vorzügliches  aber  wie 
auf  diesem  Gebiete  hat  Osswald  auch  auf 
anderen  Gebieten  der  Landschaft  geleistet. 
Der  Erfolg  hat  die  Neigung,  den  Künstler 
auf  eine  Spezialmarke,  die  sich  als  begehrt 
erwiesen  hat,  festzulegen.  Pflicht  des  Kritikers 
ist  es,  demgegenüber  auf  das  Ganze  der 
Künstlerleistung  hinzuweisen  und  zu  verhindern, 
daß  eine  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
entwicklungsfähige  Begabung  alizufrühe  um- 
grenzt und  festgenagelt  wird,  ich  stelle  daher 
fest,  daß  Osswald  nicht  daran  gedacht  hat, 
sich  zum  Spezialisten  lür  die  Schneeland- 
schaft zu   machen.      Das  beweisen  einige  aus- 


195 


Frifz  Oss'iü 'a/d—3fii>/c//fii. 


wKJft  I  I  i  4  I 


FRITZ    OSSWALÜ— MÜNCHEN. 


gezeichnete  Landschaften  nach  sommerlichen 
Motiven,  die  das  gefürchtete  Problem  »Grün« 
in  hervorragender  Weise  bewältigen ;  das  be- 
weisen ferner  zahlreiche  Blumenstilleben,  die 
mit  ganz  unmünchnerischem  Leben  gemalt 
sind ;  das  beweisen  schließlich  die  häufigen 
Versuche  Osswalds  auf  figürlichem  Gebiete, 
Versuche ,  denen  des  Künstlers  eigentliche 
Liebe  gilt  und  die  sicherlich  eines  Tages  zu 
überraschenden  Ergebnissen  führen  werden. 
Man  bedenke :  dieser  jugendliche  Meister  hat 
erst  einunddreißig  Jahre;  eine,  die  erste 
Blüteepoche  seines  Schaffens  liegt  abgeschlossen 
vor.  Er  hat  in  ihr  seine  malerischen  Aus- 
drucksmittel üben  und  beherrschen  gelernt 
und  wird  von  da  aus  neue,  stimulierende 
Aufgaben  suchen. 

Osswald  ist  Schweizer,  geboren  in  Zürich, 
hat    aber    fast    seine    besamte    Ausbildung  in 


Gemälde:   »Schloß  Nymphenburg«. 


München,  unter  Gysis,  Weinhold  und  W.  v. 
Diez,  empfangen.  Aus  seinem  Ringen,  aus 
seiner  Entwicklung  spricht  nicht  nur  eine 
wertvolle  Begabung,  sondern  auch  eminent 
viel  menschliche  Tüchtigkeit,  ohne  die  nun 
einmal  das  bedeutendste  Talent  nicht  zu  maß- 
gebenden .Manifestationen  gelangen  kann.  In 
der  Münchner  Sezession  ist  Osswald  seit  1904 
ein  regelmäßiger  Gast.  Größere  Kollektiv- 
Ausstellungen  haben  seinen  Namen  in  vielen 
deutschen  Städten  bekannt  gemacht.  Man 
ist  auf  ihn  aufmerksam,  man  verfolgt  mit 
Interesse  sein  W'erdeo.  Ich  schätze  in  ihm 
den  Vertreter  einer  guten,  modernen  male- 
rischen Weltanschauung,  der  ich  wünsche,  sie 
möchte  gerade  in  unserem  abgeschlossenen 
und  von  allen  Gefahren  künstlerischer  Inzucht 
bedrohten  München  mehr  als  bisher  Boden 
und  Werbekraft  gewinnen,     wilhelm  michel. 


196 


I-KliZ    OSSWALlJ     .Ml  Nt  HKS. 


(iomäliie:    »Tannenschonung«. 


AUS  EINEM  BRIEF  AN  DAS  18.  JAHRHUNDERT. 


Lieber  Diderot,  lieber  Cazotte,  lieber  Cham- 
^  fort,  lieber  Rivarol,  ahnet  Ihr  und  Ihr  andern 
alle,  deren  Sprache  ich  spreche,  deren  Gedanken 
ich  denke,  deren  Geist  mir  wie  eine  leicht  und 
köstHch  zu  atmende  Luft  ist,  ahnet  Ihr,  was 
ich  leide  in  dieser  unbeschreiblich  gemeinen 
Zeit?  Ihr  Arglosen  ahnt  es  nicht;  denn  es  ist 
das  ungeheuerlichste  Märchen,  das  ein  Galland 
Euch  aus  dem  andern  Arabischen  unserer 
Epoche  in  Eure  wunderbare  Sprache  zu  über- 
setzen zögerte.  Euch,  selige  Wandler  an  Ab- 
gründen, in  die  dann  alles  gestürzt  ist,  was 
uns  Enterbten,   Entblößten  Kultur  heißt. 

\'emehmt  schaudernd,  wie  der  Tag  Eures 
armseligen  Nachfahren  verläuft  —  woran  das 
Bemerkenswerteste   das    ist,    daß    neben    ihm 


Hunderttausende  sich  eigentlich  wohl  fühlen  ! 
—  Er  erwacht  müde ,  erhebt  sich  mit  allem 
Aufwand  an  notwendiger  Energie  —  auf  solche 
Dinge ,  wie  das  Aufstehen ,  geht  heut  die 
Energie  drauf,  die  damals  etwa  in  einem 
Degenstoß  sich  entlud ;  zehn  Lebensjahre  für 
solch  einen  Degenstoß,  der  durch  und  durch 
ginge!  — ;  er  setzt  sich  an  den  Toilettetisch, 
sich  zu  rasieren.  Was  grinst  ihm  ins  Eenster 
im  grellen  Morgenlicht  r  Eine  Eassade  .  .  . 
Ahnt  Ihr,  Begnadete,  was  uns  paar  Gemar- 
terten heute  eine  Fassade  heißt?  Ihr  ahnt 
es  nicht.  Lasset  mich  davon  schweigen. 
Etwas  Gemeineres  gibt  es  nicht,  hat  es  nie 
gegeben.  Was  sind  .Menschenopfer  von  Kanni- 
balen gegen  den  Kannibalismus  unsrer  Groß- 


197 


Richard  Sclmithal : 


(.'1/    t^ 


(ff  u 

FRITZ   OSSWALD     MÜNCHEN. 


Stadt-Fassaden  !  Ein  Feentraum  ,  ein  Pastell 
von  Lancret.  —  Lasset  mich  schweigen  über 
die  Unsäglichkeiten  unsrer  Kleidung ,  die 
Hosenträger,  Westen,  Kravatten,  Hemdknöpfe 
und  den  sonstigen  Trödel  einer  Tracht  von 
Handlungsgehilfen. 

Der  also  Gekleidete  verläßt,  viele  Stiegen 
hinabsteigend ,  durch  ein  Prachtportal  das 
Monumental-Zinsgebäude,  darin  alles:  Türen, 
Fenster,  Treppengeländer,  Kandelaber,  Portier 
prunkvoll,   ordinär  und  unecht  ist. 

Er  ist  auf  der  Straße.  Was  wisset  Ihr 
von  einer  großstädtischen  Gasse !  Von  Plakaten, 
Kaffeehäusern ,  Panoptikum  ,  Galanteriewaren- 
Schaufenstern,  Dienstmännern,  Hundehändlern, 


198 


; 


Gemälde:   »Verschneiter  Garten« 


Blumenweibern,  Annoncen  -  Ausbietern  usw.! 
Was  wisset  Ihr  vor  allem  von  dem  Publikum 
der  frühen  Vormittagsstunden,  dieser  zum  Ge- 
schäft, zum  Amt,  zum  Dienst  eilenden,  einer 
dem  andern  gleichgiltigen  Menge  von  Sklaven 
in  ihrer  geschmacklosen  Individualisation, 
ihrem  unrhythmischen  Tempo,  ihrer  brutalen 
Vereinzelung  1  Alles  ist  störend,  jedes  Element 
dieses  wimmelnden  Mosaiks  scheußlich.  Und 
alles  das,  die  Wagen,  Tiere,  Menschen, 
Maschinen,  alles  lärmt  und  stinkt. 

Und  diese  ganze,  wie  gesagt,  völlig  zu- 
sammenhanglose Masse  lebt  nicht  nur,  sondern 
will  weiterleben,  weiterwirken.  Dieses  wüste 
Volk  von  Entarteten  baut  und  zeugt,  \erfügt 


^4us  cixcvi  Brie/  a)i  das  iS.  Jahrliui)(icrl. 


i < 


FRITZ    OSSWALD     MUN(  HEN. 


und  verwaltet.  Überall  siehst  Du  Institute, 
Schulen,  Vereine,  Genossenschaften.  Kin  un- 
geheurer -Apparat  klappert  Tag  und  Nacht. 
Die  Technik,  dieses  Dir  sozusagen  unbekannte 
Ereignis,  das  eine  Epoche  geschaffen  hat,  be- 
dient durch  zahllose  stu])ende  Einrichtungen, 
die  tausend  anerzogenen,  aufgelesenen,  ange- 
tlogenen,  unerfühlten  Bedürfnisse  eines  Haufens 
Heimatloser.  Für  wenige  Heller  kannst  Du 
jederlei  Surrogat  haben.  Ba/.arc  und  Waren- 
häuser versorgen  atemlos  kreitiend  den  be- 
scheidensten Nachzügler  dieser  Talmikultur  mit 
den  schäbigsten  Zeichen  der  Zeitgemäßheit, 
l'nd  durch  alles,  o  Rivarol,  muß  Dein 
duldender  Freund  täglich  hindurch.     Alles  das 


Gemälde:     Beim  Aumeisteii. 


drängt  sich  ihm  auf,  tiuchstählich  ins  (ledränge 
muß  er  hinein,  ohne  Schutzwehr  an  all  den 
gedrängt  gereihten  Laden,  Portalen  und  -Xn- 
kündigungen  vurübcr,  mit  armen  offenen  Augen, 
mit  armen  bloßen  Nerven.  ITnd  betritt  er 
ein  Speisehaus,  gröhlt  derselbe  wüste  Lärm 
der  wilden  Farben  und  sogenannten  Schmuck- 
dinge, betritt  er  ein  Theater,  einen  Vortrags- 
oder Konzertsaal :  immer  ist  er  wieder  ganz 
drinnen  in  dem  Gemenge  gleiUcnder  Barbarei, 
sell)Stgefälligen   l'nfugs. 

Denke  Dir,  wie  sich  die  Menschen  dieser 
entsetzlichen  Zeit  vergnügen ,  erheben.  Sie 
betreten  einen  getäfelten  Raum,  der  von 
Gold    und   Marmor    starrt,    alles    sinnlos    und 


190».  .\. 


199 


Aus 


Brirl  a>i  c/as  rS.  '^ahrhwiderf. 


häßlich  zusammengetragen ,  Elemente  aller 
Stile  in  ein  schlecht  ventihertes  Geviert  ge- 
drängt; sie  sitzen  nieder  auf  strohgeflochtenen 
Garküchenstühlen  und  glotzen  auf  ein  Podium, 
wo  alsbald  der  Kunstgenuß  anhebt,  exekutiert 
von  Männern  in  schlecht  gemachter  Fest- 
tracht -  Frackanzügen  —  und  von  Weibern 
etwa  in  willkürlichen,  meist  armseligen,  immer 
aber  irgendwie  der  Tagesmode  angenäherten 
Gewandungen.  Es  gibt  da  Weiber,  die,  die 
ßriir  auf  der  Nas',  vom  Notenblatt  singen;  Er- 
hebung heißt  diese  ästhetische  Drangsalierung 
der  Betrachter.  Schon  die  Tatsache  eines 
solchen  öffentlichen  Konzertes,  wo  jedermann 
sich  zahlend  in  den  gefügigen  Rahmen 
bringen  kann,  würde  Dich,  liebenswürdiger 
Cazotte ,  entsetzen.  Nun  sieh'  Dir  aber  alle 
diese  »besseren«  Menschen  an,  herdich  bos- 
hafter Chamfort.  Vom  Kopf  bis  zum  Fuß 
sind  sie  sinnlos  und  halbschlächtig  hergerichtet. 
Und  häßlich  an  Physiognomie  und  Gestalt, 
es  ist  gar  nicht  auszudrücken,  bis  zu  welchem 
Grade  I  Dabei  ohne  die  Spur  von  beweg- 
licher Anmut;  beobachtend  beobachtet,  be- 
fangen   oder   protzig,    mit    Barten,    Zwickern, 


allerlei  Haaranordnungen  vom  Lächerlichen 
bis  zum  Ekelhaften,  schlechtem  Schuhwerk 
und  plombierten  Zähnen. 

Lieber  1  )iderot,  lieber  Chamfort,  es  gibt 
noch  immer  einige  wenige ,  die  Euch  zu 
schätzen  vorgeben.  Aber  verlanget  nicht  diese 
kennen  zu  lernen.  Es  sind  die  literarischen 
Menschen  oder  der  Alpdruck  Eures  still  dulden- 
den Freundes  —  —  Wenn  Ihr  heute  aus 
dem  Grabe  aufständet,  würde  Euch  ein  Kultur- 
verein einladen,  vor  seinem  Stammpublikum 
etwas  aus  Euren  Büchern  vorzulesen  und  nacli- 
her  gäbe  Euch  das  Komitee  ein  Festessen ; 
der  Bankbeamte  Y,  bei  Nacht  Kunstreferent 
des  Abendanzeigers,  säße  dir  zur  Linken, 
Rivarol ,  und  schöbe  schmatzend  den  Spinat 
auf  seinem  im  vernickelten  Heft  gelockerten, 
aber  mit  Rokoko-Ornamenten  —  Dir  zu  Ehren, 
symbolisch  —  verzierten  Messer  in  den  Mund; 
Dir  zur  Rechten  aber  dozierte  eine  Frauen- 
rechtlerin im  kantig  dekolletierten  Reformkleid 
über  Deine  erlauchten  Zeitgenossinnen ,  die 
ich  geschlossenen  Auges  jetzt,  einer  Wolke 
Parfüm  gleich ,  vor  meiner  Seele  vorüber- 
schweben   fühle    .     .    .  RICH/VRD  SCHAUKAL. 


HKIT/  OSb\VALl> 
MÜNCHKN. 


M  ARi.lRirKN 
l'ND  ANKMÜ.N'HN. 


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22 


VON  DER  FREUDE  UND  VOM  MATERIAL. 


Glück  ist  etwas  Persönliches,  eine  Abson- 
derung von  der  Außenwelt.  Glück  ist 
Besitz  und  das  Bewußtsein  dieses  Besitzes,  das 
von  dem  übermächtigen  Lustgefühl  zur  groß- 
mütigen Abgabe  der  überschüssigen  Energie, 
zur  Mitteilung  an  andere  gedrangt  wird.  Freude 
dagegen  ist  von  vornherein  gemeinsam,  all- 
umfassend, die  Freude  des  einen  ist  auch  die 
Freude  des  Kosmos,  der  Millionen.  Cilück 
emiifmdet,  wer  im  sicheren  Besitz  einer  wcscn- 
verwandten  Seele  ein  reiches  Rückstrahlen 
seines  eigenen  Lebens  erlebt  oder  dessen 
Steigerung  in  seliger  Zwiesprache  mit  einem 
Kunstwerk  so  intensiv  genießt,  daß  Zeit  und 
Raum  ihm  wesenlos  erscheinen.  Glück  gab 
und  gibt  es  zu  allen  Zeiten.  .\ber  die  I'reude: 
Wie  wenig  Freude  haben   wir  doch  heute  I 

Wir  leben  in  einer  Periode  des  Egoismus,  — 
des  sich  immer  mehr  konzentrierenden  Indivi- 
dualismus. Die  Schillersche  Freude  von  Mensch 
zu  Mensch  ist  uns  heute  nur  eine  Phrase,  möglich 
ist  sie  nur  in  Höhepunkten  der  Entwicklung,  zur 
Zeit  des  Griechentums  kannte  man  sie,  vielleicht 
auch  in  der  Blüte  der  Renaissance.  Sie  ist  uns 
heute  nicht  zugängig,  und  dennoch  bewegen 
wir  uns  ihr  entgegen  in  langsam  aufsteigender 
Linie.  Nur  müssen  wir  ganz  von  vorne  anfangen, 
bei  dem  untersten  Reich  des  »Anorganischen 
(wie  unglücklich  war  doch  diese  Benennung). 
Schon  ahnen  wir  eine  neue  Zeit,  die  uns  die 
Freude  an  der  scheinbar  leblosen  Materie, 
die  Freude  am  Material  bringen   wird. 

Die  Freude  am  Material  I  Der  Künstler 
halte  sie  von  jeher.  Freude  und  gebende 
1-iebe    sind    das    wundersame   Vorrecht    und 


das  schöpferische  Prinzip  der  großen  Künstler. 
Nicht  diese  unbewußte  Freude  wird  Allgemein- 
gut werden,  aber  eine  bewußte  Freude  am 
Material  ist  in  unserer  Zeit  des  Intellektualismus 
eine  Möglichkeit  und  ein  werdendes  Erlebnis. 

Noch  ist  freilich  davon  nicht  allzuviel 
zu  verspüren.  Zu  eitrig  wird  an  den  Grund- 
rissen und  Gnmdmauem  gearbeitet.  Auch  das 
puritanische  Münchner  Programm  war  gewisser- 
maßen immer  noch  das  ABC":  Fort  mit  aller 
Zutat,  die  wir  nicht  ehrlich  neu  schaffen  können. 
Aber  schon  längst  hatten  die  Wiener,  diese 
ganz  Unbesorgten  und  Fröhlichen,  jenes  erste 
Pensum  hinter  sich.  Doch  unduldsam  eiferte 
man  damals  gegen  sie,  denen  es  allzu  leicht 
wurde,  während  man  selbst  nur  die  latente 
und  grimmige  Kraft  spürte :  Wir  werden  es 
einmal  noch  viel  besser  machen! 

Unsere  Starken  und  Großen ,  vor  allem 
Bruno  Paul,  sind  gewißlich  dazu  berulen 
und  auserwählt,  unsere  eigene  Kraft  uns 
selbst  und  dem  Ausland  zu  dokumentieren. 
Auf  ihre  Verdienste  soll  hier  nicht  näher 
eingegangen  werden.  In  Josef  Hoffmann, 
Kolo  Moser  und  Czeschka  aber  haben  wir 
mit  vollen  Händen  und  fröhlich  gebende  ,\postel 
jener  Freude  am  Material.  Wahrend  wir  mutig 
gegen  die  übermächtige  Maschine  ankämj)(en, 
um  ihr  neue  Werte  abzutrotzen,  während  einige 
sich  mit  Konstruktionen  i)lagen  und  in  sicht- 
baren Schrauben  und  hervorstehenden  Zargen 
das  mühevolle  Knochengerüst  zeigen,  ist 
hier  unbekümmert  blühendes  Fleisch.  Hier  ist 
der  Verklärungsprozeß  des  Materials  in  vollem 
Gange,  in  diesen  ganz  nackten   Metallen  und 


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Hölzern  ist  ein  blühendes  und  sinnliches  Leben 
sichtbar  gemacht.  Diese  Materie  hat  es 
nicht  mehr  nötig ,  mit  wesensfremden  orna- 
mentalen Prunkge\v;indern  umkleidet  und  in 
Konstruktions-Korsette  einL;epanzcrt  zu  werden, 
sie  hat  ihr  eigenes   Leben  und   ist  —  schön. 

Gerade  Hoffmann,  der  der  strengste  und 
gewissermaßen  nüchternste  unter  ihnen  ist,  hat 
dank  seiner  genialen  und  so  überaus  seltenen 
Zucht  die  stärkste  Leistung  zuwege  gebracht. 
Seine  verstellende  Liebe  und  die  kluge  Be- 
herrschung des  Materials  hat  ihn  dazu  ge- 
führt, strenger  als  irgend  ein  anderer  das  Ma- 
terial von  jeder  vordrängenden  Formgebung 
zu  abstrahieren.  Bei  keinem  andern  genießt 
man  so  sehr  das  sinnliche  Wohlgelühl ,  mit 
diesen  Hölzern,  Steinen  und  Metallen  in  un- 
mittelbarer   ]>hysischer    Beziehung    zu    stehen. 

Wir  sagen  neuerdings:  Blech  ist  Blech,  tut 
ihm  ja  nichts  zu  leide.  Hoffmnnn  aber  sagt  zum 
Silber:  Ich  will  dir  deinen  ganzen  Glanz 
geben,  und  zum  Blech:  Komm  ich  will  dich 
erhöhen  und  dich  lustig  machen,  soviel  du 
in   deiner  Einfachheit  vermagst.     Und  läßt  es 


in  der  Maschine  den  <|ualvoll-seligen  Feg- 
feuerprozeß durchmachen ,  wie  das  Korn 
geschlagen  und  gemahlen  und  im  Feuer 
gebacken  wird,  bis  es  weiß  wird  wie  Schnee, 
wie  wir  selbst  alle  mehr  oder  weniger  geplagt 
und  idem  Satan  übergeben'  werden  zur  Ehre 
der  fröhlichen   Höher- Entwicklung. 

Die  Erkenntnis  unserer  Physik,  daß  alle 
Atome  in  wirbelnder  Bewegung  sind,  ja  daß 
diese  .\tonie  selbst  nur  Wirbel  einer  un- 
bekannten und  unvorstellbaren  Kraft  sind,  die 
sich  nach  ganz  bestimmten  Gesetzen,  in  ganz 
bestimmten  und  wundervollen  stereometrischen 
Formen  äußert,  wird  heute  allmählich  auch 
dem  einfachen  Manne  zum  15ewußtsein  gebracht. 

Ks  muß  uns  aber  erst  zum  Erlebnis 
werden,  daß  auch  die  anorganische  Materie 
ein  lebendiger  Bestandteil  des  kosmischen 
Gesamtorganismus  ist ,  daß  eine  Wechsel- 
wirkung unbekannter  Kräfte  zwischen  allem 
und  jedem  stattfindet.  Alles  was  besteht  ist 
vom  Leben  ausgegangen  und  noch  in  Be- 
ziehung dazu,  —  auch  der  Schlacke  wohnt 
die   Erinnerung    inne    an    die  Glut    des  F^del- 


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metalles,  die  in  ihrem  irisierenden  Glanz  noch 
aufleuchtet.  Wir  müssen  fühlen:  alle  Materie 
ist  uns  verwandt ,  ist  Fleisch  von  unserm 
Fleisch,  dann  werden  wir  ein  neues  Empfinden 
spüren  für  die  verborgene  Sehnsucht  des 
Materiales  nach  einer  Läuterung  durch  den 
schaffenden  Künstler,  für  die  Liebe  der 
Materie  zu  ihrem  Herrn  und  Meister, 
der  heute  noch  so  wenig  Ahnung  von  seiner 
ungeheuren  Macht  besitzt. 

Es  genügt  nicht  nur,  von  dieser  Inten- 
sität des  Materials  zu  wissen,  wir  müssen 
auch  die  Freude  dieser  Erkenntnis  genießen 
können.  Und  diese  Freude  kann  uns  nur  der 
Künstler  geben.  Nur  er  vermag  die  Eigenart 
jener  Schwingungsformen  in  ihren  ungezählten 


204 


\'ariationen  gesteigert  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
nur  er  vermag  das  schlummernde  und  nur  ihm, 
dem  Begnadeten,  sichtbare  Leben  dieses  Mikro- 
kosmos durch  die  Kraft  seiner  künstlerischen 
Intuition  und  seines  Gefühles  zu  verstärken  und 
der  Mitwelt  zugängig  zu  machen.  Wohlver- 
standen :  diese  Befreiung  der  Materie  ist  nicht 
Zweck  der  Kunst  sondern  notwendige  Be- 
gleiterscheinung; als  dienendes  Medium 
zu  höheren  Zwecken  erfährt  das  Material  seine 
Verklärung.  Welch  ungeheure  neue  Werte  in 
dieser  Richtung  der  noch  fast  ganz  verkannte 
und  am  meisten  von  seinen  Nachahmern  miß- 
verstandene van  Gogh  uns  vermittelte,  das 
wird  wohl  erst  eine  spätere  Zeit  erkennen. 
Er  empfand  die  physische  Verwandtschaft  der 


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Materie  mit  einer  uns  diunonisch  erscheinenden 
Intensität  und  gab  den  realen,  der  Natur  inne- 
wohnenden zitternden  Rhythmus  der  Kralt  in 
seinen  Farben,  seinen  l'inselstrichen  so  selir 
gesteigert  wieder,  daß  diese  selbst  als  lebende, 
selbständige  Elemente  erscheinen. 

Sicher  ist :  Wenn  die  Erkenntnis  dieses 
Hefreiungs- Prozesses  erst  einmal  Allgemeingut 
sein  wird,  und  unsere  Künstler  ihm  ihre  Kraft 
ungeschmälert  hingeben,   dann   wird  ein  neuer 


Strom  der  Freude  durch  unsere  Lande  IheUen. 
Und  diese  nur  als  Vorgeschmack  einer  noch  viel 
höheren,  der  bewußten  Freude  an  der  durch- 
geistigsten Materie,  der  Menschheit  selbst. 
Wir  sind  nur  ein  Übergang,  nur  die  Vor- 
läufer derer,  die  größer  und  reicher  sein 
werden  als  wir.  Unsere  junge  Generalion 
aber,  die  heute  heranwächst,  wird  schon  das 
eine  beneidenswerte  Vorrecht  haben:  die 
Freude   ani    Material.  h.  lang-danoi.i. 


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(J  Professor 

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■     Maus  11,  H. 
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autgani;. 


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J.  Hoffmanii. 
Haus  H    H. 
Wien, 
Vorhalle. 


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CHAUVINISMUS  UND  LANDSCHAFT. 


Neulich  las  ich  irgendwo  einen  geharnischten 
Aufruf  an  das  Volk  gegen  drei  böse 
Feinde  deutschen  Geschmacks.  Und  die  drei 
Feinde  waren:  drei  »ausländische«  Bäume, 
nämlich  die  Roßkastanie ,  die  Platane ,  die 
Akazie!!  ;:- Blatt-  und  Blütenwerk  der  Roß- 
kastanien und  .\kazien  stimmen  in  ihrer 
prunkenden  »Aufmachung«  so  gar  nicht  mit 
unsern  heimischen  Bäumen  überein,  und  bei 
der  Platane  befremdet  uns  wieder  der  Stamm 
mit  seiner  ewig  in  großen  Fetzen  sich  ab- 
blätternden Rinde  und  obendrein  die  an 
F'äden  baumelnden  Kugelkätzchen  der  Früchte, 
die  auch  im  Winter  am  Gezweige  hängen 
bleiben«.  Nach  einer  so  gründlichen  Lächer- 
lichmachung  der  pomphaften  Kastanie,  und 
der  ewig  in  großen  Fetzen  sich  abblätternden 
Rinde  der  Platane  sind  diese  Bäume  also 
endgültig     als     »Kitsch«     in     der     deutschen 


206 


Landschaft  erledigt.  ( lärtner  und  Straßen- 
bauer von  Geschmack  können  unmöglich 
solche  ausländischen  Bäume  mehr  anpflanzen  - 
weil  sie  in  das  Charakterbild  der  deutschen 
Landschaft  nicht  hineinpassen. 

Ich  meine,  dieser  Aufruf  hat  nur  einen 
F'ehler  —  er  nennt  nur  drei  ausländische 
Bäume,  statt  gleich  hundert  und  mehr  — 
es  wären  auch  noch  viele  Früchte  und 
Blumen  als  böse  fremde  Gewächse  zu  nennen 
gewesen  und  so  erwarte  ich  demnächst  von 
diesem  gründlich  belesenen  F'anatiker  eine 
große,  große  »schwarze  Liste«  alles  Aus- 
ländischen —  die  alles  nennt,  was  nicht  in 
unsere  Landschaft  paßt. 

Aber  —  was  sind  wir  doch  bisher  und 
alle  unsere  Vorfahren,  die  wir  doch  so  gern 
als  Urzeugen  der  guten  Tradition  und  der 
heimischen  Bauweise  anrufen,  für  miserable 


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Patrioten,  für  schlechte  Deutsche  gewesen. 
Was  haben  die  doch  alles  importiert  —  weil 
her  I  l'nd  wie  arm  ist  dadurch  das  gute 
deutsche  Volk  geworden.  Da  hill't  nur 
tiicliti^e  Reinigung  deutsclier  Landschaft, 
Kultur  und  Kunst  von  allen  fremden  Zutaten. 
Man  fange  bei  der  l'latane  aus  dem  bösen 
Orient ,  der  Akazie  aus  \'irginien  an  und 
führe  die  Ausrottung  durch  —  —  bis  zur 
Kartoffel. 

Wenn  es  nur  so  einfach  wäre,  die  Liste 
fremder  Bäume  aufzustellen.  Denn  erstens 
ist  die  Genealogie  vieler  Bäume  gar  nicht 
so  genau  festzustellen.  Große  Irrtümer  — 
aus  denen  man  lustig  ästhetische  Gesetze  in 
Bezug  auf  -  Kinpassung-:  aufbauen  kann  - 
sind  mehr  als  genug  begangen  worden.  .\ber 
was  heißt  heimisch  nach  Alter,  was  heißt 
heimisch  nach  Landesgrenzen  r  —  Soll  viel- 
leicht heimisch  nur  das  genannt  werden  was 
1000  Jahre  alt?  Bekanntlich  bat  Vater  Horaz 
schon  diese  Satire  Fanatikern  ähnliclicr 
Tendenz  vorgelegt.  —  Und  ist  schon  das 
nicht    heimisch   —  das  nicht    zur    deutschen 


Landschaft  passend,  was  jenseits  der  schwarz- 
weiß-roten  Grenzpfähle  wächst? 

Ein  solcher  Feldzug  fehlte  uns  Deutschen 
gerade  noch.  Dagegen  nimmt  sich  ja  die 
lächerlichste  Germanophobie  der  Engländer 
wie  eine  wohl  berechtigte,  ernste  Sache  aus. 
Denn  die  politische  Angst  der  F^ngländer 
tritt  nicht  auf  für  eine  Verarmung  heimischer 
Kultur  —  wie  diese  allerneueste  Fremden- 
riecherei  auf  dem  Gebiete  landschaftlicher 
Ästhetik. 

Was  ist  denn  Tolstoi's  Kampf  gegen  die 
Kunst  neben  solchem  Kampf  gegen  »aus- 
ländische« Bäume.  —  Wollen  wir  denn  nicht 
(jott  danken,  daß  er  unser  liebes  deutsches 
Heimatland  bereichert  hat  -  oder  sollen 
wir  schleunigst  dafür  sorgen,  daß  wir  unsere 
altgermanischen  Wald-  und  Sumpflandschaften 
wie  zur  Zeit  des  Tacitus  wieder  herstellen?  — 
Wir  reden  ja  so  viel  von  »  Wieder  »^  herstellen 
—  vielleicht   wäre    das    ein    neues    Problem? 

Doch    stelle    man    die    l'rago    weiter. 
F'ällt  nicht  die  ganze  Entwicklung  der  Mensch- 
heit in  sich  zusammen,  wenn  man  die  gegen- 


207 


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seitige  Bereicherung  der  Völker,  Zeiten,  I.and- 
sclialten  und  Menschen  ausscheiden  wollte  r  Wie 
herrlich  tönt  uns  ordentlich  aus  allen  Ländern 
und  Landschaften  die  Bejahung  des  Willens 
zu  gegenseitiger  Bereicherung  entgegen.  Man 
überdenke  nur  kurz  die  Weltgeschichte  der 
Kultur  —  und  konstruiere  sich  als  Farce 
danach  das  Zerrbild  eines  Kulturvolkes  ohne 
fremde  Einflüsse.  ( )der  man  gehe  vom  Kleinen 
aus.  -Man  schaue  sich  im  eigenen  Zimmer  um, 
ob  alles  deutschem  Boden  entwachsen.  Soll  ich 
hartes,  fremdes  Holz  nie  für  .Möbel  verwenden, 
auch  wenn  sie  mir  \ielfa(h  dünnere  Konstruk- 
tionen erlauben  V  Soll  ich  die  seidenen  Be- 
züge zerreißen,  weil  auch  hier  fremde  Tiere 
—  also  fremde  Naturen  —  Erzeuger  warenr 


Inil  dann  befrage  man  doch  die  deut- 
schesten der  deutschen  Künstler,  wie  die  sich 
gestellt  zum  Fremden?  Was  dankt  doch  Dürer 
italienischer  Kunst  und  Natur.  --  Was  für 
fremde  Einflüsse  haben  Rembrandt  angeregt, 
groß  gemacht.  —  Oder  sollen  wir  unsere 
Großen  nicht  lieben  und  verehren  so  wie  sie 
geworden  sind?  Wollen  wir  vielleicht  auch 
da  rekonstruierend  Wollen  wir  vielleicht  auch 
aus  den  alten  Bildern  unserer  großen  Meister 
fremde  Bäume  —  man  denke  an  den  Genter 
Aliar  oder  an  Schongauer  —  wegmalen? 

Ich  denke,  was  die  \'ölker  groß  gemacht 
und  die  besten  (}eislcr  zu  Vorbildern  der 
.Menschheit,  das  wird  auch  uns  nicht  schaden 
—  sondern    ganz   gehörig  nützen.     L^nd    wir 


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Haus  Maler 
Carl  Moll 
Wien. 


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wollen  uns  dem  grüßen  (leiste  beständiger 
Bereicherung  der  Landschaften  und  Völker  — 
von  innen  wie  von  außen  her  —  einpassen, 
aber  nicht  von  einer  Einpassung  träumen,  die 
uns  nur  klein  und  furchtbar  arm  und  kläglich 
lächerlich  machen  muß.   — 

Gut  deutsch  sein  hieß  noch  allezeit:  Nicht 
die  Nase  rümpfen  über  das  was  fremd  — 
sondern  nützen  und  werten  zu  deutschem 
Fortschritt,   alles  was  gut.  e.  w.  bkedt. 


AKADEMIK  BILDENDER  KÜNSTLER 
.  IX  WIEN.  Alljährlich  soll  durch  die 
Akademie  der  bildenden  Künstler — Wien  einem 
Maler  und  einem  Bildhauer  aus  der  »Reichel- 
Stiftung«  je  ein  Preis  im  Betrag  von  5000  Kr. 
/.ucrkannt  werden.  Keiner  der  beiden  vorge- 
schlagenen Maler  Klimt  und  Jungwirth  konnte 
indeß  die  erforderliche  zweidrittel  Stimmenzahl 
auf  sich  vereinigen.    Nach  mehrmaliger  ergeb- 


nisloser Wahl  mußte  von  der  Erteilung  des 
Preises  ganz  abgesehen  werden,  weil  die  Be- 
stimmungen der  Stiftung  eine  Teilung  der 
Summe  nicht  gestatten.  Klimts  vielumstrittenes 
Bild   »Hoffnung'   war  vorgeschlagen    worden. 

Von  der  Verteilung  des  Reichel-Preises<' 
an  einen  Plastiker  mußte  deswegen  abgesehen 
werden ,  weil  die  Schöpfer  der  ausgestellten 
vortrefflichen  Werke  entweder  nicht  im  Inlande 
wirken,  oder  weil  sie  schon  zuvor  mit  dem 
Preise  bedacht  wurden  und  eine  mehrmalige 
Auszeichnung  nicht  zulässig  ist. 

Der  Ausfall  des  Wettbewerbes  Klimt- Jung- 
wirth zeigt  deutlich,  wie  wichtig  es  war,  die 
Bestimmungen  der  Stiftung  seiner  Zeit  dahin 
abzuändern,  daß  anstelle  der  früher  verlangten 
Einstimmigkeit  der  Preisrichter  die  Zweidrittel- 
Majorität  gesetzt  wurde.  Bei  den  seit  Jahren 
bestehenden  Gegensätzen  der  Anschauungen 
innerhalb  der  Akademie  würde  andernfalls  eine 
Erteilung  der  Preise  überhaupt  unmöglich  sein. 


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DIE  MALEREI  IN  IHRER  BEZIEHUNG  ZUR  BAUKUNST 
UND  DAS  MODERNE  EMPFINDEN. 


I. 


Malerei  und  Baukunst  sind  an  sich  ganz 
verschiedene  und  streng  von  einander 
getrennte  Künste.  Der  Hauptunterschied  rein 
äußerlich  besteht  darin,  daß  die  Malerei  an 
eine  Fläche  gebunden  ist,  während  die 
Baukunst  den  wirklichen  Raum  gestaltet. 
Jeder  der  beiden  Künste  ist  ein  besonderes, 
scharf  umgrenztes  Gebiet  in  der  Natur  zuge- 
wiesen, das  sie  zum  Gegenstand  ihrer  Be- 
handlung machen  sollen. 

Die  Malerei  soll  —  ganz  allgemein  ge- 
sagt —  den  Eindruck  gestalten,  den  die  Er- 
scheinung der  sichtbaren  Welt  in  uns  hervor- 
ruft. Die  Baukunst  dagegen  drückt  ein 
allgemeines  Gefühl  aus,  dem  in  der  Natur 
kein  bestimmtes  sichtbares  Objekt  entspricht; 
ihre  Formen  sind  geometrischer  Art  und  aus 
den  Naturbildungen  nicht  unmittelbar  abzu- 
leiten. Ja,  je  geometrischer  sie  sind,  um  so 
klarer  S|)rechen  sie  das  Wesen  der  .\rchitektur 
aus.  wie  der  griechisch-dorische  Stil  und  der 
deutsch-romanische  Baustil  zeigen. 

Aber,  trotz  dieser  scharfen  Trennung  be- 


steht zwischen  beiden  Künsten  doch  eine 
innere  Beziehung.  Diese  innere  Beziehung 
wird  natürlich  am  deutlichsten  in  der  Wand- 
malerei zu  Tage  treten,  weil  diese  die  Ar- 
chitektur am  engsten  berülirt,  inilem  sie  die 
Flächen  der  Bauwerke,  besonders  der  Innen- 
räume, verziert  und  somit  eine  Aufgabe  aus- 
führt, die  der  Architekt  schon  selbst  mit  rein 
architektonischen,  ornamentalen  Mitteln,  I,inien 
und  Farben,  lösen  kann. 
II. 

Die  innere  Beziehung  der  Malerei  zur 
Baukunst  bildet  eine  der  wichtigsten  Fragen 
der  Kunstentwicklung.  Der  stete  Wandel 
dieser  inneren  Beziehung,  kann  man  sagen, 
spielt  in  alle  Veränderungen  der  Stile  hinein. 

Wir  beobachten,  daß  in  den  Epochen,  in 
denen  sich  ein  einheitliches  Stilgefühl  aus 
dem  roh  naturalistischen  Empfinden  heraus- 
hebt —  wie  bei  den  Egyptern,  Habylonicrn, 
bei  den  Griechen  im  6.  Jahrhuntlert,  bei  den 
Deutscheu  im  romanischen  Stil  des  11.  und 
12.  Jahrhunderts    —    daß    damals    die  Maler 


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die  Objekte,  die  sie  schildern  (vor  allem  sind 
es  Menschen,  bei  den  Egyptern  auch  Tiere) 
auf  wenige  große  Linien  bringen,  daß  sie 
aber  diese  Linien  nach  gewissen  Grund- 
gesetzen, wie  Symmetrie,  Rhythmus,  in  den 
zur  Verfügung  stehenden  Flächenraum  hinein- 
ordnen. Neben  der  Absicht,  die  erscheinende 
Natur  abzubilden,  erfüllt  diese  Maler  ein  ganz 
bestimmtes  ornamentales  Flächengefühl.  Dieses 
Gefühl  hat  den  gleichen  Grundton,  wie  das 
Gefühl,  das  der  Architekt  in  seinen  räum- 
lichen Gebilden  ausspricht.  Wir  sehen  in 
diesen  Epochen,  daß  die  Architektur  die 
führende  Kunst  ist,  weil  die  Grundempfin- 
dung dieser  .Anfangsepochen  eine  archi- 
tektonische ist.  Das  will  sagen,  daß  die 
Gefühle,  die  der  Gegenstand  der  Architektur 
sind :  Schwergewichts-  und  Raumgefühle,  in 
diesen  Stadien  die  Menschheit  vor  allen 
andern  bewegen. 

Die  Malerei  konnte  sich  zu  ihrer  eigent- 
lichen Aufgabe  nur  allmählich  und  am  spä- 
testen entwickeln,  weil  die  Fähigkeit :  die 
räumliche  Erscheinungswelt  in  der  Fläche  dar- 
zustellen, die  Betrachtung  der  Erscheinung 
losgelöst  vom  wirklichen  Raum,  ab- 
strakt, außer  uns,  eine  außerordentliche  Stei- 
gerung der  Geistesfähigkeiten  voraussetzt.  Der 


Bildhauer  und  Baumeister  haben  darum  schon 
in  griechischer  Zeit  ihre  Kunst  zu  einer  ab- 
soluten Höhe  erheben  können,  im  Gegensatz 
zum   Maler. 

IIL 
Die  Malerei  beginnt  ihre  Entwicklung  zur 
Kunst  der  Neuzeit  mit  Giotto.  Seine  Kom- 
positionen heihger  Vorgänge  zeigen  allerdings 
noch  die  geschlossenen  Umrisse,  den  strengen 
Gruppenbau,  die  Projektion  der  Darstellung  in 
die  Fläche,  überhaupt  das  Leben  noch  gebunden 
an  ein  dekoratives  Gesetz:  das  sind  alles 
Eigenschaften,  die  aus  der  italienisch-byzan- 
tinischen Malerei,  als  der  Quelle  der  Kunst 
Giottos,  abzuleiten  sind.  Giotto  hat  die  her- 
kömmlichen konventionell  gewordenen  Typen 
der  byzantinischen  Schule  neu  belebt  —  dies 
ist  seine  große  Tat  —  indem  er  vor  allem 
die  Gebärden  mit  Größe  und  Seele  erfüllt 
hat:  aber  in  der  Raumgestaltung  und  Mo- 
dellierung geht  er  über  seine  Vorbilder  keinen 
bedeutenden  Schritt  hinaus.  Dies  unternimmt 
erst  am  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  der 
Florentiner  Masaccio,  der  nun  ganz  eigent- 
lich als  der  Anfang  der  neueren  Malerei  an- 
zusehen ist.  Masaccio  erlöst  die  Figur  aus 
dem  architektonisch-dekorativen  Schema,  er 
überwindet  die  Fläche,  indem  er  die  Grund- 


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gesetze  der  perspektivischen  Verkürzung  ent- 
deckt (wie  zur  gleichen  Zeit  die  Brüder  van 
Eyck  in  den  Niederlanden),  er  dringt  zu  einer 
plastischen  Modellierung  vor.  er  faßt  den 
indi\;duellen  Charakter  der  Menschen  auf.  mit 
einem  Wort:  er  befreit  die  Malerei  aus  Jahr- 
hunderte lang  geheiligten  Konventionen  und 
dringt  zu  einer  wirklichen  Anschauung  der 
Erscheinungswelt  vor.  Dabei  wahrt  er  seinen 
Bildern  aber  geschlossene  Flächenwirkung  und 
monumentalen  Aufbau.  Das  nachfolgende 
15.  Jahrhundert  vertieft  die  ?"rrungenschaften 
des  Masaccio  nach  der  naturalistischen  Seite 
hin,  es  verschärft  die  Individualisiening:  bis 
sich  endlich  am  .Vnfang  des  16.  Jahrhunderts 
auf  diesem  von  Xaturverständnis  ganz  durch- 
tränkten Boden  der  große  Stil  der  Hoch- 
renaissance aufbaut,  der  die  malerische  und 
räumliche  Auffassung  zu  einer  vorher  nicht 
erreichten  Höhe  steigert.  Aber  noch  immer, 
wie  bei  Oiolto,  sehen  wir  hier  das  (lefühl 
des  Malers  im  schönsten  Einklang  mit  dem 
Gefühl  des  Architekten  stehen,  das  Gleich- 
gewicht der  Fläche,   z.  15.  in  den  Fresken 


Raffaels ,  strömt  noch  das  volle  Glücks- 
empfinden ihres  Schöpfers  aus. 
IV. 
In  der  Malerei  des  Barock  vollzieht  sich 
eine  gewaltige  Steigerung  des  rein  m  al  e r  i  sc h  e  n 
Gefühls.  Ihre  Höhe-  und  Endpunkte  bilden 
die  venetianischen  und  spanischen  Schulen 
des  18.  Jahrhunderts  (Tiepolo,  Guardi,  Goya). 
So  mächtig  durchströmt  das  malerische  Gefühl 
diese  Zeit,  daß  auch  die  Architektur  davon 
ergriffen,  mitgerissen  wird.  Das  Raumgefühl 
will  alle  Grenzen  überschreiten,  die  Maler, 
die  Wände  und  Decken  in  Sälen  und  Kirchen 
ausmalen,  täuschen  uns  den  wirklichen  Raum 
vor;  dadurch,  daß  sie  plastische  und  Gesims- 
teile in  die  Bilder  ragen  lassen,  soll  sich  die 
t'.renze  zwischen  Schein  und  Wirklichkeit  ver- 
wischen :  hier  waltet  ein  Gefühl  der  Sehnsucht 
ins  Unendliche  —  hinaus  ins  Unbegrenzte  — 
das  uns  heute  noch  in  Barockkirchen,  als 
eine  Mischung  von  Wonne  und  Wehmut,  befällt. 
Der  Umschlag  von  dem  höchsten  maler- 
isclien  Gefühl  des  Barock  in  die  lineare 
klar  begrenzte  Auffassung  des  Klassizismus, 


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der  in  dem  letzten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts 
eintritt,  und  in  Carstens  und  David  die 
stärkste  Form  annimmt,  dieser  Umschlag  ist 
nur  im  Zusammenhang  mit  der  ganzen  Geistes- 
richtung dieser  Zeit  zu  begreifen.  Gewiß  ist 
es  kein  Zufall,  daß  gerade  damals  der  größte 
Schritt  der  neueren  Philosophie  getan  worden 
ist  durch  die  Entdeckung  Kants  von  der 
Idealität  des  Raumes  und  der  Zeit.  Hier 
eine  Verbindung  zu  konstruieren  scheint  wohl 
parado.x,  aber  in  der  Tat  ist  durch  die  Lehre 
Kants  die  Sehnsucht  des  Barock  nach  dem 
unbegrenzten  Raum  — ins  Unendliche  hinein  — 
in  gewissem  Sinne  erfüllt.  Er  sagt :  diese 
ganze  Welt  ist  nichts  als  meine  Vorstellung, 
als  Erscheinung,  und  alle  diese  Vorstellung 
ist  an  den  Raum  gebunden,  das  heißt,  nie- 
mals kann  ich  aus  dem  Räume  hinaus,  niemals : 
mit  dieser  Erkenntnis  mußte  die  ganze 
neuere  Weltanschauung  anheben.  Kant 
ist  wirklich  die  letzte  ErlüUung  aller  Sehn- 
sucht —  alles  künstlerischen  und  geistigen 
Drängens  des  18.  Jahrhunderts  —  die  deutsche 


214 


Revolution,  aber  von  ganz  anderer  Tragweite 
als  die  französische !  — 
V. 
Wenn  Kant  den  Anfang  der  modernen 
Weltanschauung  bezeichnet,  und  diese  in 
gewissem  Sinne  in  Norddeutschland  ihren 
Ursprung  nimmt :  so  ist  die  Parallelerscheinung 
zu  ihm  auf  dem  Gebiete  der  Malerei  sein 
Zeitgenosse  Goya,  der  die  Sehnsucht  der 
Barockmalerei  auf  dem  sonnendurchglühten 
Boden  Spaniens  zur  Erfüllung  bringt.  Nicht 
die  Klassizisten  in  Frankreich ,  Deutschland 
und  den  übrigen  Ländern  sind  als  die  Bahn- 
brecher der  modernen  Malerei  anzusehen, 
nicht  Carstens  und  David :  ihre  Malerei 
geht  nicht  aus  der  reinen  Anschauung  her- 
vor, sondern  zum  großen  Teil  aus  geistigen 
Ideen,  zum  Teil  aus  dem  falschen  Verständnis 
der  Antike,  wofür  Goethes  spätere  Kunst- 
bestrebungen ein  tragisches  Beispiel  bieten 
und  ebenso  wenig  die  Romantiker,  die  gleich- 
falls der  Malerei  fremde,  dichterische  Gefühle 
ausdrücken  wollten. 


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_  Professor 

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■  und  Stants- 
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Wien. 


Auf  den  Bahnen  Goyas  fortschreitend 
haben  die  modernen  Franzosen  endUch 
eine  wahrhalt  neue  Malerei  geschaffen,  den 
Pleinairismus  und  Impressionismus,  um 
zwei  Schlagworte  zu  gebrauchen.  Das  ist 
eine  Malerei,  die  über  die  Malerei  der  alten 
Meister  hinausgeht:  ein  wirkliches  Abbild 
dieser  Welt,  lichterfüllt  und  farbendurchglüht. 
Rein  als  Erscheinung  ist  sie  aufgefaßt,  aber 
die  Erscheinung  als  der  AusdrucTc  des  Wesens 
dieser  Welt.  Diese  Kunst  der  willenlosen 
.\nsrhauung  ist  einer  der  höchsten  Ausdrücke 


der  modernen  Welterlassung,  wie  sie 
Kant  und  Schopenhauer  eingeleitet  haben. 
--  Blicken  wir  zurück  aul  den  Weg,  den  die 
Malerei  bis  dahin  genommen  hat.  Auf  der 
ersten  Stufe  sahen  wir  die  Malerei  in  dem 
ornamentalen  Flächengefühl  befangen,  im 
Banne  der  in  jenen  Zeiten  weit  stärkeren 
architektonischen  F.mpfmdung.  In  unseren 
Zeiten  ist  es  der  Malerei,  nachdem  sie  viele 
Zwischenstufen  überstiegen  hat,  gelungen,  die 
Welt  als  reine  Erscheinung,  ganz  objektiv, 
als   Bild,   zu  erfassen.     Die   Malerei  hat  damit 


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J.  Holfniann. 
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S.Knips-Wteii 
Speisezimmer. 


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ihr  eigentliches  Gebiet  in  Besitz  genommen, 
wie  dies  der  Baumeister  und  Bildhauer  schon 
früher  tun  konnten.  Die  Menschheit  ist  da- 
mit auf  einer  Höhe  angelangt,  von  der  sie 
im  weiten  Umkreise  ringsumher  die  herrlichste 
Welt  /AI  ihren  Fußen  ausgebreitet  liegen  sieht. 
Höchste  Entäußerung,  Loslösung,  Objektivität. 

So  übermächtig  hat  das  malerische  C,e- 
fühl  die  neuere  Zeit  ergriffen,  daß  die  Sinne 
für  die  A  r  c  h  i  t  e  k  t  u  r  getötet  zu  sein  scheinen, 
alles  Gefühl  für  die  Architektur  ist  verschwun- 
den ,  ja  diese  schien  als  Kunst  verloren  ge- 
gangen ,  sie  schien  überflüssig  geworden  zu 
sein.  Architektur  und  Malerei,  in  den  ar- 
chaischen Zeiten  eine  völlige  Einheit,  sind 
in  der  neueren  Zeit  völlig  getrennt.  Die 
impressionistische  Malerei  ist  der  Architektur 
so  ferne,  als  es  nur  möglich  ist. 
VI. 

Neuerdings  gewinnt  nun  aljer  mehr  und  mehr 
in  der  Malerei  eine  Richtung  an  Boden,  in  der 
die  malerisch  bildhafte  (lestaltungsweise 
mit  einem  großen  architektonischen 
Raum-  und  Flächengefühl  verschmolzen 


erscheint.  Malerei  und  Baukunst  verbinden 
sich  wieder  zu  einer  Einheit,  aber  diese  Ein- 
heit ist  jetzt  ganz  anderer  Art,  als  in  der  Kunst 
der  archaischen  Zeiten :  damals  hatte  die 
Malerei  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle, 
es  war  keine  eigentliche  Malerei,  sie  wurde 
durch  die  übermächtige  Architektur  in  einen 
starren  ornamentalen  Flächenstil  hinein- 
gezwungen. Jetzt  bleibt  sie  reine  Malerei, 
die  neben  der  Wiedergabe  der  farbigen  Er- 
scheinung die  Gestaltung  der  Raumtiefe  zu 
ihrer  Aufgabe  macht. 

Hans  von  Marees  ist  ohne  Zweifel 
der  Bahnbrecher  dieses  neuen  Stils.  Seine 
Malerei  stellt  diesen  inneren  Zusammenhang 
des  malerischen  Gefühles  mit  dem  architek- 
tonischen Gefühle  dar.  Er  ist  aus  der  eklek- 
tischen altmeisterlichen  Auffassungsweise,  wie 
sie  in  München  und  Berlin  in  der  Mitte  des 
19.  Jahrhunderts  blühte,  mit  Hilfe  der  mo- 
dernen Franzosen  und  des  Michelangelo :  vor 
allem  aber,  weil  er  sich  in  die  Betrachtung 
der  Xatur  ganz  neu  versenkt  hat,  zu  einer 
großen  Anschauung  emporgewachsen.     Er  ge- 


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langte  nicht  zur  höchsten  \'ollendung.  wie  sie 
klar  vor  seiner  Seele  schwebte,  einmal,  weil 
er  doch  erst,  nachdem  er  an  30  Jahre  seines 
Lebens  in  dem  Treiben  seiner  Zeitgenossen 
verloren  hatte,  sich  selbst  gefunden  hat  und 
zweitens,  weil  er,  als  er  seinen  eigenen  Stil 
errungen  hatte ,  keine  äußere  Unterstützung 
fand.  Er  starb  bereits  im  50.  Jahre.  Nun- 
mehr steht  er  zu  neuem  Leben  auf,  wir 
preisen  ihn  als  Herold  einer  neuen  Zeit.  War 
nicht  Masaccio  erst  28  Jahre,  als  er  starb  und 
hatte  nichts  als  wenige  Fresken  vollendet  und 
doch  ist  er  derjenige,  der  die  Ideen  der  Malerei 
der  Renaissance  zum  Sieg  gebracht,  der  das 
begonnen,  was  Raffael  und  Michelangelo  voll- 
endet haben?  \)ie  vier  'Lriptychen  .\larees 
zeigten ,  als  sie  auf  den  vier  Wänden  des 
viereckigen  Hauptsaales  der  Sezession  aufge- 
stellt waren:  wie  innig  diese  Malerei  zur  Bau- 
kunst in  Beziehung  steht;  sie  fordert  geradezu 
die  Mauerfläche  als  Hintergrund  und  verlangt 
rahmende  Pilaster.  Doch  ist  diese  Beziehung, 
wie  gesagt ,  ganz  anderer  Art ,  als  in  den 
früheren  Epochen.     Das  Raumgefühl,  das  uns 


1909.  X.  5. 


der  .\rchitekt  durch  seine  Raumgestaltung  er- 
weckt, ist  auch  in  dem  Bilde  da,  nur,  während 
es  im  Saalraum  uns  unbewußt,  als  allgemeine 
architektonische  Stimmung,  fatJt,  tritt 
es  uns  im  Bilde  zur  Vorstellung  gesteigert, 
unkörperlich,  als  \ision  vor  Augen.  Dieses 
Raumgefühl  ist  das  Erste  und  das  Letzte,  was 
uns  die  bildende  Kunst  vermitteln  soll  —  jede 
aber  ist  an  ihre  (Frenzen  gebunden,  Baukunst 
und  l'lastik  an  den  wirklichen  Raum,  die 
.Malerei  an  eine  Fläche.  Das  moderne  Raum- 
gefühl der  Malerei  ist  eben  dadurch  von  dem 
Raumgefühl  der  Barockmalerei  verschieden, 
daß  diese  immer  unbefriedigt  bleiben  muß,  den 
Raum  vortäuschen  will  —  man  möchte  sagen, 
die  Wand  durchbrechen,  mit  dem  Koj)!  hindurch 
will,  während  die  moderne  Malerei  den  Raum 
auf  die  Fläche  bannen  kann,  und  damit  (wirk- 
lich die  Kantische  Erkenntnis:  ich  kann  aus 
dem  Raum  nicht  hinaus,  in  die  Tat  umsetzend) 
auf  die  Raumtäuschung  verzichtet :  sie  wett- 
eifert nicht  mehr  mit  den  übrigen  Künsten. 
Dies  ist  gerade  das  Wunderbare :  daß  die 
Malerei,    indem    sie    sich    ganz  und   gar  von 


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der  Arcliuekiiir  betreit  hat,  doch  ihr  wieder 
auf  anderem  Wege  nahe  kommt.  ])ie  mo- 
derne Wandmalerei  erfordert ,  daß  sie 
sich  schart  von  der  architektonischen  Um- 
gebung abhebt,  sie  verlangt  feste  Umrahmung, 
sie  erfordert  im  letzten  Grunde  eine  strenge 
wahrhafte  Architektur,  die  in  klaren 
Raumkörpem,  Flächenbildungen  und  I.inicn- 
gliedern  einen  organischen  Raunigedanken 
gestaltet.  Dieser  Punkt  ist  von  eminenter 
Wichtigkeit,  indem  aus  der  tiefen  anschau- 
lichen Krkenntnis  der  inneren  Beziehung 


von  .Malerei  und  Architektur  und  ihrer  dann 
wurzelnden  Grenzen  das  neue  Stilgefühl, 
das  wir  ersehnen,  erwachsen  wird.  Was  Marees 
angestrebt  hat,  hat  auf  dem  Gebiete  der  Ar- 
chitektur in  seinen  letzten  Werken  auch  Messel 
erstrebt.  Es  ist  nur  die  Krage,  ob  die  Nach- 
folger dieser  Bahnbrecher  das  Feld  gewinnen 
werden.  Unter  den  Malern  sind  vor  allem 
H  o  d  1  e  r  und  H  o  f  e  r  und  in  einzelnen  Werken 
1-.  V.  Hofmann  als  die  Träger  dieser  mo- 
dernen Gedanken  zu  nennen.  — 

BERLIN.  HERMANN    SCHMITZ. 


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§'  lUumciivase. 


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Professor 
B.  Löffler. 
Wiener 
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M.  MEURERS  „VERGLEICHENDE  FORMENLEHRE  DER  PFLANZE". 


VON    MAX    SELIGER— LEIPZIG. 


Nach  vielem  Anregenden  aber  Kurzlebigen 
in  der  Werkstatt  des  Kunstgewerbes  und 
der  Architektur  einmal  wieder  eine  Tat  —  ein 
Werk    von    Bedeutung    und    tieferer  Wirkung ! 

Bei  denen,  die  Architektur  und  Kunst- 
gewerbe ausüben ,  praktisch  oder  lehrend, 
ist  Meurers  Name  wohlbekannt,  und  auch 
das  Ausland  weiß  ihn ,  nach  dem  Absätze 
seiner  früheren  Werke,  »Pflanzenformen«  und 
»Pflanzenbilder«  zu  urteilen,  wohl  zu  schätzen. 

Auf  dem  klassischen  Boden  Roms  mußten 
diese  Studien    am    ehesten    angeregt    werden 


und  deutsche  Gründlichkeit  konnte  sie  am 
sichersten  zu  so  fruchtbarem  Ergebnisse  führen. 
Einige  Züge  aus  Meurers  Leben  und  Ent- 
wicklung als  Lehrer  fördern  das  Verständnis 
des  Werkes  —  eines  Lebenswerkes  — 
unseres  Autors.  Er  war  bekanntlich  nach 
Schaller  als  Lehrer  für  dekorative  Malerei 
an  der  Schule  des  Königlichen  Kunstgewerbe- 
museums in  Berhn  tätig.  Damals,  nach  dem 
70  er  Kriege,  bei  dem  deutschen  allgemein 
erwachenden  SchafFensdrange,  ging  er  vor,  wie 
man  besser  nicht  vorzugehen  wußte.     Er  ver- 


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schaflte  durch  das  da- 
malige Kronprinzen- 
paar,  Kaiser  Friedrich 
und  Cicmahlin,  die  das 
K  unstgcwerbe  -  Museum 
und  die  mit  ihm  ver- 
bundene Schule  dem 
Suutli  Kensingtun  Mu- 
seum nachgegründet 
hatten,  grüße  Permesse 
für  sich  und  seine  Mal- 
klasse,  öffnete  sich  so 
die  italienischen  Paläste 
und  Kirchen  und  ko- 
pierte mit  seinen  Schü- 
lern die  herrüchen  \ot- 
bilder  einer  Zeit  groUer  . 
Tüchtigkeit  und  Har- 
monie licr  polychromen 
Raumkunst  und  insbe- 
sondere der  dekorativen 

Malerei  großen  Stiles.  Diese  Studien  wurden 
später  als  Lehrmaterial  auf  andere  deutsche 
Kunstgewerbe  -  Schulen  verteilt  und  haben 
manche  segensreiche  Anregung  und  Spur 
zu  ähnlichem  Werke  hinterlassen.  Als  der 
Museumsgeist  die  Nacheiferung  der  Sonntags- 
kunst der  früheren  Jahrhunderte  mit  Wort, 
Kupferstich  und  Museumsstück  noch  lange 
Zeit  empfahl,  war  Meurer  längst  wieder  weiter 

—  ähnlich  weiter  wie  die  moderne  Malerei, 
die  wieder  mehr,  als  bisher  üblich,  auf  die 
Natur  zu  blicken  begann,  und  nicht  mehr 
nur  allein  aul  der    ^ Väter  Werke«. 

Es  ist  durchaus  bezeichnend  für  das  Vor- 
gehen Meurers ,  für 
seine  pädagogische 
Befähigung  als  Füh- 
rer, daß  ihm  der  an- 
fangs gewählte  Weg 
des  Nacheifcms, 
eines  mehr  äußer- 
Uchen  Übernehmens 
des  Erbes  der  Väter, 
bald    nicht  genügte. 

—  Er  hatte  erkannt, 
daß  auch  die  .Alten 
zumeist  ihre  herr- 
lichen Werke  und 
reizvollen  Elemente 
ihrer  Schöpfungen 
nicht  aus  der  Tiefe 
des  Gemüts  erfunden 
hatten.  Er  fand,  daß 
sie  ihre  Schätze  aus 
der   Natur    gehoben 


und  es  verstanden  hatten 

—  jede  Zeitepoche  in 
eigenartiger  und  cha- 
rakteristischer Weise  — 
sie  gut  zu  verwenden. 
Dabei  bildeten  sie,  dem 
neuen  Zeitgeist  und  an- 
derer Natur-AulTassung 
entsprechend,  die  über- 
kommenen Kunstfor- 
men allmählich  um  und 
entwickelten   sie  weiter 

—  in  manchen  Zeiten 
nicht  zu  unserem  heu- 
tigen Entzücken !  —  Die 
Frucht  der  eingehenden 
Studien  Meurers  waren 
die  bekannten  Werke 
jPllanzcnlormen«  und 
»Pnanzenhildcr«.  Die 
Worte  deuten  schon  an, 

in  welchem  Umfange  er  das  pflanzliche  Ele- 
ment in  den  Kunstformen  vorfand.  Reisen 
nach  Griechenland,  Ägypten  und  Wanderungen 
durch  die  .Museen  der  europäischen  Weltstädte 
brachten  immer  schönere  und  zahlreichere  Be- 
lege für  seine  Entdeckungen. 

Die  Herkunft  architektonischer  Formen 
aus  der  Natur  ist  ja  auch  von  anderen  nach- 
gewiesen worden.  Ich  erwähne  nur  die  Namen 
P)ötticher  und  Jacobsthal.  .\berdie  breite, 
durch  treffende  Beispiele  und  überzeugende 
Erklärungen  systematisch  durchgeführte  Par- 
allele voll  glänzender  Betrachtungen  über  Art 
imd  Ursachen  der  Umformung  der  Kunstformen 
ist  uns  erst  von 
Meurer  geschenkt 
worden.  Dabei  hat 
er  in  seinen  Be- 
trachtungen ülior 
Zweck  und  Ursachen 
dcrNatur-  undKunst- 
formen  so  entschei- 
dend angeregt,  daß 
es  nicht  zu  viel  sein 
dürfte ,  wenn  ich 
sage,  Meurer  ist  der 
Vater  vieler  Besitz- 
stückc  im  modernsten 
kunstgewerblichen 
Regel-  und  Tugend- 
schatz der  jetzt  schaf- 
fenden jungen  Gene- 
ration und  ihrer  Pro- 
])agatoren.  Meurer 
ist    jedenfalls     einer 


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der  besten  und  frühesten  Pioniere  der  neuen 
kunstgewerblichen  Bewegung  gewesen,  und  er  ist 
noch  jetzt  der  beweiskräftigste  Anwalt  und  Ver- 
teidiger des  Strebens  der  schattenden  jungen 
Generation  nach  mehr  Natur  und  weniger  (io- 
schichte.  Trotzdem  wird  er  von  vielen  Moder- 
nen, die  sich  nicht  die  Zeit  nehmen,  selber 
eine  Meinung  über  seine  Werke  zu  bildeü,  son- 
dern anderen  nachsprechen,  bekämpft! 

Meurers     monumentale     Arbeit     erscheint 
uns  gerade  daduri  h  besonders  wertvoll,    daß 


er  uns  nicht  auch  noch  seine  eigene  Kunst 
anbot  und  damit  die  vielen  persönlichen  Künste 
unsrer  individualistisch  eitlen  Zeit  unnötig  ver- 
mehrte, sondern  daß  er  uns  statt  einer  Meurer- 
kunst  einen  Weg  zu  der  Kunst  überhaupt  wies 
und  ihn  so  gut  ausbaute,  daß  die  Mehrheit, 
die  die  Arbeit  einer  großen  Nation  machen 
muß,  auf  diesem  Wege  marschierend,  tüchtiger 
werden  kann. 

Meurer  hat    der    modernen  Bewegung    im 
Kunstgewerbe  und  in  der  Architektur  einen  be- 


^  J.  Ilotfinann. 
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deutenden  iJicnsterwiesen,  indem  eralsgewissen- 
halter  Lehrmeister  auftrat  und  sich  bemühte, 
die  Nation  vor  oberflächlichen  Studien  und 
zu  billigen  und  zu  schnellen  Erfolgen  zu  be- 
wahren. Die  Schöpfer  der  breiten  Mittel- 
straLJe,  die  nicht  die  glänzende  üabe  für  den 
starken  Tageserfolg  t)esitzen,  die  die  Lust  des 


schnellen  Wechsels  nicht  befriedigen  können, 
führt  er  durch  eine  sorgfältige  Studienweise 
so,  daß  auch  ihnen  Früchte  erwachsen  müssen. 
Zugleich  bewahrt  er  sie  vor  den  kunstschöp- 
ferischen Kinderkrankheiten  und  Purzelbäumen. 
Darin,  daü  Meurer  die  historisclie  Kunst- 
formensprache mit  einer  neuwissenschaftlichen 


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Koloinaii 
Moser. 
Adresse  und 
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Hand- 
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edelsteinen. 


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Naturformensprache  zu  verbinden  versteht,  — 
darin  hegt  eine  Gewähr  der  Dauer  und 
des  Erfolges  seiner  Lehre.  Hofifenthch  wird 
sein  Werk  andere  anregen,  die  herrliche  Or- 
nameniik  und  Tektonik  der  arabisch  mau- 
rischen Welt  und  Indiens,  von  der  wir  noch 
wenig  wissen,  durchzuforschen  und  die  Her- 
kunft ihrer  Formen  mit  denen  anderer  St'le 
und  mit  ihren  Naturvorbildern  zu  vergleichen. 
Ich  sagte  oben  von  dem  jungen  kunst- 
gewerblichen Cleschlecht,  daß  sie  nach  mehr 
Naiur  und  weniger  Geschichte  strebten.  Aber 
ganz  jüngst  wurde  die  letztere  im  Unterricht  doch 
wohl  unterschätzt  und  sehr  stiefmütterlich  be- 
handelt, wühl  auch  weil  sie  zu  trocken  und 
losgelöst  von  Natur  und  Entwicklung  ange- 
boten wurde.  Hier  setzt  Meurer  mit  seiner 
belebenden     und     überzeugenden    Vergleichs- 


methode ein  und  versteht  es  zu  beweisen, 
da(.j  Kunst  und  Natur  eng  verbunden  sein 
müssen  und  daß  jede  dieser  beiden  Welten 
von  jeder  Zeit  mit  eigenen  neuen  Augen  ge- 
sehen wird ! 

Als  Meurer  auf  dem  Boden  Roms,  aui 
dem  kostbare  Schätze  der  griechischen,  ägyp- 
tischen und  kleinasiatischen  Kunst  mit  der 
Blüte  aller  späteren  Epochen  wie  in  einem 
reichen  Tejtpiche  zusammengewebt  sind,  seine 
Entdeckungen  vermehrte,  gründete  er  dort 
eine  Art  Lehr-Seminar,  indem  er  junge  Lehrer 
deutscher  Kunstgewerbeschulen  bei  sich  auf- 
nahm und  in  seine  Welt  einweihte.  Mit  ihnen 
stellte  er  das  erste  Material  für  die  uns  vor- 
liegenden Werke  zusammen.  Bei  seinem  Be- 
streben wurde  er  von  der  preußischen  Regie- 
rung in  sehr  dankenswerter  Weise  unterstützt. 


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Die  iii)pige  Flora  der  römischen  Landschaft 
und  ihre  Ergiebigkeit  fast  während  des  ganzen 
lahrei,  und  die  große  kunsthi.sl(  irische  Schatz- 
kammer machten  Rom  für  vergleichende  Kunst- 
und  Naturstudien  besonders  geeignet.  Meurers 
Lehre  und  sein  durch  seine  Seminaristen  viel- 
fach in  deutsche  Kunstgewerbeschulen  ein- 
gepflan/les  gediegenes  Naturstudium  ist  trotz 
mancher  Mißverständnisse  und  kurzsichtiger 
Unterschätzungen,  denen  sie  begegneten,  un- 
auffällig und  ruhig  im  Wachsen  und  Wirken 
begrifl'en.  Seine  Naturstudienweise  ist  auch 
eine  Art  Gegengift  gegen  den  formauflösenden 
Impressionismus,  der  aus  der  Malerei  herüber 
kommt  und  in  das  Kunstgewerbe  einzubrechen 
droht,  und  der  nur  sehr  beschränkt  anwend- 
bar sein  dürfte. 

Die  von  Meurer  ausgebildete  .Natursludien- 
weise  aber  bedeutet  allein  schon  durch 
ihre  zu  eingehendem  Beobachten  zwingende 
Methode,  die  für  Zeichner  und  Flastiker  gleich 
geeignet  ist,  ein  großes  Verdienst  um  unsere 
technischen  Schulen  1  Nur  die  alten  Japaner 
hatten  einen  ähnlichen  gewissenhaften  Be- 
obachtungsweg eingeschlagen.  Seine  Natur- 
studienwcise  ist  die  Vermählung  wissenschaft- 
lichen   und    künstlerischen    Geistes.     Wie    er 


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Schnittbilder,  Auf-  und  Grundrisse  der  ganzen 
l'llanze  und  einzelne  Teile,  wie  er  Teilungsideen, 
die  Lebens-  und  Wachsbedingungen,  die  Ein- 
llüsse  auf  die  Formung  der  Organe  der  Ptlanze 
studiert ,  wie  er  sie  von  allen  Seiten  und 
Gesichtspunkten  prüft  und  erforscht,  wie  er 
das  ideale  Miltelbild  aus  verschiedenen  Exem- 
plaren einer  Pflanze  herausarbeitet  —  das  ist 
Wissenschaft  und  Kunst  zugleich !  Dieses 
Studium  bedeutet  für  das  spätere  Schaffen 
und  Erfinden  des  technischen  Künstlers  ein 
sehr  solides  Fundament! 

Wie  andererseits  beim  Schaffensprozeß 
selber  wichtige  Lehren  aus  den  Werken  der 
früheren  Schöpfer  -  Geschlechter  gewonnen 
werden  können,  zeigt  Meurer  durch  seine 
Methode  des  Erforschens  der  Abstammung 
der  Kunstform  (Entwicklung~i  und  des  gleich- 
zeiligen  Vergleichens  der  Kunstform  mit  der 
genau  erforschten  Xaturform.  Er  geht  also 
beiden,  der  Kunst  und  der  Natur,  nach  und 
erforscht  die   Ursachen  ihres  Werdens. 

So  schließt  sich  der  Ring  des  mensch- 
lichen Schaffens.  Der  Natur  geht  der  Mensch 
nach  und  schafft  ihr  nach  seine  Kunstwerke, 
ähnlich  bildend,  aber  doch  selbständig  mit 
anderer  Technik,  allein  durch  diese,  durch  seine 


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Aufi^abe  und  die  Erinnerung  beschränkt.  — 
Schon  allein  um  der  Tugenden  der  deut- 
schen Gründliclikeit,  Gewissenhaftigkeit  und 
Logik  willen,  die  Meurers  Lehre  verbürgt  und 
die  wir  bei  jeglicher  konkreten  Arbeit  erwar- 
ten, ist  Meurers  Studienweise  für  uns  eine 
Forderung,  die  wir  für  die  deutsche  Kunst- 
gewerbeschule aufrecht  erhalten  müssen. 

Noch  einige  Worte  zu  dem  Werke  selbst. 
Es  erschien  das  Tafelwerk,  meist  Tafeln  von 
ca.  100:75  cm  mit  linearen  Zeichnungen  in 
Lichtdruck  und  Lithographie  gedruckt  und 
gehandelt  von  Albert  Frisch — Berlin,  Lützow- 
straße  66.  Preis  600  M.  Das  Tafelwerk 
ist  in  erster  Linie  für  Schulzwecke  berechnet, 
es  fuhrt  die  Entwicklung  des  Ornamentes, 
des  Altertums  und  Mittelalters  und  seine  \Ji- 
sprungsformen  (meist  in  der  Pflanzenwelt)  vor. 


Das  jüngst  bei  Gerhard  Kühtmann  in 
Dresden- A.  erschienene  Handbuch  »Ver- 
gleichende F'ormenlehre  des  Ornamentes  und 
der  Pflanze,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  F'.ntwicklungsgeschichte  der  architek- 
tonischen Kunstformen«  ist  ein  dicker  Hoch- 
formatband von  ca.  36  :  26  :  5  cm,  mit  600 
Textseiten  und  etwa  2000  Illustrationen,  zu- 
meist Verkleinerungen  der  oben  erwähnten 
Tafeln,  die  durch  Tonätiungen  (nach  Photo- 
graphien naturalistischer  Aufnahmen")  ergänzt 
sind.      Preis  des  Bandes  60  M. 

Das  Handbuch  ist  zugleich  der  Führer 
durch  das  Tafelwerk.  Es  ist  aber,  da  die 
Tafeln  darin  verkleinert  enthalten  und  durch 
neue  Bilder  reich  vermehrt  sind,  völlig' selbst- 
ständig benutzbar  und  für  den  Privatgebrauch 
praktischer.    Dem  Architekten,  Kunstgewerbler 


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und  Kunstgclehrten  wird 
es  ein  wertvuller  Erklärer 
und  Anreger  sein.  Das 
Handbuch  will  nicht  Bei- 
spiele geschichtlicher 
Ornamente  geben,  son- 
dern durch  Vergleiche 
der  wichtigsten  Orna- 
mentiypen  der  Xer- 
gangenheit  mit  ihren 
Abstamniunusrormen  die 
Entwicklung  von  Kunst- 
formen und  den  Schaf- 
fensprozi'ß  des  erfmden- 
den  Künstlers  aufhellen. 
Es  werden  die  Urformen 
vieler  Typen  gezeigt  und 
besprochen  und  die  L'm- 
bildungseinfiüsse  nach- 
gewiesen und  veran- 
schaulicht. Daraus  er- 
geben sich  von  sel- 
ber mannigfache  Anreg- 


ungen und  Winke  für 
den  bildenden  Künstler, 
wie  in  unseren  Tagen 
weiter  zu  entwickeln  ist. 
—  Meurer  beweist  auch, 
daß  Erfindungen undUm- 
wantllungen  der  Kunst- 
formen  nicht  allein  aus 
dem  freien  Entschlüsse 
einzelner  Künstler  ent- 
sprangen, sondern  daß 
sie  aus  gemeinsamen 
religiösen  und  sittlichen 
r.egriffen  entsprossen, 
teilweise  eine  Art  Sym- 
bolik des  ganzen  Volks- 
empfindens und  Denkens 
darstellten,  eine  Sprache, 
die  auch  der  Laienwelt 
durchaus  verständlich 
war!  Das  erklärt  die 
einheitlichere  und  anhal- 
tendere frühere  Formen- 


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J.  Hoffinann.  ■ 

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spräche  —  während  unsere  uneinheitliche  ex- 
perimentierende noch  stark  persönUche  Kunst- 
sprache (besonders  die  dekorative),  die  Zer- 
rissenheit der  rehgiösen,  partikularistischen, 
sogar  subjektivistischen  Denkweise  unseres 
Volkes  und  unsere  verschiedenen  sittlichen 
Überzeugungen  widerspiegelt.  Solange  uns  in 
der  Nation  in  dieser  Beziehung  kein  einheit- 
liches Denken  durch  Unterricht  und  Sitte 
erblüht ,  ist  wohl  auch  von  den  Künstlern 
nicht  der  nationale  Stil  zu  erwarten. 

Einzelne  Kapitel  Meurers  in  dem  Hand- 
buche sind  von  besonders  aufklärender  Kraft. 
Zum  Beispiel  jenes  über  die  Entwicklung  der 
Palmette  und  ihrer  Umbildung  der  jonischen 
Kapitälvolute,  die  er  aus  ägyptischen  Pflanzen- 
fornien  ableitet.  Glänzend  ist  das  Kapitel  über 
einzelne  keramische  Formen  und  ihre  ent- 
sprechenden Pflanzenblüten,  insbesondere  die 
Rankenhenkel  der  griechiFchen  Kratergefäße. 
Schlagend  wirkt  die  Analogie  von  dem  Blätter- 
und  Blütenschniuck  der  altägyptischen  Men- 
schen und  der  Übertragung  dieser  Schmuck- 
formen in  die  Malerei    und  in   das  Relief  an 


entsprechende  Glieder  der  .'\rchitektur.  (Stirn- 
binden —  Architrav- Dekorationen,  Hals- 
schmuck —  Säulenhalsomamentik  usw.) 

Ebenso  belehrend  ist  der  Abschnitt  über 
die  Pflanzensäule  der  Ägypter  und  die  Schmuck- 
säulchen  der  Pompejaner,  über  die  Araceen 
in  der  persisch  indischen,  und  die  Farne 
untl  farnähnliche  Bildungen  in  der  gotischen 
Architektur. 

Nicht  vergessen  sei  die  Unterstützung,  die 
dem  tiefgehenden  Werke  Meurers  durch  den 
Staat  zu  teil  wurde  und  der  erfreulichen 
und  verdienten  Schätzung,  die  es  Feitens 
verschiedener  Ministerien  erfuhr,  die  das 
Tafehvcrk  und  das  Handbuch  in  großer 
Zahl  für  ihre  technischen  Schulen  erwarben. 
Eine  gute  Kapitalanlage   für  die  Nation ! 

Ä 

Die  Natur  maclit  nidits  Inkonfequentes.  lede 
Oeftalt,  fie  fei  fcliön  oder  häßlich,  hat  ihre  Lirfache, 
von  der  fie  beltimnit  wird,  und  unter  allen  orga- 
nifchen  Naturen,  die  wir  kennen,  ill  keine,  die 
nidit  wtire,  wie   fie   lein  kann.  Goethe. 


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ZWECKFORM 

UND 

ORNAMENT. 

Über  die  Fragen: 
Ist  eine  Form, 
welche  ihren  Zweck  in 
vollivommenster  Weise 
erlüllt,  aber  auf  alles 
schmückende  Heiwerk 
verzichtet, schön?  und: 
Ist  das  Ornament  nicht 
im  Grunde  genommen 
eine  störende  Beigabe, 
auf  die  eine  ideale 
Kunst  verzichten  sollte  r 
hat  man  seit  alters 
gestritten.  Vielleicht 
gelingt  es  mir,  dem 
Problem  mit  Hilfe  der 
»Harmonie  des  Kon- 
trastes« näher  zu  kom- 
men. —  Harmonie 
des  Kontrastes  nenne 
ich  eine  neue  Theorie 
über  das  Wesen  des 
Schönen  (nicht  der 
Kunst) ,  welche  auf 
zwei  Tatsachen  fußt: 
zum  ersten,  daß  aus 
dem  zeitweiligen  Ruhe- 
bedürfnis unserer  Sin- 
nes-(  )rgane  und  Gei- 
steskräfte ein  Trieb 
nach  Wechsel  der  Ein- 
drücke hervorgeht,  zum 
andern ,  daß  geistige 
Tätigkeiten ,  die  wir 
schon  einmal  ausgeübt 
haben  und  solche,  die 
mit  andern,  uns  schon 
geläufigen,  in  Wechsel- 
beziehung stehen,  sich 
in  unserm  Hirn  be- 
sonders leicht  voll- 
ziehen. Aus  diesen 
Tatsachen  ergibt  sich, 

daß  wir  als  angenehm  überall  den  Wechsel  von 
Eindrücken  empfinden ,  daß  aber  die  zu  den 
geistig  bereits  verarbeiteten  Eindrücken  sich 
hinzugesellenden,  kontrastierenden,  uns  an  sich 
nicht  neu  zu  sein  brauchen ,  um  eine  ange- 
nehme Wirkung  zu  erzeugen,  ja,  daß  wir  es 
sogar  als  besonders  angenehm  emjifinden, 
wenn  wir  in  dem  kontrastierenden  Ein- 
drucke Bekanntes,  uns  bereits  Lieba:ewordenes 


2J4 


wiedererkennen  oder 
wenn  der  neue  Ein- 
druck mit  dem  alten 
durch  geistige  Brücken, 
über  die  hinweg  wir 
den  neuen  schnell  und 
leicht  aufzufassen  ver- 
mögen, verbunden  ist. 
Eindrücke ,  die  diese 
Bedingungen  erlüllen 
und  von  unseren  vor- 
nehmsten Sinnesorga- 
nen, Auge  oder  Ohr  auf- 
gefaßt werden,  nenne 
ich  schön.  Wenn  ich 
von  Kontrasten ,  als 
welche  ich  unter  Um- 
ständen schon  die 
feinsten  Nuancen  von 
Tönen,  Größen,  Rich- 
tungen usw.  bezeichne, 
und  von  geistigen  Brük- 
ken,  d.  h.  von  gegen- 
seitigen Beziehungen, 
rede,  so  denke  ich 
dabei  nicht  nur  an 
das  Zusammenwirken 
der  Einzelteile  des 
als  schön  erkannten 
Gegenstandes,  sondern 
auch  an  dessen  Ver- 
hältnis zur  Umgebung, 
zur  Zeit  seiner  Ent- 
stehung, zur  geistigen 
Beschaffenheit  des  Ge- 
nießenden und  an  vie- 
les andere.  Je  feiner 
die  Kontraste  und  die 
vorhandenen  Bezieh- 
ungen gegeneinander 
abgewogen  sind ,  für 
um  so  schöner  halte 
ich  einen  Gegenstand. 
Die  Schönheit  liegt 
nach  der  Theorie  von 
der  Harmonie  des  Kon- 
trastes also  in  dem  an- 
gemessenen Verhältnis  des  Neuen  zum  Alten, 
sie  erstreckt  sich  auf  Form  und  Inhalt,  auf 
Natur  und  Kunst,  sie  liegt  zugleich  im  Gegen- 
stand selbst  und  im  Intellekt  des  Menschen. 
Kehren  wir  nach  diesen  nur  andeutenden 
Vorbemerkungen  zu  den  eingangs  aufgewor- 
fenen Fragen  zurück ! 

Wenn  alle  Teile    eines  Gegenstandes  sich 
bezüglich  der  Form  ihrem  Zwecke  vollkommen 


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anpassen ,  fordern  sie  uns 
zum  Gebrauche  geradezu 
heraus.  Der  runde  Stiel 
einer  Schaulei  ruft  uns 
»förmlich«  zu:  i  l'asse 
mich  an!«  ihre  glatte, 
eiserne  Fläche :  ^Schneide 
mit  mir  die  Erde  auf!« 
Ein  Gefäli  sagt  uns:  ^Ich 
bin  ein  Hohlraum  zum 
Fassen  einer  Flüssigkeit  , 
und  der  Griff  eines  Schlüs- 
sels: »Ich  bin  rund,  da- 
mit ich  dir  nicht  wehe  tue, 
damit  du  dir  die  Tasche 
nicht  zerreißt,  wenn  du 
mich  einsteckst,  ich  bin 
breit,  damit  du  mich  leicht 
herumdrehen,  ich  habe  eine 
uToße  Öffnung,  damit  du 
mich  leicht  aufhangen 
kannst' .  Durclrdiese deut- 
liche Sprache ,  die  sie 
reden,  erleichtern  es  uns 
die  Gebrauchslormen,  sie 
geistig  zu  erfassen.  Ihre 
Geberdesprache  wird  uns 
um  so  verständlicher ,  je 
häufiger  wir  ebendieselben 
Grimdformen  in  Verbin- 
dung mit  ebendemselben 
/.wecke  antreffen.  Diese 
/.weckformen  erfüllen  da- 
her durch  ihr  bloßes  Da- 
sein die  eine  Hälfte  der 
Forderungen,  welche  ich 
an  das  Schöne  stelle, 
sie  sind  für  uns  das  ^Be- 
kannte'.  —  Nun  fordert 
aber  die  Harmonie  des 
Kontrastes  außer  dem  Be- 
kannten noch  etwas  Neues, 
Eigenartiges,  wodurch  der 
Gegenstand  sich  von  einem 
andern,  zur  Erfüllung  des 
selben  Zweckes  geschaffe- 
nen, unterscheidet.  Dieses 
Neue.  Eigenartige,  kann  bei  Gebrauchs- 
gegenständen vornehmlich  auf  dreierlei  Weise 
erzielt  w^erden:  1)  durch  Variieren  der  Ge- 
samtform innerhalb  der  (Jrenze  des  Zweck- 
mäßigen, 2)  durch  Wechsel  des  Materials, 
dadurch  z.  B.,  daß  wir  ein  Trinkgefäß  das 
einemal  aus  Glas,  das  anderemal  aus  Holz, 
Steingut,  Porzellan,  Zinn,  Silber,  Gold,  Kristall 
oder  sonst  einem  Stoffe  herstellen,  oder  3)  da- 


II 


durch,  daß  wir,  wenn  der 
Zweck  mehr  oder  weniger 
gebieterisch  immer  wieder 
dasselbe  Material  fordert. 
^^^  die  Obirtläche  dieses  Ma- 

J^^^^  lerials  durch  Zutaten,   wie 

i^^^  l'arbe.   Einritzungen,    Re- 

liefs, Atzungen,  besondere 
Art  des  Geflechtes  und 
dergl.  variieren.  Diese 
Variationen,  die  in  einem 
gewissen  Gegensatz  zur 
reinen  Zweckform  stehen, 
I    ,  ohne     doch      den     Zweck 

ß.    ^L  zu  beeinträchtigen,  bilden 

i^H^  eben  das,  was  man  ürna- 

y  ment    nennt.    —    Die  Be- 

deutung dieses  Ornamen- 
tes als  Bestandteil  eines 
auf  Schönheit  Anspruch 
machenden  Gebrauchs- 
gegenständes  wächst  hier- 
nach in  demselben  »Maße, 
in  welchem  die  Zahl  der 
verschiedenen  Materialien, 
A  unter  denen  wir  bei  Her- 

stellung eines  Gebrauchs- 
gegenstandes wählen  kön- 
nen ,  und  die  Zahl  der 
«Variations  -  Möglichkeiten 
der  Gesamtform  sich  ver- 
ringert. Das  .Möbel  z.  B., 
^"-\  bei  dessen  Herstellung  wir 

^  zwischen    Plünderten    von 

verschiedenen  Hölzern 
wählen  können  und  bei 
dem  eine  außerordentlich 
große  Zahl  von  Variations- 
möglichkeiten der  Gesamt- 
form vorliegt,  bedarf  des 
Ornamentes  in  viel  ge- 
ringerem Maße  als  der 
Teppich,  bei  dem  eigent- 
lich für  Wohnzimmer  nur 
Wolle  in  Frage  kommt. 
Es  würde  eine  unerlräg- 
liehe  M<jnotonie  entstehen, 
wollte  man  bei  Tepijichen  ein  für  allemal  auf 
das  Ornament  etwa  zu  gunsten  nur  soge- 
nannter glatter,  durchgehender  Farben  ver- 
zichten. Bei  einem  Fahrrade,  wie  überhau])t 
bei  den  meisten  Maschinen ,  wird  dagegen 
der  Harmonie  des  Kontrastes  vollauf  Genüge 
getan  einerseits  durch  die  überaus  zweck- 
mäßige Ausgestaltung  aller  Teile,  anderseits 
durch  den  reichen  Wechsel  zwischen  glänzenden 


235 


Q  I-t..(.-ssm 
^1  J.  Hiittmaiin. 
f^  lläni>clnn)pp. 

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Silber  mit  | 

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lind  nicht  glänzenden,  lackierten  und  nicht 
lackierten  Teilen,  zwischen  Holz,  Metall,  Leder 
usw.,  durch  die  meist  sorgfäTtis;  gewählten  Pro- 
])ortionen,  durch  das  sehr  häufige  Vorkommen 
mathematischer  Kurven  (die  an  sich  schon  schön 
sind,  weil  jeder  ihrer  Teile  Richtungswechsel 
bei  Stetigkeit  in  der  Befolgung  eines  mathemati- 
schen Gesetzes  zeigt),  durch  radial-symmetrisch 
angeordnete  Teile,  wie  Zähne,  Speichen,  durch 
rhythmische  Reihungen,  wie  Kettenglieder, 
durch  die  Regelmäßigkeit  und  Exaktheit  der 
wirklichen  Bewegungen  in  bald  sich  drehender, 
bald  hin-  und  hergleitender  Richtung  usw. 
Eine  Hinzufügung  von  Ornament  im  eigentlichen 
Sinne  würde  hier  bei  der  schon  so  großen 
ästhetischen  Wirksamkeit  all  der  genannten 
Elemente  mehr  schaden  als  nützen. 

Noch  zahllose  andere  Erwägungen  bestim- 
men das  Verhältnis  des  Ornamentes  zur  Zweck- 
form. Es  sei  auf  nur  einige  der  in  Betracht 
kommenden  Umstände  noch  hingewiesen. ' 

Da  das  Ornament  unser  Auge  und  Geist 
stärker  in  Anspruch  nimmt  als  schlichte, 
ruhige  Flächen ,  so  sind  reiche  Ornamente 
bei  Dingen,  die  wir  nur  selten  und  nur  kurze 
Zeit  zu  erblicken  pflegen,  erträglicher  und 
angebrachter  als  bei  Dingen ,  die  wir  oft 
und  lange  zu  betrachten  gezwungen  sind, 
farbige  Glasfenster  befriedigen  uns  aus  diesem 
Grunde  auf  Korridoren,  die  nicht  zum  stän- 
digen Aufenthalt  dienen,  mehr  als  im  Wohn- 
zimmer, wo  sie  auf  die  Dauer  unausstehlich 
würden.  Die  Natur  gibt  uns  hier  das  beste 
Vorbild.  Sie  stattet  den  flüchtigen  Regen- 
bogen, den  Sonnenauf-  und  Untergang,  die 
kurzlebige  Blüte  uud  den  Schmetterling  mit 
einer  Farbenpracht  und  ornamentalen  Mannig- 
faltigkeit ohnegleichen  aus,   aber  überzieht  den 


.Mittagshimmel,  die  Oberfläche  des  Meeres, 
die  weite  Steppe,  Wiese,  Feld  und  das 
Laubgewand  der  Bäume  mit  gleichförmigen, 
meist  gebrochenen  und  wenig  aufdringlichen 
Farben. 

Zum  Schluß  noch  ein  Wort  über  das  Ver- 
hältnis des  Ornamentes  zur  Würde  des  Gegen- 
standes. Man  kann  ohne  weiteres  einen  Salz 
Ruskins,  der  sich  auf  das  Pathos  in  der  Dich- 
tung bezieht,  auf  das  Ornament  übertragen : 
»In  eben  dem  Maße  als  die  Empfindung  edel 
ist  dort,  wo  sie  durch  die  Größe  ihrer  Ver- 
anlassung gerechtfertigt  erscheint,  in  eben 
dem  Maße  ist  sie  unvornehm,  wo  nicht  Ver- 
anlassung genug  für  sie  vorhanden  ist«  (Eugen 
Diederichs'sche  Ausgabe,  Band  13  S.  210). 
1  )as  heißt  reicher  Schmuck  ist  weniger  an- 
gebracht, wo  es  sich  um  Dinge  für  die  ge- 
wöhnlichsten Zwecke  handelt  als  dort,  wo 
ein  großer  Zweck,  ein  würdiger  Inhalt  äußer- 
lich durch  eine  entsprechende  Form  zum 
Ausdruck  gebracht  werden  soll.  Ein  Tempel 
verträgt  neben  edleren  Gesamtformen  auch 
einen  reicheren  ornamentalen  Schmuck  als 
ein  Güterbahnhof.  Mit  Recht  stattet  man 
einen  Thron  anders  aus  als  einen  Schaukelstuhl. 

Nach  alledem  dürfte  es  klar  sein,  daß  es 
ebenso  töricht  wäre,  das  Ornament  als  etwas 
Störendes  ein  für  allemal  zu  verdammen,  als 
auch,  es  wahllos  überall  anzubringen.  Des 
Künstlers  Aufgabe  ist  es,  in  jedem  beson- 
deren Falle  das  Ornament  mit  der  Zweck- 
form in  Einklang  zu  bringen,  es  bald  mehr, 
bald  weniger  in  den  Vordergrund  zu  rücken. 
Im  richtigen  Abwägen  dieses  gegenseitigen 
\'erhältnisses  liegt  ein  großer  Teil  dessen, 
was  man  stilistisches  Taktgefühl  nennt.  — 

»ESSAU.  OTTO    SCHEFFERS. 


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Obstaufsatz. 

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IMITATION  UND  SURROGAT. 


VON    KARI.    HEINRICH    OTTO. 


Imitalioii  und  Surrogat,  Nachalimuiig  und  Ersatj, 
sie  sind  immer  noch  lockend  und  Gewinn  ver- 
heißend, sie  werden  immer  noch  gesucht  und 
angewandt  wie  bereits  vor  lausenden  von 
Jahren.  Unsere  Ästhetiker  sind  Imitationen  und 
Surrogaten  stets  scharf  zu  Leibe  gegangen. 
Häufig  mit  Recht,  aber  sehr  oft  auch  ohne  jeg- 
liche Berechtigung.  Seitdem  das  Glas  erfunden 
ist,  hat  man  versucht,  Edelsteine  nachzumachen; 
seit  bei  uns  die  erste  Tasse  Kaffee  getrunl<en 
wurde,  hat  man  nach  Ersat3mittelM  gesucht,  seit 
der  Tabak  seine  Liebhaber  fand,  hat  man  nach 
einem  billigen  Ersatjkraul  gefahndet.  Imitation 
und  Surrogat  waren  stets  Bundesgenossen,  die 
eine  wird  oft  von  dem  andern  bedingt,  und  so 
sehen  wir  sie  häufig  an  einer  Sache.  -  Wir  tun 
oft  nicht  klug  daran,  gegen  Imitation  und  Surrogat 
als  sogenannte  Unlauterkeiten  und  Minderwerte  zu 
Felde  zu  ziehen.  Es  kommt  doch  ganz  darauf  an, 
ob  sie  immer  die  Absicht  haben,  uns  zu  hinter- 
gehen, uns  Schein  und  Täuschung  für  Wahrheit  zu 
bieten!  Das  ist  nicht  immer  der  Fall.  Früher 
haben  kluge  Hausfrauen  auch  die  Baumwolle  für 
ein  Surrogat  gehalten,  das  Wolle  und  Leinen  er- 
set)en  sollte.  Und  doch  hat  die  Baumwolle  wieder 
ihre  eigenen  Vorzüge,  die  Qualitätsfragen  für 
Wolle  und  Leinen  stark  beeinflussen;  sie  steht 
ja  völlig  in  der  Mitte,  unabhängig  und  selbständig 
für  sich,  daf5  sie  der  beiden  andern  gar  nicht 
bedarf.  -  Imitationen  und  Surrogate  werden 
erst  da  und  dann  gefährlich,  wenn  sie  absicht- 
lich für  Fälschung  und  Täuschung  herangezogen 
werden,  also  betrügerischen  Absichten 
dienen.  An  sich  läßt  sich  aber  Imitationen 
sowenig  wie  Surrogaten  die  Berechtigung  an- 
gemessener Verwendung  absprechen.  Es  scheint 
mir  geradezu  töricht,  zu  sagen,  man  solle  sich 
ihrer  gezwungenermafien  nur  in  Notfällen  be- 
dienen; denn  es  gibt  auch  Imitationen,  denen 
man  keineswegs  den  Vorwurf  machen  darf,  sie 
sollten  etwas  anderes  geben,  als  sie  in  Wirklich- 
keit sind.  Ich  erinnere  nur  an  die  Stuckantrag- 
technik, an  die  Technik  des  stucco  lustro,  an 
bronzierten  Gips  und  ähnliches,  die  uns  doch 
klar  zeigen:  welches  Material  sie  bergen  und 
was  sie  demgemäj^  auch  der  Technik  nach  nur 
sein  können.  Ich  erachte  jede  Imitation  und  jedes 
Surrogat  für  statthaft,  die  in   uns   keinen  Zweifel 


darüber  lassen,  was  sie  ihrem  Wesen  nach  in 
Wirklichkeit  sind.  Wie  viele  Ästhetiker  haben 
sich  schon  über  bronzierte  Gipsfiguren  aufge- 
regt. Aber  weshalb  muf^  man  hier  tadeln. 
Eine  bronzierte  oder  irgendwie  getönte  Figur 
ist  doch  praktisch  besser  und  ästhetisch  wohl- 
tuender, als  eine  sehr  bald  verschmut5te  weige. 
Hier  liegt  doch  gar  keine  Täuschung  vor;  wer 
würde  denn  glauben,  hier  auch  nur  an  echte 
Bronze  zu  denken!  Auf  der  andern  Seite  aber: 
wie  viele  Gelehrte  und  Kunstfreunde  haben  antike 
Plastiken  in  guten  Abgüssen  in  Mengen  auf- 
gestellt, die  in  naturgetreuer  Auffärbung  und 
Patinierung  möglichst  den  Originalen  gleich 
kommen  sollen.  Ich  halte  das  für  sehr  verständig, 
denn  der  Unterschied  zwischen  einem  weij^en 
Gipsabguß  und  dem  Original  einer  antiken  Bronze 
ist  doch  wie  Tag  und  Nacht.  Das  gilt  auch  für 
Marmorplastiken,  alte  Holzschnitjereien,  Majoliken 
(von  Robbia)  die  man  in  guten  Kopien  in  den 
Handel  bringt.  Sehr  mit  Recht,  weil  hier  doch 
talsächlich  die  Imitation  nur  als  gute  Neben- 
erscheinung der  getreuen  Wiederholung  eines 
wertvollen  Originals  an  einem  -  allerdings  — 
wertlosen  Surrogat  auftritt.  An  eine  Fälschung 
würde  hier  vernünftigerweise  niemand  denken. 
Geben  wir  ein  (iegenbeispiel,  das,  lediglich 
auf  anderem  technischen  Vorgang  beruhend,  häufig 
in  der  Nachahmung,  in  der  Wiederholung  die 
Fälschung,  den  Betrug  als  Endabsicht  hat:  das 
kopierte  Bild,  nach  irgend  einem  großen  Maler, 
mit  künstlichen  Schäden  und  dem  vollen  Signum 
des  Originals.  Hier  wird  kopiert,  imitiert  und 
damit  eben  künstlich  der  Anschein  des  „Alters" 
erweckt,  also  gefälscht.  Wenn  wir  ein  „goldenes" 
Kirchlurmkreuz  oder  einen  „goldenen"  Kirchturm- 
knopf in  der  Sonne  blinken  sehen,  so  denken  wir 
keineswegs  an  einen  Goldschmied;  wir  wissen 
sehr  wohl,  daß  hier  gar  keine  Absicht  auf 
Täuschung  besteht,  denn  das  Kreuz  ist  aus 
Schmiedeeisen  und  der  Knopf  ist  aus  Kupfer, 
beide  sind  vergoldet  worden  aus  Gründen  der 
Wirkung  und  der  Witterung.  Mit  vielen  kupfernen 
Kelchen  des  Mittelalters,  die  nur  vergoldet  sind, 
ist  es  ähnlich  bestellt;  Form  und  Technik  verraten 
das  Kupfer;  um  den  Grünspan  fernzuhalten,  hat 
man  es  vergoldet.  Kein  Mensch  denkt  an  Täuschung 
oder    gar    an    Betrug.     Das  Wort    Imitation    um- 


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schreibt  an  sich  eine  ganz  harmlose  Sache  sobald 
die  Grundabsicht  klar  erkannt  wird.  Werden  z.  B. 
aus  irgend  einem  festlichen  Anlaf'i  auf  einem 
Pla^e  im  Zusammenhange  mit  der  Festdekoration, 
unter  Zuhilfenahme  von  Holzeinbauten  und  Sack- 
leinenbespannung große  Monumental-Gruppen  in 
drei  Tagen  aufgerichtet,  so  wird  es  niemand  ein- 
fallen, hier,  selbst  wenn  die  Farbe  das  vor- 
täuschen sollte,  an  Stein  und  Bronze  zu  glauben. 
Bei  den  Riesen-Dekorationen  mit  farbigen  Papier- 
blumen wird  wiederum  niemand  an  die  Natur 
denken  wollen,  und  doch  handelt  es  sich  in  beiden 
Fällen  um  Imitationen  in  gutem  wie  schlechtem 
Sinne.  —  Die  Imitation  wird  erst  zu  einer 
Schreckenssache,  wenn  sie  z.  B.  sich  in  ge- 
strichenenSandstein-Ouadern  an  schmiedeeisernen 
Pfeilern  zeigt,  erzielt  durch  Ölfarbenanstrich  in 
Steinton  mit  weißen  Fugenlinien.  Wir  haben  das 
tatsächlich  gehabt.  Das  ist  natürlich  mehr  als 
unästhetisch,  widersinnig;  —  das  ist  lächerlich, 
wenn  dann  in  den  gestrichenen  Steinquadern  die 
Nietköpfe  des  Eisens  sichtbar  werden.  Oder  wir 
machen  den  Verstoß ,  in  einer  Putjfassade  den 
Haustein-Bau  vortäuschen  zu  wollen.  Selbstver- 
ständlich ist  gegen  eine  Putjfassade,  auch  gegen 
die  reichste,   nichts  einzuwenden,  wenn  sie  uns 


erkennen  läßt,  es  mit  Stuck  zu  tun  zu  haben. 
—  In  gleichem  Sinne  ist  auch  der  Holzanslrich 
an  sich  nicht  verwerflich,  er  wird  es  erst,  wenn 
er  so  raffiniert  und  sklavisch  durchgeführt  wird, 
um  eine  andere  Holzart,  meistens  eine  edlere  als 
die  durch  den  Anstrich  verdeckte,  vortäuschen  zu 
sollen.  Hier  denkt  der  „Maserkünstler"  tatsächlich 
an  eine  Vortäuschung  und  vollzieht  einen  Betrug, 
der  vor  einem  Gericht  von  Ästhetikern  strafbar 
sein  würde.  Dasselbe  gilt  natürlich  auch  in  gleichem 
Sinne  von  der  Marmorimitation,  kurz  für  alle  Imi- 
tationen, die  unter  allen  Umständen  den  Schein 
des  Echten  über  das  Surrogat  hinaus  wahren 
sollen.  Daß  dagegen  heftig  gekämpft  wird,  ist 
durchaus  berechtigt.  Es  liegt  gar  kein  Grund  und 
keine  Notwendigkeit  vor,  hier  zu  imitieren,  denn  wir 
bedürfen  an  solchen  Stellen  auch  des  „Scheines" 
nicht,  weil  wir  auch  einem  minderwertigen,  sonst 
aber  gutem  Material  wie  dem  Tannenholz  oder 
der  geput3ten  und  geschliffenen  Wand  auf  bessere 
Weise  stilistisch  gerecht  werden  können.  Auch 
das  Backsteinmuster  auf  einer  gestrichenen  Wand 
hat  keine  Berechtigung;  ein  Schablonenmuster 
oder  dergleichen  ist  besser  am  Platje.  -  Das 
alles  gilt  auch  für  die  Imitierung  schmiedeeiserner 
Gitter  durch  Gußeisen,  von  Holzschni^ereien  durch 


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Maler 
Krmi|rius 
(k-yling 
Wien. 
Ansichts- 
karlen. 


Maler 
Remigiuä 
Oeylinjc 
Wien. 
Ansichts- 
karten. 


SCHULE    PROFESSOR    C.  O.  CZESCHKA. 


SCHULE    PROFESSOR   B.  LÜFFLER. 


AUS  EINER  SERIE  STÄDTE-BILDER  DER  AVIEXER  WERKSTÄTTE. 


li] 


i.ondom:it.paoh  cathedrall 


SCHULE    l'KOl'ESSOR    C.  O.  C/.KSCHKA. 


SCHULE    PKOFESSOR    C.  O.  CZESCHKA. 


AUS  EINER  SERIE  STÄDTE-BILDER  DER  WIENER  WERKSTÄTTE. 


Schule 
Professor 
B.  Löffler. 
Ansichts- 
karten. 


F.  Dellavii 
Wien. 
Ansichts- 
karten. 


O.  Kokoschka 
Wien. 
Ansichts- 
karten. 


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BÄÜEfiN    AUS  DEM    ER-NTEFEST 
N    DER-  ZEIT     KAISER.  JOSEF    I 


Sieinpappe  oder  angestrichenen  Zinkjjufi ,  des 
Smyrnateppichs  auf  Linoleum  usw.  Auch  hier  ist 
die  Absicht  vorherrschend:  mit  der  Imitation 
ein  Surrogat  zu  decken.  Gußeisen,  Linoleum 
u.  a.  m.  haben  nun  aber  so  hohe  Eigenwerte, 
-  sie  sind  zunächst  nicht  einmal  Surrogate  - 
da|^  sie  irgendwelcher  Bemäntelung  gar  nicht 
bedürfen.  —  Auch  gegen  die  Mehrzahl  eigentlicher 
Surrogate  rein  stofflichen  Charakters  ist  gar  nichts 
einzuwenden,  wenn  sie  sonst  nicht  täuschen  sollen 
und  über  Materialeigenschaften  verfügen,  die  ihrer 
Verwendungsart  gerecht  werden.  Es  gäbe  kaum 
ein  Material,  das  man  -  wenigstens  der  Erschei- 
nung nach  —  nicht  vollwertig  stofflich  zu  ersetjen 
vermöchte.  Aber,  braucht  denn  ein  Lederersat) 
unbedingt  eine  Ledernarbe  zu  zeigen,  um  seine 
Güte  zu  dokumentieren?  Dann  kann  irgend  ein 
lineares  Motiv  aus  einem  Moose,  einer  Flechte 
und  ähnlichem  eben  so  gut  die  monotone  Fläche 
beleben.  Auch  die  Papiertapete  als  angebliches 
Surrogat  für  stoffliche  Wandbespannung,  was  sie, 
nebenbei  gesagt,  gar  nicht  ist  und  nicht  sein  kann, 
bedarf  nicht  der  Täuschung  durch  Webeeffekte; 
sie  kann  getrost  bedrucktes  Papier  bleiben,  das 
nicht  zum  Bespannen  -  wie  der  Stoff  -  sondern 
zum  Bekleben  der  Wände  dient.    Auch  dem  künst- 


i»o«.  X.  s. 


liehen  Holz  braucht  man  keine  Maser,  dem  künst- 
lichen Stein  keine  künstliche  Struktur  zu   geben. 

Für  alle  Surrogate  bleibt  das  vorangestellte 
Wort  „Kunst"  von  gröf^ter  Entwertung.  Wozu 
„Kunstleder",  „Kunstholz"  usw.!  Das  gute  Surrogat 
ist  doch  ein  total  neues  Produkt,  das  unter  Um- 
ständen ganz  anderen,  oder  sogar  besser  gleichen 
Aufgaben  dienen  kann,  wie  das  ursprüngliche 
Material,  das  es  erset3en  soll.  Und  wenn  dann 
für  neue  Bedingungen  das  Surrogat  am  rechten 
Plat5  ist,  dann  mag  es  sein  was  es  wolle  und 
heifien  wie  es  wolle,  es  wird  sich  als  ein  neuer 
Werkstoff  ebenbürtig  einreihen  lassen,  wenn  er 
in  allem  das  ist  und  das  zu  erfüllen  vermag, 
wofür  er  bestimmt  ist.  Denn  die  ungeheure 
Preissteigerung  der  natürlichen  Rohstoffe  bedingt, 
daf;  wir  uns  der  Erfindung  neuer  Ersat3stoffe, 
neuer  Surrogate  zuwenden.  Wer  hätte  noch  vor 
zehn  Jahren  gedacht,  daf;  die  Bauweise  in  Beton, 
der  ganz  neue  Konstruktionsprinzipien  nut5bar 
gemacht  werden  mufjten,  von  so  gewaltiger  Trag- 
weite in  unserer  modernen  Baukunst  werden  sollte. 

Man  gebe  also  auch  der  Imitation  und  dem 
Surrogat  künftig  vorurteilsfrei  ihr  Recht,  wenn 
sie  ästhetisch,  materiell  und  moralisch  eine  ein- 
wandfreie Verwendung  gewährleisten!    —       o. 


245 


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□  Wien. 
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MIT    DKR  GLASFHDKK 

(BEZEICHNET    UND 

GHSCHRIEBEN. 

2/3  ORIGINALGRÖSSb. 


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,.    EINLADUNG  ZUR   -if . 

M  FASTNACMTSKNEIPE  & 

DESWR'AKAD'TURN^ 

VEREINES 

JÜ  AM  17.  MÄRZ  1908$: 

.^^  HOTEL  BAYR-  HOP  ^; 

TL-  TABORSTRASSE  ^^#^ 
BEGINNy2q  UMR'    g^ 

W^''W'  eintritt;  zkronen  '#*^^^ 


lHHi  II    (.LIKHE 
STKieHDICKK    Uli 
/KICHNUNC;    UND 
St  H RIFT   ]Sr    lilNE 
KINHE1TLICHB 
WIRKUNG    ERSlKl'.Hl. 


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BtWfSSn     KHVlHMISIhKrNi;  DES  Sl   M  K  lITKKLIIliS  DUHlll    DAS   1  rCKKNK  tlSbl'NÜK  (),      i;i-St  MKIKIU' N   Mll    KKLI' MIIKDl  K  .      TKNALEH   UUKTUb. 


AUS    RUDOLF    VONLARISCH:    UNTERRICHT    IN    ORNAMENTALER    SCHRIFT.       II.  AUFLAGE. 


|-lli:UEZkAlSERl.l(ll 

iinn  kONiGi.icHti 

M  An  LS  I .  \  ■  .r  A  L  LERf  ~=e:. 
GNÄDlüMER  HERR'  ■'•"—"• 

ünGEmpFindunp,  beseelt  -^ 
unsere  Her2:en:  ciie  Ireue 
zu  FüiAsi  und  Land /welche 
seiHahrluinderten  die 
kinder  des  Stainmlondes 
in  ganz  einziQGP/von  Va^ 
ler  zu  Sohn  vererbler 
Slärke  mil  ihrem  handes^ 
Pursten  verbindet' Mit  die 
ser  TreLie  zugleich  edie  . 

vaTGV.  ans6-R/Ö6R  öa  bist 
im  InmoQGL/GGlieiliQeTCDeR- 
öe  öem  nncne/  -zul^ooame 
ans  öem  Re^ch/öem  cdiIIg 
GGScbGbe  cDieimhimmeL 
ßLso  fiüch  fiUF  GRÖen-  GIB 
ans  hGüTG  anseR  TOqLicnes 
B^^oT  unö  veRqm  ans  an^ 
sGRe  schülö/cDie  Qoch  cdvr 
veRqeBGn  ansehen  scTiuiov- 
GGRn  anö  -pühRe  uns  nichT 
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GRLöse  ans  von  QLLecn  uBeL    ^  ^ 


Mll     Kl  l.KMIFKDKR  <iB- 
Si  HKIKHFNK  SCHR[HT. 
PkNAl.KK    DUKirS. 
HKORBMS    UKS 
SIUUH'MS    Al.IEK 
sCHKlUUOKL'MliNlI'. 
l/.j    ORIClSALOBÖSSli. 


AUS    RUDOLl-    VON  LAKISCH:    UNTEKKICHl     IN    oRNAMKNTALEK    SCHKIKT.       II.  AUFl.AUE. 


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ABDRUCK  HINKS  PAPIKRSCHNITTl-S.    liRHuHUNG  DBS  ORNAMKNTAI.KN 
REIÜBS      KONVENT  10  Nl--t,LER     BUCHSTABKN      DURCH     GRUFPIERUNO. 


l'APlKRSt  HNITT  -  SCHABLONK.         GRGENBILI)      DES      NEBENSTEHENDEN 
PAPIERSCHNirr-DRUCKES.       WIRKUNG     DER     WEISS-ÜBERSTR  AHLL'NG. 


EX    LIHRI-. 

ABDKICK     ElNKl; 

PAPIERSCHMl  1 

S(  HABLONI- 

W  IRKL.  GRÜSSH 


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Rl'ISI'lhl.    DER 
MATERIAL-SPRACHE 
l  ND    DER    DIEFEREN- 
/ItRUNi;    DtiRCH 
DEN    ZWECK. 


AUS    KUUOIJ-     VON  LAKISCH:     UNTERKICUT    IN    OKNAMKN  fALER    SCHKIKT.        H.  AUFLAGE. 


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PAUL  BÜRCK-MÜNCHEN. 
RADIERUNG:    -  FRÜHLING 


PAUL    BURCK     MUNCHKN. 


Gemälde:   »Parkweg«. 


PAUL  BÜRCK-MÜNCHEN. 


\^or  zehn  Jahren  berichtete  die  »Deutsche 
Kunst  und  Dekoration«  zum  ersten  Mal 
über  Paul  Bürck.  Damals  war  der  Künstler 
ein  Zwanzigjähriger,  und  kluge  Leute  fürch- 
teten, ein  so  ungewöhnlich  Frühreifer  werde 
nur  allzubald  das  Ende  seiner  Entwicklung 
erreicht  haben.  Und  als  Bürck  ein  Jahr 
darauf  in  die  Darmstädter  Künstler-Kolonie 
berufen  worden  und  dann  bald  den  Strom 
der  Besucher,  die  zu  der  Ausstellung  der 
» Sieben  c  nach  Darmstadt  wallfahrteten,  durch 
kecke  Leistungen  am  Eingangstor  verblüffte, 
da  schüttelte  Mancher  das  Haupt  über  das 
ungebärdige  Wesen  des  Jünglings  und  prophe- 
zeite, daß  solcher  Sturm  und  Drang  unmög- 
lich ein  gutes  Ende  nehmen  könne. 

.\ls  aber  im  Jahre  1903  die  »Deutsche 
Kunst  und  Dekoration«  wieder  einen  Über- 
bhck  über  die  Kunst  Paul  Bürcks  gab,  da 
mußte  jeder,  der  Augen  hatte,  zu  sehen,  ein- 
gestehen, daß  eine  überraschende  PLntwick- 
lung    in  dem   Künstler    vorgegangen   war  und 


daß  alles  in  seiner  neuen  Kunst  davon  sprach, 
daß  die  Entwicklung  noch  manche  Stadien 
weiter  gehen  werde.  Damals  konnte  gesagt 
werden,  daß  Bürck  sich  nicht  mehr  durch 
jede  interessante  Überfläche  zum  Fabulieren 
begeistern  lasse,  sondern  daß  es  ihm  ein  Be- 
dürfnis geworden  sei,  dem  Wesen  der  Dinge 
nachzugehen,  in  die  Tiefen  zu  graben,  bei 
der  Beobachtung  des  Lebens  ein  rechter 
Naturforscher  zu  werden. 

Das  war  vor  sechs  Jahren.  Und  heute  r 
Bürck  hat  inzwischen  eine  ungewöhnlich  er- 
folgreiche Lehrtätigkeit  an  der  Kunstgewerbe- 
und  Handwerkerschule  in  Magdeburg  absol- 
viert, ist  dann  zur  allgemeinen  Überraschung 
auf  drei  Jahre  nach  Rom  gegangen  und  ist 
jetzt  in  die  Stadt  seiner  Jugend,  nach 
München  zurückgekehrt. 

Voller  Spannung  warten  die  Bewunderer 
der  Kunst  des  Jünglings  auf  die  l^eistungen 
des  .\rannes.  Hat  der  Romfahrer  gehalten, 
was    der    Jüngste    der  Darmstädter    Künstler- 


ISKW.  \l.  1. 


2U 


Pmtl  Bürck— München. 


I'AUL   BURCK-MU^'CHEN. 


kolonie,  was  der  Lehrer  der  Magdeburger 
Schule  versprochen  hatte?  Oder  hat  die  ewige 
Roma  auch  diesmal,  wie  so  olt  schon,  das 
deutsche  Blut  verwälscht? 

Das  vorHegende  Heft  sucht  auf  sulche 
Fragen  die  Antwort  zu  geben. 

Als  Bürck  nach  Rom  zog,  tat  er  es  mit 
dem  Skizzenbucli  in  der  Hand.  Und  es 
dauerte  nicht  allzulange,  da  erzählte  er  den 
Freunden  seiner  Kunst  in  Federzeichnungen 
von  den  künstlerischen  Erlebnissen  der  Reise. 
Überrascht  blickten  die  Zurückgebliebenen 
auf  diese  Blätter  der  »Reise  nach  Rom-. 
War  das  Paul  Bürck  'i  Wie  altmeisterlich 
wirkte  sein  Stricli !  Man  dachte  unwillkürlich 
an  Kujiferstichwerke  des  18.  Jahrhunderts. 
Hatte  der  Künstler  sich  selbst  entfliehen 
wollen  und  sich  zunächst  in  eine  Welt  gerettet, 
die  der  eigenen  so  fern  wie  möglicli  war? 
Es  fiel  einem  das  Wort  Goethes  ein,  daß  man, 
um  sich  selbst  zu  finden,  gut  tue,  sich  zu- 
nächst so  weit  von  sich  selbst  zu  entfernen, 
wie  es  nur  irgend  möglich  sei ;  kehre  man 
dann  langsam  zum  Ausgangspunkt  zurück, 
dann  erkenne  man  sein  eigenstes  Wesen  und 
dessen  eigentlichste  Ziele  klarer  und  tiefer. 
Hatte  Bürck  nach    solchem  Rate    gehandelt? 


Gemälde:    s Bäume  bei  Abend« 


—  Man  kann  mit  ruhiger  Sicherheit  antworten: 
Nein!  Man  prüfe  einmal  daraufhin  die  Blätter 
der  Romreise  ein  wenig  gründlicher,  man 
beachte  die  Strenge  der  Konturen,  die  Wucht 
der  Gegensätze  von  Licht  und  Schatten,  das 
.Vuswiegen  der  Massen ,  und  man  beobachte 
gleichzeitig  die  Schärte  der  Charakteristik  im 
einzelnen.  Das  ist  mit  modernen  Augen  ge- 
sehen ,  und  zwar  eben  mit  den  Augen  Paul 
Bürcks.  Denn  hier  finden  wir  den  alten  deko- 
rativen Sinn  des  Künstlers  und  dazu  die  natur- 
wissenschaftliche Exaktheit  seiner  Magdeburger 
Zeit.  Aber  beides  erscheint  gesteigert.  Das 
Dekorative  ist  großzügig  geworden,  und  in  der 
Gewissenhaltigkeit  der  Beobachtung  spricht  die 
Andaclit  emer  tiefen  Pietät.  Das  aber  bringt 
in  die  kleinen  Bijder  der  Romreise  einen  Zug 
des  Feierlichen,  der  befremdet,  gerade  bei  dem 
leidenschaftlichen  Bürck  befremdet.  Man  über- 
setze sich  aber  in  Gedanken  diese  Radierungen 
in  Wandbilder,  und  man  wird  nicht  mehr  von 
reden,  sondern  wird  sich 
Wucht    dieser    römischen 


« Altmeisterlichkeit« 
der  monumentalen 
Bilder  freuen. 

Nicht  viel  anders  wird  es  einem  vor  dem 
Bildchen  »eine  Mutter«  gehen,  das  einem 
Zyklus    »Italienisches  Volksleben«    angehören 


252 


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Paul  Bürck— München. 


PAUL    BURCK-MÜNCHEN. 


wird.  Wieder  möchte  man  im  ersten  Augen- 
blick an  Meister  der  Vergangenheit  denken, 
diesmal  an  die  deutschen  Künstler  aus  dem 
Anlang  des  19.  Jahrhunderts.  Aber  bald 
merkt  man,  wie  sehr  Bürck  auch  hier  ein 
Eigener  ist.  Wie  er  das  schwere  Dreieck 
der  Gruppe  vor  die  reich  belebte  Horizontale 
gelegt  hat,  wie  er  die  vielgliedrige  Silhouette 
der  Stadt  im  Gegensatz  zu  der  ruhigen  Fläche 
der  Mauer  bringt  und  wie  er  schlielilich  das 
massive  Dreieck  der  Familiengruppe  mit  unend- 
lichem Reichtum  der  Linien  füllt  und  ihr 
dennoch  die  sonnige  Ruhe  zu  erhalten  weiß, 
das  ist  für  denjenigen,  der  Sinn  für  solche 
Dinge  hat,  von  höchstem   Reiz. 

Und  es  offenbart  uns  zugleich,   wohin  die 
Entwicklung  Bürcks  weist:  zur  monumentalen 


Gemälde :  Aus  Villa  Strohl  Fern    Rom. 


Malerei,  aber  zu  einer  monumentalen  .Malerei, 
die  sich  nicht  an  dem  Aufteilen  einer  Fläche 
in  Linien  und  Massen  genügen  läßt,  sondern 
die  diese  Linien  und  Massen  mit  reichstem, 
erdgeborenem  Leben  füllen  möchte. 

Der  dekorative  Sinn  ist  in  Bürck  wieder 
an  die  erste  Stelle  gerückt,  aber  er  stellt  sich 
höhere  Probleme  als  einst.  Und  er  sucht 
den  mächtig  entwickelten  naturwissenschaft- 
lichen Sinn  für  seine  Zwecke  auszunutzen. 
Der  aber  fühlt  seine  Kralt  und  will  nicht 
immer  Diener  sein.  Da  entstehen  dann  bis- 
weilen eigenartige  Kämpfe,  deren  Beobachtung 
für  den  Ps}'chologen  von  höchstem  Reiz  ist, 
die  aber  den  Bildern  zum  Nachteil  gereichen. 
So  z.  B. ,  wenn  sich  die  Bewegung  eines 
Armes,   die  Geste  einer  Hand  dem  Rhythmus 


254 


> ._  . ;,  -s  , 


.  BfRCK.  09 


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\      1.    m  KCK      MLM  III 


KADltRUNG  :        llKlI'il'l     IM    SlIIMt 


RAlilERUNt;  ;      MAR/.ABENI) 


Theodor  Volhelir 


PAUL    BURCK     MÜNCHEN. 


einer  Linie  unterordnen  soll  und  doch  jeder 
Muskel,  jeder  Finger  mit  anatomischer  Ge- 
wissenhaftigkeit gezeichnet  ist.  Da  kann  es 
denn  kommen,  daß  eine  Bewegung  pathetisch 
oder  unverständlich  wirkt  oder  daß  der  große 
Zug  einer  Linie  jäh  unterbrochen  wird.  Die 
Einfachheit  des  monumentalen  (".edankens  und 
die  Kompliziertheit  des  menschlichen  Körpers 
stehen  sich  z.  B.  in  den  Äsen  des  Wand- 
bildzyklus wie  unversöhnliche  l'einde  gegen- 
über. Dabei  ist  die  Gestalt  der  schlafenden 
Erda,  die  aus  Urnebein  aufsteigt,  bereits  von 
einer  wundervollen  inneren  Größe.  Dieses 
Ringen  der  zwei  Seelen  in  der  Brust  des 
Künstlers  kann  man  aber  nur  dort  beobachten, 
wo  es  sich  in  seinen  Werken  um  figürliche 
Kompositionen  handelt..  Auf  dem  Gebiete 
der  Landschaftsdarstellung  ist  der  Kampf 
bereits  beendigt.     . 


Gemälde:   »Trafoigletscher«. 


Meisterhch  in  ihrer  flächigen  Stilisierung 
und  in  ihrer  absoluten  Wahrhaftigkeit  sind  die 
Radierungen  Gehöft  im  Schnee«  und 
»Märzabend«  (in  der  verkleinernden  Repro- 
duktion kommen  naturgemäß  die  technischen 
Feinheiten  nicht  zur  Geltung).  Und  in  den 
Darstellungen  der  Welt  der  Gletscher  weiß 
man  in  der  Tat  nicht,  was  man  mehr  be- 
wundern soll,  die  Feinheit  der  physiologischen 
Charakteristik  des  Hochgebirges  oder  die 
Großheit  der  Anschauung.  Sie  haben  trotz 
des  reichen  Details  die  Einfachheit  und  die 
Größe   der  gewaltigen  Natur.  — 

Wenn  man  starke  Talente  daran  erkennt, 
daß  sie  unaulhaltsam  an  sich  arbeiten,  daß 
sie  sich  nicht  an  dem  einmal  erworbenen 
Lorbeer  genügen  lassen ,  dann  ist  Paul 
Bürck  ein  starkes  Talent.  Einem  starken 
Talente    gegenüber    aber    gilt    vor    allem    das 


256 


Pnttl  ßütrk—jMihic/ieti. 


Wort,  daß  es  in  seinem  dunklen  Drange  sich 
des  rechten  Weges  bewußt  ist.  Man  hat  vor 
Jahren  bedauert,  daß  Bürck  seinen  Anfangen 
untreu  geworden  sei,  daß  er  der  kunst- 
gewerbUchen  Schmuckkunst  den  Rücken  ge- 
gewandt habe  und  »Stafi'cleikünstler'  ge- 
worden sei.  Heute  wird  man  einsehen,  daß 
er  sich  selber  im  höchsten  Sinne  treu  blieb, 
als  er  suchte,  die  Grenzen  seiner  Kunst  zu 
erweitern.  Denn  wir  sehen,  wie  er  innerlich 
zur  Schmuckkunst  zurückkehrt,  jetzt  aber  zu 
der  großen  monumentalen  Schmuckkunst,  die 
uns  festliche  Räume  weihen  soll.      i  h.  volhehr. 


Diistedinirche  WilTen  und  Können  ill  iillei,  ciber 
yciiKlc  diH  will  kein  HenMi  (lUuiben.  Mdu  will 
lieber  an  etwiis  Aiilieiordcntlidies,  an  etwiis  Über- 
iueiifctilid\es  ciluuben,  iih  fidi  der  Wirklidikeit  fügen. 
Todinifdies  Wilfen.  Iiingf.imc  und  überlegte  Arbeit, 
Aü\  Hellt  ndtürlidi  nidit  l'o  fdiön  cuis  wie  Infpiriitlon, 
dcis  in.idit  weniger  Effekt ;  aber  dodi  find  liier  die 
einzigen  Grnndl.igen  der  Kunlh  Augufte  Rodin. 


Gefegnet  fei  die  Stunde,  die  midi  Herr  der 
Tedinik  werden  lieH,  um  jet,!  dem  Geilte  unbeirrt 
n.idigclien  zu  können.  Anl'elni   peuerbcidi. 


l'AUL    Bi  RlK     Ml  .NCHEN. 


K.nliciunt^ ;     *Kin^.iiakcit  «.     (Selbstverlag.) 


PAUL    BURCK-    MÜNCHEN. 


GemUlde:    »Suldengletscher«. 


FARBEN-WIRKUNGEN. 


VON    DR-  EMIL  UTITZ— PRAG. 


Jede  Kunst  stellt  etwas  dar,  drückt  etwas  aus; 
sie  tut  dies  mit  den  ihr  eigentümlichen 
Mitteln.  Und  ein  solches  Kunslmittel  sind 
die  Farben.  Wir  wollen  uns  nun  die  Frage 
vorlegen:  welche  Wirkungsmöglichkeiten  liegen 
in  den  Farben?  welche  Zwecke  können  sie 
erreichen?  welche  verschiedene  Anwendungs- 
weisen zeigen  sich  als  möglich V 

In  neuerer  Zeit  wurde  immer  häufiger  und 
immer  nachdrücklicher  die  Abhängigkeit  der 
Kunst  von  ihrem  Material  betont,  das  nicht 
bloß  die  Erscheinungsform  bestimmt,  sondern 
auch  auf  die  Wahl  des  darzustellenden  Ge- 
haltes von  hohem,  oft  geradezu  von  ent- 
scheidendem Einfluß  ist.  Der  Künstler  muß 
sich  darüber  klar  sein,  welche  Möglichkeiten 
in  seinem  Material  schlummern,  welche  Wir- 
kungen es  zu  zeitigen  vermag,  welche  Zwecke 
es  leisten  kann  usw.  Durch  die  Kenntnis 
dieses  Sachverhaltes  wird  der  ästhetische  Ge- 
nießer Einblick  gewinnen  in  die  künstlerische 


Technik  und  das  eigentümhche  Wesen  einer 
Kunst.  So  wird  er  in  den  Stand  gesetzt, 
manches  zu  bemerken  und  zu  genießen,  das 
sonst  unbeachtet  und  ungenossen  bliebe,  und 
wird  keine  Anforderungen  an  ein  Kunstwerk 
stellen,  denen  dieses  vermöge  seiner  spezifi- 
schen Art  schlechterdings  nicht  genügen  kann. 
Wenn  wir  uns  nun  den  Farben  zuwenden, 
wollen  wir  vorerst  den  relativ  einfachsten  Fall 
betrachten:  er  ist  dann  gegeben,  wenn  Farben 
nebeneinandergesetzt  erscheinen  ohne  jede 
Rücksicht  auf  Gegenständlichkeit  (Naturnach- 
ahmung) und  Harmonie.  Wir  können  dabei 
etwa  an  ein  Ornament  denken,  das  rein  geo- 
metrische Formen  zeigt.  Wie  wirken  dann  die 
Farben?  Sie  trennen  und  verbinden,  ordnen 
und  gliedern,  teilen  und  fassen  zusammen  usw. 
Hier  liegt  also  eine  eigentümliche  Art  der 
Farbengebung  vor,  und  wir  wollen  sie  die 
polychrome  nennen.  Die  Farben  treten  da 
nicht  auf  um  ihrer  spezifischen  Wirkung  willen, 


258 


K    *    P    Q 

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PAUL    BURCK     MUNCHKN. 


GEMÄLDE;        DIE    Ki'NIGSPITZE'- 


PAUL    Bl  RCK     -Mt.Ni  UEN.        KADIERU.NG:     -SONNENBELEUCUrETE    ÜLETSCHEK 


Dr.  Emil  l  litz-Pmcy: 


PAUL   BUKCK     MÜNCHEN. 

sondern  stehen  im  Dienste  einer  andern :  dem 
klaren  Herausarbeilen  eines  kom])lexenOanzen. 
Sie  lenken  die  Aufmerksamkeit  besonders  auf 
die  Stellen,  die  der  Künstler  vornehmlich  be- 
achtet wissen  will;  Nebensächhches  machen 
sie  als  solches  kenntlich,  erleichtern  das  ein- 
deutige Bemerken,  bestimmen  die  Auffassungs- 
weisen usw.  Während  sonst  vielleicht  die  Ein- 
heit in  der  Vielheit  schwer  wahrnehmbar  wäre, 
gelingt  es  ihnen,  uns  die  Anlage,  die  Kon- 
struktion des  Ganzen  klar  und  übersichtlich 
vor  Augen  zu  führen.  Dabei  ist  die  Besonder- 
heit des  Farbentones  ganz  gleichgikig;  es 
kommt  nur  einerseits  auf  starke  Helügkeits- 
und  Farbenunterschiede  an,  andererseits  darauf, 
daß  zusammengehörige  Teile  durch  gleiche, 
nicht  zusammengehörige  durch  verschiedene 
Farbe  gekennzeichnet  werden.  Innerhalb  dessen 
herrscht  jedoch  Willkür  in  der  Farbenwahl.  Zu 
lieachten  ist  nur,  daß  allzu  grelle  Farben  leicht 


Waiidbüd-Zyklus:      Die  Äsen  erschaffen  die  Erda«. 

die  Aufmerksamkeit  auf  ihre  eigene  Wirkung 
richten  und  s:e  daher  dem  Ding  entziehen, 
das  durch  sie  hervorgehoben  oder  gekenn- 
zeichnet werden  soll.  Aus  dem  nämlichen 
Grunde  ist  häufig  innige  Farbenharmonie  ge- 
fährlich. Ihre  Wirkung  kann  so  stark  sein,  daß 
sie  diejenige  des  Dinges,  das  ja  eigentlich  zum 
Genuß  gebracht  werden  soll,  ganz  übertönt. 
Einen  völlig  anderen  Wirkungskreis  finden 
Farben  als  nachahmende  Mittel:  die  Natur 
erscheint  uns  in  Farben;  und  der  Künstler 
kann  uns  diese  farbige  Erscheinung  der  Natur 
vorführen  wollen,  sei  es  nun  eine  Landschaft, 
ein  Mensch,  ein  Stilleben,  ein  Genrebild,  eine 
Historie  oder  sonst  etwas.  So  sehen  wir  hier 
also  eine  fundamental  verschiedene  Verwendung 
von  der  ersten,  die  auf  Gegenständlichkeit  gar 
keine  Rücksicht  nimmt,  während  diese  Art  der 
Farbengebung  gerade  durch  den  Gegenstand 
bestimmt   wird.      Aber    die   Farbe    dient   hier 


262 


Farbcmvirkuiigeti. 


I'AIL    lU  KCK     MLNCHE.N. 

nicht  nur  zur  Kenntlichmachung  des  Gegen- 
standes, als  Mittel  zur  Erzielung  möglichster 
Xaturwahrheit,  sondern  es  tritt  da  auch  ihre 
raumbildende  Wirkung  zutage  und  stellt  sie  so 
in  den  Dienst  der  Perspeklive.  Diese  Ver- 
wendung der  Farbe  als  naturnachahmendes 
Mittel  wollen  wir  Kolorismus  nennen.  Aller- 
dings faßt  man  häufig  den  Begriff  »Koloris- 
mus« weiter  und  versteht  dann  darunter  eine 
besonders  geschickte  Art  der  Farben^cusammen- 
stellung,  oder  gar  jede  Art  von  Farbengebung. 
Doch  kann  uns  die  Bezeichnung,  wenn  sie  so 
weit  ausgedehnt  wird,  daß  sie  einfach  alles 
umspannt,  keine  brauchbaren  Dienste  leisten; 
dies  vermag  sie  nur,  wenn  wir  sie  in  (iegen- 
satz  zu  anderen  Arten  von  Farbengebungen 
und  Farbenwirkungen  stellen,  l'nser  Ziel  muß 
es  ja  sein,  fest  umgrenzte  l'achausdrückc  zu 
erlangen,  um  klar  und  deutlich,  sei  es  all- 
gemeine Lehren  auszudrücken,   sei   es  die  Bc- 


\\'andbild-/.yklus:    »Wodan   schafft  Mann  und   Weib' . 

Sonderheiten  eines  Kunstwerkes  zu  schildern. 
Aus  dem  meist  recht  \erschwommenen  Ceredc 
der  üblichen  Kunstschrifistellerei  müssen  wir 
trachten  herauszukommen,  wenn  wir  den  Künst- 
lern und  dem  Publikum  etwas  bieten  wollen. 
Aber  noch  eine  ganz  andere  Art  erweist 
sich  als  möglich,  noch  eine  neue  Wirkungs- 
weise erschließt  sich  vor  uns:  Farbenverwen- 
dung unter  Rücksichtnahme  auf  harmonischen 
Zusammenklang  der  Farben.  Er  wird  nun  für 
das  V\erk  bestimmend,  ihm  ordnet  sich  das 
andere  unter.  Während  also  bei  der  nach- 
ahmenden Art  der  ( legenstand  ganz  die  Farben- 
wahl bestimmt,  ist  es  hier  umgekehrt.  Die 
(legenstände  treten  nur  als  Träger  bestimmter 
malerischer  Qualitäten  auf;  das  Gegenständ- 
liche wird  bis  zu  einem  gewissen  (Irade  gleich- 
giltig.  Diese  Verwendung  treffen  wir  vornehm- 
lich in  derauf  das  Dekorative  berechneten  Kirnst. 
Wir    wollen    sie    l'arbenharmonie    nennen. 


Farbernvirkimoen. 


PAUL    BUKCK     MÜNCHEN. 

Harmonische  Farbengebung  in  der  Malerei 
finden  wir  überall  dort,  wo  ein  Farbenzu- 
sammenklang  (eventuell  auch  eine  eigenartig 
charakteristische  Farbendissonanz)  für  Kompo- 
sition und  Stoffgestaltung  bestimmend  wird. 
Sein  Stimmungswert  bildet  dann  gleichsam  in 
erster  Linie  den  Gehalt  des  Werkes.  Eine 
Farbenharmonie  in  einer  Landschaft  z.  B. 
kann  den  Künstler  reizen,  diesen  eigentüm- 
lichen, durch  die  Farbe  erweckten  Stimmungs- 
gehalt im  Bilde  festzuhalten.  Das  Gegen- 
ständliche tritt  mehr  in  den  Hintergrund,  ob- 
gleich es  Stimmungsverstärken  d  wirkt.  Es  ist 
ohne  Zweifel  nicht  gleichgiltig,  ob  ein  Farben- 
akkurd  als  der  der  Abenddämmerung  oder 
der  des  herbstlichen  Waldes  aufgefaßt  wird. 
Aber  vornehmlich  ist  hier  das  Gegenständ- 
liche nur  Träger  der  Farbe ;  es  motiviert  sie 
gleichsam :  sie  aber  wird  Hauptjjerson.  Als 
Beispiel  kann  ich  da  die  meisten  Werke  von 
Whistler  anführen.  Bereits  ihre  Titel  zeigen 
ihr  Wesen.  Ich  nenne  hier  nur  einige : 
»Symphonie  in  Weiß«  ,  »Arrangement  in 
Schwarz«,  »Die  blaue  Woge«,  »Arrangement 
in  Clrau  und  Rosa«   usw. 

Jedoch  noch  ein  ganz  anderer  Fall  von 
Farbenharmonie  in  der  Malerei  erweist  sich 
möglich.  Für  ihn  liefert  vornehmlich  die 
italienische  Renaissance   zahlreiche  Beispiele : 


Lithographie ;    J  ugend   . 

der  Gegenstand  sei  gegeben,  z.  B.  ein  reli- 
giöser. Nun  kann  aber  die  Komposition  voll- 
kommen den  Geboten  der  Farbenharmonie 
entsprechen,  indem  sich  ihr  nicht  nur  die 
Kleidung  der  Leute,  die  ganze  Raumbehand- 
lung usw.  unterordnen,  sondern  ihr  zulieb 
eigene  Personen  und  Gegenstände  eingeführt 
werden,  welche  die  Möglichkeit  zu  verschie- 
denen Wirkungen  der  Farben  abgehen,  welche 
die  Harmonie  zu  den  durch  den  Gegenstand 
gegebenen  herstellen.  Daß  die  Farbenharmonie 
—  wie  erwähnt  —  weiterhin  auch  für  die 
dekorative  Malerei,  die  Glasmalerei,  die  male- 
rische Plakatkunst,  das  Ornament  usw.  von 
höchster  Wichtigkeit  ist,  bedarf  keiner  näheren 
Ausführung.  Aber  auch  an  die  Plastik,  Archi- 
tektur und  angewandte  Kunst  darf  dabei  nicht 
vergessen  werden. 

Wir  stellten  also  fest,  daß  Farben  auf  drei 
[irinzipiell  verschiedene. Vrten  angewandt  werden 
können:  polychrom,  koloristisch  und 
harmonisch.  Diesen  drei  verschiedenen 
Arten  entsprechen  auch  drei  ganz  verschiedene 
Wirkungsweisen.  Während  im  dritten  Fall  die 
Farben  um  ihrer  selbst  willen,  d.  h.  ihrer 
eigentümlichen  spezifischen  Wirkung  wegen 
verwendet  werden,  stehen  sie  im  ersten  und 
zweiten  im  Dienste  anderer  Zwecke :  im  ersten 
kommen  sie  ear  nicht  als  Farben  in  Betracht, 


264 


PAUL  BÜRCK:  RADIERUNG. 


PAUL    ULRCK     MUM  HEN. 


GEMÄLDE:       DER    TANZ«. 


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PAUL    UlKCK     MÜNCHEN.       -STUDIEN«. 


Dr.  Emil  Utitz-Prac 


PAUL    BIRCK     MV  NCHKV. 


sondern  nur  als  Mittel,  ein  komplexes  Ganzes 
zu  gliedern,  übersichtlich  zu  gestalten  usw., 
im  zweiten  ahmen  sie  die  Farbe  der  Natur- 
gegenstände nach  und  helfen  so  mit,  daß  das 
betreffende  Werk  eine  möglichst  naturgetreue 
Wiedergabe  erzielt. 

Verbindungen  dieser  verschiedenen  Arten 
treffen  wir  in  der  Praxis  sehr  häufig  an;  z.  B. 
eine  harmonische  Polychromie,  einen  harmo- 
nischen Kolorismus,  eine  koloristische  Har- 
monie usw.  Es  kommen  natürlich  gar  oft 
auch  Werke  vor,  in  denen  alle  drei  Arten 
verwendet  sind,  man  denke  nur  z.  B.  an  ein 
Pflanzenornament.  1  )a  haben  die  Farben 
einerseits  die  Aufgabe ,  die  eigentümliche 
Komposition  des  ( )rnaments  klar  und  über- 
sichtlich zum  Ausdruck  zu  bringen,  ferner  die 
einzelnen  Pflanzenelemente  als  solche  zu  kenn- 
zeichnen durch  Wiedergabe  der  natürlichen 
Färbung  und  schließlich  in  sich  noch  einen 
harmonischen,  gefälligen  Eindruck  zu  erzielen. 
Allerdings  bekämpfen  diese  drei  Wirkungs- 
weisen einander  oft :  zu  der  gliedernden 
Funktion  usw.  sind  starke  Helligkeits-  und 
Farbenkontraste  notwendig;  dies  entspricht 
aber  nicht  immer  der  Naturfarbe  der  Dinge. 
Wird  sie  genau  berücksiclitigt,  geht  dies  auf 
Kosten  der  ersten  Wirkung  und  umgekehrt. 
Ferner  ist  häufig  die  polychrome  und  kolo- 
ristische Funktion  einer  harmonischen  nicht 
günstig.  All  diese  Gründe  zwingen  oft  den 
Künstler  zu  Abweichungen  von  der  Natur- 
wahrheit ,  Übertreibungen ,  Einführung  von 
Gegenständen    als    Träger    gewisser    Farben, 


Radierung:   »Heraufziehendes  Gewitter«. 


welche  die  polychrome  oder  harmonische 
Wirkung  heben  sollen  usw.  So  führt  uns 
demnach  die  Erkenntnis  dieser  drei  verschie- 
denen Wirkungsweisen  der  Farben,  dieser  drei 
Arten  der  Farbengebung,  zu  einem  innigeren 
Verständnis  der  künstlerischen  Technik,  wobei 
wir  hier  dieses  Wort  im  weiteren  Sinne  ge- 
brauchen, also  nicht  lediglich  das  Handwerks- 
mäßige darunter  verstehen,  sondern  die  An- 
wendung aller  Mittel,  welche  in  uns  einen 
ästhetischen  Genuß  hervorzurufen  bezwecken. 
Es  ist  mir  hier  nun  nicht  möglich  zu  ver- 
folgen, in  welcher  Art  diese  verschiedenen 
Farben-Wirkungsweisen  in  den  einzelnen  Ge- 
bieten der  bildenden  Künste  zum  Ausdruck 
kommen,  und  welche  Konsequenzen  an  diese 
Tatsachen  knüpfen.  Wenn  der  Leser  dafür 
Interesse  hat,  mag  er  es  in  meinem  jüngst 
erschienenen  Buche:  ; Grundzüge  der  ästhe- 
tischen Farbenlehre«  (Verlag  von  F.  Enke — 
Stuttgart  1908)  nachlesen,  in  dem  auch  die 
hier  gegebenen  Erörterungen  ausführlicher  dar- 
gelegt sind.  Aber  vielleicht  wird  den  Leser 
schon  die  nüchterne  Ruhe  dieses  kleinen 
Essays  abgeschreckt  haben.  Und  darüber 
seien  mir  noch  einige  Worte  zu  sagen  ge- 
stattet :  wenn  Ästhetik  und  Kunstwissenschaft 
tatsächlich  Nutzen  stiften  sollen,  müssen  sie 
so  ernst  und  so  sachlich  betrieben  werden, 
wie  alle  anderen  Wissensgebiete.  Wohl  muß 
der  Kunstforscher  erfüllt  sein  von  flammender 
Liebe  zu  den  Erscheinungen  des  Schönen, 
die  ihm  entgegentreten ;  wenn  er  aber  darnach 
ringt,   Einsichten    zu  gewinnen  in  die  Gesetz- 


268 


I'a  rhni :.  •/;  kii  nocii . 


mäßigkeiten,  die  da  herrschen,  wenn  er  darnach 
irathtet,  den  blühenden  Reichtum  der  hier 
gegebenen  Erlebnisse  zn  beschreiben  und  zu 
erklären,  muß  er  sich  alles  Schwärmens  und 
aller  großen  Worte  enthalten,  ja  er  darl  gar 
nicht  selbst  sprechen,  sondern  muß  die  Tat- 
sachen reden  lassen,  l^nd  je  einfacher  ihre 
Sjirarhe  ist,  desto  besser.  l'nd  wenn  wir 
dann  mit  reiferem  Verständnis  vor  die  Werke 
des  Schönen  treten,  wird  unser  Clenuß  be- 
reichert und  verticlt,  und  unser  Urteil  wird 
gerechter  und  zugleich  geschützter  gegen  all 
die  Strömungen,  welche  die  Mode  mit  sich 
bringt.  L'nd  auch  dem  Künstler  können 
ästhetische  Einsichten  nicht  gleichgültig  sein. 
Haben  ja  doch  die  Größten  unter  ihnen 
stets  um  sie  gerungen,  um  festen  und  sicheren 
Halt  ihrem  eigenen  Schaffen  zu  geben, 
und  um  sich  das  verstandesmäßig  klar  zu 
machen ,  was  .dunkel  ihr  Gefühl  raunte. 
.Allerdings  werden  ästhetische  Kenntnisse  nie- 
mals    einen     Nicht -Künstler     zum     Künstler 


machen,  ebensowenig  als  das  Studium  der 
Logik  allein  große  Denker  erzeugt.  Aber  der- 
jenige, der  künstlerische  Begabung  besitzt, 
vermag  durch  ästhetische  Lehren  gefördert  zu 
werden;  mindestens  kann  er  durch  sie  vor 
manchen  Irrtümern  bewahrt  bleiben.  Nur  halle 
man  nicht  alles  für  Ästhetik,  was  unter  dieser 
Flagge  segelt.  Was  nennt  sich  auch  nicht 
alles  Kunst!  Aber  sollte  man  an  der  Kunst 
verzweifeln,  weil  vieles,  was  sich  als  sie  aus- 
gibt, widerwärtig  ist.  Dies  wäre  doch  töricht. 
Und  gleiches  gilt  von  der  Ästhetik. 

Man  mag  entschuldigen,  wenn  diese  Be- 
trachtungen uns  vom  Thema  ablenkten.  Aber 
es  schien  mir  nötig,  dies  einmal  in  einer 
Kunstzeitschrift  zu  sagen,  um  ungerechten 
Vorurteilen  entgegen  zu  treten.  Das  Thema 
unseres  Essays  ist  ohnehin  erschöjift.  Die 
Aulgabe  bestand  ja  lediglich  darin,  auf  die 
verschiedenen  Wirkungsmc)glichkeitcn  der  Far- 
ben hinzuweisen.  Und  mehr  als  ein  Hinweis 
konnte  nicht  fjegeben  werden.   — 


PAUL    nURCK 
MI'nCH8N. 


PORTRAT 
PROF.    DR. 
VOLIIKHR 
MAGDEBURG. 


269 


PAUL    BÜKCK-  MÜNCHEN. 


ZEICHNUNG:       VILLA    ADRIANA«- 


PAUL    BURCK 
ML'NCHEN 
RADIERUNX.  : 

KINE    MUTTliR" 
aus:    ITALIRNISCHhS 
\OLKSLEBEN. 


G.  A.  BREDOW-STUTTGART. 
BÜSTE     IN     SCHWARZEM     MAÄMOR. 


G.  A.  BREDOW-STUTTGART. 
WEIBL.    HALB -FIGUR     IN     BRONZE. 


WALTER    MASSMANN     HAMBURG. 


KARTON    ZU    EINEM    WANDBILD. 


SCHÜLER-ARBEITEN  DER  KLASSE  FÜR  WAND-MALEREI 
AN  DER  KUNST-GEWERBESCHULE  ZU  HAMBURG. 


Die  \'erütTentlirlning  dieser  Schiiierarbeiten, 
die  einen  ungefähren  Überblick  über 
das  Resultat  des  ersten  Arbeitsjahres  dieser 
Klasse  gewähren,  wird  vielleicht  mancher  für 
überflüssig  halten,  und  die  Namen  Häschke, 
Jahns,  Kögler.  Maßmann,  Wehland  und  Zaiser 
werden  schnell  wieder  vergessen  sein.  —  Ich 
aber  denke  so  I  Es  ist  zur  Zeit  von  Wich- 
tigkeit, auf  jedes  Symptom  aufmerksam  zu 
machen,  welches  die  Einlcnkung  in  einen  Weg 
bedeutet,  auf  dem  dereinst  vielleicht  einmal 
wieder  eine  deutsche  Malerei  wird  erstehen 
können.  Die  Befestigung  der  Gewißheit,  daß 
wir  die  Richtung  zu  diesem  Ziele  einzuschlagen 
im  Begriff  sind,  kann  Cileichgesinnten  Hoff- 
nung und  Mut  stärken  —  und  jede  Bekräf- 
tigung (lieser  Gewißheit,  auch  die  bescheidenste 
—  hat  ihren  Wert  —  erfüllt  einen  Zweck. 
Die  Anarchie,  die  die  Malerei  Deutsch- 
lands im  19.  Jahrhundert  beherrscht  und  die 
das  20.  ohne  Bcneticium  inventarii  als  F".rbe 
hat  übernehmen  müssen  —  diese  .\narchie 
weist  unzweifelhaft  auf  eine  partielle  Schwächung 
des  Volksbewußtseins  hin.    Während  die  Ent- 


wicklung der  deutschen  Musik  gerade  nach 
dem  30  jährigen  Kriege  in  Bach  und  Händel 
einen  Höhejjunkt  erlebt  und  die  Literatur  sich 
nicht  nur  ununterbrochen  weiterentwickelt, 
sondern  gerade  durch  jenen  Krieg  auf  man- 
chen Gebieten  neue  Anregungen  erhält  — 
erlitt  die  deutsche  Malerei  einen  vernichtenden 
Schlag.  Hier  starb  das  Volksbewußtsein  mit 
der  scliöpferischen  Kraft  nach  unerhörter 
Blüte  scheinbar  ab  und  ist  bis  heute  noch 
nicht  wieder  zu  voller  Stärke  emporgewachsen. 
Wir  machen  aus  der  Not  eine  Tugend,  wenn 
wir  annehmen,  die  Malerei  müsse  zu  einem 
europäischen  Resultat  gelangen!  Notwendig- 
keiten sind  unüberwindlich!  Das  Völkische 
wird  auch  in  der  Kunst  nur  mit  dem  Volk 
selbst  zugrunde  gehen.  Solange  die  Wurzeln 
unseres  Kulturlebens  triebfähig  bleiben,  solange 
werden  wir  zu  deutschen  Kulturäußerungen 
genötigt  werden  und  befähigt  bleiben,  fremde 
Okulation  abzustoßen.  Eine  europäische 
Malerei  wäre  das  Dokument  einer  unheilbaren 
europäischen  Schwäche.  Nur  völkische  Kultur 
hat  Wert.  —  Man  werfe  einen   Blick  auf  die 


1909.  XI.  3 


-^) 


'i 


FRIEDRICH    Wr.HLAND. 


h>  PA  i   K  l      .   I.  K     A 


HERMANN 
HÄSCHKE. 


hlNES    RAUMES. 


WANDBILD- 
KNTWURF. 


Sckii/er-Afhcifoi  der  Kmjsf-Geiverheschv/e  Hamhurcr. 


KRIKDRICH    WRHLANU: 


deutsche  Musik:  In  vielleicht  noch  höherer 
Potenz,  wie  in  der  französischen  Malerei  des 
1 9.  Jahrhunderts,  ecweist  sich  hier  der  Wert 
des  Volksbewußtseins.  Von  Bach  bis  Reger, 
welch'  prachtvolle  Linie !  Die  stärkste  Kund- 
gebung deutschen  Geistes.  Die  Gegensätze 
verschwinden,  wenn  man  diese  Linie  vom 
Standpunkt  völkischer  I.ebensäußerung  be- 
trachtet. Sie  schwinden  zu  Nuancen  und 
der  gemeinsame  (Irundton  wird  immer  hör- 
liarer,  je  weiter  unser  Horchen  Abstand  zu 
nehmen  vermag. 

Und  nun  die  deutsche  Malerei:  im  \'crlauf 
der  vorhin  für  die  Musik  durch  die  Namen 
Bach-Reger  umgrenzten  Epoche?!  Da  und 
dort  verheißungsvolle  Ansätze,  aber  nirgends 
auch  nur  die  Spur  einer  großen,  allgemeinen 
völkischen  Entwicklung.  Seit  dem  17.  Jahr- 
hundert fehlt  hier  ein  Programm,  welches  das 
Deutschtum  dominierend  zum  Ausdruck  hätte 
bringen  können.  Und  wie  groß  und  klar  war 
vordem  das  deutsche  Programm !  Nur  zwei 
Namen  statt  vieler.  Dürer,  Grünwald  I  Und 
was  ist  nun  heute? 

Ein  Wust  von  mühsam  herbeigeschleppten 
Bausteinen  aus  aller  Herren  Länder  und  allen 
Zeiten  liegt  da  auf  unserem  Boden  und  wir 
versuchen  vergeblich,  sie  zu  einem  Gebäude 
zusammenzustellen  —  zu  einem  deutschen 
Bau.  XatürUch  vergeblich!  Aber,  wir  ver- 
stehen   überhaupt  nichts  mit  diesem  Material 


Wandbild. 


anzulangen.  Rom,  Florenz,  Griechenland, 
Holland,  Flandern,  Madrid,  Paris,  Ja[)an, 
Fgypten  usw.  —  all  diesen  Klötzen  mehr  als 
ihre  äußeren  Maße  abzusehen,  haben  wir  nie 
verstanden.  Wir  ahmen  nach,  wir  verarbeiten 
nicht.  Die  Vorbilder  sind  uns  zu  Götzen 
geworden,  befreiende  Götter  hätten  sie  uns 
werden  können,  wenn  wir  ihnen  mit  jener 
heilsam  begrenzenden  Orthodoxie  hätten  nähern 
können,  wie  sie  ein  stark  entwickeltes  Volks- 
bewußtsein erzeugt.  Da  wir  als  Maler  keine 
natürliche  deutsche  Tradition  mehr  in  uns 
wirkend  fühlten,  machten  wir  uns  eine  künst- 
liche —  mit  viel  Gelehrsamkeit  und  Dünkel 
Vnd  doch  so  voller  Selbstverleugnung.  Die 
Archäologen  halfen  uns  hierbei,  die  Sammler 
und  die  Ästheten.  Da,  wo  wir  zu  zeitgenös- 
sischen Werten  griffen,  um  sie  uns  anzueignen, 
blieben  wir  fleißige  aber  beschränkte  Impor- 
teure. Die  Segnungen  der  Barbizon-Schule 
sind  auf  deutschem  Boden  ausgeblieben  und 
auch  der  Impressionismus  hat  bis  heute  noch 
keine  reifen  Früchte  gezeitigt.  So  sehen  wir 
unsere  stärksten  Talente  arbeiten  —  in  völliger 
Isolierung,  hart  ringend  um  eine  malerische 
Weltanschauung  und  mit  der  Tragik  des 
Sisyphus-Schicksals  die  Steine  wälzen,  die  mit 
erdrückender  Schwere  uns  belasten,  die  drohen, 
unsere  Grabsteine  zu  werden.  Dazu  noch 
der  Lärm  von  MiUionen  gutgemeinter  Rat- 
schläge,   die    Klubweisheit    unserer      Intellek- 


277 


Schüler- Arbeiten  der  Kunst-  Gciverbeschule  Haniburs, 


tucllstcn  .  das  Parvenü- 
Kapital  ,  die  Ausstel- 
lungen und  Museen  und 
die  Majestät  der  Jour- 
nalisten -  Kritik.  Für- 
wahr, es  scheint  kaum 
noch  möglich ,  aus 
dieser  Lage  einen  Aus- 
weg zu  finden.  I  )a  ge- 
winnt der  Aufschwung 
im  Kunstgewerbe  die 
liedeutung  einer  Er- 
lösung auch  für  die 
licutsche  Malerei.  Die 
neuen  Ideen,  die  hier 
aus  einem  lang  tot  ge- 
glaubten Krater  i)lötz- 
lich  hervorbrachen, 
haben  auf  einem  wei- 
ten (lebiet  deutscher 
Kultur  schon  heute 
einen  fruchtbaren  vul- 
kanischen Hoden  ge- 
schaffen. Das  wich- 
tigste Erzeugnis  dieses 
Bodens  aber  ist  die 
Wieder-Erkenntnis  der 
Zweckmäßigkeit  des 
Gegenwartslebcns  als 
einziges  Fundament 
für  eine  künstlerische 
Idealisierung.  So  liel.'i 
sich  wieder  eine  mo- 
derne, d.  h.  natürliche 
Kmiifindung  für  die 
l'unktionen  des  Rau- 
mes und  seine  Ausge- 
staltung finden.  Und 
wenn    auch    hier    noch 


LUDWIG  z.MSER.     Dekoratives  Wandbild 


oft  die  Suchenden    in 


den  alten  Fehler  der  Traditionsmacherei  ver- 
fallen i'was  uns  z.  B.  die  Galvanisierung  der 
Biedermeierzeit  eintrug),  so  sind  dennoch  die 
neugewonnenen  Erkenntnisse  von  so  starker 
.\rt,  daC)  die  Architektur  nicht  an  ihnen  vor- 
beigehen konnte.  Sie  beginnt  denn  auch  in 
der  Tat  sich  aus  dem  Sumpf  des  19.  Jahr- 
hunderts zu  erheben.  In  dem  Maße  aber, 
in  dem  die  .\rchitektur  die  neuen  Ideen  in  sich 
aufnimmt,  wird  sie  der  Malerei  den  nötigen 
jungfräulichen  Boden  zu  Neukulturen  eröffnen. 
Schon  heute  finden  sich  erfreuliche  Anzeichen 
dieses  Entwicklungsprozesses.  Die  neudeko- 
rative Richtung  in  der  Malerei  Deutschlands 
bedeutet  trotz  aller  Schwächen,  die  ihr  offen- 
sichtlich noch  anhaften,  ein  Envachen.  Das 
deutsche  Programm  ist  bereits  gefunden. 


.\ber  der  Weg,  der 
ins  Neuland  führt, 
schließt  nicht  an 
Feuerbach  an  nocli 
weniger  aber  an  Ma- 
rees,  den  wir  nach 
langer  Unterschätzung 
jetzt  gewissermaßen 
zum  Ausgleich  der 
Rechnung  zu  über- 
schätzen angefangen 
haben.  Dieser  groß- 
veranlagte  Künstler, 
der  in  Deutschland 
zuerst  wieder  die  Be- 
deutung der  horizon- 
talen und  vertikalen 
Bildelemente  für  die 
Monumental  -  Kompo- 
sition erkannte,  ist  mit 
seinen  Versuchen  (über 
\'ersuclie  hat  ihn  seine 
Zeit  ja  nicht  hinaus- 
kommen lassen)  nie  in 
freies  Fahrwasser  vor- 
gedrungen. Er  schei- 
terte an  der  Klipjie 
des  Klassizismus.  Vor 
den  Trümmern ,  die 
aus  diesem  Schiffbruch 
zu  retten  waren,  stehen 
wir  heute  entblößten 
Hauptes  und  erschüt- 
tert. Aber  diese  Trüm- 
mer für  mehr  halten 
als  für  Dokumente 
eines  gewaltigen  aber 
vergeblichen  Ringens 
—  ihnen  zukunftwirkende  Bedeutung  zu- 
schreiben, hieße  den  verhängnisvollen  Klassi- 
zitätsdrang jener  Tage  auch  für  die  Monu- 
mental-Malerei  unseres  Jahrhunderts  als  Grund- 
bedingung anerkennen.  Die  l'nmöglichkeit, 
ausreichend  praktische  Erfahrungen  machen 
zu  können,  hat  Marees  auch  daran  gehindert, 
die  Farbe  zum  ausdeutenden  Mittel  des  archi- 
tektonischen Raumgedankens  zu  machen. 
Auch  steht  er  mit  der  Tendenz,  die  Illusion 
der  Raumtiefe  im  Bilde  zu  betonen,  in  vollem 
Widerspruch  zum  Grundproblem  wahrer  Wand- 
malerei —  der  Betonung  der  Fläche.  So  ist 
das  Problem  der  MonumentalMalerei  durch 
Marees  nur  um  weniges  aus  dem  Dämmer- 
zustand ans  Licht  gehoben  worden. 

Einem    Späteren    war    es    vorbehalten,    in 
der  Lösung  des  Problems  »Monumental»  einen 


>7y 


Schüler- Arbeitet!  der  Kirnst-  Gewerbeschule  Mamlmrg. 


PAUL    KOGLER     HAMBURG. 


Karton  zu  einem  Wandbild. 


entscheidenden  Schritt  zu  tun.  Der  Urdeutsche 
Ferdinand  Hodler  tat  diesen  Schritt ,  mit 
dem  er  uns  zugleich  ein  Beispiel  deutsc  her 
Malerei    gab.      Er    steht    mit    seiner    Malerei 

auf   dem    Boden    der         

werdenden  Architek- 
tur, die  mit  Eisen 
und  Beton  das  Denken 
und  Arbeiten  ihrer 
Zeit  auszudrücken  be- 
rufen ist.  —  Nur  an 
Wänden  kann  die  Ma- 
lerei wieder  gesunden. 
Nur  die  Architektur 
schafft  die  Beding- 
ungen für  diese  Ge- 
sundung —  Rückkehr 
zur  Architektur  ist 
das  Programm,  das 
uns  deutschen  Malern 
not  tut.  —  Allerdmgs 
schließt  sich  an  die 
Hoffnung,  daß  der 
deutsche  Architekt  der 
Aufgabe  gewachsen 
sei,  die  in  seine  Hand 
gegeben  ist,  die  an- 
dere Hoffnung  eng  an, 
daß  der  ^Konsument' 
—  der  kapitalkräftige 
Kunstliebhaber  gleich- 
falls die  Bedeutung 
des  Moments  begreife. 
Letzten  Endes  hängt 
die  Zukunft  der  deut- 


LUDVVIG  ZAiSER.     Wandbild-Entwurf. 


sehen  Malerei  von  der  Entwicklung  des  Typus 
^Kunstliebhaber"  ab.  Das  Erkennen  der 
Werte ,  die  die  Gegenwart  in  sich  trägt,  die 
lebendige  Teilnahme  an  ihrer  Hebung  müßte 
andere,  tiefere  Ziele  fin- 
den, als  das  Zusammen- 
tragen einer  sauber 
katalogisierten  Kunst- 
schau ,  mit  der  im 
Grunde  rein  gar  nichts 
getan  ist.  —  Wenn 
das  Durchdringen  von 
Kunst  und  Lehen 
keinen  kulturell  wert- 
volleren Typus  wie 
den  heutigen  Gelegen- 
heitskäuferund Kunst- 
Sammler  hervorbringt, 
so  müssen  wir  aller- 
dings die  Hoffnung 
autgeben,  daß  mit  der 
Steigerung  des  Bedürf- 
nisses für  Harmonie 
und  organischen  Aus- 
bau des  Verhältnisses 
von  Lebensinhalt  und 
Lebensform  die  Bild- 
kunst, als  feinste  Deu- 
terin dieses  Verhält- 
nisses, jemals  die 
Wände  wiedergewin- 
nen wird,  die  ihr  in 
barbarischen  Zeitläuf- 
ten   verloren    gingen. 

WILLY    VON    BECKEKATH. 


280 


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fllUT.  ALINAKI. 


FLORENZ.       PIA/./,A    DtLI.A    SIGNORIA. 


AUFSTELLUNG  VON  MONUMENTAL-PLASTIK. 

EIN    KAI'ITF.I.    ZUM    KÜNSTLERISCHEN    STÄDTEKAU. 


Bemüht  man  sich  .bei  der  l'nlersuchung 
der  historischen  Architektur  ernstlich  um 
die  Krkenntnis  der  (Irundiirinzipien  des  archi- 
tektonischen Denkens,  so  kann  man  sich  der 
Einsicht  nicht  verschUeßen ,  daü  alles  Form- 
detail und  dessen  Entwicklung,  auf  die  der 
Haujjtakzent  gelegt  zu  werden  pflegt ,  nur 
sichtbare  xVußerungen  eines  tiefer  liegenden 
(iesamteinpfindens  sein  müssen,  aus  dem  sie 
stileinheitlich  entstehen.  Diese  allgemeine 
Form  der  architektonischen  Sinnenobjekte  ist 
der  Raum.  Alle  ar- 
chitektonischen Ein- 
zelformen sind  sekun- 
där, das  heiljt  Ge- 
stalten des  primären 
Raumempfindens.  Das 
Bestreben  der  Archi- 
tektur also  ist,  die- 
ses Raumemplinden 
sichtl)ar  zu  machen, 
aus  den  unendlichen 
Reihen  des  Raumes 
begrenzte,  beharrende 
Raumgebilde  zu  ge- 
stalten .  ihre  Aufgabe 
nutzbare ,  ihre  Sehn- 
sucht schöne  Räume 
zu  schaffen,  in  denen 


es  den  Menschen  wohl  ums  Herz  wird.  Die- 
ser Wille  zum  Raum  ist  Inhalt  des  architekto- 
nischen Gestaltens ,  seine  Form  die  Materie, 
die  diesem  Willen  dienend  mit  ihm  zur  Ein- 
heit ,  zur  architektonischen  Schöpfung  wird. 
Mit  der  wechselnden  Disposition  der 
menschlichen  Seele  wechselt  auch  ihr  Raum- 
empfinden ,  wandelt  sich  ihre  Vorliebe  für 
bestimmte  Raumproportionen.  Dies  bedarf 
keiner  näheren  Erörterung.  Man  vergleiche 
nur  den  Innenraum  einer  gotischen  Kathe- 
drale ,  einer  Renais- 
sance- und  einer  Ba- 
rockkirche. Im  19. 
Jahrhundert  wird  das 
Leben  des  Raumes 
kalt,  stirbt  ab.  Der 
Niedergang  der  mo- 
dernen Architektur 
rührt  daher,  dal.'i  die 
meisten  unserer  Ar- 
chitekten kein  Raum- 
gefühl mehr  besitzen, 
nur  überlieferte  l'orm- 
details  zusammenstel- 
len. —  Wie  nun  das 
Leben  und  die  Ent- 
wicklung des  Raumes 
in  den  einzelnen  archi- 


281 


Di:  A.  E.  Bri)icktna)m  : 


PADUA.      PIAZZA    DEL    SANTO.      REITER-IjE.N  K.MAL    DE>    0.\  I  .^.MELLATA. 


tektonischen  Schöpfungen  auch  bei  ihrer  Grup- 
jiierung  im  Städtebau,  in  der  letzten  Vollen- 
dung des  baukünstlerischen  Gestaltens,  parallel 
zum  Ausdruck  kommt,  darauf  habe  ich  in 
einem  kürzlich  erschienenen  Buch  »Platz  und 
Monument«  hingewiesen.  Solche  Erkenntnis 
verbietet  das  Nachbilden  mittelalterlicher  Stadt- 
grundrisse, mit  dem  man 
sich  aus  der  Ode  des 
19.  Jahrhunderts  zu  ret- 
ten suchte.  Dieses  Jahr- 
hundert, reich  an  Be- 
griffen, arm  an  Anschau- 
ung, hatte  vergessen,  daß 
das  tektonische  Gebilde 
einer  Stadt  einen  Inhalt 
haben  muß ,  um  lebens- 
voll zu  sein,  daß  es  sich 
beim  Bau  einer  Stadt 
denn  doch  um  etwas  an- 
dres handelt,  wie  Miet- 
hauskaserne an  Miethaus- 
kaserne zu  reihen,  eine 
Straße  zu  asphaltieren 
und  auf  jeden  Platz  ein 
Denkmal  hinzustellen.  — 


Städtebauen  ist  eine  Kunst ,  und  zwar  eine 
architektonische  Kunst,  die  mit  dem  Haus- 
niaterial  Raum  gestaltet,  das  heißt  Straßen 
und  Plätze  positiv  als  Raumgebilde  von  be- 
stimmten Funktionen  behandelt. 

Dem  Charakter  der  Stadt  als  Raumgebilde 
hat  sich  ihre  monumentale  Ausschmückung 
einzuordnen ,  wie  sich 
dem  Charakter  des  Wohn- 
raumes das  Möbel  ein- 
ordnet. Ein  gut  gestell- 
tes Monument  soll  das 
Leben  des  Raumes,  eines 
Platzes  oder  einer  Straße 
verdeutlichen.  Andrer- 
seits hat  das  Monument, 
sei  es  nun  architekto- 
nischer Natur  wie  Tore, 
Säulen,  Brunnen  oder  rein 
figürliches  Denkmal ,  als 
Kunstwerk  an  sich  Be- 
rechtigung so  zu  stehen, 
daß  seine  Anschaulich- 
keit zum  klarsten  Aus- 
druck kommt.  Der  gün- 
stigste    Standort      eines 


282 


4i(/stelluiio  von  Mo]iu)itciital- Plastik. 


1  )enknials  ist  also 
dort,  wo  im  Ab- 
wägen dieser  bei- 
den Forderungen 
gegeneinander  ein 
i\[a\imiun  an  Wir- 
kung auf  den  Be- 
schauer herausge- 
bracht wird.  -  Dalj 
für  die  Wirkung 
eines  Monumentes 
alles  auf  die  geeig- 
nete Situation  an- 
kommt, dessen  ist 
man  sicli  heutzutage 
kaum  bewuCt.  Wo- 
her sonst  diese 
Ingeschickh'chkeit, 
ja  Gleichgültigkeit 
bei  der  Wahl  des 
Aufstellungsortes, 
nicht  nur  der  Auf- 
traggeber ,  sogar 
der  ausführenden 
Künstler  y  Cianz 
anders  früher !  Als 
es  sich  darum  han- 
delte, 1Ö04  den 
Davidkolot')  des 
Michelangeh)       in 

Florenz  aufzustellen,  landen  eingehende  Be- 
ratungen statt,  ( Hitachten  der  ersten  l'loien- 
tiner  Bildhauer,  Architekten  und  Maler 
wurden  erbeten,  und  schließlich  Michelangelo 
alle  Üiteile  zur  Entscheidung  unterbreitet. 
Kr  wählte  den  l'latz  links  neben  dem  Kin- 
gangstor  des  Palazzo  vecchio,  wo  die  weiße 
Marmorligur  vor  den  dunklen,  gleichmaßigen 
Grund  der  Quadermauer  zu  stehen  kam,  gegen 
den  sie  gut  absetzte ,  so  daß  reliefartig  die 
Linien  ihrer  Kontur  abzulesen  waren.  Das 
lö.  Jahrhundert  erweiterte  diese  Idee  Michel- 
angelos: die  Piazza  della  Signoria  legte  einen 
leuchtenden  Gürtel  schöner  Plastiken  an,  als 
dessen  schimmernde  Schließe  die  Fontaine 
des  Ammanati  an  der  Ecke  des  Stadtpalastes 
erscheint  (S.  281).  Das  eherne  Reiterdenkmal 
Cosimo  I.  setzt  die  Reihe  der  Marmorfiguren 
in  den  offenen  Plaizraum  fort  und  schneidet 
den  rückliegenden  Teil  weg,  um  den  Haupt- 
platz  rechteckig  zu  machen.  Bei  solcher  Auf- 
stellung an  den  Platzwandungen  braucht  die 
Figur  nicht  wie  bei  einer  Aufstellung  in  der 
riatzmitte  den  ganzen  Raum  zu  beherrschen, 
um  zu  wirken,  und  diese  Krafiersparnis  kommt 
ihrem  plastischen  .Vusdruck  zugute.     Es  bietet 


BERLl.N.      1.US1G.\RTE.\.    DENKM.Vl,  l'KUaJKlCH  WU.HKLM   111. 


sich  zuilem  Gele- 
genheit, eine  grö- 
ßere Anzahl  jila- 
stischer  Werke  vor- 
teilhaft zu  situieren, 
wobei  es  allerdings 
gewisser  Beziehun- 
gen der  einzelnen 
Skulpturen  zu  ein- 
ander in  Motiv, 
Proportion ,  Mate- 
rial und  Farbe, 
richtiger  Abstände 
bedarf.  .\uf  der 
Piazza  della  Sig- 
noria verbinden 
sich  die  einzelnen 
Skulpturen  vor  dem 
Palast  und  in  den 
Bogen  der  Loggia 
dei  Lanzi  zu  einer 
Einheit.*)  Als  Ge- 
genbeispiel seien 
die     Oranier      vor 

dem  l?erliner 
Schloß  genannt: 
vor  einer  dunklen 
Wand  dunkle  Bron- 
zen, die  nicht  wir- 
ken können.  — 
Diese  überlegende  Rücksicht  auf  die  Er- 
scheinung des  Monuments  am  Ort  zeichnet 
schon  das  Reiterdenkmal  des  Gatamellata  aus, 
das  Donatello  auf  der  Piazza  del  Santo  zu 
Padua  145,3  errichtete  (S.  2S2).  Man  spürt 
eine  Kultur  des  plastischen  Sehens,  die  unserer 
Zeit  völlig  tehlt.  Donatello  bedenkt  die  An- 
sichten, die  sich  dem  bieten,  der  den  l'latz 
betritt,  und  rechnet  mit  den  Wirkungs-Beding- 
ungen der  Bronze.  Man  gelangt  auf  den  Platz 
durch  die  Via  Capelli  und  die  Wi.  Sant'An- 
tonio :  im  Schnittpunkt  ihrer  N'erlängerungen 
steht  das  Denkmal.  Kommt  man  aus  der  ersten 
Straße,  so  bietet  sich  das  S.  282  wieder- 
gegebene Bild.  Darum  also  der  hohe  Sockel, 
damit  die  dunkle  Bronze  klar  gegen  den 
Himmel  absetzt.  Das  weittragende  Silhouetten- 
bild  des  charakteristischen  L'mrisses  wirkt  noch, 
wo  die  innere  Flächengliederung  für  das  Auge 
sich  verliert.  Kommt  man  aus  der  zweiten 
Straße,    so  stehen   Roß  und  Reiter  wiederum 

*)  Der  Davidkololi  \v\irde  1873  '"  "^'^  Kunst- 
Akademie  gebracht,  um  ihn  vor  Witlerungsschaden  zu 
schüt/en.  Die  Lücke  machte  sich  unangenehm  bemerk- 
bar und  es  ist  mit  I'>euden  zu  tjcgrüT'en,  da(i  in  nächster 
Zeit  eine  gleicligrolle  Kopie  von  Fanfani  an  der  alten 
Stelle  aufgestellt  werden  wird. 


1909.  Xt  4. 


283 


Dr.  A.  E.  Brinck 


jiiaini . 


WIEN.      MARIA 
THERESIA-MONU- 
MENT   VOR    DEM 
HOF-MUSEUM. 


gegen  den  Himmel ,  diesmal  in  guter  Front- 
ansicht, —  bei  Reiter-Monumenten  immer  eine 
heikle  Seite. 

Dagegen  das  Denkmal  Friedrich  Wilhelm  III. 
im  Lustgarten  zu  Berlin  (S.  283) :  die  P'igur 
wird  von  dem  Architrav  des  rückliegenden 
Museum  zerschnitten,  die  edle  Schinkelsche 
Säulenhalle  verstellt  und  die  Reinheit  ihrer 
Horizontalen  und  Vertikalen  gestört.  Die  An- 
sicht gegen  die  architektonische  Formenorgie, 
die  sich  Dom  nennt,  ist  noch  unerträglicher. 
Das  Maria  Theresia -Monument  au(  dem 
rechti.'ckigen  Hofmuseumplatz  in  Wien  (S.  284) 
gibt  die  Lehre,  daß  selbst  der  Sockel  in  einen 
Gegensatz  zur  Hintergrundarchitektur  gebracht 
werden  muß  —  hier  ist  alles  flimmernde 
Fläche,  —  daß  es  schließlich  doch  vergeb- 
liches Mühen  ist,  die  Höhe  des  Monuments 
so  emporzutreiben,  daß  es  kaum  im  Innern 
der  gotischen  Stephanskirche  Raum  finden 
würde,  wenn  ein  gewaltiger  Kupp.'lbau  die 
Silhouette  der  thronenden  Königin  zu  einem 
winzigen  P'igürchen  niederdrückt.  Gleiches 
wird  man  in  Berlin  bei  dem  reizvollen  Denk- 
mal Friedrichs  des  Großen  am  Ausgang  der 
Linden  erleben,  wenn  die  Ihnesche  Aka- 
demie    einen     Kuppelaufbau     erhält.       Damit 


284 


wäre  es  dann  gelungen ,  den  Rest  der  einst 
wundervollen  Situation  am  Berliner  Opern- 
haus zu  zerstören.  —  Man  wendet  ein: 
^Wir  haben  in  unseren  Städten  nicht  ent- 
sprechend viel  Plätze  und  Orte,  um  Monu- 
mente stets  vorteilhaft  aufzustellen ,  und 
müssen  froh  sein,  noch  einen  leeren  Platz  zu 
finden.  Schließlich  ist  die  Hauptsache  die 
Ehrung,  die  das  Monument  zum  Ausdruck 
bringt.«^  Ehrungen  in  unschöner  Form:  eine 
ausgezeichnete  Gesinnung  1  Sieht  man  aber 
einmal  jede  größere  Stadt  genauer  an,  so  finden 
sich  mindestens  ein  halbes  Dutzend  guter 
Standorte,  auf  die  man  allein  deswegen  nicht 
kommt,  weil  sie  keine  Mittelpunkte  großer 
Pläize  sind.  Eine  ganz  treffliche  Art,  Monu- 
mente aufzustellen,  soll  hier  besonders  bemerkt 
werden :  auf  einem  vorspringenden  Ausbau 
zur  Seite  einer  Brücke.  Diese  Situation  fand 
zuerst  das  Heinrich  IV.  1614  errichtete  Reiter- 
denkmal auf  dem  Pont  Neuf,  der  ersten 
steinernen  Brücke  von  Paris,  die  dieser  auch 
in  der  Geschichte  der  Stadtbaukunst  bedeutende 
König  erbaute  (S.  285).  In  der  Revolution 
zerstört,  wurde  dieses  Monument  später  ähnlich 
erneut,  dabei  etwas  nach  rückwärts  verschoben. 
P'.in   Grundriß  enthebt  uns  weiterer  Beschrei- 


Ai(/sff/h(uo  -'Oll  MoiiDiieutal' Plastik. 


PARIS.  DRNKMAL 
HKINRICH  IV.  AUF 
DEM     PONI     NHUF. 


bung.  Schliiter  ahmte  diese  Situation  ein  Jalir- 
hundert  sjuiter  für  seinen  großen  Kurfürsten 
in  Berlin  nach.  Jetzt  sind  die  Häuser  zu 
beiden  Seiten  der  Spree  hochgeschossen  und 
auf  ihrem  dunklen  Grund  tritt  das  dunkle 
1  lenknial  kaum  noch  in   Erscheinung. 

Michelangelo  neue,  bis  zu  seinem  .\uUreten 
unerhörte  .-Xusdrucksformen  für  Malerei,  Plastik, 
Architektur  findend  -  gab  auch  eine  neue 
Verhältnisform  für  diese  beiden  letzten.  Die 
Beziehung  zwischen  Monument  und  Platz, 
zwischen  Materie  erfülltem  Raum  und  um- 
gebendem I.ultraum,  war  bis  jetzt  eine  lockere, 
oft  zufällige  gewesen ;  man  könnte  ein  ande- 
res Monument  ebensogut 
dorthin  stellen,  die  Ar- 
chitektur der  Platzwunde 
umgestalten.  .Michel- 

angelo zuerst  stellte  die 
Forderung  auf,  daß  der 
Platzraum  für  ein  Mo- 
nument gebaut  werden 
müsse,  dieses  aber  in 
seiner  besonderen  Er- 
scheinungsform Brenn- 
punkt des  architekto- 
nischen   Raumes,    Blüte 


der  Situation  zu  sein  habe.  —  Bei  der 
Aufstellung  des  Marc  .'Xurel,  eines  wohlerhal- 
tenen ehernen  Reiterstandbildes  des  antiken 
Barock,  auf  dem  nach  seinem  Entwurf  aus- 
gebauten Kapitols])latz  in  Rom,  zeigte  er, 
was  er  unter  monumentaler  Situation  ver- 
stand. Das  Denkmal  steht  in  der  Mitte  des 
annähernd  rechteckigen  l'latzes  ^^dieses  > an- 
nähernd« schließt  außerordentliche  Feinheiten 
ein,  die  in  erwähnter  Schrift  von  mir  analysiert 
worden  sind),  die  Figur  auf  niedrigem  Sockel 
fällt  mit  dem  Schwerpunkt  lies  \  on  den  fassen- 
den .\rchitekturen  gebildeten  Raumkubus  zu- 
sammen. Es  wird  so  gegen  die  umgebenden 
Architekturen  gebunden, 
gegen  deren  lielle  Töne 
die  dunkle  Bronze  kräftig 
absetzt,  steht  nicht  mehr 
über  dem  Platzraum  ge- 
gen den  Himmel.  Diese 
Aufstellung  verlangt  von 
einem  Monument,  da  es 
von  allen  Seiten  betrachtet 
werden  kann,  daß  seine 
Massen  sich  um  einen 
idealen  Mittelpunkt  aus- 
balancieren ,    daß    es    in 


28; 


Dr.  A.  E.  Ih-i)ick)}iaini  : 


hLKK  1>UKCH  UA.S  1  KU  Ml'll  1 . jR  AUt    DAS  STANDBILD  STAMSLAUS  tESCZl.NSKI.  (ERSATZ  DES  DENKMALS  LUDWIG  XV 


seiner  Erscheinung  viele  gute  Ansichten  heraus- 
bringt, nicht  mehr  auf  wenige  Silhouetten- 
ansichten hin  geformt  ist.  Dies  bedarl  der 
größten  Anspannung  des  liildhaucrs  und  hier 
scheitern  die  meisten  un- 
serer modernen  Monu- 
mente, die  in  der  Mitte 
eines  Platzes  stehen.  Die 
Rückansicht  einer  Figur 
in  moderner  Kleidung  ist 
nicht  nur  langweiUg,  oft 
sogar  unerträglich  öde. 
Ausgezeichnet  sind  in 
ihrer  Erscheinung  die 
römischen  Brimnen,  auch 
die  Fontaine  des  Trois- 
Graces  in  Montpellier 
(1776)  ist  besonderer 
Erwähnung    wert.*)     — 


*)  Im  Nachlaß  Karl  v.  Pidolls 
befindet  sich  eine  Serie  Zeich- 
nungen Hans  von  Marees' 
zu  einer   Brunnenfigur  —  ein 


286 


Für  die  Verbindung  von  Denkmal  und  Platz- 
raum ist  die  michelangeleske  Anordnung  — 
das  Monument  im  Zentrum,  gebunden  gegen 
die  raumumschließende  Architektur  —  in 
reinerer  Durchbildung  be- 
sonders für  das  Frank- 
reich des  18.  Jahrhun- 
derts die  typische.  So 
in  Nancy,  um  gleich 
das  schönste  Beispiel  zu 
nennen  (S.  2S6).  Das  in 
der  Revolution  zerstörte 
Standbild  Ludwig  XV. 
—  dieses  Schicksal  hatten 
die  Königsmonumente  in 
ganz  Frankreich  —  ist 
später  durch  ein  solches 

nackter  Mann  eine  Schale  em- 
porhaltend —  eine  an  römische 
i'.arock  -  Motive  anklingende 
Komposition,  in  der  diese  Auf- 
•^,\\k  glänzend  gelöst  erscheint. 
I'^inige  Blätter  davon  waren  in 
iler  Mareesausstelhmg  zu  sehen. 


Aiffafr/htno  von  Mointvirtila}-PIa!:tik. 


\on  Stanislaus  I.esczinski  in  denselben  Pro- 
]>ortionen  ersetzt.  Gleichmäßige  Arclii- 
tektiiren  unischlieLjen  den  Platz  auf  drei 
Seiten,  die  vierte  öffnet  sich  in  einem  ar- 
kadengefaßten dang  gegen  ein  prächtiges 
iriumphtor.  Der  helle  Sockel  des  Monu- 
ments steht  gegen  das  schwere,  in  dimklen 
Arkaden  sich  ölTnendo  l'ntergcschoß  des 
Stadthauses ,  die  eherne  l''igur  gegen  die 
lichten,  von  zarter  Pilasterstellung  geglie- 
derten ( )l)ergeschosse.  Diese  feine  Archi- 
tektur wirkt  als  Hintergrund  wie  eine  gleich- 
mäßige,  ruhig  gemusterte  Tapete. 

Auf  zweierlei  kommt  es  also  an :  ein- 
mal, daß  die  Architektur  einen  guten  Grund 
gibt,  das  Denkmal  im  Bild  auf  diesem  gut 
sichtbar  und  fest  steht,  dann  aber,  daß 
dieses  selbst  nicht  die  Architektur  stört, 
verstellt.  Min  Gegenbeispiel  spricht  hier 
am  deutlichsten  ,S.  2S7).  Der  symme- 
trische, zweiflü'glige  Bau  des  Darmstädter 
-Museums  wächst  in  der  Mitte  zu  einem 
Pavillon  em])or.  Hier  liegt  das  durch  die 
Kampe  stark  markierte  Kingangsportal,  die 
Stelle,  wo  der 
umschlossene 
Raum  des  Ge- 
bäudes in  \er- 
bindung  tritt 
mit  dem  freien 

Außcnrauni, 
also  ein  Kern- 
punkt des 

architektoni- 
schen Gcstal- 
tens.  Just  vor 
diesen  pHanzte 
sich  ein  Krie- 
ger -  Denkmal 
hin.  Man  emp- 
findet   es    als 

Ungeschick- 
lichkeit, wenn 

Tafel-  Dekora- 
tionen so  ste- 
hen, daß  man 

von   seinem 
Gegeniibernur 
die    Schultern 

sieht.      Kür 

monumentale 

Verhältnisse 

reicht  aber 
solches  Gefühl 
nicht  mehraus. 
I  )azu      guillo- 


l).\RM.STAnT.  KRlEGER-nENKM.\T..  Uispiiini;Iiclic  Aiifslilliiiii; 
vor  tlcm  L.-indcsiiuisctiin.  Wurde  1907  auf  Veranlassung  des  Erliauers.  I'rof. 
Alfred  Mcssel  ^,  entfernt  und  mehr  rechts  vor  den  Musctinis-Turnl  gestellt. 


tinicren  die 
Horizontalen 
des  Gebäudes 

das    Monu- 
ment,   stutzen 
der  Sieges- 
göttin die 
Flügel.    Es  ist 
ein  gutes  Zei- 
chen   für    die 
künstlerische 
Kultur   Darm- 
stadts ,    ein 
nachahmens- 
werter Ent- 
schluß,   wenn 
das     Denkmal 
kurz    vor    Er- 
öffnung      des 
Museums     auf 
Veranlassung 
des    .\rchitek- 
ten    Professor 

Messel    zur 
Seite    gerückt 
wurde ,    trotz- 
dem  die  mei- 
sten Darm 
Städter  den 
alten  Standort 
sehr  günstig 


WEIMAR.     KLRilE.MLAlZ.     DENKMAL  DES  GROSSHERZOGS  KARL  AUGUST 


287 


Atifsklhino  von  3fo>iu)>itvifaI-Plas/ik. 


PIACENZA.     PIAZZA  DE    CAVALLI.      DENKM.\LER  DER  HERZÖGE  .VLESSANDRO  UND  RANUCCIO  FARXESt. 


fanden.  Wallot,  dessen  gamicht  üble  Fassade 
des  Reichslagsgebäudes  von  dem  haltlosen 
Bismarckdenkmal  verstellt  wird,  ist  mit  seinen 
Einwendungen    weniger    erfolgreich    gewesen. 

Eine  gute  Situation  aus  neuerer  Zeit,  ganz 
im  Sinne  des  18.  Jahrhunderts,  hat  das  Reiter- 
monument des  Groljherzogs  Karl  August  auf 
dem  Fürstenplatz  in  Weimar  gefunden  iS.  287). 
Sie  wird  noch  dadurch  gesteigert ,  daß  das 
Terrain  gegen  den  Platz  zu  ansteigt. 

Francescho  Mocchi.  zwischen  Michelangelo 
und  Bernini  stehend,  gab  eine  andere,  wirkungs- 
volle Verbindung  von  Archi- 
tektur und  Monument :  er 
situierte  die  beiden  ähnlichen 
Reiter- Figuren  der  Herzöge 
Alessandro  und  Ranuccio 
Farnese  auf  der  nach  ihnen 
benannten  Piazza  de'Cavalli 
von  Piacenza  rechts  und 
links  auf  niederen  Sockeln 
vor  dem  prächtigen  Palazzo 
Municipale ,  so  den  Vor- 
platz markierend  (S.  288).*) 


')  Es  Ist  schwer,  ja  unmög- 
lich, Plastiken  oder  architektonische 
Gebilde  des  Barock  photc^aphisch 
gut  aufzunehmen.  Sie  geben  kein 
Flächenbild,    stellen  ihre  Gesamt- 


288 


Ahnlich  stehen  die  beiden  Brunnen  vor  Palazzo 
Farnese  zu  Rom,  und  auch  für  den  Platz  vor 
St.  Sulpice  zu  Paris  hatte  Servandoni,  der  Er- 
bauer der  klassischen  Fassade,  zwei  ähnlich 
situierte  Fontänen  geplant.  Einige  Jahrzehnte 
später  stellte  man  mitten  auf  den  Platz  die 
Fontäne  de  la  Paix,  die  schon  1813  von  Moisy 
getadelt  wurde:  »Ce  petit  monument  qui  n'est 
nuUement  en  rapport,  ni  pour  le  charactere 
d'arcbitecture,  ni  pour  la  masse  avec  l'immense 
portique  de  St.  Sulpice,  offre  encore  l'incon- 
venient  d'etre  situe  de  maniere  ä  couper,  de 
presque  tous  les  points  de 
la  place,  le  developpement 
de  cette  belle  fassade'^ .  Das 
hat  nicht  verhindert,  1847 
durch  eine  noch  klotzigere 
Fontäne  die  alte  zu  ersetzen, 
den  Platz  mit  Bäumen  aus- 
zupflanzen und  so  die  Fas- 
sade gänzlich  zu  verstellen. 
—  Wir  brauchen  uns  dem- 
nach nicht  allein  zu  schämen. 

DR.  A.  E.  BRINCKMANN— AACHEN. 


V\.\Z/.K    Dt      CAV.\LLI. 


erscheinung  nicht  gpgen  einen 
Standort  restlos  klar,  sondern  ver- 
langen, dal'i  man  um  sie  herum- 
gehe oder  in  ihnen  sich  bewege, 
den  Standort  wechsle. 


MARIK    HAKNULER     WIEN. 


Gestickter  faclier. 


BUCHKUNST. 


EINK    GLOSSE    VON    KUHAKl)    SCIIAUKAI.. 


Der  durcli  zahlreiche,  zum  Teil  treffliche 
l'ublikationen  zumal  älterer  deutscher 
Autoren  rühmlichst  bekannte  Verlag  Eugen 
Diederichs  in  Jena  versendet  ein  Zirkular 
über  eine  monumentale  »Faust ■»-Ausgabe.  Es 
scheint  mir  notwendig,  da  die  Sache  leider 
nicht  mehr  hintanzuhalten  ist,  wenigstens  für 
die  Zukunft  an  dieses  lehrreiche  Exempel  ein 
])aar  warnende  Worte  zu  knü])fen.  Der  Buch- 
schmuck ,  diese  schauderhafte  Bewegung 
der  neunziger  Jahre,  beginnt  bei  uns  gott- 
lob abzuflauen.  Kompromittierendes  ist  zwar 
noch  reichlich  vorhanden,  und  weitverbreitete 
schnöde  Typen  gebären  sich  endlos  iort,  aber 
im  gr(jßcn  und  ganzen  hat  man  die  Langweilig- 
keit und  (.leschmacklosigkeit  des  sinnlosen 
Kitsch-Ornamentes,  wenn  nicht  eingesehen, 
doch  gefühlt,  und  tüchtige  Firmen  —  allen 
voran  seit  neuestem  Hans  von  Weber  in  Mün- 
chen —  haben  gezeigt,  daß  man  auch  in 
Deutschland  endlich  wieder  an  die  herrliche 
Tradition  —  unsre  Bücher  vom  Anfang  bis  in 
die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  —  mit  Verständ- 
nis anzuknüpfen  bereit  und  seelisch  wie  tech- 
nisch in  der  Lage  sei.    Die'l'atsache  jedoch,  daiJ 


in  dem  letzten  Jahre  von  drei  großen  führen- 
den Firmen ,  unter  der  Ägide  namhafter 
Künstler,  in  sogenannten  Monumentahvcrken 
wahrhaft  Beklagenswertes  auf  den  heute  so 
reich  bestellten  Markt  der  Luxusbücher  ge- 
bracht worden  ist,  zwingt  den  ehrlichen 
Freund  edler  echter  Bücherkunst  zu  lauter 
Rügerede.  Ich  meine  des  Insel -Verlags  »Ecce 
homo  ,  die  Bondische  Shakes)ieare-.\usgabe 
(in  der  unerfreulichen  ^ Verbesserung«  des 
Schlegel -Tieckschcn  Textes  durch  einen  an- 
maßlichen  Herrn  Gundolf)  und  eben  den 
Diederichs'schen  Faust,  der  der  unmittel- 
bare Anlaß  dieser  Zeilen  ist. 

Ich  bin  seit  vielen  Jahren  ein  entzückter 
Sammler  guter  Bücher  und  besitze  zumal 
an  trefflichen  deutschen  und  französischen 
Ausgaben  des  19.  Jahrhunderts  eine  stattliche 
Anzahl.  An  ihnen  habe  ich  meinen  Ge- 
schmack geschult  und  weiß,  worauf  es  an- 
kommt bei  einem  tüchtigen   Buche. 

Ich  bin  überdies  als  Autor  mit  manchen  \'er- 
legern  in  Verbindung  geraten  und  habe  mit  Inter- 
esse, freilich  oft  mit  Entsetzen  gesehen,  wie  bei 
uns  buchtechnisch  gearbeitet  wird,  welche  Ziele 


289 


Richard  Scliaukal: 


HELENE    GEVRIXGER-WIEN. 

blind  verfolgt  wx-rden.  Ich  habe  mich  immer 
intensiv  und  energisch,  (reilich  kaum  je  mit 
vollem  fZrfolg,  um  die  äußere  Gestaltung  meiner 
Publikationen  selbst  bemüht  und  bin  ein- 
sichtigen Verlegern  ein  nicht  zu  übersehender 
Anwalt  der  eigenen  Sache,  ein  nicht  zu  über- 
hörender Berater  überhaupt  gewesen:  auch 
hier  leider  nicht  mit  dem  für  die  Sache 
wünschenswerten  durchgreifenden  Erfolge.  — 
Soll  ich  meinen  Eindruck  von  der  Art, 
wie  heute  von  unternehmenden  deutschen 
Verlegern    Bücher    gemacht    werden,    in    ein 


Leiiienkisseii   mit   farbiger  Sückerei. 

Wort  zusammenfassen,  so  lautet  mein  Tadel : 
unharmonisch.  Es  fehlt  den  Druckwerken, 
die  sich  auf  den  ersten  Blick  oft  recht  ge- 
fällig präsentieren,  an  der  Einheit.  Und  nur 
in  dieser  Einheit,  die  Notwendigkeit  ver- 
kündet, beruht  das  Geheimnis  der  wunder- 
baren Wirkung  aller  älteren  deutschen  und 
der  französischen  und  englischen  guten  Pubh- 
kationen.  Unsere  Verleger  schießen  fast  immer 
übers  Ziel  hinaus,  oder  sie  haben  keinen  Sinn  für 
das  Wesentliche.  Sie  fahnden  unruhig  nach  dem 
neuen  und  originellen   »Buch  k  ün  s  1 1  er  ■    und 


WIKNER    PRODUKIU  • 

GENOSSENSCHAFT   DkK 

ABSOLVE.N'TINNEN 

DER    K.  K.  KUNST- 

ST1CKEREI-SCHU1.HN. 


MARIE    HAENULER 
\\  lEN. 

LEINENKISSEN 
MIT   SCHWARZEN 
M  HNÜREN. 


Bt/c/iht)i<;/.     Einr  Glosse. 


MAV    MIIKHIS 
LONDON. 
I.KINBNKISShN 
Mir   KINFACHÜR 
STICKI-IREI. 


gehen  an  trefflichen  Mustern  des  Bücherlebeus 
vorüber.  So  machen  sie  immer  wieder  leere, 
tote  und  meist  l'ratzenhalte  Bücher.  Nehmen 
wir  das  vorliegende  Beispiel.  Ich  erkläre  dieses 
sich  als  tonangebend  gebärdende  Werk  als 
durchaus  verfehlt.  Warum?  Weil  es  eine  Reihe 
von  un vereinigten  Faktoren  vorstellt, 
kfin  Clanzes.  Der  I'ros[)ekt  behauptet,  die 
rhythmisch  abgewogene  Liniatur  halte  das 
ganze  Seitenbild  zusammen. •^  Ich  behaupte, 
diese  Liniatur  ist  ein  schrecklicher,  ein  witziger 
Einfall,  hat  von  Rhythmus  keine  Spur  und 
ist  nicht  »abgewogen  ,  sondern  planlos.  Es 
gibt  scheinbar  ähnliche  Liniaturen  in  vortreff- 
lichen Büchern  bester  Zeiten.  Aber  —  es  gibt 
eben  Flöten  und  —  Flöten.  .  .  Der  Prospekt 
weist  femer  auf  das  »buchästhetische  Wagnis 
eines  Clemischtsatzes«:  hin.  Ich  erkläre  dieses 
Wagnis  als  einen  Aberwitz  und  konstatiere, 
daß  die  ästhetische  Wirkung  scheußlich  ist. 
Noch  mehr:  die  Typen  sind  nicht  nur  unzu- 
sammengehörig, einander  fremd  und  daher 
niemals  vereinbar,  sondern  sie  haben  auch 
verschiedene  —  jedoch  nicht  abgewogene  — 
Tonstärken.  Die  ganze  Textseite  wirkt  als 
einer  der  leider  bei  uns  üblichen  »künstle- 
rischen '  Einfälle,  die  die  allzu  rührigen  Verleger 
mit  Stil  verwechseln.  (Dieses  *  Künstlerische  ■^ 
ist    überhaujit    der    Krebsschaden    unsrer    um 


allen  Stil  betrogenen  Zeit,  eine  richtige  Krätze.) 
—  Ebenso  liegt  der  Fall  bei  dem  Van  de 
Veldeschen  Ecce  homo  ,  ebenso  bei  dem 
Lechterschcn  -  Shakes])eare  .  Möchten  docii 
die  Deutschen  wieder  einmal  bei  den  Franzosen 
in  die  Schule  gehen,  nicht  etwa  nur  den 
neuesten,  auch  nicht  den  klassischen-  .•Mten, 
sondern  bei  denen  der  gleichgiltigen  60er  und 
70er  Jahre  zum  Beisiiiel.  Man  nehme  eine 
Lu.xusausgabe  etwa  von  Jonaust!  Wie  anders 
wirkt  dies  Zeichen  auf  mich  einl  Und  was 
ist  der  Grund  der  unbeschreiblich  vornehmen 
Wirkung  der  Textseiterl  Das  Verhältnis, 
die  Ruhe,  die  von  aller  .Absicht  entbürdele 
Sicherheit  des  (jeratenen.  Nichts  als 
kostbares  Papier  und  guter  Druck. 
Nichts  sonst  —  aber  wie  verschmolzen  zum 
Eindruck  des  Verehrungswürdigen  ! 

Bei  uns  ist  man  immer  auf  -■Kultur'  aus. 
Welch  ein  Irrtum!  Man  hat  Erziehung,  das  ist 
alles.  Und  die  Deutschen  haben  auch  Erziehung 
genossen  —  in  verschollenen  Zeiten.  . .  Geht 
in  die  Kinderstut)e  eurer  Tradition,  fürwitzige 
Kullurförderer;  vielleicht  lernt  ihr  doch  noch 
das  llruseln  I  .  .  . 

Und  zum  hundertsten  Male :  zu  einem  guten 
Buch  braucht  man  keinen  >Buchkünstler«, 
sondern  »bloß«  —  Geschmack  und  weiters 
solide  Arbeit  in  solidem  Material.   —      .scn. 


291 


FRAU   KLSE 

WISLICENUS 

BRESLAU. 

KISSEN   UND 

HANDTÄSCHCHHN 

MIT   STlCKKKtl 

IN  bMDE.  PtKLEN 

UND    SlLBtR. 


KRAU    KLSB 
WISLICKNÜS 
liKESI-AU. 
KISSHN    UND 
IIÄUBCIIHN    MIT 
snCKBRHI    IN 
SKIDH,   IMtKLHN, 
(.OLD  UND  SILUliR. 


PAUL    COOPkR 

LONDON. 

ALTARKKLLHE 

L'ND    KACI-Ht!- 

KANNK    IN 

SILni^K. 


AUSGKSTKLLT 
IS    DKR    INTHK- 
NATIONAI.KN 
KUNST  SCHAir 
IN    WIRN    1909. 


PROFESSOR    ERNST  RIEGEL      DARMSTADT. 

POKAL  IN  SILBER,  GRAVIERT  UND  MIT  TOPASEN  BESETZT. 


KÜNIÜLICIUC   fuKZKLLAN-MA.NUlAKTUR     BICKLLN.       NalikUstcheii    mit    AufglaSUllUdlclci    uiiU    Email. 


KÖNIGLICHE  PORZELLAN-MANUFAKTUR -BERLIN. 


War  es  schon  von  jeher  für  jeden  Freund 
des  Kunstgewerbes  von  größtem  In- 
teresse, die  neuen  Erzeugnisse  unserer  großen 
staatlichen  Porzellan-Manufakturen  zu  \  erfolgen, 
so  liegt  doch  jetzt  ein  besonderer  AnlaLl  vor, 
sich  mit  den  Neuheiten  der  Königlichen  Por- 
zellan-Manufaktur zu  befassen.  Wird  es  doch 
jetzt  fast  ein  Jahr,  daß  in  der  künstlerischen 
Leitung  dieser  Manufaktur  ein  einschneidender 
Wechsel  eingetreten  ist.  An  die  Stelle  von 
Professor  Kips,  der  lange  Jahre  ihr  artistischer 
Leiter  war,  ist  vor  ungefähr  einem  Jahr  Pro- 
fessor Schmuz-Baudis  getreten.  Dieser  Künstler, 
der  schon  einige  Jahre  im  N'erbande  der  Manu- 
faktur selbständig  gearbeitet  hat,  ist  eine  so 
ausgeprägte  Künstlerpersönlichkeit,  daß  man 
eigentlich  annehmen  mußte,  daß  die  Manu- 
faktur in  ihren  künstlerischen  Arbeiten  nach 
diesem  \\echsel  ein  ganz  anderes  Gesicht  be- 
kommen werde. 

Jetzt,  nachdem  fast  ein  Jahr  vergangen 
ist,  kann  man  sagen,  daß  es  doch  nicht  so 
gekommen  ist.    Professor  Schmuz-Baudiss  war 


eben  viel  zu  einsichtig,  um  gewaltsam  seine 
künstlerischen  Anschauungen  sofort  durchsetzen 
zu  wollen.  Kr  konnte  auch  nicht  die  alte  und 
sichere  Tradition  der  Königlichen  Manufaktur 
einfach  negieren,  oder  in  so  kurzer  Zeit  den 
komiilizierten  Mechanismus  eines  so  großen 
Werkes  auf  eine  vollständig  andere  Richtung 
einstellen. 

Für  einen  großen  Teil  der  künstlerischen 
.Vrbeiten  der  Fabrik  war  überhaupt  eine  .\n- 
derung  nicht  möglich,  da  sie  auf  Bestellung 
hergestellt  zu  werden  pflegen.  Diese  Arbeiten 
müssen  also  genau  nach  den  alten  Mustern 
angefertigt  werden,  aber  soweit  keine  ganz  be- 
stimmten Mustervorschriften  vorlagen,  wurde 
auch  bei  diesen  doch  darauf  hingearbeitet. 
Form  und  Dekor  mehr  in  Einklang  zu  bringen 
als  das  früher  in  allen  Fällen  geschehen  ist. 
So  oft  es  nur  möglich  war,  hat  man  auch 
darauf  verzichtet,  technisch  virtuose  Malereien 
zu  geben  und  sich  heber  streng  an  <iie  alten 
Vorlagen  beziehungsweise  die  Formen  und  die 
Farbengebung  der  betrcflenden  l'^poche  gehalten. 


Könicriiche  Poi-zellan-Maintlaktur- 


-Berlin. 


Wie    in  der  alten  bekannten   Richtung   der 
Königlichen  Manufaktur  jetzt  weiter  gearbeitet 
wird,    zeigen  zwei  der  hier  abgebildeten  Por- 
zellane.    Das  eine  ist  ein  Nähkasten,    der  in 
frei  behandelten  Rokokoformen  gehalten  ist.  Im 
ganzen  Aufbau  findet  sich  keine  gerade  Linie 
und  auch  das  Oval,  das  den  Umriß  des  Deckels 
bildet,  ist  noch  mehrfach  gebrochen  und  ein- 
gezogen.     Diese    kapriziöse    Linie    liegt    ganz 
im  Sinne  dieser  klassischen  Zeit  des  Porzellans, 
aber    sie    hat    auch    den   technischen  Vorteil, 
daß  der  Porzellankörper  im  Ofen  seine  Form 
besser  behält,   sodaß  der  überfallende   Deckel 
genauer  auf  den  in  Fächer  geteilten  Kasten  paßt, 
als  wenn  er  in  einer  einfachen  geometrischen 
Form  gehalten  wäre.     Die  in  Aufglasurfarben 
ausgeführte  Dekoration  zeigt  ein  großes  Mittel- 
stück  und  außerdem  kleine  Blumensträußchen 
und  Ornamente.    Besonders  interessant  ist  eine 
farbige  in  Email  ausgeführte  Perlenkante,   die 
rings  um  den  Sockel  herumläuft.    LJieser  Ver- 
bindung von  Aufglasurfarbe,   Gold  und  Email 
wird    jetzt    in     der    Königlichen    Manufaktur 
besondere     Aufmerksamkeit     geschenkt     und 
in    nächster    Zeit 
schon  werden  ver- 
schiedene       neue 
Muster    in    dieser 
reizvollen  Kombi- 
nation herauskom- 
men.  —   Das  an- 
dere in  Aufglasur- 
farben   dekorierte 
Stück   ist  ein  ko- 
nischer durchbro- 
chener Obstteller. 
Bekanntlich  ist  die- 
ses Obstservice  ein 
eiserner    Bestand- 
teil jeder  besseren 
bürgerlichen  Aus- 
stattung.   Aber  so 
hoch  es  auch  von 
den    guten    Haus- 
frauen       gehalten 
wird,      so     wenig 
hat    es    doch    die 
Anerkennung    der 
strengeren  Kritiker 
gefunden,  weil  die 
Obstslücke        auf 
diesen       Servicen 
von     einer    uner- 
träglichen   Plastik 
waren.  Dieses  alte 
Muster     ist     jetzt 


298 


etwas  modifiziert  worden,  indem  die  Schatten 
weggefallen  sind,  sodaß  sich  die  ISLalerei  besser 
in  die  Fläche  einfügt  und  nicht  mehr  wie  bei 
der  früheren  Ausführung  in  virtuoser  Weise 
natürliches  ( )bst  vortäuscht. 

Die  anderen  Abbildungen  zeigen  Porzellane 
mit  Unterglasurdekoren,  in  denen  sich  bekannt- 
lich der  jetzige  künstlerische  Direktor  der 
Porzellan-Manufaktur  einen  eigenen  Stil  ge- 
schaffen hat.  Auch  er  ist  natürlich  zu  diesen 
Arbeiten  von  den  schönen  Porzellanen  der  Kö- 
niglichen Manufaktur  in  Kopenhagen  angeregt 
worden,  die  bei  ihrem  ersten  Erscheinen  auf  der 
Pariser  Welt- Ausstellung  ein  so  großes  Aufsehen 
erregt  haben  und  sich  auch  noch  jetzt  bei  allen 
Kennern  einer  großen  Vorliebe  erfreuen.  Diese 
Art  der  Porzellan-Dekoration  hat  ihre  eigenen 
künstlerischen  Gesetze,  die  mit  der  besonderen 
Art  der  Technik  und  ihrer  eigenartigen  Aus- 
drucksmöglichkeit zusammenhängen.  Bei  der 
Unterglasurmalerei  werden  nämlich  die  Farben 
von  der  Glasur  bedeckt.  Sie  sind  also,  wie 
auch  ihre  andere  Bezeichnung  als  Scharffeuer- 
farben andeutet,  in  demselben  Feuer  ein- 
gebrannt, in  dem 
die  Glasur  des  Por- 
zellans flüssig  wird, 
während  der  Por- 
zellan -  Scherben 
durch  die  Sinte- 
rung seine  eigen- 
tümliche Struktur 
und  seine  Trans- 
parenz erhält.    In 

diesem  hohen 
Feuer  können  nur 
wenige  Farben  ver- 
wandt werden,  so- 
daß die  Dekoration 
sich  auf  eine  ziem- 
lich arme  Palette 
beschränken  muß, 
aber  dafür  werden 
auch  diese  Farben 
durch  die  darüber 
liegende  Glasur 
zusammengehalten 
und  sie  erhalten 
von  ihr  jenen  wun- 
derbaren Glanz, 
den  keine  andere 
Malerei  erreichen 
kann.  Wenn  also 
in  letzter  Zeit  sich 
Stimmen  erhoben 
haben,  die  dieser 


KGL.  PORZ.-MANUFAKTUR— BERLIN.  Vase  mit  Unterglasur- Dekor. 


KCL.    I'OK/HI.LAN- 

'MANUKAKTLR 

HKKMN. 


■^^■■l^^^B 

^^^^^^^^^  ^  ^^^^^^^^1 

^^H^^AKh  ^^^1 

^■L  B  wW-^i 

Kir.UKLK  HK 
AKHKITHN 
tA.30CM    MÖHB. 


2^J^) 


Köiii^l.  Porzellan  -ManulaktHr—Berlvi. 


KOSIGI.. 

POBZEl-LAN- 

MANUFAKIÜK 

BERLIN. 


FRUCHTSCHALE  MIT 
Dl'RCHHKOCHHNLM- 
RAND    UND 

al'I"l;lasubmalij-rbi. 


Art  der  Malerei  die  Berechtigung  absprechen, 
weil  sie  den  Farbenreichtum  der  Aufglasur- 
malerei  nicht  erreichen  könne,  so  zeugt  doch 
jede  künstlerisch  ausgeführte  Unterglasurmalerei 
zu  sehr  gegen  diese  Doktrin,  als  daß  man  sie 
anerkennen  könnte.  Man  muß  nur  zugeben, 
daß  die  Unterglasurmalerei  ihre  besonderen  Ge- 
setze hat.  Jede  naturalistische  Wirkung  liegt 
dieser  Technik  lern,  sie  kann  nur  in  breiten 
voneinander  getrennten  Flächen  arbeiten  und 
deshalb  müssen  auch  ihre  Modelle  für  sie  be- 
rechnet sein.  Während  die  Kopenhagener- 
Manufaktur  ein  ziemlich  hoch  gebranntes  Hart- 
porzellan verwendet  und  ihre  Farbenauswahl 
demgemäß  eine  sehr  beschränkte  ist,  wird  in 
der  Berliner  Porzellan-Manufaktur  mit  einem 
besonderen  Porzellan  gearbeitet,  dessen  Zu- 
sammenstellung ihr  technischer  Leiter  Ge- 
heimer Regierungsrat  Dr.  Heinicke  erfunden 
hat.  Dieses  iHeinicke-Porzellan«  ist  weicher, 
wird  also  bei  geringerem  Feuer  fertig  und 
gestattet  daher  eine  reichere  Auswahl  von 
Farben.  So  haben  die  Arbeiten  der  Berliner 
Manufaktur  stets  einen  durchaus  selbständigen 
Charakter    bewahrt    und    auch    die    hier    vor- 


geführten neuen  Modelle  zeigen,  daß  der  ein- 
mal betretene  Weg  mit  sicherem  Takt  und 
großer  Folgerichtigkeit  weiter  beschritten  wird. 
Die  figürlichen  Arbeiten  sind  in  großen  Flächen 
gehallen  und  auch  von  verhältnismäßig  großen 
Abmessungen.  So  ist  z.  B.  die  Dame  mit 
dem  Windhund  32  cm  hoch  und  die  beiden 
anderen  Figuren,  die  auf  derselben  Seite  ab- 
gebildet sind,  sind  nicht  viel  niedriger.  Bei 
den  Kinderfiguren  hat  man  sich  auf  eine  sehr 
sparsame  Dekoration  beschränkt,  indem  bei 
dem  einen  Kind  nur  die  braunen  Schuhe, 
mit  denen  es  spielt,  farbig  geli  alten  sind  und 
bei  dem  anderen  der  Milchtopf  und  das  zarte 
Muster  des  Kleidchens. 

Der  besondere  Stil  von  Professor  Schmuz- 
Baudiss  prägt  sich  in  den  beiden  abgebildeten 
Vasen  in  eindringlicher  Weise  aus.  Die 
niedrige  und  bauchige  Vase  steht  in  der  Art 
japanischer  Kunstwerke  auf  einem  kleinen 
durchbrochenen  Untersatz,  der  ihrem  Körper 
jede  Schwerfälligkeit  nimmt.  Der  großflächige 
Dekor  ist  in  den  zarten  Farben  gelb,  grün 
und  violett  zusammengestimmt,  während  in 
dem  Körper  des  Vogels  die  weiße  Grundfarbe 


?00 


KÖNIGLICH  i- 
l-ORZELLAN 

MANt'KAKTUK 
BKRLIN- 


l'[(.L'KLICHt! 

AKIIKITBN 

UND   TIBRCRUPPB. 


Kolli': liehe  Porzellan  -Manu/akhir-Bcrliri. 


des  Porzellans  vorherrscht.  Nur  die  großen 
Federn  sind  fein  konturiert.  Die  andere 
schlanke  Vase  zeigt  einen  Dekor,  dessen 
Motive  wohl  auf  das  Chrysanthemum  zurück- 
gehen, aber  dieses  Blumenmotiv  ist  selbst- 
verständlich flächig  verarbeitet,  sodaß  es  sich 
den  eigentümlichen  Bedingungen  der  Unter- 
glasurmalerei in  ungezwungener  Weise  fügt. 
So  kann  man  aus  diesen  wenigen  Proben 
schon  erkennen,  daß  die  Berliner  Porzellan- 
Manufaktur  sich  auf  neuen  Wegen  befindet. 
Freilich  handelt  es  sich  imi  keine  gewalt- 
same Revolution,  die  das  alte  vernichtet,  um 
dann  ganz  von  vorne  zu  beginnen,  sondern 
mit  Bedacht  wird  die  alte  gute  Tradition  ge- 
pflegt    und     daneben     werden    allerlei    neue 


Keime  dem  fruchtbaren  Buden  anvertraut. 
Immer  mehr  werden  die  reichen  Möglich- 
keiten dieses  einzigen  Betriebes  ausgenutzt. 
Dem  zähen  und  stillen  Fleiß  ihres  künst- 
lerischen Leiters,  dem  ganz  bestimmte  Ziele 
vor  Augen  stehen,  wird  es  sicherlich  gehngen, 
den  großen  Apjiarat ,  zu  dessen  Führung  er 
berufen  ist,  nach  und  nach  ohne  Gewalt- 
samkeit seinen  Absichten  anzupassen.  Wenn 
ihm  das  Geschick  die  für  diese  große  .\rbeit 
nötige  Schaffenszeit  gewährt,  dann  wird  in 
der  ruhmreichen  Geschichte  der  Berliner 
Manufaktur  diese  Epoche  für  alle  Freunde 
des  edlen  Porzellans  immer  eine  bemerkens- 
werte bleiben. 

Dr.    PHIL.    ERNST  JAFFE— FR1EI)EN.\U. 


PDEZELLAJM- 

MANÜFAKTUR 

BERLIN. 


V.\bE    MIT 
UNTERGLASUR- 
MALEREI. 


T^^^^^^i^mi^^i^^)^^B^^^^ss^^^m^^^^^^ 


PROFESSOR  CITO  PRUTSCHER     WIEN. 


SILBERPERL-GLASER.     AUSF.:  BARNSPANN     KLOSTERMl  HLE. 


FASSADEN-ENTWÜRFE  VON  ARCHITEKT  VVÜRZLER-KLOPSCH. 


VT^eranlassung  zu  dem  Wettbewerb,  bei  dem 
Professor  1'".  Schumacher  Dresden,  Re- 
t;ieruiigs- und  üaurat  TeichmüUer  Dessau  und 
Direktor  Prof.  1'.  Ostermaycr  Dessau  i'reis- 
richter  waren,  gaben  die  Miljstände,  die  sicli  im 
Bauwesen  gerade  in  den  Kleinstädten  zeigten. 
In  den  vergangenen  Jahren  ist  —  nicht  nur 
in  .\nhalt  -  -  durch  unverständige  Ilauunter- 
nehmer  und  die  geschmackliche  Unsicherheit 
und  Cileichgiltigkeit  von  Bestellern  imd  Aus- 
liihrenden     viel     Unheil     angerichtet    worden. 

Der  Aufgabe  des  Wettbewerbs :  *  Die  Schaf- 
fung von  Gebäude-Schauseiten  zu  vorhandenen 
ortsüblichen  Grundrissen,  ausgehend  von  der 
alten,  leider  nicht  mehr  geübten  Bauweise«:, 
zeigte  sich  gerade  W'ürzler-Klopsch  in  hohem 
Grade  gewachsen,  und  so  wurde  denn  auch 
seinen  Entwürfen  der  I.  Preis  zuteil. 

In  den  abgebildeten  Entwürfen  finden  wir 
alle  guten  (Jualitäten  der  übrigen  Arbeiten 
Würzler- Klopschs  wieder:  nichts  Gesuchtes 
sondern  durchaus  vornehme  Schlichtheit  in 
der    Eormgebung,    eine    organische    und    ver- 


nünftige Durchbildung,  die  durch  schone  Pro- 
portionen ästhetisch  vollauf  befriedigt.  Die 
Aneinanderreihung  der  Häuser  ergibt  einen 
gefälligen  Rhythmus,  der  durch  starke  durch- 
gehende Horizontalen  die  nötige  Ruhe  erhält. 
Bemerkenswert  ist  dabei,  daß  die  verschieden- 
artigen Eassadeoausbildungen  sich  über  gleich- 
artigem tirundriß  erheben.  Dieser  Umstand  ist 
für  das  Unternehmertum  besonders  wichtig; 
eine  Monotonie  des  Straßenbildes  wird  dabei 
zugleich  glücklich  vermieden. 

Es  steht  zu  hofifen,  daß  das  Ergebnis  dieses 
Wettbewerbs  in  wirtschaftlicherund  ästhetischer 
Hinsicht  für  das  Anhaltsche  Bauwesen  von 
einschneidender  Bedeutung  wird.  Die  preis- 
gekrönten Entwürfe  werden  vervielfältigt  und 
den  Baubehörden,  Magistraten  und  Bauunter- 
nehmern vorgelegt.  Wie  sich  überall  zurzeit 
eine  Bereitwilligkeit  in  der  Anerkennung  posi- 
tiver Werte  zeigt,  so  werden  auch  gewiß  die 
Behörden  Anhalts  nicht  zurückstehen,  sondern 
das  Ihrige    zur  Hebung  der  heimisclren   Bau- 


weise tun. 


UIE   SCHRIITI.EITUNG. 


PREISGEKRÖNTE  ENTWlVUFE  AUS  DEM 

GEBÄUDE-SCHAUSEITEN-WETTBEWEKB  lÜR  DIE  KLEINSTÄDTE 

DES  HERZOGTUMS  ANHALT. 


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ARCHITKKT    D.  W.  B.    P.\UL   XVLl<,!LKR-KLOPSCH— LEIPZIG.       FASSADEX-KNTWÜKf E    MIT   DEM    I.  PREIS   BEDACHT. 


PREISGEKRÖNTE  ENTWÜRFE  AUS  DEM 

GEBÄUDE-SCHAUSEITüN-WETTBEWERB  FÜR  DIE  KLEINSTÄDTE 

DES  HERZOGTUMS  ANHALT. 


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MIT    UKM    KKSIKN 

l'HHIS  KKDACiriHN 

ENTWt'RfK   VON 


ARCHITEKT    D.  W.  H. 
l'AUL  WÜR/LKK- 
KLOI'SCH    IN 

LKnvii;. 


MAX  KLINGERS 
WAND-GEMÄLDE  FÜR  DIE  AULA  DER  UNIVERSITÄT  LEIPZIG. 


Die  500jährige  Jubelfeier  der  Universität 
Leipzig  hat  auch  ein  künstlerisches  Er- 
eignis zur  Folge,  die  Vollendung  von  Klingers 
großem,  im  Auftrage  der  sächsischen  Regie- 
rung ausgeführten  Wandbild  für  die  Aula, 
einem  Riesengemälde  von  20  m  Länge  und 
6'/4  ni  Höhe,  das,  auf  Leinwand  gemalt,  in 
einer  Höhe  von  4'/2  m  über  dem  Fußboden, 
von  korinthischen  Tilastern  flankiert,  in  die 
Wand  eingefügt  ist.  In  der  Symbolik  eines 
griechischen  Kulturbildes  verherrlicht  es  in 
drei  Gruppen,  »dem  geistigen  Anschluß  des 
Bildes  an  die  Bestimmung  und  Bedeutung  des 
Raumes  entsprechend-,  Dichtung  und  Literatur 
(Homer  den  andäclitig  lauschenden  Griechen 
seine  Gesänge  vortragend),  die  Wissenschaft 
(die  beiden  ernsten  mit  einander  verhandelnden 
Männergestalten,  Aristoteles  und  Piaton,  die 
Repräsentanten  der  Natur-  und  Geisteswissen- 
schaften) und  der  Kunst  (die  schöne  Gruppe 
auf  dem  Wiesenplan ,  die  ein  Künstler  zu 
zeichnen  sich  bemüht.  Erhobenen  Hauptes 
sitzt  der  blinde  Sänger  auf  einem  Felsen,  die 
Arme  in  seherischer  Erregtheit  ausgestreckt 
gegen  die  über  alle  mächtige  Göttin  der  Liebe, 
deren  Gegenwart  er  erschauernd  ahnt ,  die 
Göttin,  die  durch  den  Schiedsspruch  des  Paris 
jenen  Krieg  veranlaßte,  der  den  Sänger  zu 
seinen  Liedern  von  den  Heldentaten  vor  Ilion 
begeisterte.  Eine  Triangel  schlagendes  und  ein 
träumendes  Mädchen  vollenden  diese  Gru])pe, 
die  nach  der  Tiefe  die  wundervolle  Halbinsel 
Syra  zu  einer  machtvollen  Komposition  ab- 
schließt. Am  rechten  Bildrand  erscheint, 
von  seinem  Freund  Parmenion  begleitet,  in 
Helm  und  Panzer,  hastigen  Schritts  Alexander. 
der  Schüler  des  Aristoteles,  dessen  feuriges 
Begehren  es  war,  dem  berühmtesten  Helden 
der  Ilias  nachzueifern.  Ein  Mädchen  reicht  ilim 
den  Lorbeer,  mit  dem  er  den  geliebten  Lehrer 
krönen  soll.  Eine  junge  .Amazone,  die  für  die 
Komposition  der  Figurenreihe  ein  notwendiges 
Bindeglied  ist,  macht  diesen  auf  das  Nahen 
des  berühmten  Schülers  aufmerksam.  Die 
37  Figuren  des  Bildes  sind  in  eine  Landschaft 
hineinkomponiert,  die  aus  verschiedenen  Natur- 
motiven zu  dieser  großartigen,  überaus  festlich 
wirkenden  Naturszenerie  vereinigt  ist,  hnks  in 
ihrem  hellen  Glanz  das  felsige  Vorgebirge  der 
Insel  Syra,  rechts  der  Rosengarten  in  rosa 
Glut.     Klinger  entnahm    den  Vorwurf  wieder 


der  Antike  wegen  der  Allgemeinverständlichkeit 
ihrer  Symbolik ,  ihrer  Mythologie  und  Ge- 
staltenwelt und  weil  sie  dem  Nackten  die 
grölJte  l'reiheit  gewährt.  Es  ist  der  erste 
monumentale  Auftrag,  der  Klinger,  dessen 
große  Figurenbilder,  »Anbetungen  dieser  pracht- 
vollen großschreitenden  Welt«,  festliche,  lempel- 
artige  Räume  verlangen,  zu  Teil  geworden  ist. 
Eine  Fülle  von  Studien  (I'arbenskizzen,  Akte, 
Köpfe,  Gewanilfiguren)  liegen  dem  Bilde  zu 
Grunde,  die  sich  die  Wiener  Galerie  gesichert 
hat.  Einige  Köpfe  sind  teils  treue,  teils  leicht 
umgemodelte  Porträts.  Ganz  rechts  in  der 
Griechengruppe  sehen  wir  das  Porträt  Greiners. 
Klingers  .Stil  der  Monumcntalmalerei  ist 
aus  dem  »Parisurteih  und  dem  s  Christus  im 
Olymp  bekannt.  Er  ist  dasselbe  in  diesem 
Riesengemälde.  Im  Gegensatz  zu  der  von 
vielen  als  allein  seligmachend  gepriesene  deko- 
rative Flächenmalerei  vertieft  Klinger  wie 
Marees  die  Wand  zu  einem  farbigen  Raum 
mit  freier  Anordnung  von  bewegten  Grup])en 
und  Einzelgestalten  und  entfaltet  in  Licht  und 
Luft  die  Farben  in  der  ganzen  Fülle  ihrer 
Reflexe ;  er  wirkt  dabei  immer  groß,  auch  in 
der  l'arbe.  Die  grünen  Bäume,  das  Gebirge 
und  die  stark  farbigen  Gewänder  sind  bindende 
Massen  für  die  warmen  goldbraunen  und 
rosigen  Fleischtöne,  für  die  hellen,  schweben- 
den Farben  des  Himmels,  des  silberrosig 
leuchtenden  Wassers  und  des  Vorgebirges. 
Das  Bild  ist  kein  Fresko,  auch  kein  Tempera- 
bild in  mauerkühleii  abstrakten  Farben  wie 
das  Hodlersche  in  Jena,  es  ist  ein  Ölbild, 
und  Klinger  will  sich  die  stark  differenzierten 
feineren  Reize  der  Glfarbe  nicht  entgehen  lassen; 
sie  wirkt  mit  dem  ganzen  Zauber  ihrer  Sinn- 
lichkeit. Und  von  neuem  bewundem  wir  in 
diesem  Gemälde  Klingers  herrliche  Landschafts- 
kunst und  seine  Meisterschaft,  die  Figuren 
nicht  nur  durch  Viertels-  und  Halbwendungen 
und  Contrajioste,  durch  ausdrucksvolle  CJesten, 
die  leidenschaftliche  Homers,  die  lässigen, 
träumenden,  hinweisenden  der  Frauengestalten, 
die  statuarische  Gelassenheit,  den  herrlichen 
Dreiecksaufbau  der  rechten  Gruppe,  sondern 
mehr  noch  durch  die  farbige  Modellierung 
aus  der  Fläche  in  den  freien  Luftraum  zu 
heben  und  die  »prachtvolle  großschreitende 
Welt«  mit  »vollständiger  Klarheit  und  Tiefe 
wiederzugeben«.  paul  kühn. 


310 


M  ANZAN  A  -  PISSARO  -PARIS. 
»HL.   JUNGFRAU    MIT    DEM    KINDE«. 


PIEKRK    PUVIS    DE    CHAVANNES. 


ücmälde:      Enthauptung  Johannes  des  Täufers« 


AUSSTELLUNG  FÜR  CHRISTLICHE  KUNST 

DÜSSELDORF  •  MAI  BIS  OKTOBER   1909. 


Einst  lebte  die  Kunst  von  den  Aufträgen 
der  Kirche.  Ja,  genauer  zugesehen  waren 
damals  die  Kirche  und  der  von  ihr  verwaltete 
Kult  der  Nährboden  alles  künstlerischen  Emp- 
findens, der  Maßstab  aller  künstlerischen  Pro- 
duktion. Die  Kunst  war  eine  Art  des  Gottes- 
dienstes ;  durch  Jahrhundertc  glaubte  sie  allein 
die  Themen  der  beiden  Testamente  und  der 
Heiligengeschichte  ihrer  würdig.  Doch  waren 
diese  Perioden  der  intimsten  AUiance  zwischen 
einer  Schönheit,  die  trotz  alles  heiligen  Strebens 
doch  immer  irdisch  bleiben  mußte,  und  einer 
transzendentalen  Geistigkeit,  der  aller  farbige 
Glanz  doch  nur  ein  Neigen  vor  der  himmhschen 
Herrlichkeit  sein  konnte,  keineswegs  im  üblen 
Sinne  konservativ  oder  gar  ohne  formale  Ent- 
wicklung. Auf  die  byzantinische  Basilika  folgt 
der  romanische  Dom  und  die  gotische  Ka- 
thedrale ,     ein    heftiger    und    einschneidender 


Wechsel  der  Stile ;  aber  an  dem  guten  Ver- 
hältnis zwischen  Kirche  und  Kunst  ändert  sich 
nichts.  Die  Kirche  erläßt  keine  Episteln  gegen 
die  moderne  Kunst.  Einmal  aber  war  auch 
die  Gotik  modern.  Die  Kirche  folgte  allen 
Bewegungen  der  architektonischen,  der 
malerischen  und  der  plastischen  Form; 
sie  hemmte  nie,  weil  eine  Wandlung,  das 
Schwinden  des  Rundbogens,  das  .\ufkommen 
des  Spitzbogens,  die  Überwindung  der  Leb- 
losigkeit durch  Giotto,  womöglich  allein  aus 
profanen  Gelüsten  und  menschlichem  Fort- 
schrittstrieb geschehe.  Die  Kirche  machte  alles 
mit.  Das  konnte  sie,  ohne  fürchten  zu  müssen, 
einer  FLrdengewalt  Untertan  zu  werden ;  denn, 
alles  was  die  Wissenschaft,  die  Literatur  und 
die  Kunst  hervorbrachten,  waren  letzten  Sinnes 
Reflexe  des  religiösen  Lebens.  Die  Kirche 
war  die  Kultur.     In  dem  Augenblick,  da  die 


1909.  XII. 


313 


Aussiellung  für  christliche  Kunst  Düsseldorf  igog. 


MAURICE   DENIS  -  ST.  GERMAIN-EN-LAYE. 

Einheit  dieser  Zusammenhänge  verloren  geht, 
da  sich  neben  der  Kirche  und  gegen  sie  kul- 
turelle Faktoren  zu  regen  beginnen,  gibt  es 
Konflikte,  spaltet  sich  die  Kunst  in  einen  sa- 
kralen und  einen  irdischen,  einen  kultischen 
und  einen  mystischen  Zweig. 

Zu  den  herrlichsten  Zeiten  der  Künste  war 
die  Kirche  der  Kunst  aufs  engste  verbunden. 
Das  Autodafe  der  Eitelkeiten,  das  Kunstwerke 
zu  Asche  brannte,  richtete  sich  gegen  Rom 
und  wurde  vom  Papst  gerächt ;  die  Bilder- 
stürmer wollten  die  Kirche  treffen.  Zum  Triumph 
über  den  Sieg  der  allmächtigen  Mutter  wurden 
die  Kirchen  der  Gegenreformation  mit  rau- 
schendem Prunk  erfüllt.  Der  Jesuitenbarock, 
eine  Kunst  des  Fleisches,  ein  Jauchzen  der 
Sinne,  ist  nur  als  ein  Echo  der  wieder  die  Welt 
verwaltenden  Kirche  zu  verstehen.  Correggio, 
Tiepolo  und  Rubens  stehen  auf  den  Altären 
und  strahlen  von  den  Wänden,  den  Glanz  der 
Messe,  das  jubilierende  Konzert  der  priester- 
lichen Ornate  in  hellen  Fanfaren  aufflammen 
zu  lassen.  Die  Kunst  ist  der  Kirche  eine  Wafte; 
durch  die  Kunst  offenbart  die  Kirche  ihren 
ungeheuren  Reichtum ,  ihre  unerschöpfliche 
Lebensmacht;  die  Kunst  hilft  den  Päpsten,  mit 
den  Fürsten  der  Erde  zu  wetteifern. 


Gemälde:   »Verelirung  des  Jesus-Kindes«. 

Wie  kommt  es,  daß  heute,  daß  schon  seit 
beklagenswert  langen  Jahrzehnten  zwischen 
Kunst  und  Kirche  sich  eine  Kluft  aufgetan  hat  'i 
Wie  kommt  es,  daß  die  Kirche  in  der  Kunst 
eine  ihr  zumeist  feindÜche  Kulturmacht  erblickt; 
daß  die  Kunst  es  als  eingeschränkt  und  min- 
derwertig empfindet,  der  Kirche  zu  dienen  r 
Das  Eine  ist  offenbar :  die  Kirche  ist  nicht 
mehr  wie  einst  die  Kultur  an  sich ;  es  gesellten 
sich  ihr  weltliche  Größen,  deren  Einfluß,  deren 
bestimmende  Wirkung  oft  absolute  Geltung  ge- 
wonnen haben.  Diesen  jungen,  aufgehenden 
Sonnen  hat  die  Kunst  ihre  volle  Leidenschaft 
geöffnet;  sie  wurde  irdisch,  sie  wurde  der 
Natur  und  dem  Menschen  ein  bedingungsloser 
Vasall ;  sie  verzichtete  darauf,  die  Jungfrau 
Maria  zu  ehren,  sie  begnügte  sich  mit  dem 
Weibe.  Und  sie  gewann  damit  auf  neuem 
Boden  eine  neue  Blüte.  Es  läßt  sich  also  ver- 
stehen, daß  die  Kircne,  die  aller  nicht  direkt 
von  ihr  abstammenden  Kultur  skeptisch  gegen- 
überstehen mußte,  auch  gegen  die  Kunst  dieser 
pietätlosen  Lebenskreise  mißtrauisch  wurde. 
Und  so  kam  dann  die  große  Ebbe ;  die  Kirche 
begann,  was  sie  früher  nie  getan,  die  Wand- 
lungen der  Kunst  als  Modernismus  und  Re- 
bellion   zu    empfinden.      Die  Kunst   ward  ge- 


314 


MAURICE  DENIS  — 
ST.  GERMAIN -EN-LAVE. 
GEMÄLUE:   »MADONNA«. 


Atisstelbing  für  cliristliche  Kirnst  Düsseldoii  igog. 


MME.  JEANNE   SIMON     PARIS. 


nötigt,  wenn  sie  von  der  Kirche  Aufträge  emp- 
fangen wollte,  sich  zu  verleugnen,  sie  mußte 
in  ein  fremdes  und  abgebrauchtes  Gewand 
schlüpfen.  Das  Romanische,  das  Gotische, 
das  einst  modern  war  und  freudig  empfangen 
wurde,  mußte  jetzt  herhalten,  alles  Moderne  zu 
verjagen,  galt  jetzt  als  Gesetz  und  geweihte 
Norm.  Da  trennten  sich  die  Künstler,  die  einst 
durch  die  Kirche  ihr  Leben  bekamen,  von 
einem  Regiment,  das  ihnen  jede  sprudelnde 
Quelle  verstopfte.  So  kam  es  zu  einem  zehn- 
fach schlimmeren  Autodafe  und  Bilderstürmen. 
So  wurden  die  unbegabtesten,  die  charakter- 
losesten ^Architekten  zu  Kirchenbauern ;  die 
typischen  Kitschmaler  arbeiteten  am  Schmuck 
des  Heiligtums ;  es  gab  nur  noch  Kopien  und 
seichte  Nachgüsse. 


Gemälde:    »Im   Hause  zu  Nazareth 


Wenn  nun  die  Kirche  unter  dem  Druck 
der  weltlichen  Kultur  zu  der  Erkenntnis  reifte, 
daß  sie  wieder  Fühlung  nehmen  müsse  mit  der 
buntesten  und  reichsten  Macht  der  Erde,  so 
bedürfte  es  eines  Wunders,  wenn  sofort  wieder 
die  einstige,  glückliche  Innigkeit,  die  fruchtbare 
Einheit  wiederkäme.  Das  verlorne  Terrain 
will  in  zähem  Kampf  zurückerobert  sein.  Die 
Kunst  kam  zur  Herrlichkeit ;  einst  lebte  sie 
vom  Odem  der  Kirche,  heute  muß  die  Kirche 
sich  von  ihr  segnen  lassen.  Ob  es  wieder 
voran  gehen  wird,  ob  wieder  eine  neue,  mo- 
derne und  doch  nur  als  natürlich  empfundene 
kirchUche  Kunst  kommen  kann,  das  ist  abzu- 
warten ;  das  wird  bestimmt  durch  die  Lebens- 
potenz der  Kirche  innerhalb  der  gegenwärtigen 
Welt.      Darum,    wenn  unternommen  wird,    in 


316 


LOVIS  CORINTH-BERLIN. 

ÖL-GEMÄLDE:     »KREUZIGUNG«. 
BES. :  PRUT.  KIRCHE  IN  BAI)  TÜLZ. 


Robert  Breuer— Berlin . 


ADOLF    HÖLZEL— STUTTGART. 

einer  Ausstellung  das  zu  sammeln,  was  für  die 
kirchliche  Kunst  der  Zeit  maßgebend  ist,  so 
kann  es  sich  nur  um  einen  Versuch  han- 
deln, um  eine  pädagogische  Maßnahme,  aufzu- 
wecken und  anzureizen.  So  will  die  »Düssel- 
dorfer Ausstellung«  verstanden  sein.  Sie  zieht 
ihre  Kreise  aber  noch  weiter;  sie  will  nicht 
nur  der  Kirche  dienen,  sie  will  das  christliche 
Element  innerhalb  der  Kunst,  auch  der  nicht 
speziell  kultischen,  aufzeigen.  Sie  will  etwas, 
was  ihr  noch  besser  gelungen  wäre,  wenn  sie 


318 


Gemälde:   »Eine  Mutter« 


statt  nur    nach    christlicher    nach   religiöser 
Kunst  überhaupt  ausgeschaut  hätte. 
«  *  * 

Ein  schwacher  Nachhall  großer  Vergangen- 
heit waren  die  Nazarener.  Mit  femininer  Sen- 
timentaUtät  wollten  sie  die  starken  Taten  einer 
in  Gesundheit  strotzenden  Zeit  noch  einmal 
geschehen  lassen.  Sie  brachten  es  aber  nicht 
weiter  als  bis  zu  einer  zarten  lyrischen  An- 
dichtung.  Aus  ihren  Händen  schien  ein  me- 
lanchohsches    Schattenspiel    zu    gleiten';     alle 


Aiisstellung  für  christ liehe  Kunst  Düsseldor/  igog. 


ihre  Werke  sind  müde  und  schwach  wie  arme, 
verwundete  Vögel.  Auf  diesem  Wege  konnte 
die  christliche  Kunst  kein  Neuland  gewinnen. 
Das  ist  der  unverkennbare  Kinilruck,  der  uns 
in  Düsseldorf  wird.  Diese  retrospektive  Ab- 
teilung ist  mit  guter  Sorgfalt  zusammengetragen 
worden;  von  den  besten  der  seraphischen 
Brüder  sehen  wir  charakteristische  Proben ; 
am  geschlossensten  wird  uns  Joseph  l'ührich 
gezeigt.  Er  war  das  Haujit  der  österreichischen 
Nazarener ;  er  wäre  ohne  RatTael  und  Dürer 
nicht  denkbar.  Seine  Seele  war  aus  feinem 
Stoff,  seine  Hand  schmächtig  und  hingebend. 
Kr  hat  Adel,  wie  ihn  die  letzten  eines  Ge- 
schlechtes zu  Cirabe  tragen.  Aber  nimmer- 
mehr kann  Führich  einen  neuen  Anfang  be- 
deuten. Die  Nazarener  gingen  hin  und  ließen 
kaum  Spuren ;  es  ist  zu  fürchten,  daß  es  der 
Beuroner  Kunstschule  ähnlich  gehen  wird. 
Unter    dem    Pater  Desidcrius    haben    sich    da 


einige  kunstfreudige  Benediktiner  zusammen- 
getan, um  bei  der  Neugeburt  der  religiösen 
Klassik  redlich  zu  helfen.  Es  gelingen  ihnen 
auch  manche  milden  und  lieben  Dinge;  im 
Grunde  bleibt  es  aber  doch  ein  frommes  Di- 
lettieren.  Was  herauskommt,  ist  ein  etwas 
dünnblütiges  Schema  aus  Byzanz,  Quattrocento 
und  seltsamerweise  einigen  Gran  Ägypten. 
Immerhin,  die  Beuroner  machen  brauchbare 
Dinge,  die  jedenfalls  unendlich  viel  besser  sind 
als  der  notorische  Schund,  mit  dem  heute  so 
mancher  Sakralbau  verunziert  wird.  Schon 
um  ihres  schönen  Eifers  willen  könnten  sie 
vorbildlich  werden. 

*  *  » 

Es  ist  zum  Erschrecken,  was  für  minder- 
wertige Bilder  oft  über  den  Altären  und  an 
den  Wänden  der  Kirche  hängen.  Empfind- 
same Augen  können  sie  nicht  beschauen ; 
gleich    der    schlechten    Musik    und    dem    oft. 


ADOLF    HULZEI.     STUTTGART. 


tjemalde:    ^Anbetung». 


3'i^ 


JAN  TOOROP-NYMWEGEN. 
ZEICHNUNG:  »GOTT  VERTRAUEN«. 
BES.:  E.  FLERSHEIM-FRANKFURT-M. 


i 


ii 


JAN  TOOROF  — NYMWEGEN. 

ZEICHN.:   »VERMÄHLUNG  MARIENS«. 
BES.:  REMI  DE  BLOCK     AMSTERDAM. 


l'.'O'J.    XU     i. 


Robcii  Bmifr— Berlin  : 


JAN    TOOROP     NVMWEGEN. 

ach  so  schlechten  Deutsch  der  Predigt  ver- 
scheuchen die  üblen  Malereien  die  schweigsame 
Stimmung  der  Andacht.  Der  Widerspruch  regt 
sich.  Warum  haben  vom  frühesten  Anfang 
bis  zum  Ausklang  des  Rokoko  nur  die  Besten 
der  Kunst  das  Heiligtum  schmücken  dürfen; 
warum  kann  heute  jeder  stereotype  Bilder- 
macher seine  versüßten,  konventionellen  und 
abgeblaßten  Dutzendstücke  dort  aufhängen. 
Das  kann  und  das  muß  wieder  einmal  anders 
werden;  dazu  will  die  Düsseldorfer  .Aus- 
stellung <•  helfen!  Freilich,  üire  Arbeit  wäre 
gründlicher  gewesen,  wenn  sie  radikal  alles  Un- 
zulängliche und  Geschmacklose  ausgeschlossen 
hätte.  So  aber  hängen  da  eine  beträchthche 
Zahl  imdiskutabler  Produkte.  Dazu  gehören 
alle  absichtlich  süßen  Madonnen,  alle  hysterisch 
gesteigerten  und  dramatisch  frisierten  Leidens- 
bilder, alle  unter  moderne  Beleuchtung  ge- 
setzten Panoptikumsetfekte.  Bei  dieser  üblen 
Blütenlese  zeigt  sich,  wie  bedenklich  die  heu- 
tige   Art    des    Bilderfabrizierens    ist;    bei   den. 


ZeicbDung:   sDie  drei   Biaiiie 


üci  öirisü.  Gedankett 


meisten  weiß  man  nicht,  wozu  sie  eigentlich 
gefertigt  wurden,  für  welchen  Ort  sie  bestimmt 
sind.  Das  ist  ein  ungeheurer  Vorteil ,  den 
die  alten  Künstler  hatten,  daß  sie  immer  klar 
umschriebene  .Aufgaben  zu  lösen  bekamen. 
Einen  Altar  aufzurichten,  eine  Hauskapelle  zu 
zieren,  eine  Grabstatt  zu  weihen.  In  den 
klassischen  Zeiten  hatte  die  großformatige  Ma- 
lerei eine  dekorative  Tendenz ;  bei  allzu  vielen 
unserer  heutigen  Engrospinseleien  fehlt  hiervon 
auch  die  letzte  Spur.  Alles  scheint  nur  für 
das  Museum  gedacht  und  zugeschnitten.  Da- 
mit ist  aber  von  vornherein  das  Bild,  das 
ein  Faktor  des  Kultes,  eine  Form  der  Ver- 
ehrung sein  soll,  zum  Schaustück  degradiert. 
Soweit  die  religiöse  Malerei  sich  mit  biblischen 
und  legendarischen  Themen  befaßt,  muß  sie 
unbedingt  für  einen  dem  Alltag  entzogenen, 
der  Einkehr  vorbehaltenen  Ort  bestimmt  sein. 
Es  ist  unschicklich,  ein  Bild  der  Kreuzigung 
in  einen  profanen  Salon  zu  hängen.  Die 
^Frage  :  wo  könnte  dies  Bild  seinen  Platz  finden. 


522 


Atisstellunv  für  christliche  Kunst  DüsseMorf  igog. 


FERNAND   KHNOPFF     BRÜSSEL. 


ist  vielleicht  das  sicherste  Kriterium,  um  die 
affektierte  von  der  guten,  religiösen  Malerei 
zu  trennen.  Betrachten  wir  daraufhin  die 
Düsseldorfer  .Vusstellung,  so  treffen  wir  nur 
wenige,  die  deutlich  für  den  Altar  und  die 
große  Kirchenwand  arbeiten.  Dazu  gehören 
vor  allem  Gebhardt  und  Steinhausen,  aber 
auch  1,0 vis  Corinth  und  Böcklin.  Stein- 
hausen läßt  eine  milde,  sommerliche  Lyrik  in 
weichen  sich  allseitig  ausbreitenden  Kreisen 
strömen.  Sein  Christus  ist  ein  gütiger  Gärtner, 
dem  die  Flur  in  hellen  Tönen  jubiliert.  Es 
sind  blasse  und  stille  Bilder,   die  einer  Wand 


Getönte  Zeichnung:   »Requiem«. 


wohl  liefe  Ruhe  geben  können.  Ganz  anderes 
erstrebt  Corinth;  er  will  das  Drama  ent- 
hüllen, die  ungeheuren  Geschehnisse  der  Er- 
lösung mit  motorischem  Pathos  aufrollen.  Er 
erinnert  an  Grünwald.  Die  Kreuzigung,  die 
in  der  Kirche  zu  Tölz  hängt,  ist  ein  vorzüg- 
liches Altarbild,  stark  in  der  Wirkung  und 
von  einem  schönen,  warmen,  silbrig  durch- 
strahlten Ton.  Auch  vor  L'hde  hat  man 
häufig  das  Gefühl,  daß  sein  Bild  nur  im  kirch- 
lichen Raum  zur  vollen  Entfaltung  kommen 
kann ;  zuweilen  aber  spürt  man,  wie  es  nach 
dem  Krankenzimmer,   dem  Hospital,  dem  fest- 


r-i 


JOAKIM    SKOVGAARD -KOPENHAGEN.         KAIN    UND    ABEL«.      FRESKO    IM    IJOM    ZU    VIBORG. 


I 


PAUL  RÖSSLER-DRESDEN. 
WANDMAtEREI  IN  DER  KIRCHE 
ZU    WEIGSDORF    IN    SACHSEN.    :: 


PAUL  R(  JSSLER-DRESDEN. 
WANDMALEREI  IN  DER  KIRCHE 
ZV    WEIGSDORK    IN    SACHSEN.    :. 


Aussiel/uno^  ffn  cJirisiliche  Kunst  Düsseldorf  iqog. 


KARL   STKAIHMANN     MÜNCHEN. 


liehen  Raum  einer  Schule,  dem  Arbeitszimmer 
eines  ernsten  Menschen  verlang'.  Das  rein 
Menschliche  der  Religion  komme  bei  Uhde 
am  stärksten  zum  Ausdruck.  Au"-'!  das  Son- 
nige; aus  seinen  Gestalten  quilit  und  blüht 
eine  lichte  Glückseligkeit,  eine  zarle,  schwin- 
gende Musik.  Wenn  die  Kirche  sicheren 
Weges  wieder  reine  Kunst  in  ih'  ■  Häuser 
tragen  will,  so  muß  sie  sich  dieser  vi'  '  [eister 
und  derer,  die  ihnen  nachstreben,  'rzhaft 
bedienen.  —  Ein  wenig  unklarer  ist  ?,  was 
mit  den  Bildern  von  Adolf  Hölzi»l  ge- 
schehen soll;  für  die  protestantische  ii-che 
scheinen  sie  mir  jedenfalls  nicht  beso.  s  ge- 
eignet, eher  dürfte  die  leicht  byzantinisch  par- 
fümierte Mystik  dem  katholischen  Empfi'  den 
entsprechen.  Die  Bilder  sind  aber  gut  .  nd 
haben  einen  satten,  goldigen  Ton;  wenn  av  ;h 
das  geometrische  Prinzip  der  Komposition  em 
wenig  leicht  aufzuspüren  ist.  —  Wiederum  kk  r 
ist  die  Bestimmung  der  Gruppe  Strathmann 
Khnopff  und  Toorop.  Sie  gehören  sicher- 
lich in  kein  Kultgebäude ;  sie  wollen  mit  ge- 
ringem Abstand,  ein  wenig  skeptisch,  mehr 
analytisch  als  hingebend  betrachtet  sein.  Sie 
sind  nicht  für  die  Gemeinde,   sie  sind  für  den 


Ölgemälde:   »Maria". 


Einzelnen,  für  den  ästhetisch  Genießenden  be- 
stimmt. Strathmann  ist  der  harmlosere; 
das  Gerank  mit  dem  er  seine  Maria  (zuweilen 
auch  eine  Kleopatra)  überschüttet,  ist  mehr 
ein  bizarres  Spiel  als  eine  symbolische  Absicht. 
Strathmann  freut  sich  an  der  Phantastik  der 
wirbelnden  Schneeflocken.  Er  läßt  Ornamente 
und  Edelsteine  auf  seine  Bilder  regnen.  Es 
bleibt  aber  alles  kompakt  und  irdisch.  Bei 
Khnopff  hingegen  gibt  es  destillierten  Weih- 
rauch. Es  sind  dies  Versuche,  moderne  Mystik 
aus  Maeterlincks  Geist  zu  Visionen  zu  ver- 
dichten. Ob  dabei  viel  herauskommen  kann, 
scheint  problematisch,  und  dies  um  so  mehr, 
als  die  esoterischen  Priester  romanischen  Ge- 
blütes sind.  Um  einige  Grade  gesunder  ist 
Toorop;  er  ist  es  nicht  immer;  dann  nicht, 
wenn  er  apokalyptische  Träume  in  fließendes 
Linament  umsetzt;  er  ist  es,  wenn  er  ein 
Antlitz  mit  großen  eindringenden  Augen  an- 
schaut, wenn  er  in  den  Furchen  der  Epider- 
mis die  Not  und  den  Glauben  einer  Seele  ein- 
geschrieben sieht. 

*  *  * 

Auch  mit  der  eigentlichen  Wandmalerei  sind 
r  arg  ins  Hintertreffen  gekommen.    Zur  Zeit 


328 


GEORG  MINNE-LAETHEM. 

HOLZSCHNITT:    »TAUFE  CHRISTI c. 


JOSEK    GOLLER     DRESDEN. 


ül.ASMALEKEI. 


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JOS.    HUliKR-FELIJKlRCH     MUNt  HEN. 


GLASM.\LEREI. 


33' 


Aussfelhnig  Inr  clnislIiJic  Kiiiisf  Düsseldorf  igog. 


T.  L.  M.  LAUWERIKS     DUSSELDORF. 


Raum  der  Ausstellung  für  christliche  Kunst    Düsseldorf. 


Steht  es,  ehrlich  zugesehen,  so,  daß  die  weit- 
aus meisten  Kirchen  von  Unlernehinern,  von 
Malermeistern  dekoriert  werden.  Daß  dabei 
die  figürliche  Malerei  auf  ein  Minimum  redu- 
ziert wc-rden  muß,  daß  sie  zumeist  durch  ein 
hineingehängtes  Leinwandbild  ersetzt  wird,  ist 
selbstverständlich.  In  der  Wandmalerei  ent- 
hüllt sich  am  bittersten  der  ungeheure  Tief- 
stand der  modernen  kirchlichen  Kunst;  wenn 
dieser  erhabene  Begriff  überhaupt  auf  das  Ge- 
menge kopierter  und  mißverstandner  Einzel- 
formen einstiger  Klassik  anzuwenden  ist.  Neben 
diesem  absoluten  Vakuum  haben  wir  nun  aller- 
dings einige  kirchliche  Wandma'er  von  erträg- 
licher (Qualität,  aber  konventioneller  Tendenz 
aufzuweisen.  Das  sind  Leute  wie  Hermann 
Schaper  und  Ernst  Pfannschmidt,  ganz 
respektable  Figurenniacher  und  geschickte 
Kompositeure,  die  zuweilen  ein  gewisses  epi- 
sches Leben,  eine  gewinnende,  dekorative  Wir- 
kung zu  leisten  vermögen.  Besonders  dann, 
wenn  ihre  Entwürfe  in  Mosaik  oder  mit  teil- 
weiser Unterstützung  von  Steininkrustation  und 
Stuckauflage  ausgeführt  werden.      Aber  selbst 


die  reichsten  und  prachtvollsten  dieser  gleich- 
zeitig byzantinisch  und  romanisch  infizierten 
Dekorationen  sind  letzten  Sinnes  doch  kalt 
und  unserer  Seele  fremd.  Sind,  was  ihren 
Kunstwert  arg  mindert,  auch  ausgeführt  nur 
Kartons.  Wir  haben  die  Tradition  einer  groß- 
zügigen ,  die  Wand  beherrschenden  Fresko- 
malerei verloren ;  wir  haben  uns  auch  von  dem 
zeitlich  nächsten  Klassiker  des  Fresko  nicht 
befruchten  lassen  :  vonPuvis  de  Chavannes 
spürt  man  bei  uns  wenig.  Wie  unendlich  viel 
wir  aber  von  ihm  hätten  lernen  können,  er 
uns  noch  heute  zu  geben  \ermag,  das  zeigt 
auf  der  Düsseldorfer  Ausstellung  ein  kleines 
Leinwandbild  aus  Puvis  frühester  Zeit,  »Die 
Enthauptung  des  Täufers«.  Noch  kam  der 
monumentale  Organisator  der  Linie  nicht  zur 
Entfaltung ;  schon  aber  spüren  wir,  besonders 
in  dem  Rücken  des  Henkers,  das  edle  Palhos 
und  die  schwingende  Gewalt  des  Rhythmus. 
Die  Grundelementc  jeder,  das  Räumliche  be- 
siegenden Wandmalerei.  Zu  welcher  Höhe 
Puvis  wurzelleite  Monumentalität  wachsen 
ließ,  wissen  wir;  die  Düsseldorfer  Ausstellung 


ii' 


JAN  THORN- 
I'KIKKKR- 


VKÜir.KR 

akton: 

WÜSTliL«. 


333 


Ausstei/uiio  //ir  christliclic  Kuiisl  Düsseldorf  rgog. 


PROFESSOR   MAX    LAUGER     KARLSRUHE. 

zeigt  einen  Reflex  jener  Herrlichkeit :  die 
Leinwanden  von  Maurice  Denis.  Diese 
Bilder  haben  eine  überzeugende  Gliederung 
und  jenen  milden,  farbigen  Schein,  der  sie 
leicht  als  wehenden  Traum  empfinden  läßt. 
Sie  verlangen  nach  der  Wand.  Wenn  sie 
auch  kaum  Kraft  genug  haben  dürften,  das 
Schiff  einer  Kirche  zu  durchdringen,  so 
würden  sie  gewiß  eine  weiche  und  fromme 
Atmosphäre  in  einen  Schulraum  oder  in  eine 
Haus-Kapelle  tragen  können.  —  Eine  freie 
und  starke  Wandmalerei  scheint  im  nordischen 
Europa  neu  geboren  zu  werden.    Gewiß  nicht 


Keramik:     Maria  mit  dem   Kinde«. 

unbefruchtet  durch  die  allen,  noch  von  Wiking- 
trotz und  Nornenmystik  geweihten  Fresken  der 
Irühmittelalterlichen  Dome.  Die  Ausstellung 
kann  uns  hier  nur  durch  Photographien  eine 
ungefähre  Vorstellung  vermitteln.  Wir  be- 
kommen die  Fresken  zu  sehen,  die  Skovgaard 
für  Viborg  malte.  Dieser  Skovgaard,  ein 
Däne,  vermag  das  Entscheidende  der  bib- 
lischen Themen  lapidar  hinzuschreiben.  Er 
ist  deutlich  und  eindringlich,  er  greift  an  die 
Herzen  und  den  Willen  der  Gemeinde.  Er 
gestaltet  die  Vorstellungen  der  kindlich  Gläu- 
bigen,  der  Patriarchen  und  frommen  Helden ; 


jj4 


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AUCUSr  HUDLEK. 
BRON/E;    »ECCE  HOMO    . 


Ansstelhivg  für  christlklic  Kunst  Düsseldorf  igog. 


PKOK.    Kcil.oMAN    MOSER     WIEN. 


mit  einem  möglichst  geringen  Aufwand  von 
Xaturalismen,  alle  Hintergründe,  alle  Kulissen 
auf  eine  tyj)ische  Formel  reduzierend,  läßt 
er  die  Figuren  mächtig  wachsen.  P'.r  will 
den  Inhalt  ausschöpfen,  ihn  als  Extrakt  ver- 
dichtet, fiir  jedermann  überzeugend  auf  die 
Mauer  ]irojizieren ;  um  das  monumentale 
Stenogramm  noch  stärker  zu  konzentrieren, 
um  daraus  einen  wohl  emporragenden,  aher 
doch  motorischen  Orgaiismus  zu  gestalten, 
nützt  er  das  Pathos  des  alttestamentarischen 
Parallelismus.  Er  stellt  die  Ährenbündel  in 
Reihen  neben  einander;  er  reiht  das  Rindvieh 
hinter  einander,  wie  es  die  Ägypter  in  ihren 
unsterblichen  Reliefs  taten.  Es  scheint  nicht 
ausgeschlossen,  daß  der  Holländer  Thorn- 
Prikker  in  Krefeld  sich  von  Skovgaard 
befruchten  ließ.  In  jedem  Falle  ist  dieses 
prinzipiell  dekorative  Talent  bereits  epigonär. 
(legen  den  Dänen  wirkt  dieser  Holländer 
kultiviert,  ja  feminin,  beinahe  zerbrechlich. 
Kr  gibt  weniger  das  heilige  Epos,  als  eine 
ornamentale  Sonate  in  Moll.  Seine  Linien 
Hießen  weich,   man   möchte  sagen  tonig.    Die 


Kartons  für   Kunslvcrylasuntieii. 
Mctall-Sarkopliag:  Theodor  Vcil  und  Erhard  Hcrms— München. 


Glieder  sind  in  den  Gelenken  gelöst,  sind  zu 
Krischen  Wellen  gewandelt.  Leider  findet 
'l'horn-Prikker  kein  Verhältnis  zur  l-'arbe;  nur 
ganz  diskret  frottiert  er  hier  und  da  ein  leises 
Grün  oder  Rot  in  seine  Monocliromie,  zuweilen 
verwendet  er  auch  Gold.  Das  gibt  eine  blasse, 
ein  wenig  angekränkelte ,  aber  doch  sehr 
delikate  Stimmung. 

Ohne  C)ptimismus  darf  man  sagen ,  daß 
die  Kirche  heute  auch  für  monumentale  Wand- 
malereien die  richtigen  Kräfte  finden  könnte. 
Sie  muß  es  nur  erst  wieder  lernen,  dem 
Künstler  zu  vertrauen,  auch  wenn  er  unge- 
wohnte liahnen  geht.  Daß  es  dann  mit  großer 
Wahrscheinlichkeit  schöne  ?'rfolge  geben  wird, 
beweißt  ein  Wettbewerb,  der  für  die  Aus- 
schmückung einer  bei  Düsseldorf  zu  erbauen- 
den Kirche  ergangen  war.  Die  Resultate 
hängen  auf  der  Ausstellung.  Den  ersten  Preis 
bekam  Kolo  Moser;  man  bedenke  wohl,  der 
bis  in  die  Fingerspitzen  ästhetisicrte  Wiener, 
der  von  Ostasien  Blütenstaub  heimtrug.  Seine 
Entwürfe  sind  in  der  Tat  ausgezeichnet.  F-in 
Fest  in   P.lau  und  (Sold.     Das  dekorative  Ge- 


337 


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KAPELLE    DKR 
KATHOLISCH- 
APOSTOLISCHEN 
GEMHINDE    IN 
ULM    A.  D 


ARCHITEKT 

THEODOR  VEIL- 

MÜNCHEN 


33« 


IMV.  Sil.  i. 


BERNHARD 

WENIG 

,  MÜNCHEN 


VORTRAGS-KRKUZ 
UND    LATERNB 
IN    MESSING. 


Amsfe/luno  für  clirist liehe  Kutiat  Diisse/dorf  IQOQ. 


n 


'  ^DOMINI 

un  k>"  l  "™  ,.bnmrM  H"ii«l""l  -1""' » 

,«■1  vuhun.  lu'in.  ivipcr  noi.  ■••         ^^,^„„„a,.,,p,al),,„iTO. 
mnciralur  wnln.  imioJ  f l  trattuli  vobit;  niimuaiQ 

Hm  «Mirtii  tll<io«n  .  ^llS-Mumm  k^uv    iii  qua  iKKlc 

-*  s-bl»;""' "!'<;"""      !X„  .."-."■•  ''"•■•' "~  «"^ 

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lV>t  rtivtl,  ci  «1  l  Vuni  ««tlri 


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nau-viiiiiii.  ■! 
OnKludlr  l'li. 
(•ctm  r\\  i'"  I 

V  PropliT  *n»<xl  rt  I  Vin  mal 
tdvil  iluin,  1*1  (Inlit  iHi  tuMiH-tt. 
quod  n1  vu|>rr  mDiir  ikhikii    i 


wvuniliirii  ItMiit» 

ItMIIII.  IV  A. 


iH(<-l>i 


'I>n>t.U-n-n.tuil  H(HM-\liMiMu. 
!(Miiiir\  P<>v(ifii(iii)<'r\|t>las-il  t» 
U\v\  ttmini,  dccrtMt  Vfitunn 

ANTt!  ilmii  fr^tuii)  IVuliaf.^ld  vua:  pI  cimt  m'4itHin\rl  il< 
LMricti\|rAu%,i(uiavrnilhorfljrnm,>lunUi\  Scitn.tjiiRlfrfcrmi 
nm,  ut  lnin\ral  ci  hcK'  niiiiHlo|v<4ii\*\\i\%tK.dliMiK  S1«unl<-T 
«dPalmii  ciiiiiitili-iiwrl  uim.d-l  l)(HniiM-;rt  t>nii' iIk  ilii 
quirrmil  iiiiiiiiinl<i.itiluiniitl)-  (olfimn.  Si  t-ryo  i-^n>  In  vi  iH-\t»-\ 
Icxü  COT  lil  i-m-na  ftnU,  tiinij¥rtlpo\,  flmiiiniit  rl  MniJtvtrf 
(WxJm  rdxi  mm\\(-l  tu  cor,  ul  (cl  vov  tlcbclix  allrr  flilmiu  Id 
iMclrtt-l  rtiin  liKlinx  Simhiw  U-  tvdmHi1(*vr.Kriii|>luiiiriiiniil«- 
csriolar.  v(-H-iis,i|ti)ai>niiiiatlt-  'it)  vulm:  iil,  (|itiinAihito«ttiii< 
ilit  n  PalfTin  nuinux,  rt  tpii«  <iJtTJ<>ft'ovobH.it(»ftviu(nti(ihv 


SCHRtFTGIESSEREI    GEBR.  KLINGSPOR     OFFENBACH. 


setz  wurde  gewahrt, 
die  Wand  wie  ein 
'l'cijpich  behandelt, 
die  architektonische 
CiUedcrung    l)ewLißt 

unterstützt,  der 
Rhythmus  jeder  ein- 
zelnen Stimme  des 
Konzertes  aufs  fein- 
ste abgetönt,  jedes 
Detail  einem  Ge- 
samtwilien  unter- 
stellt. Dabei  hat 
Kolo  Moser  sich 
seine  Aufgabe  nicht 
leicht  gemacht,  er 
mußte  eine  bedeu- 
tende Zahl  figür- 
licher Darstellungen 
seinem  ornamen- 
talen iiukett  einglie- 
dern. (  )1j  dieser 
prächtige      Entwurf 

ausgeführt   wird, 
scheint  freilich  zwei- 
felhaft;   wer    weiß, 
ob    die    Gemeinde 


M1SS.\I.E    IN    BEHRENS-ANTIi.iUA    OEIJKUCKT. 


so  viel  schönen 
Mut  hat,  die  Kon- 
vention zu  opfern 
und  eine  Persönlich- 
keit regieren  zu 
lassen.  Wenn  dann 
nur  wenigstens  nicht 
der  zweite ,  viel- 
mehr der  dritte 
Preis  Wirklichkeit 
würde.  Die  Arbeit 
von  Seuffert  hat 
viele  offenbare  Vor- 
züge ,  auch  eine 
deutliche, wenn  auch 

nicht  übermäßig 
starkcindividualität. 
—  Unter  dem  .Vber- 
glauben,  daß  allein 
dasRomanischeund 
das  Gotische  die 
für  den  Kirchenbau 
würdigen  Stile  seien, 
haben  wir  mehrere 
Jahrzehnte  gelitten, 
üesonders  die  Gotik 


BEKNHARU 


\V«N1I.  — MÜ.NCHb.N.      ALIAR-KIXCH    IN  VliRGOI.DKTEM    S1LB«R. 


und  die  törichte  An- 


34' 


Aiissfclh/uo  lür  tliristliclic  h'inni  Dii'^scldorf  iqnq. 


KELCH  NACH  ENTWURF  V.  PROF.  WILH.  KREIS.    TAUFBECKEN  UND  KELCH  NACH  ENTWURF  V.  PROF.  K.  GROSS. 

Ausgeführt  von  Julius  Theodor  Heinze— Dresden. 


nähme,  daß  gotisch  soviel  wie  deutsch,  soviel 
wie  heilige  Anbetung  sei,  wirkte  zerrüttend  auf 
jeden  gesunden  Trieb,  nun  einmal  aus  eignem 
Empfinden  und  Können  dem  höchsten  geistigen 
Sein  das  Haus  zu  errichten.  Langsam,  ach  so 
langsam,  viel  bekäm])ft  und  darum  unsicher  und 
mit  mancherlei  Zugeständnissen  kam  ein  neues 
Wollen.  Für  die  Reformation  des  modernen 
Kirchenbaues  werden  die  Dresdner  Architekten 
stets  eine  elirenvoUe  Bedeutung  behalten.  Seit 
der  Neuausstattung  der  Kreuzkirche  durch 
Schilling  und  (Iräbener,  seit  den  Land- 
kirchen dieser  Firma,  die  ängstliche  Gemüter 
.■Sommerwohnungen  des  lieben  Oottes'-  nann- 
ten, datiert  die  moderne,  aufsteigende  Linie  der 
kirchlichen  Architektur.  Es  wären  noch  Los- 
sow  und  Kühne,  ferner  Kreis  und  der  nach 
Hamburg  berufene  Scliumacher.  daneben 
die  .Architektur- Bildhauer  Hottenroth  und 
Groß,  der  dekorative  Maler  Rößler  zu  nen- 
nen. Die  Tendenz  dieser  neudresdner  Schule 
war  ein  geklärter,  in  sentimentale  Kurven 
aufgelöster  Barock;  der  Stein  wurde  erweicht 
und  stark  plastisch  behandelt.  ^Lan  liebte  es, 
die  Ecken  zu  runden ,  die  Supraporten  in 
Voluten  ausklingen  zu  lassen  und  durch  eine 
geschwungene  Kartusche  zu  brechen;  be- 
sonders die  Türme  bekamen  eine  spezifisch 
plastische ,  eine  modellierte ,  eine  geknetete 
Form.     Ein  zweiter  Kreis  von  Kirchenbauern 


der  neuen  Zeit  steht  um  Peter  Behrens. 
Der  Geistesart  dieses  ästhetischen  Mathe- 
matikers ents]iricht  der  strenge,  feierliche 
Sakralbau.  Behrens  denkt  kantisch  und  liebt 
Wagner.  (Er  liebt  ihn,  auch  wenn  er  ihn 
hassen  sollte.)  Behrens  strebt  danach,  die 
moderne  Welt  der  Technik  und  der  Maschine 
auf  eine  reine ,  dem  Hellenismus  verwandte 
Formel  zu  bringen.  Er  ist  ein  Logiker  und 
ein  Dogmatiker  zugleich.  So  haben  alle  seine 
Bauwerke  eine  deutliche  Tendenz  zum  grie- 
chischen Tempel;  so  verraten  sie  alle  den 
strengen  Schematiker,  der  mehr  auf  dem  Papier 
konstruiert  als  mit  Steinen  baut.  Das  Krema- 
torium zu  Hagen  ist  das  typische  Beispiel. 
Es  läßt  sich  gewiß  mancherlei  gegen  diese, 
von  Einseiligkeit  nicht  freie,  mehr  literarische 
als  architektonisch  empfundene  Bauweise  sagen; 
aber,  mit  den  relativen  Schwächen  einer 
tastenden  Zeit  behaftet,  offenbart  sie  doch  ein 
starkes  und  impulsives  Gefühl,  ja  eine  Leiden- 
schaft für  das  Protestantische,  für  das  Rhyth- 
mische der  Religion.  Gewiß,  es  ist  ein  Wag- 
nis, von  Peter  Behrens  eine  Kirche  bauen  zu 
lassen,  aber  immerhin  ein  Wagnis,  das  dem 
Auftraggeber  Ehre  machen  würde,  ihm  einen 
Platz  in  der  Entwicklung  der  Geschichte  des 
modernen   Kirchenbaues   sichern   dürfte. 

Wem  Behrens'  kühles  Pathos  allzu  wenig 
die    väterliche    Güte    Gottes     zum    Ausdruck 


342 


H.  EHMSEN      IJUSSELÜÜRK.  HOLZSCHNITT:    »HEILIGER  REIGEN«  UNÜ  MOSAIK-ENTWURF;      JESUS  IM  TEMPEL«. 


M.M.RR    AnoLV 

HILDBNBRAND 

PFOR/HBIM. 


M  \r)ON\  \ 
tMAll.  ALh 
SU.  »HR. 


ALLE  VORSTEHENDEN  WERKE  SIND  AUE  DER  AUSSTELLUNG  FÜR  CHRISTLICHE  KUNST  IN  DÜSSELDORF. 


I  IHAKl)    WEHNER     DUSSELDOKF. 


PROFESSOR 

WILHELM 

KREIS 

DÜSSELDORF. 


GRABMAL. 
IN    MUSCHEL- 
KALK STHIN 
AUSGEFÜHRT. 


^ 

^ 

HERMANN 

r  ^Q 

UNKELBACH 

t  ^ 

Cf.a7.APHIL  18+b 

"l 

1 

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7g 

1 

y 

1  I'IAKD    WfcHNEK      DUSSELDOKI- . 


(JKAUMAL.  EDUARD    WKIIM.K      I  tUSSELlJOKF. 


ÜKAHMAI.. 


CHR.  ZAULECK 
DI'SS[1LIX>K1  , 


WANDGRAIIMAL 
IN  MUSCHfiLKALK. 


Aiissfc/hdic-  /ür  Christ  liehe  Kunst  Düsseldorf  iqoq. 


bringt,  der  wird  gewiß  das  Vermißte  bei 
Theodor  Fischer  finden.  Dieser  Süd- 
deutsche gibt  seinen  Kirchen  eine  milde  und 
wohnliche  Schönheit,  eine  Uhlandstimmung. 
Man  wird  stille  wie  des  Morgens  im  Walde, 
man  hört  des  Schälers  Sonntagslied.  —  Über 
die  verschiedenen  frischen  Ansätze  und  er- 
rungenen Siege  des  modernen  Kirchenbaues 
gewährt  die  Düsseldorfer  Ausstellung  guten 
i^ericht.  Wir  seilen  eine  reichhche  Zahl  von 
Entwarfen  und  Modellen.  Das  meiste  ist  frei- 
lich schon  bekannt.  Neu  zu  bemerken  sind 
einige  Behrensjünger:  Benirschke,  der  ein 
wenig  stark  anlehnungsbedürftig  erscheint; 
Theodor  V  e  i  1 ,  der  wesentlich  freier  und 
selbständiger  arbeitet.  —  Neben  dem  Kirchen- 
bau wurde  auch  die  Clestaltung  des  Kirchhofes 
gepflegt,  meist  von  den  gleichen  Männern. 
Man  versuchte  die  Anlagen  als  Park  und  Land- 
schaft zu  organisieren  (wie  mit  Erfolg  im 
Münchner  Waldfricdhof.  D.  R.),  man  schuf 
solide  und  charaktervolle  Denkmale.  Man  will 
derprotzigen  Steinmetzparade  und  ihrer  schreck- 
lichen Kühle  ein  Ende  bereiten;  der  Friedhof 
soll  wieder  ein  schweigsamer  Garten  werden, 
die  schlichte  von  verstehender  Andacht  um- 
wobene  Ruhestatt  für  Bürger,  die  ihre  Pflicht 
getan.  Die  Ausstellung  bringt  den  Versuch 
eines  solchen  Friedhofes;  die  Dimensionen 
gestatten  nicht  mehr  als  einen  Anklang.  Und 
doch  ist  die  Lösung  anregend  genug,  um  von 
allen  Kirchenvorständen  und  Patronatsherren 
eifrig  studiert  zu  werden. 

Um  den  neuen  Kirchenbau  wirklich  zu 
einer  Einheit  im  modernen  Sinne  auszugestalten, 
bedarf  es  einer  F'ülle  von  Gegenständen,  die  wir 
als  Kunstgewerbe  bezeichnen.  Dazu  gehört  die 
architektonische  Plastik,  auch  die  freie  Plastik, 
sofern  sie  mehr  einen  dekorierenden  als  selbst- 
ständigen Kunstwert  darstellt,  dazu  gehören  die 
Möbel,  die  Te.xtile,  die  Cilasfenster,  die  metalle- 
nen und  die  typographischen  Arbeiten.  Über 
alles  dies  gibt  Düsseldorf,  wenn  auch  keine 
erschöpfende,  so  doch  eine  orientierende  Um- 
schau. Und  gerade  hier  bekommt  selbst  der 
weniger  Eingeweihte  es  zu  spüren,  wie  ohn- 
mächtig und  steril  die  alte  kopierende  Manier 
ist.  Die  Vorführungen  des  S  emp  erbundes 
verleugnen   keineswegs  ein  anerkennenswertes 


Streben,  sie  verlieren  aber  ihre  Bedeutung 
gegenüber  den  Leistungen  derer ,  die  sich 
unter  der  Fahne  des  Werkbundes  gesammelt 
haben.  Dort  eine  gut  gemeinte  Korrektheit, 
hier  ein  die  ,\ufgabe  an  der  Wurzel  packen- 
des Geschick,  eme  kräftige  und  stolze  Selbst- 
ständigkeit, ein  reine  Schönheit  erstrebender 
Geschmack.  —  Plastiker  solcher  Art  sind 
Bosselt.  W  r  b  a ,  Kreis  und  der  Kölner 
(jrasegger.  Einige  Stufen  höher,  der  auto- 
nomen Plastik  näher,  stehen  der  Belgier  Minne 
und  der  leider  zu  früh  gestorbene  H  u  d  1  e  r  , 
auch  B  er  mann.  Am  entgegengesetzten  Pol, 
zwischen  der  dekorativen  Plastik  und  dem 
kunstgewerblichen  Nippes,  ist  Mendes  da 
Costa  zu  nennen.  —  Einwandfreie  Metall- 
arbeiten sehen  wir  von  Bernhard  Wenig, 
Groß  und  Kreis,  von  J  e  g  g  1  e  —  Münster, 
J.  Th.  Heintze  imd  Milde  &  Co. — 
Dresden;  die  leuchtende  Weichheit  des  Edel- 
metalls und  der  feine  Fluß  der  Bronze  wurde 
zu  übersichtlichen,  dem  Material  gehorchenden 
und  doch  mit  Ausdruck  geladenen  Formen 
entwickelt.  Gschwend  —  Hannover  weiß 
das  Eisen  gesund  und  in  den  ihm  gebührenden 
primitiven  Rhythmus  zu  schmieden.  —  Von 
den  Glasfenstern  seien  die  des  Dresdner  (Voller 
und  die  des  Huber  Feldkirch  der  ein- 
gehenden Betrachtimg  empfohlen ;  sie  sind 
nicht  so  überzeugend,  nicht  so  restlos  die 
Quintessenz  der  Technik  wde  die  Fenster  Kolo 
Mosers,  deren  Kartons  wir  hier  zu  sehen  be- 
kommen ,  sie  sind  aber  doch  durchaus  an- 
ständige und  würdige  Arbeiten.  —  Die  Typo- 
graphie zum  sakralen  Ausdruck  zu  steigern  ver- 
mag am  eindeutigsten  Peter  Behrens;  seine 
Missale  zeigt  gute  Verwandtschaft  zu  feierlichen 
Mönchshandschriften.  In  Behrens'  Schatten, 
ein  wenig  eleganter  manchem  sympathischer, 
aber  jedenfalls  von  schwächerem  Geblüt  gedeiht 
Ehmcke.  Bürgerlicher  als  beide,  darum  aber 
auch  brauchbarer,  Hausmannskost,  ist  Lud- 
wig Sütterlin,  dessen  in  der  Reichsdruckerei 
entstandene  Bibel  endlich  den  Anstoß  gibt, 
daß  die  jammervollen  Bibeldrucke  der  Gegen- 
wart verschwinden.  Hier  wie  auf  allen  Gebieten 
des  Kunstgewerbes  und  der  Architektur  kann 
die  Kirche  das  Gute  haben,  wenn  sie  es  nur 


ROBERT  BREUER. 


346 


KOLOMÄN  MOSER'S 
PROU-KT  FÜR  DIE 
AUSMALUNG  DER 
HEIL-GEIST-KIRCHE 
IN 
DÜSSELDORF 


DER  ZUR  AUSARBEITUNG 
DER  AUSSCHMÜCKUNGS- 
PROJEKTE  BEIGESTELLTE 
GRUNDRISS    DER    KIRCHE 


::  NACH  DEM  PLANE  DES 
ARCHITEKTEN  PROFESSOR 
J.  KLEES ATTEL-dOssELDORF 


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lao'j.  xii.  5. 


M 


Projekt  fiiriiic 
Austii.iliirifi 
der  Heilit;en 
Oeist-Kirche 
in  Düsseldorf 


PRESBYTERIUM.  Bordüren  Blau-Gold.  Füllotnament  Blau  auf  Weiß.  Schrirt:  »Der  Geist,  der  diese 
belehrt,  brennt  hier  mit  feurigen  Zungen  ,  Gold  auf  blauem  Grund,  Umgebung  Gold  mit  blauen  Teilungs- 
linien. Propheten  hell  auf  Ultramarin  mit  seitlidien  goldenen  Palmen.  Tirnamentale  Füllungen  in  der  Apsis 
Blau-Gold.  Die  ]<"iguren  des  Äfittelbildes  in  verschieden  nuanciertem  ^\'eiß,  Maria  in  Blau  und  Rot,  Grand 
der  oberen  Figuren  hellblau,  der  unteren  ultramarui,  die  Taube  weil)  und  Gold  auf  Gold  und  blauen 
Wolken.     Altarüberdachung  mit  goldnen  Ähren  und   fünf  goldnen  Trauben  auf  goldnen  Säulen  nihend. 


ANSICHT    DES    HOCHAl.TARKS.    DKR    BEIDLN    SEH  KNAI/I  AKK    TM)    HKS    AI/IAKl^    [\     Ul.K    KAI'KIXE. 


—  SjJottet  nicht,  daß  die  hohen  Herren  von 
unserer  Kunst  nichts  verstehen  !  Sic  verstehen  sie 
besser  als  mancher  unter  uns  seihst  Sie  verstehen, 
daß  CS  eine  Kunst  ist,  die  nicht  mehr  dienen  will, 
sondern  in  ihr  erhebt  sich  der  Mensch.  Warum  tun 
wir  unschuldig:  und  leugnen?" 

Hermann  Bahr,  Tagcbuch,*5.  2.  1908. 


M 


l'ioli-klfiirtlir 
AiiMtialiiMi* 
der   Mcillucti- 
(iciM-Kuchf 
in  DusscUloil. 
Silinill  A-U. 


Hat  ein  Einzelner  einen  künstlerischen  Auf- 
tr.ig  zu  erteilen,  wählt  er  sich  nach  per- 
sönlichem Geschmack  und  dazu  verfügbaren 
eigenen  Mitteln,  den  ihm  am  geeignetsten  er- 
scheinenden Künstler.  Anders,  wenn  an  die 
( )tTentlichkeit  eine  solche  Frage  herantritt.  Da 
werden  größere  Aufgaben  zumeist  aus  Mitteln 
der  Gesamtheit  bestritten.  Diese  besitzt  oder 
ernennt  Vertreter.  Diese  wieder  erwählen 
Sachverständige,  Beiräte,  Juroren  etc.,  die 
im  Gegensatze  zu  dem  einzelnen  .Vuftraggeber, 
nicht  mehr  nach  ihrem  ]iersönlichen  Geschmack 
wägen  und  urteilen,  sondern,  da.  sie  die  Masse 
rejjräsentieren,  nach  Ergebnissen  trachten,  die 
den  Anschauungen  der  Mehrheit  am  besten  zu 
entsprechen  scheinen.  Sie  suchen  daher  Lei- 
stungen einer  persönlichrn  Begabung  zu  ver- 
meiden, trachten  selbst  Vorschläge  zur  künstle- 
rischen Lösung  der  Aufgabe  zu  machen,  wollen 
zumindest  im  Wege  eines  Kompromisses  ein 
in  der  Mehrheit  zusagendes  Resultat  erreichen. 
Sie    fühlen    sich    der    Menge    gegenüber    ver- 


antwortlich für  die  jeweilige  künstlerische  Lei- 
stung, belürchten  immer,  daß  die  >Lijorität 
anderer  Meinung  sei,  statt  zu  bedenken,  daß 
dieselbe  gar  keine  hat,  höchstens  fremde,  und 
sich  leicht  beherrschen  ließe  von  einem,  der 
eine  eigene  Meinung  besitzt.  Und  haben  Ver- 
treter eine  solche,  ist  es  die  einer  unfehlbaren 
Urteilsfähigkeit  in  Kunstangelegenheiten. 

Eine  solche  Vertreterschalt  sucht  allen 
Leistungen,  die  von  hergebrachter  Schablone 
abweichen,  möglichst  aus  dem  Wege  zu  gehen. 
Da  sie  eine  Kunst  wollen,  die  \ielen  gefallen 
möge,  greifen  sie  zum  gefälligen  Routinierten, 
das  ihren  nicht  neuen,  und  nie  eigenen  He- 
griffen oder  Ideen  unpersönlichst  Gestaltung 
verleihen  soll.  Am  liebsten  würde  man  nur 
des  Künstlers  Handgelenk  in  Anspruch  nehmen, 
denn  was  zu  machen  ist,  wisse  man  ganz 
genau,  und  man  bedauere,  aus  Zeitmangel 
sich  nicht  die  nötigen  Ausdrucksiähigkeiten 
erworben  zu  haben,  da  man  sonst  auch  noch 
wüßte,   wie  es  zu  machen  sei. 


349 


DaC  eiaem  Künstler  die  gescheiteste  Idee 
nichts  nützt,  wenn  in  ihm  nicht  gleichzeitig 
die  Form  geboren  wird,  kann  man  all  diesen 
Leuten  nicht  begreiflich  machen.  Künstlerisch 
Schaffen  heißt  künstlerische  Erlebnisse  haben. 

Heute  kann  der  Künstler  nur  in  selbst- 
gestellten Aufgaben  in  völliger  Freiheit  seinen 
eigenen  Ideen  Form  verleihen ,  selten  finden 
sich  einzelne  Auftraggeber,  die  sich  dem  Wollen 
des  Künstlers  unterordnen ,  zu  den  größten 
Seltenheiten  gehört  es,  wenn  öffentliche  Auf- 
träge dem  Künstler  nicht  recht  lehrreiche 
Erfahrungen  angedeihen  lassen. 

So  liegt  es  nahe,  jede  Gelegenheit  7,ur  Her- 
stellung einer  öffentlichen  künstlerischen  Auf- 
gabe —  die  weder  durch  Beirat  noch  sonstige 
Bemutterung  beschränkt  ist  —  zu  ergreifen, 
um  zu  zeigen,  daß  nur  der  Künstler,  er  nur 
einzig  und  allein,  einen  Gesamtgedanken  zu  er- 
fassen und  bis  in  dessen  letzte  Lösungen  durch- 
zubilden imstande  ist.  So  bei  Ideen-Konkur- 
renzen. Mag  man  auch  solche  Unternehmungen 
vom  wirtschaftlichen  Standpunkt  als  Kraftver- 
geudung ansehen,  sie  geben  doch  dem  Künstler 
Gelegenheit,  sein  Wollen  in  Bezug  auf  öffent- 
liche Arbeiten  festzustellen. 

Freilich  dürfen  solche  Wettbewerbe  nicht 
durch  zahllose  Bedingungen  rein  artistischer 
'  Natur  des  Künstlers  Schaffen  fesseln  oder 
einengen.  Eine  rühmliche  Ausnahme  machte 
der  Wettbewerb  für  die  malerische  Aus- 
schmückung der  Heiligen  -  Geist  -  Kirche  in 
Düsseldorf  Meine  Arbeit  liegt  in  Abbildungen 
hier  vor.  Die  gestellten  Bedingungen  waren 
so  einfach,  dem  Künstler  möglichste  Freiheit 
wahrend,  wie  eigentlich  jede  Konkurrenz  oder 
jeder  Auftrag  sein  sollte.  Nichts  als  der  Bau- 
plan der  Kirche,  der  Titel  derselben  und  die 
Grenze  der  zur  Verfügung  stehenden  Mittel 
waren  die  wesentlichsten  Angaben.  Müssen 
solche  Fälle  so  vereinzelt  bleiben? 


Speziell  eine  solche  Aufgabe  bedingt  den 
Wandschmuck  so  anzuordnen,  daß  die  ge- 
gebene Architektur  in  diesem  ihre  organische 
Fortsetzung  findet.  Alle  Teilungen  sind  in  jedem 
vernünftigen  Gebäude-Entwurf  teils  in  den  tek- 
tonischen  Formen,  teils  in  den  rhythmischen 
Gliederungen  schon  vorhanden,  durch  diese  ge- 
fordert. So  beispielsweise  in  unserm  Falle  die 
omamentale  Teilung  in  der  Apsis  des  Hoch- 
altares. Sie  ist  begründet  aus  dem  Abstand 
der  Fenster  vom  senkrechten  Rand  der  Apsis 
und  gibt  das  Maß  für  alle  weiteren  schmücken- 
den Teilungen    der  Halbkuppel,    so    daß    die 


Fenster  unverrückbar  erscheinen.  Oder  die 
senkrechten  Teilungen  des  Mittelschiffes,  die 
dem  Anschluß  an  die  tektonischen  Balken 
der  Holzdecke  entspringen.  So  die  Ent- 
wicklung der  ornamentalen  Deckenfüllungen, 
die  wieder  den  Teilungen  der  vier  senkrechten 
Wände  des  Mittelschiffes  entsjirechen,  fort- 
gesetzt sich  kreuzend,  organischen  Flächen- 
schmuck bilden.  Weiters  z.  B.  die  Bogengröße 
der  Öffnung  an  der  Epistelseite,  um  den  Ein- 
gang an  der  gegenüberliegenden  Evangelien- 
seite schmückend  wiederholt,  im  Bogen  der 
Altarüberdachung  immer  in  gleicher  Größe 
wied'jrkehrend  etc. 

Schwieriger  in  solchem  Fall  ist  es  den 
enormen  Ideenkreis,  den  ein  solches  Thema 
bietet,  in  Hinblick  auf  die  Gesamtwirkung, 
den  gegebenen  Raum  und  die  gegebenen 
Mittel  genügend  einzudämmen.  Hier  sind 
nun  jene  Einfälle  nötig,  die  gleicherzeit 
Inhalt  und  Form  reifen  und  nur  schöpferischen 
Künstlern  zur  Verfügung  stehen. 

Reihenfolge  der  Darstellungen.  In  der 
kleinen  Vorhalle,  an  der  Decke  »es  werde 
Licht«.  An  der  Türwand  des  Einganges 
sechs  weitere  Darstellungen  der  Schöpfungs- 
tage. An  der  Breitwand ,  dem  Mittelschiff 
gegenüber,  die  Vertreibung  aus  dem  Paradiese. 
An  der  Wand  gegenüber  dem  Eingange  Noah, 
der  Patriarch  in  der  Arche,  von  der  Taube 
den  Ölzweig  erhaltend ;  d.  h.  den  durch  die 
Kirche  (Arche)  geretteten.  Im  Mittelschiff, 
an  den  beiden  Schmalwänden,  gegen  Chor 
und  Orgel-Empore ,  zu  Seiten  von  Schrift- 
bildern, die  vier  großen  Propheten  des  alten 
Testamentes.  Hinweis  auf  die  vier  Evange- 
listen. Jesaias,  Märtyrer  für  das  Bekenntnis 
des  zukünftigen  Erlösers ;  Jereraias,  trauernd 
über  die  Zerstörung  Jerusalems ;  Ezechiel  mit 
der  Vision  des  Tores  und  der  Türme  und 
Daniel,  dessen  Errettung  aus  der  Löwengrube 
auf  die  Auferstehung  hinweist.  An  den  Seiten- 
wänden des  Schiffes  die  zwölf  kleinen  Pro- 
pheten. Hinweis  auf  die  zwölf  Apostel.  Oseas, 
»ich  will  Barmherzigkeit  und  nicht  Opfer» ; 
Joel,  die  Ausgieß ung  des  heiligen  Geistes 
prophezeiend;  Amos,  :.'wehe  denen,  die  ver- 
langen nach  dem  Tag  des  Herrn ,  und  er 
wird  kommen«;  Abdias,  »und  Retter  werden 
hinziehen  auf  den  Berg  Sion«  ;  Jonas,  Er- 
innerung an  das  Leiden ,  den  Tod ,  das 
Grab  und  die  .Auferstehung  Christi;  Michäas, 
weissagt,  daß  der  Heiland  aus  Bethlehem  her- 
vorgehen werde;  Nahum,  -wer  wird  bestehen 
vor  dem  Angesichte  des  Herrn  und  wer  wird 
ihm  entgegenstehen?«;   Habakuk,  Vision  Gott 


350 


KI-XHIK  SEITEX-WAXl)  DES  MITTEI.SCIIIF- 
FES:  Evangelienseite.  Unter  dem  goldnen  Gurtbogen  die 
tünchten  Jungfrauen.  An  der  Wand  des  rechten  Seiten- 
schiffes  die   neunte  bis  vierzehnte   Kreuzweg -.Station. 


Ll.XKK  SEllEX-WAMJ  Dh.s  Mll  I  KL.S(  HIF- 
EES:  Epistelseite.  Unter  dem  (iurtbogen  die  klugen 
Jungfrauen.  An  der  Wand  des  linken  Scitenschiffr-s 
die  ersten  fünf  Kreuzweg-Stationen  und  dieTaufkapclIe. 


IKI 


l'iujchl  fiiTdir 
AiiMtialiini; 
der   Mrlli|;rn- 
(iri^t-Klrche 
In  l)iis>rlilorf 
SchnillÜ-H. 


1^ 


Projekt  fürdic 
Ausmalung 
der  Heiligen- 
Geist-Kirche 
Ml  Düsseldoif- 
Schnitt  C-D. 


ANSICHT  DER  CHOKSEITE.    Unter  dei  (  irgeleniiiore  leclusvom  Eingange  die  Veitreilning  ans  dem  Para- 
diese, an  den  Abschlußwänden  der  Seitenschiffe  die  sechste,  siebente  und  achte  Kreuzweg-Station. 


Vaters  mit  Tiara  etc.;  Sophonias,  »zu  jener 
Zeit  werde  ich  durchsuchen  Jerusalem  mit 
Laternen«  etc.-,  Aggäus,  »mein  ist  das  Silber 
und  mein  das  Gold«;  Zacharias,  »gelobet  sei 
Gott  der  Herr,  weil  er  Erlösung  erwiesen 
seinem  Volke  Israel'*  ;  Malachias,  vom  heiligen 
Opfer  weissagend.  In  dem  Gurtbogen  über  der 
Orgel  die  beiden  Nebenpropheten,  Ehas,  Sinn- 
bild des  glorreichen  Triumphzuges  und  Elisäus, 
\'orbild  der  Dornen-Krönung  Christi. 

In  der  Mitte  des  Bogens  die  eherne  Schlange 
Moses.  An  der  großen  halbkreisförmigen  Wand 
der  Patriarch  Moses,  der  Typus  des  heiligen 
Apostel  Petrus  auf  dem  Berge  Sinai,  von  den 
Händen  Gottes  die  Gesetztafeln  empfangend. 

In  der  tiefen  Seitenkapelle,  vom  Altar 
rechts,  die  Verkündigung  Mariens,  an  den 
Seitenwänden  (nicht  ersichtlich)  Bilder  aus 
der  Jugend  Christi,  an  der  kuppeiförmigen 
Decke  der  englische  Gruß.  Über  dem  Ein- 
gange zur  Kapelle,  die  Himmelfahrt  Mariens. 
An  der  Altarwand  des  zweiten  Seitenschiffes 
Christus  am  CMberg.  Über  dieser  Nische  die  Dar- 
stellung des  Schmerzensmannes.  Nun  beginnen 
den  Seitenwänden  der  Nebenschiffe  entlang 
die  vierzehn  Stationen;  zwischen  der  fünften 
und  siebenten  von  der  Taufkapelle  unter- 
brochen.    An  der  halbrunden  Wand  derselben 


die  Taufe  Christis  im  Jordan ,  über  dem 
Eingange  die  Vision  des  die  Erbsünde  tilgenden 
Kindes;  zu  einer  Seite  Eva  mit  der  Schlange, 
zur  anderen  Seite  die  Mutter  Maria.  Bei  der 
Station  sieben  zwischen  den  beiden  Fenstern 
das  Schweißtuch  Veronikas.  Nach  der  vier- 
zehnten Station  an  dem  Altar  des  linken 
Seitenschiffes  die  Frauen  am  Grabe,  darüber 
der  auferstandene  Heiland.  In  der  halbkreis- 
förmigen großen  Apsis  des  Hochaltares  die 
Ausgießung  des  heiligen  Geistes.  Maria  in  der 
Mitte,  zu  Seiten  die  Apostel,  Petrus  durch 
seine  Haltung  herausragend.  Zu  Häupten 
Mariens  der  heilige  Geist,  darüber  Vater  und 
Sühn  von  goldenen  Wolken  umsäumt.  Im  Gurt- 
bogen davor  an  den  unteren  beiden  senkrechten 
Flächen  die  Darstellung  der  klugen  und  törich- 
ten Jungfrauen  —  im  Bogen  selbst  die  vier 
Evangelisten ,  deren  Mitte  das  Lamm  Gottes 
bildet.  An  der  Decke  des  Mittelschiffes 
Symbole  für  Christus  und  die  katholische 
Kirche,  an  denen  der  Seitenschiffe  jeweilige 
ähnliche  Darstellungen  mit  Bezug  auf  die  Vor- 
gänge an  den  Seilenwänden.  In  der  Farbe 
herrscht  weiß,  gold,  blau  vor  und  zwar  so, 
daß  diese  P'arben  im  Bilde  der  Hochaltarwand 
ihren  Kulminationspunkt  erreichen.  — 

KOLOMAN    MOSER. 


35^ 


M 


Vi'unlir 
-  .1  .ihiii|> 

:  II.  .iiuen- 
i<-i»i-Ktrvlic 
I  UiltMidorf 


tm 


CHORSKITK:   Bordüren  Biau-Gold.     l-üllornamente  I'.lau  auf  Weili.    Schrift:    »l'nd  alle  genossen  seines 
Trankes«,  Gold  auf  blauem  Grund,  rniRebung  Gokl  mit  blauen  leilungslinien.   P.opheten  hell  auf  Ultramarin- 
Blau,  zur  Seite  goldne  Palmen.    Die  Kigur  des  Moses  auf  Blau  und  Grau,  Dornbusch  und  Wasser  reich  mit  Gold. 


M 


Projekt  fiirdie 
Ausmalung 
der  Heiligen- 
Geist-Kirche 
in  Dilsseldorf. 


FRAGMENT  AUS  DEM  MITTELSCHIFF:  Prophet  Arnos.   Bordüren  Blau-Gold.  Füllmuster 
Blau  auf  Weiß.     Figuren  auf  Ultramarin  mit  seitlichen  goldnen  Palmen.     Die  Felder  rechts 
und    links    auf  Goldgrund    mit    bunten   Blumen    und  Fruchtkcuben.      Alle  Fensterleibungen   Gold. 


M 


l'i..|<l.tlur>|ic 
AiiMnaluny 
ilrt    Itrillurn- 
«iriil-KIrch* 
iiil)u>»(ldorf. 


FRA(  uMEXT  AUS  DEM  MITTEI^SCIIIKF:   I'ro|)hct  Jonas.   Bordüren  Blau-Gold.  FUllmuster 
Blau  auf  Weiß,     l'iguren  auf  UUrainarin  mit  seillichen  goldnen  Palmen.     Die   Felder  rechts 
und  links  auf  Goldgrund   mit   bunten   Blumen    und    Fruchikürben.     Alle   Fenslerleibungen   Gold. 


1909.   \ll    0. 


35j 


IKI 


Projekt  füriiie 
Ausmalung 
der  Heiligen- 
Geist-Kitche 
in  Düsseldorf 


S 


EITEXKAPELLE 
Maria  Himmelfahrt. 


Über  dem  Altar  die  Verkündigung  Mariens.    Oben 
Altar  in  Weiß-Gold,  mit  Bordüre  aus  sieben  Rosen. 


1 


^AUFK  APELLE.    Christus  wird  im  Jordan  von  Johannes  getauft.  Grund  Blau,  LauhcGold, 

seitliche  Felder  Blau -Gold.    Wandverkleidung  durchwegs  in  Grau  -  Schwarz.    Taufbecken 

Gold-Schwarz.  —  Über  der  Kapelle  das  Christuskind  mit  Maria  und  Eva  auf  Goldgrund. 


M 


l'iojrktftirtltr 
\uknialiiii]£ 
•Irr  Hrlli^m- 
(icUlKircItc 
in  Düfvrldurf. 


M 


Projekt  fürdie 
Ausmalung 
der  Heiligen- 
Geist-Kirclie 
in  Diissfldorf. 


DECKEXHKMALUXG:   Bemaliing  der  Träger  Schwarz-GuM.   Giund  der 
Füllungen   Gold   mit  blauen  Teilungen  und   farbigen  Mittelfeldern,  die 
Ecken  Blau  auf  Weiß.    Die  Decke  der  Kapelle  Blau-AVeiß  mit  bunten  Blumen. 


BILD  VOM  ALTAR 

AM    ABSCHLUSS 

UHS    RECHTKN 

SEITliNSCHlFFES. 


DIE    FRAUKN 
AM    GRABK    DES 
AL'l' ERSTANDENEN 
HEILANDES. 


ROBERT  SElTFFERT-uOsSF.I.UOKK.  Ski^Z(.•  ziii  AusiiKiliing  iKr  IIL-Iirisl-Kirchf  in  Düsseldorf.    Laiigsscliiiilt. 


DEUTSCHES  UND  AUSLANDISCHES  KUNSTGEWERBE. 


Es  ist  recht  interessant,  zurzeit  einen  Ver- 
gleich zu  ziehen  zwischen  unserm  deut- 
schen Kunstgewerbe  und  dem  ausländischen, 
zumal  dem  Frankreichs.  Ganz  besonders  nach- 
dem das  Ergebnis  einer  bemerkenswerten  Um- 
frage in  der  > Revue'  nach  den  Gründen  des 
gefährlichen  Stillstandes  im  französischen  Kunst- 
gewerbe, —  und  nach  Heilmitteln  dagegen.  — 
einen  tiefen  Einblick  gewinnen  ließ  )n  die 
nach  dieser  Richtung  allerdings  ziemlich  aus- 
sichtslose Lage  im   Ausland. 

England  und  Frankreich  haben  ihre  Höhe- 
punkte längst  überschritten ,  sie  zehren  von 
ihrer  Tradition.  Die  Klein- Architektur  Eng- 
lands, seine  Arbeiter«  ohnungs-  und  Garten- 
stadt-Kultur, bieten  uns  allerdings  noch  in 
vielem  \"orbildliches.  Das  liegt  aber  daran. 
daLJ  die  jahrliunderte-alte  W'ohnungskultur  eine 
Spezialität  des  Engländers  ist.  Die  Kleinheit 
seines  Landes  spielt  hierin  wohl  eine  Rolle, 
sein  konservativer  und  selbstbewußter  Sinn, 
der  Umstand,    dall   auch  der  einfache  Bürger 


der  Großstädte  sein  zweistöckiges  Häuschen 
besitzt  usw.  Dabei  muß  man  aber  bedenken, 
daß  die  .Architekten  sich  zumeist  auf  eine  Ncu- 
.\npassung  heimischer,  zum  Typus  gewordener 
Motive,  —  die  ihrer  Vernünftigkeil  und  Schön- 
heit wegen  zum  Teil  auch  internationale  Gel- 
tung erlangt  haben,  —  bis  ins  Detail  beschrän- 
kin.  Eine  wesentliche  \'erarbeilung  neuer  Er- 
rungenschaften und  neuer  Materialien  findet 
jedoch  nicht  statt,  wie  /..  B.  des  Eisen-Betons  in 
Amerika.  Noch  schlimmer  steht  es  in  Frank- 
reich: keine  neuen  Kräfte  regen  sich  hier, 
—  einzig  in  einer  kleinen  hochdifferenzierten 
Gruppe  freier  Künstler  Frankreichs  glimmt  ein 
intensives  Empfinden  weiter,  aber  an  diesen 
komphzierten  Kunstgebilden  wird  das  Volk  in 
seiner  .Allgemeinheit  nie  teil  nehmen  können. 
Deutschland  dagegen  geht  rapide  seiner  kom- 
menden Vorherrschaftsstellung  in  Euroi)a  ent- 
gegen, seine  reife  innere  Spannkraft  drängt  ent- 
schieden dazu,  das  ursprüngliche  Spezialpro- 
bl em  desK unstge werbes  zum  Volkswirtschaft- 


359 


ROBERT  SEUFFERT. 


SKIZZE  ZUR  AUSMALUNG  DER  HL.-GEIST-KIRCHE— DUSSELDORF. 


ROBKKT  SEli-FERT    DÜSSELDÜKF. 


ENTWURF  »ÜR  DIE  CHOR-AUS.MALUNÜ  DER 
HEILIGEN-GEIST-KIKCHE   IN    DÜSSELDORF. 


jOl 


Deutsches  lüid  aus/äMdlsches  Kunstgeiverbe. 


■       liehen  Problem  zu  erweitern,   d 

■  1 

h. 

das  Volk 

diese  Weise  von 

■ 
einigen  —  insbesondere  hes-      ■ 

■       in  seiner  Gesamtheit  nu(  eine  erhöhte  Kuluir- 

si  sehen  —  Firmen  gebracht  wurden.     Ein'      ■ 

■       schied    zwischen    uns    und    dem 

H 
Ai 

auptunter- 
sland.   — 

derartiges  Vorgehen    der  Fabrikanten    ist  tat-       J 
sächlich  nur  in  unserem  idealistischen  Deutsch-       ■ 

■       Aber  weiter:  Gesetzt  den  Fall,  Frank 

reich  hätte 

land  überhaupt 

aiöglich.  —  Ein  weiteres  wich-       ■ 

5       Künstler,   die  das  Volk  in  innigen 

K 

Dntakt  mit 

tiges  Moment  liegt  in  der  ebenso  opferwilHgen       J 

■  den  neuen  Strömungen  bringen  wollt 

■  hier  doch  die  Möglichkeit,    dieses 

e,  SU  fehlt 
Wollen    in 

und  von  den  fahrenden  Künstlern  dankbar  an-       ■ 
erkannten    Unterstützung ,    die    Künstler    und       ■ 

J       die  Tat  umzusetzen.   In  der  Beantwortung  jener 

Fabrikanten  durch  die  Kunstzeitschriften;      J 

■       Rundfrage  der  »Revue-   wurden 

als 

eines  der 

erfahren.     Man 

vergleiche  auch  hier  die  Zeit-;      ■ 

■       Hauptübel    die   Fabrikanten   bezeich 

net,      die 

Schriften  des  In 

-  und  Auslandes,  um  zu  begrei-       ■ 

J       mit    neuen    Modellen    nicht 

3    riskieren 

fen,  in  welch  p 

rogrammatischer  Weise  das       ■ 

■       wollen    und    deshalb 

Gute  bei  uns  propagiert       ■ 

■       das  Publikum  beiden 
J          schablonenmäßig 

und     dem     Volke    zum       ■ 
Zweck  der  Geschmacks-       J 

■  hergestelltenKopien 

■  antiker    Möbel    fest- 
J       halten«.   —    An  dieser 

1       ^'Z 

^ 

Veredelung    eindringlich       ■ 
nahe  gebracht  wird.   —       ■ 
Die    Durchführung    des;      ! 

■       Stelle  soll  nun  betont  und 

\  \*« 

^^ 

engen  Zusammenschlus-       ■ 

■       dankbar  anerkannt  wer- 

1     > 

^^ 

ses    der    drei  Faktoren:       ■ 

■  den ,    wie    sehr    unsere 

■  deutschen    Fabrikanten, 

Si^.m 

Ü^lk 

Künstler,    Fabrikan-       2 
ten     und     Kunstzeit-       ■ 

■  —    zum     größten    Teil 
J       wenigstens,   —    im   Ge- 

■  gensatz    zu  den    auslän- 

■  dischen,  an  Stelle  seniler 

i 

■ 

(M^ 

Schrift    ist    nicht    nur       ■ 

notwendig,  sondern  auch       ^ 

allein  bei  uns    möglich.       ■ 

Deutschland  erntete           ■ 

\       Verkalkung    und    Rück- 

■  släadigkeit    ein    beweg- 

■  liches      Anpassungsver- 
B       mögen    an    die   Neuzeit 

■  lieweisen.       Sie     haben 

■  durch  ihre  Opferwilligkeit 
g       unseren    Künstlern    und 

■  Architekten   ermöglicht, 

■  sich  auszuleben  und   in 
H       der  Praxis   Erfahrungen 

M 

i 

i  • 

tMm 

lange  genug  durch  seine.      g 
Vereinsmeierei   und  die      ■ 
Sucht,    sich    zusammen-!      ■ 
zutun ,    den    Spott    der       ^ 
anderen.        Jetzt      aber       ■ 
wollen  wir  zeigen,    daß       ■ 
wir    die    Fähigkeit    ha-       ■ 
ben,  die  andern  abgeht:       J 
Ernstlich  und  ohne  klein-i      ■ 
liehe  Sonder- Interessen'      ■ 

■       zu  sammeln.   DerUnein- 

pf! 

zusammen    zu  arbei-       J 

■  geweihte  wird  sich  wohl 
a       kaum    eine    Vorstellung 

■  davon    machen,    welch 

■  ganz      außerordentliche 

■  Opfer,      —      materielle 
\       Opfer     ohne     unmitlel- 

^^- 

dJ 

ten,  —  einem  gemein-       ■ 
Samen     Ziel     entgegen.       ^ 
Lange  hat  das  Ausland       ■ 
auf    uns     herabgesehen,       ■ 
aber   jetzt    ist    die    Zeit       ■ 
unserer  Entfaltung  ge-'      J| 

■       baren  Ausgleich,  —   auf 

■ 

1 

kommen  1  H.  LANG-DANoi.i.'      ■ 

r 

k 

.    4Bi65:>i-—           ^^H 

■                                                                          JOS 

■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ 

MENDES  DA  COSTA     AMSTERDAM.     Steingut: 

»Da^ 
■  ■1 

ad«.                                                          ■ 
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ 

ERGEBNIS  DES  WETTBEWERBES 

ZUR  ERLANGUNG  EINES  INNEN-PLAKATS  FÜR  FLÜSSIGE  TUSCHEN. 

AUSGESCHRIEBEN  VON  DER  FIRMA 

GÜNTHER  WAGNER,  HANNOVER  UND  WIEN. 


Zu  dem  Preis-Ausschreiben  waren  2535  Ent- 
würfe  eingegangen ,  die  übersichtlirh  in 
1 7  Sälen  des  Kunstvereins  in  Hannover  auf- 
gestellt waren.  Den  Vorschriften  des  Aus- 
schreibens nicht  entsprechende  256  Entwürfe 
waren  von  vornherein  gesondertgehängtworden. 
Die  Juroren  glaubten  sie  nicht  zur  Wertung  zu- 
lassen zu  können;  sie  schieden  deshalb  aus. 


Nach  langer,  surgrältiger  l^rüfung  und  Be- 
ratung stellte  die  Jury  einstimmig  fest,  dati 
ein  den  Anforderungen  der  Jury  nach  allen 
Richtungen  entsprechendes  Plakat  nicht  em- 
gegangen  sei  und  deshalb  der  erste  Preis  nicht 
zuerkannt  werden  könne;  die  dafür  vorgesehe- 
nen Mk.  1000. —  wurden  verwandt,  um  weitere 
\  ier  Entwürfe  mit  je  .Mk.  250. —  zu  prämiieren. 


Es  erhielten: 
II.  Preis  M.  750.—  Franz  Süßer,  Wien, 

III.  Preis  M.  500.—    Vald  Andersen,  Kopenhagen, 

IV.  Preis  M.  250.-    F.  Boscovifs,  Zollikon  bei  Zürich, 
IV.  Preis  M.  250.  —  Paul  Hosch,  Berlin, 
IV.  Preis  M.  250.  —   Mela  Wagner,  Wien, 
IV.  Preis  M.   250.—   H.  Naumann,  München, 
IV.  Preis  M.   250. —  Thea  Wittrnann,  Münctien, 
IV.  Preis  M.   250.—  Walter  Fürst,  Berlin, 

IV.  Preis  M   250.—  Ernst  Knauf  und  Bysso  Malchow,  Berlin 
IV.  Preis  M.  250. —  J.  B.  Maier  und  K.  Soyter,  München 


Motto:  »Graphik«. 
»       »VA«. 

»       »Chlnesenbuberl«. 
»       »Miix«. 
»       »Klecks«. 

»       »Im  Zeidien  der  l.iitUdiilfcihrl" 
»       »Fiirbenfreude«. 
»       »Zwergciifditiilie«. 

»P-T«. 

»Tusc^l  -Tist4i«. 


Die  für  .Ankäufe  zur  Verfügung  stehenden  .Mk.  lOOO. —  hat  die  Jury  voll  in  .\ii- 
spruch  genommen  und  zehn  Entwürfe  einheitlich  zu  dem  im  .\usschreiben  genann- 
ten Höchstpreis  von  je  Mk.    100.—   angekauft.      Es  waren  dies    die  Arl)citcn   von 


Daan  Hoeksenia,  Amsterdam, 

Albin  Trepte,  Dresden-A., 

Wilhelm  Lange,  Stegli^  bei  Berlin, 

Bruno  )aeschke,  Berlin, 

Max  Hertwig,  Berlin-Charloftenburg, 

Karl  Michel,  Berlin, 

Fri^  Boscovits,  Zollikon, 

Willy  Belling,  Berlin-Schöneberg, 

Hans  BraB,  Stegli^  bei  Berlin, 

Franz  Kysela,  Prag, 


Motto:  »Speed«. 

»  »Arglos«. 

»  »Bunte  Blumen«. 

»  »Kaleidoskop«. 

»  »Audi  ein  Pelikan«. 

»  »Ntinii  sdioii  wieder«. 

»  »Auf  der  Hülle«. 

»  »Farbe«. 

»  »Vogel«. 

»  »F.  K.  78«. 


ALS   PREISRICHTER: 

PROFESSOR  VETER  BEHRE.NS,  NF.UB.\BEI_SBER«,  PROFESSOR  DR.  HAUPT,  H.\NNOVER, 

PROFESSOR  KARL  HOFFACKER,  KARLSRUHE,  PROFESSOR  H.  SCHAPER,  HANNOVER 

UND  ALS  INHABER  DER  FIRMA  SEN.\TOR  FRITZ  BEINDORFF,   HANNOVER. 


ZU  dem  Wettbewerb  schreibt  eine  Hannov. 
Zeitung:  Nicht  nur  das  Inland,  sondern 
auch  das  .\usland  hat  sich  an  der  Konkurrenz 
beteiligt.  England  mit  2Ü0  Entwürfen,  Österreich 
gar  mit  250,  und  auch  die  Künstlerschaft  roma- 


nischer Nationalität  ist  stattlich  vertreten.  Es 
ist  eine  verwirrend  bunte  und  vielgestaltige  (ie- 
sellschaft,  die  dem  Beschauer  in  den  mehr  als 
2500  Arbeiten  entgegentritt.  In  jedem  der  daran 
beteiligten   Künstler  hat  das  Problem  andere 


1909.  XII.  6a. 


FRANZ  sr^sl  k      Wll  \ 


^siSiSS^giSfimmmmmm 


/S\  II  I  I'  K    l'KriS. 


« 


Cj 


minan-Jujcäen 

3tinthcr3Va9ncr 

'(hannoveran<>dV4cn. 


/~VTT-.:  "tllincjtnbubjrl.  •■ 


i'AUL  ifoscH    i;i;rij.\. 


Kl.N   IV.    PKLl.s.  1-.  BÜSCOVITS     ZOLLIKÜ.N. 


i;iN    1\  .  PRKl.^. 


''^ca0il^ 


i/fyff^mer 


m 


\J^T<?fWH^wRWL  ~ 


HANNOVE.RVND^aiEN 


Motto:  zwERCcNFAmiiit 


\  All)  ANDF.RSF.X  -  KOPENHAGEN. 


III.   I'KI.IS.  WAI.TKR  Fl  Ksr     HKKI.IN. 


FIX  IV.  I>REI.s. 


,\i-s  DK.M  \vi-  I  1  in:\vi:KB  vv\<  hin  i.\.\i-;n-1'i  aka  i  \-vk  ii.rssn.K  itmhk.n. 


/c'^^^/rn-/i/i 


KUNSTL^f^rAft&W-FAÖftlKEN 


HANNOVER 
WILN 


ÜaiiHan^Öfhichen 


dunthcT  f^agmr  Hinutlarfarben 
(Bbri[{<2n(Mannooer  und  Uicn 


H.   NAIMAXN-MLNCHF.N. 


IIN    IV.    I'KFI>.  MI  1    \    "    M'"-!   I<       Uli   N. 


I   IN    i\  .    I'KI-  1^. 


Formen  gezeitigt,  wenn 
auch  von  einer  über- 
wiegenden Anzalil  das 
vorgeschriebene  Plakat- 
Wort  .Pelikan-Tuschen' 
zum  Leitmotiv  für  den 
Entwurf  insofern  erwählt 
ist ,  als  sie  die  Figur 
des  dickschnäbeligen 
RuderfülJlers  in  irgend 
einer  Form  und  Kombi- 
nation verwandt  haben. 
So  sieht  man  denn  den 
Pelikan  in  allen  Farben 


bald  allein,  bald  zu  meh- 
reren und  zwar  ruhend 
oder  in  Bewegung,  sich 
rupfend ,  mit  einander 
schnäbelnd ,  sich  be- 
kämpfend und  so  wei- 
ter fast  in  infinitum.  So- 
gar Musik  muß  sich  das 
Tier  von  einem  Bombar- 
denbläser  vormachen 
lassen.  Auf  anderen  F,nt- 
würfen  sieht  man  Genien 
und  Dämonen,  .Vthleten 
und     Gnomen ,     Ritter 


J.  B.  M.^IER  &  K.  SOVTEK     MIN(III\.         IISH.I'KII-- 


rwrm 


U  J  U  U  U II  j  u  u  u  U  LI 


NAHHOVER^DWIEN 

fcinnnnnnnnannnnnnnrnnnrnarncnnainnnnnnnnnnndi 


THK.V  Win.MA.NN  -  .Mr.\(  HF.N. 


m  schwerer  Rüstung  und 
zierUche  Pagen,  auch  einen 
Sankt  Georg  im  Fußkampfe 
mit  dem  Lindwurm,  weib- 
liche Akte,  Rassenbilder, 
auf  denen  weibliche  An- 
gehörige der  Kaukasier, 
Aethiopen  und  Mongolen 
sich  vorstellen,  Heroen  und 
Modedamen ,  Mönche  am 
steilen  Arbeits]nilte,  kleine 
Kinder  aut  blumigem  Anger, 
Biedermeier  -  Motive  mit 
sinnigen    bunten    Blumen- 


GÜNTHER  WAGNER 

KiJ^4(TLEnFAnBEN-FABnlKEN 
HANNOVED  UND    WIEN 


EIN   VIERTER  PREIS. 

"1  kränzen ,  komische  Zerr- 
bilder und  ernsthafteste 
Porträt-  u.  Figurenstudien, 
Maler  und  Kinder  in  der 
Beschäftigung  mit  dem 
Tuschpinsel,  und  —  damit 
auch  ja  das  Aktuelle  nicht 
fehle  —  bringt  einer  der 
Entwürfe  eine  ganze  Flot- 
tille von  Luftschiffen,  »Fas- 
son Zeppelin'  ,  die  den  Na- 
men und  Ruhm  der  Gün- 
ther Wagnerschen  Pelikan- 
Tuschen  in  die  Lüfte  tragen. 


ERNST  KN.\r|.    .V    n^ss.  .    \l\li  Hl.«       I1I-KII\. 


IN    l\  .    I'KRIS. 


DIE  KÜNSTLERISCHE  OBJEKTIVITÄT. 


Man  hat  tlas  Wort  Objektivität  zu  verdeut- 
schen gesucht  und  es  mit  »Sachlichkeit« 
wiedergegeben.  Ist  ( )bji-ktivität  Sachlichkeit? 
Ungefähr  ebensowenig  als  Subjektivität  gleich 
Persönlichkeit  ist.  Objektivität  erklärt  man 
vielleicht  am  besten  als  den  Gehalt  an  Welt, 
der  uns  aus  dem  Kunstwerk  und  seinem  Schöp- 
fer entgegentritt.  ( )bjcktiv  können  wir  den 
Menschen  nennen,  der  den  unpersönlichen,  in 
der  Welt  wirksamen  Kräften  gewissermaßen 
adäquat  ist,  der  gültige,  positive  Beziehungen 
zum  Weltganzen,  zum  Prinzip  der  Schöpfung 
besitzt.  Objektivität  ist  die  Bejahung  der  Schöp- 
fung, die  freiwillige,  lustvolle  .\nerkennung  und 
Bestätigung  der  Arbeit  des   Demiurgen.      Ob- 


jektivität ist  Einklang  und  Religion,  sie  ist 
Anghederung  und  Übereinstimmung  mit  dem 
Nicht-Ich,  sie  ist  jene  Kortsetzung  des  Schöp- 
fungsaktes, die  jedem  Metischen  möglich  ist 
und  in  der  eigentlich  das  Ziel  jedes  einzelnen 
Menschenlebens  erreicht  ist.  Und  objektive 
Kunst  heißt  diejenige  Kunst,  welche  die  Gegen- 
stände sozusagen  unmittelbar,  ohne  Mittler  zu 
uns  sprechen  läßt.  Die  anscheinende  .Abwesen- 
heit eines  Mittlers  beruht  natürlich  auf  Täu- 
schung, denn  die  Dinge  haben  keinen  Mund 
und  können  immer  nur  durch  ein  höchst  leben- 
diges und  persönliches  Subjekt  zum  S|)rechen 
gebracht  werden.  Aber  daß  man  dieses  Sub- 
jekt nicht  spürt,  daß  es  nicht  als  entstellen- 


Silberarbeiten  aus  der  englischen  Abteilung  der  Wiener  Kunstschau   igog. 


l'.iu'.i,  XII    7 


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COLLIER   IN    SILBER   MIT   PERLEN    UND   STEINEN. 

der  und  einschränkender  Faktor  empfunden 
wird,  das  eben  ist  die  höchste  Leistung  der 
Kunst,  und  ihr  gilt  das  rühmende  Wort  j  ob- 
jektiv«, von  dem  diese  Zeilen  handeln. 

Mit  »Sachlichkeit-  hat  diese  Objektivität 
nur  wenig  zu  tun,  wenn  man  unter  Sachlichkeit 
die  Eigenschaft  des  Kunstwerkes  versteht,  die 
dargestellten  Dinge  möglichst  klar  erkennbar 
hervortreten  zu  lassen.  Wenn  man  Rembrandts 
Kunst  als  objektiv  bezeichnet,  so  will  man 
damit  lediglich  das  große  maßgebende  Erleben 
der  Welt  hervorheben,  von  dem  seine  Kunst 
zehrt.  Jenes  Erleben  der  Welt,  welches  das 
Kunstwerk  selbständig  neben  die  Schöpfungen 
der  Natur  treten  läßt.    Objektivität  bezeichnet 


364 


Aus  der  englischen  Abteilung  der  Kunstschau  Wien  190y. 

nicht  irgend  eine  Beziehung  des  Kunstwerkes 
auf  das  Modell  oder  auf  die  Dinge  überhaupt. 
Sondern  sie  bezeichnet  die  Autonomie  des 
Kunstwerkes  und  seine  auf  eigenes  Recht  be- 
gründete Existenz.  Oder  noch  besser.  Sie  be- 
zeichnet die  Autarkie,  die  innere  Vollkommen- 
heit und  Selbstgenügsamkeit  des  Kunstwerkes. 
Das  stärkste  Gegenspiel  der  Objektivität 
stellt  der  Manierismus  dar.  Manier  liegt 
überall  da  vor,  wo  wir  fühlen,  daß  hier  der 
Reichtum  der  Erscheinungswelt  auf  die  ver- 
flachende Ebene  eines  Subjektes  projiziert  wurde ; 
wo  nicht  jene  Täuschung  entsteht,  daß  die 
Welt  selbst  aus  dem  Kunstwerke  zu  uns  rede. 
Manier  entsteht  überall  da.  wo  der  Ausdruck 


Die  küustlcrisclic  Ohjcktivilät. 


Englische  Abteilung  der  Kunstschaii  Wien  1909. 

nicht  frisch  und  jung  aus  dem  Kample  mit 
Objekt  und  Darstcllungsmittel  gewonnen  wird. 
Manier  entsteht  dann,  wenn  die  Hand  des 
Künstlers  in  einer  bestimmten  Handschrift  er- 
starrt ist,  die  vor  allem  sich  selbst  durchzu- 
setzen bestrebt  ist.  Wenn  Objektivität  die  Ver- 
herrlichung der  großen  Welt  bedeutet,  so  be- 
deutet Manier  die  Verherrlichung  des  Suljjektes. 
Manier  ist  die  Abwehr  aller  evolutionistischen 
Faktoren,  die  I.ust  am  Krstarren.  Infolge  des 
engen,  unheilvollen  Persönlichkeits  -  Begriffes, 
unter  dem  unser  Kulturkreis  seit  Stimer  leidet, 
hat  die  Tendenz  zum  Erstarren,  zur  beding- 
ungslosen Salvierung  und  Apotheose  des  Sub- 
jekts bei  uns  stark  an  Boden  gewonnen.    Man 


COLLIER    MIT   STEINEN    UNI)    PERLEN. 


hat  sich  daran  gewöhnt,  Persönlichkeit  als  einen 
Wert  an  sich  zu  betrachten  und  mißt  schon  der 
einlachen  Unterschiedenheit  die  höchste 
Bedeutung  zu.  Dagegen  gilt  Hebbels  feines 
Wort:  »Positiv  individuell  sein,  daraul  komml 
es  an,  denn  negativ  individuell  sind  wir 
alle«.  Also  nicht  die  einfache  Unterschieden- 
heit macht  die  Individualität  im  rühmenden 
Sinne  des  Wortes  aus.  Der  Begriff  »Persön- 
lichkeit« ist  kein  bloßer  »Blankobegriff« ,  er 
erfordert  einen  positiven  Inhalt.  Und  dieser 
Inhalt  ist  eben  das  starke  Erleben  der  Welt. 
Persönlichkeit  liegt  nicht  in  der  Abgrenzung, 
sondern  in  der  Erweiterung  des  Ich.  Daraus 
geht  hervor,   daß  Objektivität  und  Persönhch- 


365 


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CHIN.  PORZELLAN-VASE.       PERIODE;  KANG-HE  (UM  1662).  CHINESISCHE  PORZELLAN-VASE.  MING-DYNASTIE. 


CHINESISCHE   STEIN-ARBEITEN.      SCHALE    UND    RÄUCHER-GEFÄSS    IN    NEPHRIT    (JAUE)    GESCHNITTEN. 


366 


CHINESISCHE    STEIX-ARBKITEN.       SCHALEN    IN    NEPHRIT    {.lADE)    GESCHNITTEN. 


I  HINKSlKlIlf. 
IDKZHI.I.AN- 
VASK.     I'I'.KUIDK: 
YINC.-t  HING 

\i-M   1723). 


SÄMTLICH    IM    BESITZ    DER    KUNSTHANDLUNG    R.  WAGNER      BERLIN  \V.,    POTSDAM  ERSTRASSE    20a. 


Die  küiisfleriic/ic  Objektivität. 


ARCHITEKT    EMIL    I'IKIHAN      MÜNCHEN. 

keit  nicht  Gegensätze,  sondern  im  letzten 
Grunde  Synonyme  sind.  Der  Mensch  ist  ein 
Spiegel;  diesen  Spiegel  geeignet  zu  machen, 
daß  er  möglichst  viel  Welt  in  sich  zusammen- 
zieht und  auffängt,  das  ist  des  Menschen  und 
des  Künstlers  vornehmste  Aufgabe.  Für  die 
Verschiedenheit  der  Spiegelbilder  ist  durch  die 
Verschiedenheit    der  Spiegel  sattsam  gesorgt. 


KISSEN    MIT    AUFGENÄHTEN    BANDERN. 

Deshalb  wird  das  Streben,  immer  reichere  Be- 
ziehungen zum  Allgemeinen  und  Ganzen  der 
Welt  zu  erlangen,  niemals  zu  einer  Verwischung 
der  Persönlichkeitskonturen  führen.  Sondern 
dieses  Streben  ist  sogar  das  einzige  Mittel, 
die  persönliche  Linie  mit  echtem  Stoff  zu  füllen 
und  restlos  klar  hervortreten  zu  lassen. 


MÜNCHEN. 


WILHELM   MICHEL. 


I  jjMBJ-mttrr?  i  n  ii  t,i_B  1 1 1  f  iimai  tuu&n 


ARLHIIKKT 

i-:.j.  wimmilr- 


rÜR    lilN 
KISSEN. 


I.  I'KKIS:    mi.UHAl  ER  PRAlK. 
II.  I'KKIS :    Bll.DHAl-Kli    KARL    STOCK.  ]1I.  PRKIS:    BJLDHAUliR    MI-ROKIll-N'. 

PREISOICKRÖNTE    MEDAILI-UN    FÜR   DIE   ERSTE 

INTERNATIONALE    Ll*ITSCHIFFAHRT-Af SSTELLUNG 

l-KANKFURT    A.  M.    1909. 


Inhalts-Verzeichnis. 

BAND  XXIV 

April  1909— September  1909. 


TEXT -BEITRAGE: 

Ludwig  von  Hofmann— Weimar.    Von  Dr.  Stiu 

Max  Osborn  —  Berlin       ....  3  — 15 

Das    .isthetische  Verhalten.     Von   Robert 

Breuer  —  Berlin 16 — 19 

Die  kleinen  Mitläufer.  Von  Paul  West- 
heim—  Berlin 22 

Neues     aus     Bremen.     Von     Dr.    Carl 

Schaefer — Bremen 23 — 36 

Stil  -  Brevier.      Von     Robert     Breuer^^ 

Berlin 37—45 

Die  Glasmalerei  als  Architekturglied.     Von 

Paul  Westheim  —  Berlin      .     .     .  46 — 52 

Tote    und    lebende    Schönheit.      Von    Dr. 

Emil  Utitz  — Prag 53—68 

Chinesische     Gemälde.       Von     Dr.     Hans 

Bethge  —  Berlin 71 — 84 

Eine  Wiener  Mosaik- Werkstätte.     Von  B. 

Zuckerkandl — Wien 85 — 90 

Geschmeide  und  Edelmetall-Arbeiten  von 
Goldschmied  Emil  Lettre — Berlin.  Von 
Anton  Jaumann  — Berlin     .     .     .         91 — 96 

Neue  keramische  Arbeiten.    Von  Dr.  Ernst 

Zimmermann  —  Dresden  .     .      105  — 108 

Emil  Preetorius.     Von  Wilhelm   Michel 

—  München 113  — 118 

Vom  unbewußt  schaffenden  Künstler.    Von 

Paul  Westheira  —  Berlin  .  .  .  118-119 
Die  Arbeit  der  Kunstgewerbe- Vereine,   19. 

Delegierten -Tag   zu  Malle  a.  S.     Von 

Robert  Breuer  —  Berlin  .  .  .  126 — 128 
Alfred  Mesself —Berlin.     Von    Dr.   Fritz 

Wolff — Berlin 129 — 130 

Adolf  Münzer — München.    Von  Dr.  Georg 

Jacob  Wolf  —  München  ....  133  —  143 
Zeichnende  Künste.  Von  Dr.  Hans  Bethge 

—  Berlin-Steglitz 145  — 151 

Professor  Heinrich   Metitendorf — Bensheim. 

Von  Professor   H.  Werner  .     .      153  — 164 


Deutsche  Werkstätten  für  Handwerkskunst. 
Von  Robert  Breuer — Berlin  .     . 

Blumen-Bindekunst.  Zu  den  Arbeiten  von 
Franziska  Brück.  Von  Anton  Jau- 
mann—  Berlin 

Maler     Fritz     Oßwald  —  München.     Von 
Wilhelm  Michel  —  München  . 

Aus  einem  Brief  an  d,is  XVIir.  Jahrhundert. 
Von  Dr.  R  ichard  Schaukai — Wien 

Von  der  Freude    und  vom  Afaterial.     Von 
'    H.  Lang-Danoli  —  Darmstadt 

Chauvinismus  und  Landschaft.  Von  Dr. 
E.  W.  Bredt  —  München  .... 

Akademie  bildender  Künstler  in  Wien 

Die  Malerei  in  ihrer  Beziehung  zur  Bau- 
kunst und  das  moderne  Empfinden. 
Von  Dr.  Herrn.  Schmitz — Berlin 

^L  Meurers  vergleichende  Formenlehre  der 
Pflanzen.  Von  M.  Seliger  —  Leipzig 

Zweckform  und  Ornament.  Von  Otto 
Scheffers  — Dessau 

Imitation  und  Surrogat.  Von  Karl  Heinr. 
Otto 

Paul  Bürck — München.    Von  Th.  Volbebr 

—  München 

Farben-Wirkungen.     Von   Dr.  Emil  Utitz 

-Prag 

Wandmalerei  Kunslgewerbeschule  Hamburg. 

Von  Willy  von  Beckerath  .     . 
Aufstellung  von  Monumcntal-Plastik.     Von 

Dr.  A.  K.  Brinckniann  —  Aachen  . 
Buchkunst.     Eine  Glosse  von  Dr.  Richard 

Schaukai — Wien 

Königliche     Porzellan  -Manufaktur — Berlin. 

Von  Dr.  phil.  E.  Jaff6  — Friede'nau 
l'assaden  -  Entwürfe     von     Architekt     Paul 

Würzicr-Klopsch 

Max  Klingers  Wand-Gemälde  für  die  Aula  der 

Universität  Leipzig.    Von  Paul  Kühn 

—  Leipzig 


Seilt 

165- 

-181 

182- 

-188 

192- 

-196 

197- 

-200 

201- 

-205 

206- 

-210 

210 

21  1- 

-219 

220- 

-232 

234- 

-238 

239- 

-245 

251- 

-257 

258- 

-269 

275- 

280 

281- 

-288 

289- 

-291 

297- 

-302 

307 

310 


44 
70 

75 


132 


Ausstellung   für   christliche  Kunst — Dussel-  Seite 

dorf.     Von  Rob.  Breuer  —  Berlin  .  313 — 346 

Projekt  für  die  Ausmalung  der  heiligen 
Geistkirche  in  Düsseldorf.  Von  Kolo- 
man Moser — Wien 349 — 352 

Deutsches  und  ausländisches  Kunstgewerbe. 

Von  H.  Lang-Danoli-Darmstadt  359 — 362 

Die  künstlerische  Objektivität.    VonWilh. 

Michel  —  München 363  —  368 

BEILAGEN: 


Gemälde:  »Sommerwiese«.  Von  Ludwig 
von  Hof  mann — Weimar 

Gemälde:  »Exotischer  Tanz«.  Von  L. 
von  Hofmann — Weimar 

Eß-Zimmer  im  Hause  des  Herrn  Lloyd- 
Direktors  Petzet  in  Bremen.  Von 
Professor  Bruno  Paul  —  Berlin 

Chinesisches  Gemälde :   Bildnis  zweier  Damen 

Chinesisches  Gemälde:  »Liebespaar«  . 

Karikatur.  Von  Emil  Preetorius  — 
Darmstadt 

Gemälde:   »Badende«.     Von  Ad.  Münzer 

—  München 

Dekorative  Panneaux:  »Schauspiel  und  Ge- 
sang«, »Tanz  und  Maskerade«.  \'on 
Adolf  Münzer  —  München  . 

Gemälde:  »Sommertag«.  VonFr.  Oßwald 

—  München 

Ansichtskarten :     Kaiser  -Jubiläums  -  Huldi- 
gungsfestzug.    Von  Remigius  Gey 
ling — Wien 

Städtebilder  der  Wiener  Werkstätte:  Schul- 
Professor  B.  Löffler — Wien  und  Schule 
Professor  C.  O.  Czeschka  —  Hamburg   . 

Ansichtskarten.  Von  Schule  Professor  B. 
Löffler — Wien,  von  P'.  Dellavilla  und 
von  O.  Kokoschka — Wien     .... 

Radierung:   »Frühling«.    Von  Paul  Bürck 

Radierung:  »Die  drei  Gletscher«.  Von 
Paul  Bürck  —  München  .... 

Radierung:    »Reigen«.     Von  Paul  Bürck 

—  München 

Marmorbüste  und  Halbfigur  in  Bronze.   Von 

G.  A.  Bredow  —  Stuttgart     .     .     . 

Wandgemälde:  »Homer«.  »Aristoteles  und 
Plato«  für  die  Aula  der  Univereität  Leip- 
zig.    Von   Max  Klinger  —  Leipzig 

Gemälde:  »Heilige  jungfrau  mit  dem  Kinde«. 
Von  Manzana-Pissarro  —  Paris    . 

Holzschnitt  »Taufe  Christi«.  Von  Georg 
Minne  —  Laethem 


138  —  139 
190 

241 

242—243 

244 
250 

259 

265 

272.    273 

304-    30s 
3«2 

329 


ILLUSTRATIONEN  U.  VOLLBILDER: 

Architektur  S.  24,  25 — 28,  30,  31,  210,  211, 
281  —  288,  308,309,338,339;  Ausstellungsgebäude  und 
Ausstellungsräume  S.  332,  337;  Ansichtskarten  und 
Städtebilder  S.  240 — 245;  Beleuchtungskörper  S.  232  — 
235;  Blumen-Körbchen  und  Blumen-Halter  S.  88,  89, 
182  — 186,  222—225;  Braunen  S.  91;  Bucheinbände 
S.  188;  Buchschmuck  S.  123,  125,  341;  Denkmäler 
S.  281 — 288;  Erker  und  Fenster  S.  166,  209;  Ex- 
libris S.  123,  248;  Fächer  S.  289;  Gartenanlagen 
S.  53 — 61;  Gemälde  S.  2 — 17,  132  — 143,  190 — 200, 
251,  252,  254,  25b,  258,  261—263,  304.  305.  312 
— 319;  Glasmalereien  und  Kunstverglasungen  S.  46 
—49.  33'.  337;  Grabmäler  S.  50—52,  344—345; 
Grundrisse  S.  153,  155,  158,  159,  162,  281  —  288, 
347;  Hallen  und  Dielen  S.  32,  33,  34;  Höfe  S.  152, 
155;  Holzschnitte  S.  329,  343;  Kamine  und  Öfen 
S-  34.  37.  43;  Kassetten  und  Dosen  S.  226,  229, 
230,  236,  237;  Keramik  (Tafelgeräle)  S.  170,  172 — 175, 
218:  Keramik  (Blumenvasen)  S.  171  — 173,  176, 177,  2  19, 
297,  298,  300,  302,  307,  366 — 367;  Keramik  (figürilche) 
S.  109 — 112,  220,  299 — 301,  334,  362;  Keramik 
(ornamentale)  S  105 — 107;  Kindergartenhäuschen  und 
Kindermöbel  S.  62,  63,  65;  Kinderspielzeug  S.  66 
— 68;  Kirchen  und  kirchliche  Kunst  S.  295,  312  — 
370;  Küchen  S.  41,  208;  Landh.äuser  und  Villen 
S  152  — 164,  202;  Lederarbeiten  S.  226;  Malerei  (deko- 
rative) S.  19  -22,  70— 83, 138— 139,  276,  277,  279,  324 
—328,  332,  333,  347—361;  Medaillen  S.  370;  Musik- 
instramente S.  loi;  Obstkörbchen  S.  218,  223,  225,  238; 
Metallarbeiten  S.  92,  94,  95,  221,  225,  228  —  238,  294 
—  296,340 — 342;  Möbel  (verschiedene)  S.  181;  Mosaiken 
S.  85 — 91,  343 ;  Ornamentale  Schrift  S.  246,  247;  Plakate 
S.  112,  120;  Plastik  (figürliche)  S.  272,  273,  335 — 336; 
Porzellane  S.  105  — 107,  109 — 113,  170 — 173,  297 
— 302;  Radierangen  S.  147 — 149,  250,  253,  255, 
257.  259,  261,  264,  265,  270;  Rauchgarnituren  S. 
228,  231;  Rohimöbel  S.  64;  Schmucksachen  und  Gold- 
und  Silberarbeiten  S.  91 — 97,  227,  363 — 365;  Spiegel 
S.  169;  Stickereien  und  Webereien  S.  102 — 104,  126, 
178,179,  289—293,368;  Studien  S.  267,  275,  278  — 
280;  Tafelgeräte  S.  223,  228,  230;  Teppiche  S.  168; 
Teeservice  S.  230;  Tintenfaß  .S.  170;  Toilettegarnitur 
S.  228;  Treppenhäuser  S.  204,  205;  Türen  und  Tore 
S.  31;  Uhren  S.  221,  231;  Veranda  .S.  55;  Verkaufs- 
lokale S.  211,  212 — 215;  Wintergärten  S.  29;  Zeich- 
nungen S.  23,  113  — 119,  144 — 146,  150,  151,  320 — 
323;  Zimmer:  Billardzimmer  S.  100;  Herren-  und  Ar- 
beitszimmer S.  43,  44,  45,  167;  Fremdenzimmer  S.  42, 
98,  209;  Musikzimmer  S.  100;  Salon  und  Empfangs- 
zimmer S  36,  37;  Schlafzimmer  S.  38,  39,  99,  165, 
166;  Speisezimmer  S.  35,  40,  46,  47,  98,  99,  207, 
216,  217;  Vorräume  S.  203,  206;  Wohnzimmer  S.  167. 


Namen-Verzeichnis. 


Aluminia — Kopenhagen 

Ashbee,   C.   R.  —  London 

Barlach,  E — Berlin 

Beckerath,  Willy  von 

Beckmann,  M.  —  Hermsdorf 

Bcnir^chke,  Max — Düsseldorf 

Berlin,   Kgl.    Porzellan-Maniifakdir     . 

Herlsch,   Karl  -München 

Bethge,  Dr.  Hans— Berlin  .     .     .     71—841 

Beulinger,  E. — Heillironn 

Brandt,  H. — Friedbetg 

Bredt,  Dr.  E.  W.— München 

Bredow,  G.  A. — Stutigart 

Breuer,   Robert — Berlin.     .      .      .16  —  19. 
37—45.     126—128. 
Brinckmann,  Dr.   A.  E. — Aachen 

Brück,  Franziska — Berlin 

Burg.   H.  —  Gießen 

Bürck,  Paul — München 

Crane,  Walter — London 

Cooper,  Paul — London 

Corinth,  Ixivis — Berlin 

Czcschka,  Professor  C.  O. — Hamburg    . 

Denis,  Maurice—  Paris 

Deutsche  Werkstätten  für  Handwerkskunst 
— Dresden-München     ....      68. 

Diwecky.  J. — Wien 

Eeg,  Karl  u.  Runge,  Eduard — Bremen    .  26 
—  27.      29.     31.     38— 4'-     44- 

Eichler,  Th.  K.— Meißen 

Ehmsen,   H. — Düsseldorf 

Festersen — Berlin 

Korstner,  Leopold — Wien 

Frank,  Erna  —  Berlin 

Oewin,  J.  Chr.  —  Darmstadt 

Geyling,  Remigius — Wien 

Geyringer,  Helene — Wien 

Gildemeister,  F.  R.— Bremen       .... 

GoUer,  Josef— Dresden 

Grasegger,  Georg  —  Köln 

Groß,  Prof.   K.— Dresden 

Gschwend,  Konrad — Hannover  .... 
Gußmann,  Prof.  Otto — Dresden   .... 

Hartz,   Wilhelm  -Dresden 

Haundler,   Marie — Wien 

Hhschke,   Hermann 

Hildenbrand,  Adolf — Pforzheim  .... 
Hoffmann,  Prof.  Josef — Wien  .... 
Hofmann,  Ludwig  von  —  Weimar 


Seite 
105  —  107 

'5' 

275 — 280 

146 

339 

297—302 

166 

45-151 

IUI 

99 
206 — 210 
272—273 

165—181 
281—288 
182—186 

99 
251  —  270 

"03 

294 

3>7 
23<>.  243 
3  "4-    315 

165  — 181 
240 

45-       5' 
1 1  2 

343 

>74-'r5 

85-91 

148 

98 

241 

290 

53-61 

33' 

336 

342 

340 

168—169 

"3 

289.    290 
276 

343 

201—237 

2  —  22 


Hölzel,  Adolf — Stuttgart 

Hösel,  E. — Meißen 

Huber-Feldkirch,  Josef — München  .     . 

Hudler,  August  f 

Jaffe,  Dr.  phil.  Ernst — Friedenau 

Jahns,  Max 

Jansen  &  Meeussen — Bremen  ...       30. 

32—37.     42. 

Jaumann,  Anton — Berlin      .     .     .  91 — 96. 

Jegglf,  J.  -  Münster 

Khnopff,  Fernand — Brüssel 

Klcesattel,   Prof.  J. — Düsseldorf    .... 

Kleinhempel,  Erich — Dresden 

Klinger,  Prof.  Max — Leipzig 

Klingspor,  Gebr. — Offcnb.ich 

Kögler,  Paul — Hamburg 

Kokoschka,  O. — Wien 

König — Dresden 

KreLs,  Prof.  Wilhelm — Düsseldorf     .     .     . 

Krug,  J. — Darmstadt 

Kühn,  Paul — Leipzig 

Kühne,  Max   Hans — Dresden 

Kuöhl,   Richard — Berlin 

L.%ng-Danoli,   H. — Darmstadt   .     201  —  205. 

Lari'ch,  Rudolf  von — Wien 

lüuger,  Prof.  Max — Karlsruhe     171  — 173. 

176. 
Lauwcriks,  J.  L.  M.  —  Düsseldorf 

Lettre-,   Kmil-    Berlin 

l.iebermann,   Prof.   Max — Berlin    .... 
Löffler,  Prof.  B.— Wien      .     .     .     .220. 

Luley,  D. — Bremen 

Manzana- Pissarro — Paris 

Marx-Diestehnann,  Lizzie — Dessau 
Maßinann,   Walter — Hamburg       .... 
Meißen,  Kgl.  Sachs.  Porzellan-Manufaktur  . 
Mendes  da  Costa,  Josef — Amsterdam     .     . 

Mergehen,  Lud. — Frankfurt 

Messel,  Prof.  Alfred  | 

Meurer,  Prof.   M. — Rom 

Metzendorf,  Prof.   Heinrich — Bensheim  . 
Michel,  Wilhelm — München       .    113  — 118. 

191  — 196. 

Minne,  Georg  —  I^ethem 

Morris,  May — London 

Moser,  Prof.   Kolo — Wien  .     .226.    230. 

238-      337. 

Munch,  Ed. — Kopenhagen 

Münzer,  Adolf — München 


Seile 

3>8. 

3'9 

1 12 

33' 

335 

297- 

-302 

278 

43 

50 

182- 

-188 

340 

323 

347 

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244 

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344 

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68 

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278 

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362 

370 

129- 

-130 

220- 

-232 

152- 

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363- 

-3O8 

329 

291 

347- 

-358 

150 

132- 

-'43 

Niemeyer,  Prof.  Adelbert — München    170. 
Nymphenburg,     Kgl.    BayTische    Porzellan- 
Manufaktur    170. 

Osbom,  Dr.  Max — Berlin 

Oßwald,  Fritze-München 

Otto,   Karl  Heinrich 

Päßler,  O.— Dresden 

Paul,  Prof.   Bruno — Berlin 

Pilz,  Otto— Dresden 

Pirchan,  Emil,  Architekt — München 

Powolny,  Mich. — Wien 

Prack,  W.  O.— Frankfurt 

Preetorius,  Emil — Darrastadt 

Prochownick,  L. — Berlin 

Prutscher,  Prof.  O.— Wien 

Puvis  de  Chavannes,  Pierre -f 

Riegel,  Prof.  Ernst — Darmstadt   .... 
Riemerschmid,  Prof.  Rieh.       .     165 — 167. 

Rochmann— Dresden 

Rößler,  Paul— Dresden 

Rohde,  Georg  K. — Bremen 

Rudel,  Johann — Elberfeld 

Schäfer,  Dr.  Karl  —  Bremen 

Schaukai,  Dr.  Rieh. — Wien     .     197 — 200. 

Scheffers,  Otto — Dessau 

Schinnerer,  A. — Tenneslohe 

.Schmitz,  Dr.  Hermann — Berlin     .... 

Schröder,  R.  A. — Bremen 

Scott,  Baillie— Bedford 

Seliger,  Prof.  Max — Leipzig 

Seuf ert,  Robert  —  Düsseldorf 

Simon,  Jeanne  — Paris 

Skovgaard,  Joakim — Kopenhagen       .     .     . 
Slevogt,  Max — Berlin 


Seite  Seite 

172.     173  Stegmayer,  Mathilde — Damistadt  ....  104 

Stief,  Karl — Darmstadt 100 

172.     173       Stock,  Karl — Frankfurt 370 

3 — 15      Strathmann,  Karl — München 328 

190 — 200      Thom-Prikker,  Jan— Krefeld 333 

239 — 245  Toorop,  Jan — Nymwegen    ....    320.  321.    322 

109  Utitz,  Dr.  Emil— Prag    ....   53—68.  258—269 

^^ — ^5       Veil,  Theodor — München 338 

110.     III  Vereinigte  Werkstätten  für  Kunst  im  Hand- 

126.    368               werk — München 65 — 67 

218-219      Volbehr,  Th. — Magdeburg 251 — 257 

370  Wagner,  Hugo — Bremen     .     .     .     .     .     .  24 — 2b 

113 — 125       Wallenfang,  M. — Darmstadt 100 

145       Walther,  C.  P.— Meißen 109 

236.    307       Wegener,  Olga  Julia — Berlin 71 

313       Wehland,  Friedrich 276-^278 

296      Wehner,  Eduard — Düsseldorf 344.    345 

178.     179  Weidemeyer,  Carl — Bremen     .     .   23.    52.  62 — 67 

lio      Wenig,  Bernhard  —  München 340.    341 

326.    327  Werner,  Prof.  H. — Bensheim       ....  153  — 164 

46 — 49  Westheim,  Paul — Berlin      .     22.    46 — 52.  118.     119 

188       Wiener  Mosaik -Werkstätte 85 — 91 

23 — 36  Wiener  Produktiv-Genossenschaft       ...  290 

289  —  291       Wimmer,  E.  J. — Wien 367 

234 — 238  Wislicenus,  Else  Frau  Prof. — Breslau    .     .  292 

149      Witzmann,  Karl — Wien 227 

211 — 219  Wolf,  Dr.  Georg  Jakob — München  .      .     .  133  — 143 

28       Wolff,  Dr.  Fritz— Berlin 129—130 

181.    293  Würzler-Klopsch,  Paul — Leipzig  ....  308.    309 

220 — 232      Zaiser,  Ludwig 278 — 280 

359 — 331  Zauleck,  Chr. — Düsseldorf  ......  345 

316      Zimmermann,  Dr.  Ernst 105  — 108 

324.    325       Zuckerkandl,  B. — Wien 85 — 90 

147 


FRANZ    CHRISTOPHE — BERLIN.         SILHOUETTEN-SCHNITT. 


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Deutsche  Kunst  und  Jekoratl 


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